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In einem sich [[radikalisierenden]] [[Krieg]], in dem [[Mobilisierung]], [[Legitimierung]] und [[Sinnstiftung]] zu einer zentralen Frage wurden, fiel dem [[Theater]] als wichtigem [[öffentlichem]] [[Forum]] eine besondere Bedeutung zu. Das Theater sah sich im [[1. Weltkrieg]] als ein [[Medium]] konfrontiert, das [[Expressivität]] und [[Reflexivität]], komplexen [[künstlerischen Ausdruck]] und pure [[Unterhaltung]] miteinander verband. <ref>Baumeister: Kriegstheater. Großstadt, Front und Massenkultur. 1914 – 1918. (2005), S. 7-8.</ref> | |||
Das Theater wurde im [[w:Erster Weltkrieg|1. Weltkrieg]] unter anderem auch dazu [[w:Missbrauch|missbraucht]], um in Form der [[Propaganda]], die [[Sichtweisen]] der Bevölkerung im Sinne des Herrschers zu verändern und erwünschte Reaktionen der Bevölkerung zu steuern.<ref>So Norstedt u. a.: From the persian Gulf to Kosovo – War Journalism and Propaganda. In: European Journal of Communication 15 (2000), S. 383–404.</ref> | Das Theater wurde im [[w:Erster Weltkrieg|1. Weltkrieg]] unter anderem auch dazu [[w:Missbrauch|missbraucht]], um in Form der [[Propaganda]], die [[Sichtweisen]] der Bevölkerung im Sinne des Herrschers zu verändern und erwünschte Reaktionen der Bevölkerung zu steuern.<ref>So Norstedt u. a.: From the persian Gulf to Kosovo – War Journalism and Propaganda. In: European Journal of Communication 15 (2000), S. 383–404.</ref> | ||
== Bedeutung des Theaters im ersten Weltkrieg == | |||
In der Zeit des [[1. Weltkriegs]] entwickelten sich zwischen [[Militär]], [[Wirtschaft]] und [[politischen]] und [[gesellschaftlichen]] [[Organisationen]] neue [[Interaktionsformen]]. Es entstanden politische [[Praktiken]] und [[Modelle]], welche auf den Bereich der [[Kriegskultur]] verweisen. So rückten [[Mobilisierung]], [[Propaganda]] und das Problem der [[nationalen Identität]] im Krieg in das Zentrum der [[Kulturgeschichte]] der Jahre 1914-1918. | In der Zeit des [[1. Weltkriegs]] entwickelten sich zwischen [[Militär]], [[Wirtschaft]] und [[politischen]] und [[gesellschaftlichen]] [[Organisationen]] neue [[Interaktionsformen]]. Es entstanden politische [[Praktiken]] und [[Modelle]], welche auf den Bereich der [[Kriegskultur]] verweisen. So rückten [[Mobilisierung]], [[Propaganda]] und das Problem der [[nationalen Identität]] im Krieg in das Zentrum der [[Kulturgeschichte]] der Jahre 1914-1918. | ||
Auf den Bühnen der Kriegszeit wurden [[„Nation“]] und [[„Volk“]] in Figuren, Bildern und Handlungen unmittelbar sinnlich erfahrbar gemacht. | Auf den Bühnen der Kriegszeit wurden [[„Nation“]] und [[„Volk“]] in Figuren, Bildern und Handlungen unmittelbar sinnlich erfahrbar gemacht. | ||
Das Theater galt als [[Symbol]] nationaler Kultur, Inbegriff der Bildung und Reservat reiner, idealer Kunst und fungierte zugleich als Instanz kritischer Reflexion und kultureller Selbstvergewisserung. Die Kultur des [[Bürgertums]] lässt sich an der Geschichte seiner Theater ablesen. <ref>Baumeister: Kriegstheater. Großstadt, Front und Massenkultur. 1914 – 1918. (2005), S. 14.</ref> | Das Theater galt als [[Symbol]] nationaler Kultur, Inbegriff der Bildung und Reservat reiner, idealer Kunst und fungierte zugleich als Instanz kritischer Reflexion und kultureller Selbstvergewisserung. Die Kultur des [[Bürgertums]] lässt sich an der Geschichte seiner Theater ablesen. <ref>Baumeister: Kriegstheater. Großstadt, Front und Massenkultur. 1914 – 1918. (2005), S. 14.</ref> | ||
== Die Theaterpolizei == | |||
Die Aufgabe der Theaterpolizei war es, für öffentliche Ordnung und Sicherheit in den Theaterräumen zu sorgen. Gegen Demonstranten und Ruhestörer während der Aufführung wurde vorgegangen, Tumulte wurden bestmöglich verhindert. | Die Aufgabe der Theaterpolizei war es, für öffentliche Ordnung und Sicherheit in den Theaterräumen zu sorgen. Gegen Demonstranten und Ruhestörer während der Aufführung wurde vorgegangen, Tumulte wurden bestmöglich verhindert. | ||
Bevor ein Theaterstück aufgeführt wurde, musste das gedruckte Stück zur [[Kontrolle]] im [[Polizeipräsidium]] abgegeben werden.<ref>Houben: Polizei und Zensur. Längs- und Querschnitte durch die Geschichte der Buch- und Theaterzensur.(1926), S. 113</ref> | Bevor ein Theaterstück aufgeführt wurde, musste das gedruckte Stück zur [[Kontrolle]] im [[Polizeipräsidium]] abgegeben werden.<ref>Houben: Polizei und Zensur. Längs- und Querschnitte durch die Geschichte der Buch- und Theaterzensur.(1926), S. 113</ref> | ||
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Eine wichtige Aufgabe des Staates war es, zu erkennen, welche Gefahren von den sittlichen und geistigen Grundlagen des Volkslebens von den [[Mächten]] drohten, die die [[Schaubühne]] in Kriegszeiten beherrschten. Größtes Interesse bestand in der [[Überwachung]] des gesamten künstlerischen und technischen Betriebes des Theaters. Es galt zu verhindern, dass Darstellungen aufgeführt wurden, welche spielerisch oder unter dem Deckmantel tiefsinniger Problematik in der Lage waren, die Grundlagen zu erschüttern, auf denen das [[Staatswesen]] aufgebaut war.<ref>Dinter: Weltkrieg und Schaubühne. (1916), S. 24-27</ref> | Eine wichtige Aufgabe des Staates war es, zu erkennen, welche Gefahren von den sittlichen und geistigen Grundlagen des Volkslebens von den [[Mächten]] drohten, die die [[Schaubühne]] in Kriegszeiten beherrschten. Größtes Interesse bestand in der [[Überwachung]] des gesamten künstlerischen und technischen Betriebes des Theaters. Es galt zu verhindern, dass Darstellungen aufgeführt wurden, welche spielerisch oder unter dem Deckmantel tiefsinniger Problematik in der Lage waren, die Grundlagen zu erschüttern, auf denen das [[Staatswesen]] aufgebaut war.<ref>Dinter: Weltkrieg und Schaubühne. (1916), S. 24-27</ref> | ||
===Einfluss des Krieges auf das Theater | === Einfluss des Krieges auf das Theater == | ||
Der [[Spielplan]] des [[Wiener Burgtheaters]] formte sich während des Krieges durch mancherlei Veränderungen um. In Zeiten des Friedens wurde auf eine gerechte Verteilung des [[Klassischen]] und des [[Modernen]], des Ernsten und des Heiteren geachtet. Dies wurde etwas abgeändert durch den Spielplan des Krieges. Dieser war gezeichnet durch einen stark nationalen Charakter. Alle [[Dichter]], die den feindlichen Nationen angehörten, wurden aus dem [[Repertoire]] gestrichen. Begründet wurde dies dadurch, dass man bei den [[Autoren]] schwerlich eine Trennung in „deutschfeindliche“ und „deutschfreundliche“ durchführen könne. | Der [[Spielplan]] des [[Wiener Burgtheaters]] formte sich während des Krieges durch mancherlei Veränderungen um. In Zeiten des Friedens wurde auf eine gerechte Verteilung des [[Klassischen]] und des [[Modernen]], des Ernsten und des Heiteren geachtet. Dies wurde etwas abgeändert durch den Spielplan des Krieges. Dieser war gezeichnet durch einen stark nationalen Charakter. Alle [[Dichter]], die den feindlichen Nationen angehörten, wurden aus dem [[Repertoire]] gestrichen. Begründet wurde dies dadurch, dass man bei den [[Autoren]] schwerlich eine Trennung in „deutschfeindliche“ und „deutschfreundliche“ durchführen könne. | ||
Beispiele für gestrichene Aufführungen sind: | Beispiele für gestrichene Aufführungen sind: | ||
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*„Wallensteins Lager“, als ein charakteristisches Bild aus deutscher Soldatenvergangenheit.<ref>Kronfeld: Burgtheater und Weltkrieg (1917), S. 14-16</ref> | *„Wallensteins Lager“, als ein charakteristisches Bild aus deutscher Soldatenvergangenheit.<ref>Kronfeld: Burgtheater und Weltkrieg (1917), S. 14-16</ref> | ||
== Spielplan Theater an der Wien == | |||
Um den Kummer, den der Krieg auslöste zu entkommen, flüchteten viele in die Unterhaltung. Das Theater an der Wien eröffnete die Herbstsaison 1914 mit [[Emmerich Kálmáns]] Kriegsoperette „Gold gab ich für Eisen“. [[Karl Kraus]] vermerkte in [[der Fackel]]: „Diese Tatsache wird den Nachlebenden mehr über den [[Weltkrieg]], den wir gleichzeitig führen, zu denken geben als alle Geschichtsbücher.“ Im Jahre 1915 wurden in Wien 20 Operetten uraufgeführt, unter anderem Emmerich Kálmáns [[„Die Csárdásfürstin“]]. Während der vier Kriegsjahre gab es insgesamt 120 Operettenpremieren. Die Vergnügungsstätten, die [[Bühnen]], [[Revuetheater]] und [[Kinos]], konnten nicht über schlechten Besuch klagen. Ein wahrer Gründungsboom von „Kinematographen-Theatern“ setzte ein. | Um den Kummer, den der Krieg auslöste zu entkommen, flüchteten viele in die Unterhaltung. Das Theater an der Wien eröffnete die Herbstsaison 1914 mit [[Emmerich Kálmáns]] Kriegsoperette „Gold gab ich für Eisen“. [[Karl Kraus]] vermerkte in [[der Fackel]]: „Diese Tatsache wird den Nachlebenden mehr über den [[Weltkrieg]], den wir gleichzeitig führen, zu denken geben als alle Geschichtsbücher.“ Im Jahre 1915 wurden in Wien 20 Operetten uraufgeführt, unter anderem Emmerich Kálmáns [[„Die Csárdásfürstin“]]. Während der vier Kriegsjahre gab es insgesamt 120 Operettenpremieren. Die Vergnügungsstätten, die [[Bühnen]], [[Revuetheater]] und [[Kinos]], konnten nicht über schlechten Besuch klagen. Ein wahrer Gründungsboom von „Kinematographen-Theatern“ setzte ein. | ||
Zahlreiche prominente [[österreichische]] [[Literaten]] ergingen sich in hysterischer [[Kriegspropaganda]]: [[Hermann Bahr]], [[Hugo von Hofmannsthal]], [[Franz Theodor Csokor]], [[Felix Salten]], [[Franz Karl Ginzkey]], [[Rainer Maria Rilke]], [[Alfons Petzold]], [[Peter Rosegger]], [[Ottokar Kernstock]]. Auch [[Anton Wildgans‘]] berühmtes Wort vom „Volk der Tänzer und der Geiger“ steht in einem der fürchterlichen, hetzerischen Kriegsgedichte. Der Arbeiterdichter [[Alfons Petzold]] reimte: „Die Bücher hinein, das Schwert heraus/Schussfreudig die blanke Büchse…“, und der deutsch-völkische Priesterdichter [[Ottokar Kernstock]] verherrlichte das Morden als nationale Pflicht: „ Steirische Holzer, holzt mir gut/Mit Büchsenkolben die Serbenbrut…“ | Zahlreiche prominente [[österreichische]] [[Literaten]] ergingen sich in hysterischer [[Kriegspropaganda]]: [[Hermann Bahr]], [[Hugo von Hofmannsthal]], [[Franz Theodor Csokor]], [[Felix Salten]], [[Franz Karl Ginzkey]], [[Rainer Maria Rilke]], [[Alfons Petzold]], [[Peter Rosegger]], [[Ottokar Kernstock]]. Auch [[Anton Wildgans‘]] berühmtes Wort vom „Volk der Tänzer und der Geiger“ steht in einem der fürchterlichen, hetzerischen Kriegsgedichte. Der Arbeiterdichter [[Alfons Petzold]] reimte: „Die Bücher hinein, das Schwert heraus/Schussfreudig die blanke Büchse…“, und der deutsch-völkische Priesterdichter [[Ottokar Kernstock]] verherrlichte das Morden als nationale Pflicht: „ Steirische Holzer, holzt mir gut/Mit Büchsenkolben die Serbenbrut…“ |
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