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Erdődy machte sich selbst ein Bild von der Lage und fuhr für einige Stunden in das nahe Budapest, um die Aussagen von Lukachich von Somorja über die Zustände in der Stadt bestätigt zu sehen. | Erdődy machte sich selbst ein Bild von der Lage und fuhr für einige Stunden in das nahe Budapest, um die Aussagen von Lukachich von Somorja über die Zustände in der Stadt bestätigt zu sehen. | ||
[[Datei:Mihály Károlyi.jpg|mini|150px|Michael Károlyi, der zukünftige Ministerpräsident Ungarns | |||
In den nächsten Tagen war Schloss Gödöllö Schauplatz von Verhandlungen zwischen Karl und den Vertretern verschiedener politischer Richtungen mit dem Ziel zumindest Ungarn für die Habsburger zu sichern. So sprach Karl mit konservativen Politikern wie [[w:Albert von Apponyi|Albert von Apponyi]], [[w:Gyula Andrássy der Jüngere|Julius Andrássy]] oder [[w:János Hadik|Johann Hadik]], Vertreter radikaler Strömungen wie [[w:Mihály Károlyi|Michael Károlyi]] oder der Sozialdemokratie wie [[w:Zsigmond Kunfi|Siegmund Kunfi]].<ref>{{Literatur |Autor=Paul Szemere, Erich Czech|Titel=Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.|Verlag=Amalthea-Verlag|Ort=Wien|Datum=1931|Seiten=162 bis 163}}</ref> | |||
Als die Nachrichten aus Wien den Kaiser immer schlechter wurden, so stand der Zerfall der Armee im Raum und Sozialdemokratien wie [[w:Viktor Adler|Viktor Adler]], [[w:Karl Renner|Karl Renner]] oder [[w:Karl Seitz|Karl Seitz]] forderten vor Tausenden Menschen die Abdankung Karls, entschloss sich das Kaiserpaar nach Wien zurückzukehren. Um dies nicht als Zeichen für eine Flucht aus Ungarn aussehen zu lassen, fasste man den schweren Entschluss die Kinder in Gödöllö zu belassen.<ref>{{Literatur |Autor=Paul Szemere, Erich Czech|Titel=Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.|Verlag=Amalthea-Verlag|Ort=Wien|Datum=1931|Seiten=164}}</ref><ref>[https://ww1.habsburger.net/de/kapitel/die-letzten-tage-der-monarchie Die letzten Tage der Monarchie], Webseite habsburger.net, abgerufen am 12. Februar 2021</ref> | |||
Der schwer bewachte Hofzug benötigte für die Strecke Gödöllö - Wien das Dreifache der normalen Reisezeit, weil man unterwegs Anschläge auf den Zug oder [[w:Sabotage|Sabotage]]aktionen auf die Gleisanlagen befürchtete. Als dieser in den Wiener Ostbahnhof einfuhr, warteten schon die Hofautos auf das Kaiserpaar mit dem die Fahrt nach Schönbrunn weitergehen sollte. Bei der Abfahrt der Autokolonne entlud sich die Wut über Wochen, Monate und Jahre der Entbehrungen, des Hungers und der Angst, hervorgerufen auch durch die in dieser Zeit in Wien grassierende [[w:Spanische Grippe|Spanischen Grippe]], in Form von Anpöbelungen und Beleidigungen durch zahlreiche Schaulustige, ehe man ohne weitere Zwischenfälle Schönbrunn im Westen Wien erreichte.<ref>{{Literatur |Autor=Paul Szemere, Erich Czech|Titel=Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.|Verlag=Amalthea-Verlag|Ort=Wien|Datum=1931|Seiten=164 bis 167}}</ref> | |||
==== Die letzten Tage in Schloss Schönbrunn ==== | |||
Wie in Gödöllö standen auch die ersten Tage in Schloss Schönbrunn im Zeichen von Verhandlungen. Der Kaiser empfing neben Politikern wie Karl Renner, Karl Seitz, Otto Ender, [[w:Ignaz Seipel|Ignaz Seipel]] auch [[w:Heinrich Lammasch|Heinrich Lammasch]], dem er am 27. Oktober 1918 die Regierungsverantwortung übertrug und der am Tag seiner Ernennung von der Wiener Tageszeitung [[w:Die Presse|Neue Freie Presse]] als „Liquidator des alten Österreich“ tituliert wurde. Tatsächlich befand sich die Monarchie in Auflösung. Von der Front fuhren die ersten Eisenbahnzüge mit schwer bewaffneten und desertierenden tschechischen Truppen zurück in deren Heimat. Auch in Wien begannen Soldaten Magazine zu plündern, ohne dass sie daran von ihren Offizieren gehindert wurden.<ref>{{Literatur |Autor=Paul Szemere, Erich Czech|Titel=Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.|Verlag=Amalthea-Verlag|Ort=Wien|Datum=1931|Seiten=168}}</ref> | |||
[[Datei:800px-Oszirozsas forradalmarok.jpg|mini|150px|Ungarische Revolutionäre (31. Oktober 1918)]] | |||
Michael Károlyi, der mit dem Hofzug von Gödöllö nach Wien mitgefahren war, um mit Karl weiter zu verhandeln, wartete indessen in einem Wiener Hotel darauf, dass ihn der Kaiser nochmals empfange. Da dies aber nicht geschah, fuhr er mit dem Zug wieder zurück nach Budapest und sprach laut Tamás Erdődy bei seiner Ankunft vor Zehntausenden am Bahnhof auf ihn wartenden Menschen den einen Satz:<ref>{{Literatur |Autor=Paul Szemere, Erich Czech|Titel=Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.|Verlag=Amalthea-Verlag|Ort=Wien|Datum=1931|Seiten=169}}</ref> | |||
{{Zitat|Wir haben keinen König mehr!}} | |||
Als Folge der in diesen Tagen ausbrechenden sogenannten [[w:Asternrevolution|Asternrevolution]], musste ihn Karl schließlich am 31. Oktober 1918 zum neuen Ministerpräsidenten Ungarns ernennen, nachdem er am 27. Oktober noch versucht hatte, mit János Hadik einen Vertreter der alten Oberschicht Ungarns auf diesem Posten zu installieren. | |||
Das Kaiserehepaar belastete zur dieser Zeit auch eine große private Sorge, denn der sich abzeichnende Umbruch in Ungarn bedeutete auch eine große Gefahr für die in Gödöllö zurückgelassenen Kinder. Laut Tamás Erdődy fasste sich Rittmeister Valla ein Herz und brach mit einem Automobil nach Gödöllö auf, um die Kinder zu retten. Valla gelangte glücklich nach Gödllö, wo er die Kinder aufnahm und sie trotz vieler Straßensperren nach Schönbrunn brachte, während das Schloss bereits von einer Menschenmenge regelrecht belagert wurde. Die glückliche Ankunft der Kinder am 30. Oktober 1918 bedeutete für Karl und Zita den einzigen Lichtblick in dieser Phase des Zusammenbruches der Monarchie.<ref>{{Literatur |Autor=Paul Szemere, Erich Czech|Titel=Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.|Verlag=Amalthea-Verlag|Ort=Wien|Datum=1931|Seiten=172 und 173}}</ref> | |||
[[Datei:Trabantenleibgarde 1900.jpg|mini|150px|Die Trabantenleibgarde löste sich einfach auf]] | |||
Tamás Erdődys größte Sorge in dieser Umbruchszeit war die Sicherheit der kaiserlichen Familie zu garantieren. Zu seinem Entsetzen hatte sich die für diese Aufgabe eigentlich geschaffene [[w:k.k. Trabantenleibgarde|k.k. Trabantenleibgarde]] einfach aufgelöst. An ihre Stelle trat freiwillig ein [[w:Bataillon|Bataillon]] des [[w:Liste der k.u.k. Kampftruppen im Juli 1914#Nr. 101–102|Infanterie-Regiments 101]] aus [[w:Békéscsaba|Békéscsaba]]. Aber auch hier zeichnete sich ein schnelles Ende ab, als der Bataillonskommandant, ein [[w:Major|Major]], eines Morgens das Büro von Erdődy betrat:<ref>{{Literatur |Autor=Paul Szemere, Erich Czech|Titel=Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.|Verlag=Amalthea-Verlag|Ort=Wien|Datum=1931|Seiten=178 und 179}}</ref> | |||
{{Zitat|"Wir gehen nach Haus...". "Wer?". "Nun, das ganze Bataillon...". Ich begriff und stammelte: "Ja, wieso?". "Lieber Kamerad, hier geht alles drunter und drüber. Bei uns in Ungarn auch. Es ist allerhöchste Zeit, daß ich trachte, das Bataillon noch halbwegs in Ordnung nach Hause zu bringen." Er machte rasch kehrt und verließ die Kanzlei.}} | |||
Erdődy musste nun improvisieren und es gelang ihm in der Stadt einige abgerüstete Soldaten zu bewegen, freiwillig Schloss Schönbrunn zu bewachen. Aufgrund seiner guten Beziehungen zur [[w:Berufsfeuerwehr Wien|Wiener Feuerwehr]] wurden diese Wachen durch Angehörige der Feuerwehr verstärkt. Einen Tag später meldeten sich Einheiten der [[w:Theresianische Militärakademie|Theresianischen Militärakademie]] aus [[Wiener Neustadt]] bei Erdődy, welche nun die Wachaufgabe übernahmen.<ref>{{Literatur |Autor=Paul Szemere, Erich Czech|Titel=Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.|Verlag=Amalthea-Verlag|Ort=Wien|Datum=1931|Seiten=179 und 180}}</ref> | |||
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Karl wurde von Tamás Erdődy in den nächsten Tagen immer wieder bedrängt, nach [[w:Schloss Eckartsau|Schloss Eckartsau]] zu übersiedeln, da es immer schwieriger wurde in Schönbrunn die Sicherheit der Kaiserfamilie sicherzustellen. In der Nacht von 10. auf den 11. November unterschrieb Karl im Beisein von Ministerpräsident Heinrich Lammasch nach langem Drängen eine Verzichtserklärung und enthob gleichzeitig die Regierung Lammasch ihres Amtes. | |||
[[Datei:Verzichtserklärung Karl I. 11.11.1918.jpg|mini|150px|Verzichtserklärung vom 11. November 1918]] | |||
Als am nächsten Tag eine lange Kolonne [[Floridsdorf]]er Metallarbeiter in Richtung Schönbrunn marschierte und sich versuchte mit Brechwerkzeugen am Tor zu schaffen zu machen, sah auch Karl ein, dass es im Schloss für seine Familie zu gefährlich wurde. Da man aber Schönbrunn mit den Hofsautos durch den Vordereingang wegen der wütenden Menge nicht mehr verlassen konnte, wurden kurzerhand sieben Wiener Taxis organisiert. Mit ihnen verließ der letzte Habsburger Kaiser durch einen Seitenausgang Schönbrunn, um nach Schloss Eckartsau gebracht zu werden. Tamás Erdődy marschierte indessen in Uniform im Schlosshof auf und ab, um die Menge von den wegfahrenden Taxis abzulenken. Einen Tag später folgte auch er in einem Taxi, nun als Zivilist bekleidet, der Familie Habsburg nach Schloss Eckartsau nach.<ref>{{Literatur |Autor=Paul Szemere, Erich Czech|Titel=Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.|Verlag=Amalthea-Verlag|Ort=Wien|Datum=1931|Seiten=181}}</ref> | |||
=== Entstehung des Burgenlandes === | === Entstehung des Burgenlandes === |