AV Austria-Sagitta Wien: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Entstehung der AV Austria-Sagitta Wien ist ganz im Kontext der zahlreichen sozialen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verstehen.<ref>{{Literatur |Autor=Bernhard Weidinger |Titel=1968 und die Reaktion(en). Neuer akademischer Kulturkampf und rechter Richtungsstreit an österreichischen Universitäten um 1970. |Hrsg=Massimiliano Livi, Daniel Schmidt und Michael Sturm |Sammelwerk=Die 1970er Jahre als schwarzes Jahrzehnt. Politisierung und Mobilisierung zwischen christlicher Demokratie und extremer Rechter. |Verlag=Campus Verlag |Ort=Frankfurt am Main / New York |Datum=2010 |Seiten=167}}</ref> In den 1960er Jahren hatten sich die Studentenverbindungen des [[Österreichischer Cartellverband|Österreichischen Cartellverbandes (ÖCV)]] wiederholt mit ihren Grundprinzipien auseinandergesetzt. Die [[68er-Bewegung|liberalen Bewegungen an den Hochschulen]] lösten eine lebhafte Debatte um Reformen im Verband aus.<ref>{{Literatur |Autor=Robert Kriechbaumer |Titel=Die Ära Klaus. Aufgeklärter Konservativismus in den ‚kurzen‘ sechziger Jahren in Österreich. |Hrsg=Robert Kriechbaumer |Sammelwerk=Die Ära Josef Klaus. Österreich in den ‚kurzen‘ sechziger Jahren. Bd. 1. Dokumente. |Verlag=Böhlau |Ort=Wien / Köln / Weimar |Datum=1998 |Seiten=84}}</ref> Es wurde diskutiert, ihn für breitere Gesellschaftskreise zu öffnen. Mit Blick auf das Prinzip 'Religio' bedeutete das, über das Katholizitätsprinzip zu reflektieren.<ref>{{Literatur |Autor=Gerhard Hartmann |Titel=Treu zu Gott und Vaterland. Die Geschichte des CV in Österreich |Verlag=Lahn |Ort=Kevelaer |Datum=2023 |Seiten=926-927}}</ref> Die Öffnung des Verbandes im Sinne der Ökumene wurde erwogen. Schon im November 1967 war nämlich auf der KÖStV Kristall Leoben ein Protestant rezipiert worden.<ref>Vgl. Hartmann, Gerhard: Treu zu Gott und Vaterland. Die Geschichte des CV in Österreich. Kevelaer: Lahn 2023, S. 925.</ref> Einige Studentenverbindungen wie die [[AV Austria Innsbruck]] oder die [[KHV Babenberg Wien]] nahmen damals bereits progressive Standpunkte ein. Sie gründeten eigene Freundschaftsvereine, in denen sich auch Studenten engagieren konnten, die nicht dem bestehenden Kriterienkatalog entsprachen. Durch diese Vereinsgründungen ebbte die durchaus lebhafte verbandsinterne Debatte um die ‚[[Protestantismus|Protestantenfrage]]‘ vorerst ab. Doch bereits im Jahr 1974 sollte sich das ändern.
Die Entstehung der AV Austria-Sagitta Wien ist ganz im Kontext der zahlreichen sozialen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verstehen.<ref>{{Literatur |Autor=Bernhard Weidinger |Titel=1968 und die Reaktion(en). Neuer akademischer Kulturkampf und rechter Richtungsstreit an österreichischen Universitäten um 1970. |Hrsg=Massimiliano Livi, Daniel Schmidt und Michael Sturm |Sammelwerk=Die 1970er Jahre als schwarzes Jahrzehnt. Politisierung und Mobilisierung zwischen christlicher Demokratie und extremer Rechter. |Verlag=Campus Verlag |Ort=Frankfurt am Main / New York |Datum=2010 |Seiten=167}}</ref> In den 1960er Jahren hatten sich die Studentenverbindungen des [[Österreichischer Cartellverband|Österreichischen Cartellverbandes (ÖCV)]] wiederholt mit ihren Grundprinzipien auseinandergesetzt. Die [[68er-Bewegung|liberalen Bewegungen an den Hochschulen]] lösten eine lebhafte Debatte um Reformen im Verband aus.<ref>{{Literatur |Autor=Robert Kriechbaumer |Titel=Die Ära Klaus. Aufgeklärter Konservativismus in den ‚kurzen‘ sechziger Jahren in Österreich. |Hrsg=Robert Kriechbaumer |Sammelwerk=Die Ära Josef Klaus. Österreich in den ‚kurzen‘ sechziger Jahren. Bd. 1. Dokumente. |Verlag=Böhlau |Ort=Wien / Köln / Weimar |Datum=1998 |Seiten=84}}</ref> Es wurde diskutiert, ihn für breitere Gesellschaftskreise zu öffnen. Mit Blick auf das Prinzip 'Religio' bedeutete das, über das Katholizitätsprinzip zu reflektieren.<ref>{{Literatur |Autor=Gerhard Hartmann |Titel=Treu zu Gott und Vaterland. Die Geschichte des CV in Österreich |Verlag=Lahn |Ort=Kevelaer |Datum=2023 |Seiten=926-927}}</ref> Die Öffnung des Verbandes im Sinne der Ökumene wurde erwogen. Schon im November 1967 war nämlich auf der KÖStV Kristall Leoben ein Protestant rezipiert worden.<ref>Vgl. Hartmann, Gerhard: Treu zu Gott und Vaterland. Die Geschichte des CV in Österreich. Kevelaer: Lahn 2023, S. 925.</ref> Einige Studentenverbindungen wie die [[AV Austria Innsbruck]] oder die [[KHV Babenberg Wien]] nahmen damals bereits progressive Standpunkte ein. Sie gründeten eigene Freundschaftsvereine, in denen sich auch Studenten engagieren konnten, die nicht dem bestehenden Kriterienkatalog entsprachen. Durch diese Vereinsgründungen ebbte die durchaus lebhafte verbandsinterne Debatte um die ‚[[Protestantismus|Protestantenfrage]]‘ vorerst ab. Doch bereits im Jahr 1974 sollte sich das ändern.


Im Jahr 1974 wählte die [[KÖStV Austria Wien]] mit Theodor Detter einen neuen Philistersenior.<ref>{{Internetquelle |autor=Gerhard Hartmann |url=https://oecv.at/Biolex/Detail/10900156 |titel=Theodor Detter |datum=2016-03-09 |abruf=2023-09-27}}</ref> In der Austria Wien hatten sich damals zwei polare Flügel herausgebildet: Ein liberal-reformfreudiger, der die Hochschulpolitik und das Couleurstudententum modernisieren und erneuern wollte und ein traditionell-konservativer,<ref>Vgl. Hartmann (2023), S. 926–927.</ref> welcher die bestehenden Prinzipien unverändert zu bewahren suchte.<ref>Vgl. Hartmann (2023), S. 925.</ref> In dieser höchst angespannten Situation wurde bekannt, dass die KÖStV Austria Wien bereits im Jahr 1969 einen Protestanten aufgenommen hatte. Die zuvor kalmierte ‚Protestantenfrage‘ flammte erneut auf, da das Religioprinzip des Österreichischen Cartellverbands (ÖCV) weiterhin ausschließlich den katholischen Glauben vorsah. Um diese verworrene Situation zu lösen, wurde auf der XVIII. [[Cartellversammlung|CVV]] (1975) in Linz der Antrag gestellt, durch einen einmaligen Ausnahmebeschluss die Mitgliedschaft von bereits aufgenommenen protestantischen Mitgliedern zu erlauben.<ref>Vgl. Schieweck-Mauk, Siegfried: Lexikon der CV- und ÖCV-Verbindungen. Die Korporationen und Vereinigungen des Cartellverbandes der Katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV) und des Cartellverbandes der katholischen österreichischen Studentenverbindungen (ÖCV) in geschichtlichen Kurzdarstellungen. Würzburg: GDS 1997, S. 132–133.</ref> Der Antrag wurde allerdings abgelehnt, sodass die Austria Wien nach einem anderen Weg suchen musste, um die ‚Protestantenfrage‘ für sich zu lösen.<ref>{{Literatur |Titel=Profil. |Ort=Wien |Datum=1975-12-15 |Seiten=41}}</ref> Auf ihrem [[Convent (Studentenverbindung)|Burschenconvent]] (BC) am 25. November 1975 wurde die Gründung einer neuen - ökumenisch ausgerichteten -Studentenverbindung beschlossen.<ref>Vgl. Schiewek-Mauk (1997), S. 133.</ref> Sie sollte den Namen AV Austria-Sagitta erhalten. Das katholische 'Religioprinzip' der Austria Wien wurde zu einem ökumenisch-christlichen Religioverständnis erweitert. Die betroffenen protestantischen Mitglieder der Austria Wien konnten nun in diese übertreten.<ref>{{Literatur |Titel=Profil. |Band=8 |Ort=Wien |Datum=1977 |Seiten=24}}</ref> Dabei wurde festgelegt, dass deren Satzungen und Geschäftsordnung (GO) nicht im Widerspruch zu derjenigen ihrer Mutterverbindung stehen durften.<ref>Vgl. Schiewek-Mauk (1997), S. 133.</ref> Die treibenden Kräfte dieser Gründergeneration der AV Austria-Sagitta waren Andreas von Beringe, Niklas von Beringe, Martin Höllrigl, Hans-Michael Sorg, Thomas Willard Tiefenbrunner und Wolfgang Kapf – allesamt Mitglieder der Austria Wien. Zudem schlossen sich zehn [[Alte Herren (Studentenverbindung)|Alte Herren]] der Austria Wien der AV Austria-Sagitta an.<ref>Vgl. Schiewek-Mauk (1997), S. 133.</ref> Die finanzielle wie personelle Unterstützung der KÖStV Austria Wien war in den Anfangsjahren der AV Austria-Sagitta essentiell.<ref>Vgl. Hannes Schönner: Auf, mit Gott zur Mannestat! Die Geschichte der K.Ö.St.V. Austria-Wien. Festschrift anläßlich des 125. Stiftungsfestes. Klosterneuburg: Austria Wien 2001, S. 164-165.</ref> Auf der XIX. CVV (1976) in Baden sollte schließlich ein Freundschaftsabkommen zwischen der AV Austria-Sagitta und dem ÖCV geschlossen werden.<ref>Vgl. Schiewek-Mauk (1997), S. 133.</ref> In diesem wird ihr eine Sonderstellung unter den couleurstudentischen Verbindungen Österreichs zugestanden. Seither genießt sie sowohl auf der Cartellversammlung (CVV) als auch auf den Ortsparlamenten des Wiener Cartellverbandes das Sitz- und Rederecht.
Im Jahr 1974 wählte die [[KÖStV Austria Wien]] mit Theodor Detter einen neuen Philistersenior.<ref>{{Internetquelle |autor=Gerhard Hartmann |url=https://oecv.at/Biolex/Detail/10900156 |titel=Theodor Detter |datum=2016-03-09 |abruf=2023-09-27}}</ref> In der Austria Wien hatten sich damals zwei polare Flügel herausgebildet: Ein liberal-reformfreudiger, der die Hochschulpolitik und das Couleurstudententum modernisieren und erneuern wollte und ein traditionell-konservativer,<ref>Vgl. Hartmann (2023), S. 926–927.</ref> welcher die bestehenden Prinzipien unverändert zu bewahren suchte.<ref>Vgl. Hartmann (2023), S. 925.</ref> In dieser höchst angespannten Situation wurde bekannt, dass die KÖStV Austria Wien bereits im Jahr 1969 einen Protestanten aufgenommen hatte. Die zuvor kalmierte ‚Protestantenfrage‘ flammte erneut auf, da das Religioprinzip des Österreichischen Cartellverbands (ÖCV) weiterhin ausschließlich den katholischen Glauben vorsah. Um diese verworrene Situation zu lösen, wurde auf der XVIII. [[Cartellversammlung|CVV]] (1975) in Linz der Antrag gestellt, durch einen einmaligen Ausnahmebeschluss die Mitgliedschaft von bereits aufgenommenen protestantischen Mitgliedern zu erlauben.<ref>Vgl. Schieweck-Mauk, Siegfried: Lexikon der CV- und ÖCV-Verbindungen. Die Korporationen und Vereinigungen des Cartellverbandes der Katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV) und des Cartellverbandes der katholischen österreichischen Studentenverbindungen (ÖCV) in geschichtlichen Kurzdarstellungen. Würzburg: GDS 1997, S. 132–133.</ref> Der Antrag wurde allerdings abgelehnt, sodass die Austria Wien nach einem anderen Weg suchen musste, um die ‚Protestantenfrage‘ für sich zu lösen.<ref>{{Literatur |Titel=Profil. |Ort=Wien |Datum=1975-12-15 |Seiten=41}}</ref> Auf ihrem [[Convent (Studentenverbindung)|Burschenconvent]] (BC) am 25. November 1975 wurde die Gründung einer neuen - ökumenisch ausgerichteten -Studentenverbindung beschlossen.<ref>Vgl. Schiewek-Mauk (1997), S. 133.</ref> Sie sollte den Namen AV Austria-Sagitta erhalten. Das katholische 'Religioprinzip' der Austria Wien wurde zu einem ökumenisch-christlichen Religioverständnis erweitert. Die betroffenen protestantischen Mitglieder der Austria Wien konnten nun in diese übertreten.<ref>{{Literatur |Titel=Profil. |Band=8 |Ort=Wien |Datum=1977 |Seiten=24}}</ref> Dabei wurde festgelegt, dass deren Satzungen und Geschäftsordnung (GO) nicht im Widerspruch zu derjenigen ihrer Mutterverbindung stehen durften.<ref>Vgl. Schiewek-Mauk (1997), S. 133.</ref> Die treibenden Kräfte dieser Gründergeneration der AV Austria-Sagitta waren Andreas von Beringe, Niklas von Beringe, Martin Höllrigl, Hans-Michael Sorg, Dietbert Helbig-Neupauer,<ref>{{Internetquelle |autor=Gerhard Hartmann |url=https://oecv.at/Biolex/Detail/10900252 |titel=Dietbert Helbig-Neupauer |datum=2022-05-03 |abruf=2023-09-27}}</ref> Thomas Willard Tiefenbrunner und Wolfgang Kapf – allesamt Mitglieder der Austria Wien. Zudem schlossen sich zehn [[Alte Herren (Studentenverbindung)|Alte Herren]] der Austria Wien der AV Austria-Sagitta an.<ref>Vgl. Schiewek-Mauk (1997), S. 133.</ref> Die finanzielle wie personelle Unterstützung der KÖStV Austria Wien war in den Anfangsjahren der AV Austria-Sagitta essentiell.<ref>Vgl. Hannes Schönner: Auf, mit Gott zur Mannestat! Die Geschichte der K.Ö.St.V. Austria-Wien. Festschrift anläßlich des 125. Stiftungsfestes. Klosterneuburg: Austria Wien 2001, S. 164-165.</ref> Auf der XIX. CVV (1976) in Baden sollte schließlich ein Freundschaftsabkommen zwischen der AV Austria-Sagitta und dem ÖCV geschlossen werden.<ref>Vgl. Schiewek-Mauk (1997), S. 133.</ref> In diesem wird ihr eine Sonderstellung unter den couleurstudentischen Verbindungen Österreichs zugestanden. Seither genießt sie sowohl auf der Cartellversammlung (CVV) als auch auf den Ortsparlamenten des Wiener Cartellverbandes das Sitz- und Rederecht.


Im Jahr 1978 bezog die Austria-Sagitta bereits eine eigene Bude im CV-Haus in der Lerchenfelderstraße.<ref>Vgl. Schiewek-Mauk (1997), S. 133.</ref> Zwei Jahre später (WS 1980/81) erhielt ihr [[Altherrenverein|Altherrenverband]] eine eigenständige rechtliche Struktur. Auch das auf den österreichischen Staat bezogene 'Patriaprinzip' des ÖCVs wurde adaptiert. Die AV Austria-Sagitta bekennt sich ausdrücklich zum [[Europäische Integration|europäischen Gedanken]] (Libertasprinzip). Dementsprechend engagiert sie sich auch seit dessen Gründung (15. November 1975) im [[Europäischer Kartellverband|Europäischen Kartellverband (EKV)]]. In dessen ‚Freier Kurie‘ fiel ihr bald eine leitende Rolle zu. Folglich prägte sie in Österreich einen neuen nichtschlagenden, christlich-europäischen Verbindungstypus.  
Im Jahr 1978 bezog die Austria-Sagitta bereits eine eigene Bude im CV-Haus in der Lerchenfelderstraße.<ref>Vgl. Schiewek-Mauk (1997), S. 133.</ref> Zwei Jahre später (WS 1980/81) erhielt ihr [[Altherrenverein|Altherrenverband]] eine eigenständige rechtliche Struktur. Auch das auf den österreichischen Staat bezogene 'Patriaprinzip' des ÖCVs wurde adaptiert. Die AV Austria-Sagitta bekennt sich ausdrücklich zum [[Europäische Integration|europäischen Gedanken]] (Libertasprinzip). Dementsprechend engagiert sie sich auch seit dessen Gründung (15. November 1975) im [[Europäischer Kartellverband|Europäischen Kartellverband (EKV)]]. In dessen ‚Freier Kurie‘ fiel ihr bald eine leitende Rolle zu. Folglich prägte sie in Österreich einen neuen nichtschlagenden, christlich-europäischen Verbindungstypus.  
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