Jüdische Gemeinde Kittsee: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Jüdisches Gemeindeleben um 1927 ===
=== Jüdisches Gemeindeleben um 1927 ===
[[File:Joseph Joachim.jpg|mini|Joseph Joachim (* 28. Juni 1831 in Kittsee, † 15. August 1907 in Berlin)]]
Im Jahr [[1927]] besuchte der Journalist [[w:Otto Abeles|Otto Abeles]] die Siebengemeinden und veröffentlichte seine Reiseberichte in Form der Artikelserie ''Altes und neues Judentum im Burgenland'' in der ''Wiener Morgenzeitung''.<ref>[https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Wiener_Morgenzeitung Wiener Morgenzeitung], Webseite www.wien.gv.at, abgerufen am 9. Februar 2016</ref> In Heft 2867 vom 20. Februar 1927<ref>[http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2981955 Goethe Universität Frankfurt am Main - Wiener Morgenzeitung 1927], Webseite sammlungen.ub.uni-frankfurt.de, abgerufen am 9. Februar 2016</ref> erschien der Bericht von seinem Besuch in Kittsee. Dieser Artikel wirkt aus heutiger Sicht wie eine Zeitkapsel, in der eine Welt beschrieben wird, die längst versunken ist. Zwischen den Zeilen ist aber bereits das drohende Unheil, dass einige Jahre später über die Juden Europas hereinbrechen sollte, herauszulesen:  
Im Jahr [[1927]] besuchte der Journalist [[w:Otto Abeles|Otto Abeles]] die Siebengemeinden und veröffentlichte seine Reiseberichte in Form der Artikelserie ''Altes und neues Judentum im Burgenland'' in der ''Wiener Morgenzeitung''.<ref>[https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Wiener_Morgenzeitung Wiener Morgenzeitung], Webseite www.wien.gv.at, abgerufen am 9. Februar 2016</ref> In Heft 2867 vom 20. Februar 1927<ref>[http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/2981955 Goethe Universität Frankfurt am Main - Wiener Morgenzeitung 1927], Webseite sammlungen.ub.uni-frankfurt.de, abgerufen am 9. Februar 2016</ref> erschien der Bericht von seinem Besuch in Kittsee. Dieser Artikel wirkt aus heutiger Sicht wie eine Zeitkapsel, in der eine Welt beschrieben wird, die längst versunken ist. Zwischen den Zeilen ist aber bereits das drohende Unheil, dass einige Jahre später über die Juden Europas hereinbrechen sollte, herauszulesen:  
{{Zitat|"Die Judenseich kimmt!!" Ein Schwarm von Juden trägt diesen Ruf über die Dorfstraße und rennt zum Hauptplatz, der willkommenen Abwechslung froh. Die Bauern treten vor das Wirtshaus - es ist Sonntag - drinnen im Schanklokal setzt die Zigeunermusik aus, immer zahlreicher versammeln sich die Bäuerinnen des Ortes. Kittsee ist ein ungewöhnlich großes, gut gehaltenes Dorf. Die Hauptstraße ist breit wie der Opernring und von nicht zu überblickender Ausdehnung. Das herrliche Schloss des Grafen [[w:Ladislaus Batthyány-Strattmann|Batthyány]] mit dem wunderschönen schmiedeeisernen Tores, ein rühmliches Spital, in das man Operationsbedürftigte bis aus [[Hainburg]] bringt, Ortskirche mit Kriegerdenkmal. Als ich mit der [[w:Pressburger Bahn|Wien - Pressburger elektrischen Straßenbahn]] kommend, vom Grenzörtchen [[Berg (Niederösterreich)]] den Omnibus benützte und beim Bürgermeisteramt abgesetzt wurde, wollte ich ohne Führer die Judengemeinde suchen. Nun erübrigt der traurige Zufall, dass ich mich auf den Weg mache. Von dort kommen mir die Juden von Kittsee entgegen, die gesamte Kehilla, vermehrt durch die Wiener und Pressburger Angehörigen des Greises, den man unter dem schwarzen Tuch zur Bestattung trägt. Höchst bemerkenswert, dieser jüdische Leichenzug.}}
{{Zitat|"Die Judenseich kimmt!!" Ein Schwarm von Juden trägt diesen Ruf über die Dorfstraße und rennt zum Hauptplatz, der willkommenen Abwechslung froh. Die Bauern treten vor das Wirtshaus - es ist Sonntag - drinnen im Schanklokal setzt die Zigeunermusik aus, immer zahlreicher versammeln sich die Bäuerinnen des Ortes. Kittsee ist ein ungewöhnlich großes, gut gehaltenes Dorf. Die Hauptstraße ist breit wie der Opernring und von nicht zu überblickender Ausdehnung. Das herrliche Schloss des Grafen [[w:Ladislaus Batthyány-Strattmann|Batthyány]] mit dem wunderschönen schmiedeeisernen Tores, ein rühmliches Spital, in das man Operationsbedürftigte bis aus [[Hainburg]] bringt, Ortskirche mit Kriegerdenkmal. Als ich mit der [[w:Pressburger Bahn|Wien - Pressburger elektrischen Straßenbahn]] kommend, vom Grenzörtchen [[Berg (Niederösterreich)]] den Omnibus benützte und beim Bürgermeisteramt abgesetzt wurde, wollte ich ohne Führer die Judengemeinde suchen. Nun erübrigt der traurige Zufall, dass ich mich auf den Weg mache. Von dort kommen mir die Juden von Kittsee entgegen, die gesamte Kehilla, vermehrt durch die Wiener und Pressburger Angehörigen des Greises, den man unter dem schwarzen Tuch zur Bestattung trägt. Höchst bemerkenswert, dieser jüdische Leichenzug.}}
{{Zitat|Keine "Pompfuneberer"<ref>[http://austria-forum.org/af/Community/Dialektworte/Pompf%C3%BCneberer Austria-Forum Dialektworte: Pompfüneberer], Webseite austria-forum.org, abgerufen am 10. Februar 2016</ref>, keine [[w:Liturgisches Gewand|Priesterornate]], kein Leichenwagen mit schwarzen Pferden, keine Blumen, keine [[w:Kantor|Kantoren]], keine Musik. Und schon gar nicht der gemessen-feierliche Gleichschritt, die disziplinierte, organisierte Trauerkundgebung der Beine. Nicht einmal der [[w:Rabbiner|Rabbiner]] geht gesondert an bevorzugter Stelle, sondern mitten drin im Knäuel seiner Gemeinde. Dieser dicht gescharrte, ungeregelte Haufen, von nichts überragt, als von der ungehobelten, schwarz gedeckten Kiste, wirkt bezwingend in seiner stummen Einfachheit. Sinnbild der Richtigkeit alles Irdischen. Was Staub war, wird zum Staube. Die Brüder der [[w:Chewra Kadischa|Chewra Kadischa]] tragen abwechselnd die Truhe auf den Schultern, die jungen Leute der Kehilla, die "Melatsches" (die noch unverheirateten Chewramitglieder) lösen sie später ab. Zwei Balbattim halten altsilberne Gefäße in Händen, von ungewohnter Form und seltener Art. Sie nahmen diese Kleinodien nicht auf den Friedhof mit, um den nackten, ernsten Leichenzug mit Schmuckstücken zu zieren: Es sind die alten Zdoke(Anmerkung: Almosen)-Büchsen von Kittsee. Die eine langgestreckt, im [[w:Gotik|gotischen]] Stil gehalten - Nachbildung eines "Rabbonim-Häuschens", wie es über den Gräbern der frömmsten, verehrtesten Männern errichtet wurde - geht schon länger als vierhundert Jahre mit auf den Guten Ort. Die andere ein [[w:Barock|Barockstück]], ist erst zwei Jahrhunderte im Besitz der Gemeinde.}}
{{Zitat|Keine "Pompfuneberer"<ref>[http://austria-forum.org/af/Community/Dialektworte/Pompf%C3%BCneberer Austria-Forum Dialektworte: Pompfüneberer], Webseite austria-forum.org, abgerufen am 10. Februar 2016</ref>, keine [[w:Liturgisches Gewand|Priesterornate]], kein Leichenwagen mit schwarzen Pferden, keine Blumen, keine [[w:Kantor|Kantoren]], keine Musik. Und schon gar nicht der gemessen-feierliche Gleichschritt, die disziplinierte, organisierte Trauerkundgebung der Beine. Nicht einmal der [[w:Rabbiner|Rabbiner]] geht gesondert an bevorzugter Stelle, sondern mitten drin im Knäuel seiner Gemeinde. Dieser dicht gescharrte, ungeregelte Haufen, von nichts überragt, als von der ungehobelten, schwarz gedeckten Kiste, wirkt bezwingend in seiner stummen Einfachheit. Sinnbild der Richtigkeit alles Irdischen. Was Staub war, wird zum Staube. Die Brüder der [[w:Chewra Kadischa|Chewra Kadischa]] tragen abwechselnd die Truhe auf den Schultern, die jungen Leute der Kehilla, die "Melatsches" (die noch unverheirateten Chewramitglieder) lösen sie später ab. Zwei Balbattim halten altsilberne Gefäße in Händen, von ungewohnter Form und seltener Art. Sie nahmen diese Kleinodien nicht auf den Friedhof mit, um den nackten, ernsten Leichenzug mit Schmuckstücken zu zieren: Es sind die alten Zdoke(Anmerkung: Almosen)-Büchsen von Kittsee. Die eine langgestreckt, im [[w:Gotik|gotischen]] Stil gehalten - Nachbildung eines "Rabbonim-Häuschens", wie es über den Gräbern der frömmsten, verehrtesten Männern errichtet wurde - geht schon länger als vierhundert Jahre mit auf den Guten Ort. Die andere ein [[w:Barock|Barockstück]], ist erst zwei Jahrhunderte im Besitz der Gemeinde.}}
{{Zitat|Jetzt biegen sie von der Hauptstraße ab, um den Toten an der [[w:Synagoge|Synagoge]] vorbeizutragen. Unter allen Judensiedlungen des Burgenlandes hat Kittsee die eigenartigste und merkwürdigste Synagoge. Es ist nämlich - bestimmt kein häufiger Fall - in einem ehemaligen Nonnenkloster untergebracht. Der Schutzherr der Kittseer hat ihnen vor 420 Jahren das schon damals betagte Gebäude überlassen. Es ist gut erhalten, mit Verständnis renoviert, sieht mit dem bizarren Erker und dem uralten Ziehbrunnen unter den Bauernhäusern wie ein romantisches Stück [[w:Mittelalter|Mittelalter]], das man abzuräumen vergessen hat und beherbergt nebst der kleinen Schul', in die man durch eine Seitentür gelangt, eine Anzahl von Judenwohnungen. Schon dieses Haus der Judengemeinde von Kittsee kennenzulernen lohnt die kurze angenehme Fahrt mit der elektrischen Bahn vom Wiener Hauptzollamt zur Landesgrenze, an dem berühmten [[w:Heidentor (Carnuntum)|"Heidentor"]] vorüber und an den schönen Donauorten [[Petronell-Carnuntum|Petronell]], [[Bad Deutsch-Altenburg|Deutsch-Altenburg]] und Hainburg. Und überraschend wie dieser Judentempel im Nonnenkloster, wirkt dieser Judenfriedhof, umschlossen von den riesigen Mauern einer Ritterburg. Die Burg Kittsee, welche den Gottesacker der Juden in sich aufnahm, ist zu einem Teil von ihrem kunstverständigem Bewohner, einem Arzt, in alter Vornehmheit erhalten, zum anderen in einen riesigen Getreideschüttkasten umgewandelt. Hügelan, längs dem verwitterten Burggemäuer bewegt sich der jüdische Leichenzug und es gehört nicht viel Phantasie dazu, den Judenhaufen so zu sehen, wie er einst hinter der Truhe hier hinaufkam: in Schnallenschuhen, [[w:Pumphose|Pumphosen]], die dunkelgrüne [[w:Mantilla|Mantille]] umgeschlagen, am Kopf den Schiffhut. Jetzt freilich tragen die Juden Bauernstiefel und Wirtschaftspelz oder sie sind gar nach der vorvorletzten Stadtmode gekleidet. Das kleine Tor lässt die Sargträger und allmählich den stark angeschwollenen Leichenzug passieren, dem sich sehr zahlreiche christliche Ortsbewohner angeschlossen haben. Sie hören alle zu, wie der Rabbi zu seiner Gemeinde spricht, von dem Verblichenen und von seiner Sorge um den Fortbestand der alten Treue und Frommheit - ganz freimütig und ganz intim, denn vollzählig umsteht die Kehilla das offene Grab und man hat es hier noch nicht erlernt, geheim zu tun vor den anderen - sie hören, wie den Toten um Verzeihung bittet und wie der kleine, verwachsene Mann mit der Schirmmütze, der Ärmsten einer und doch hochgeachtet ob seiner Kenntnisse und geistigen Fähigkeiten, kein "Oischer" und doch Sprecher der Chewa Kadischa, in bewegter Rede Abschied für alle nimmt. Dann klappern die Zdoke-Büchsen}}
{{Zitat|Jetzt biegen sie von der Hauptstraße ab, um den Toten an der [[w:Synagoge|Synagoge]] vorbeizutragen. Unter allen Judensiedlungen des Burgenlandes hat Kittsee die eigenartigste und merkwürdigste Synagoge. Es ist nämlich - bestimmt kein häufiger Fall - in einem ehemaligen Nonnenkloster untergebracht. Der Schutzherr der Kittseer hat ihnen vor 420 Jahren das schon damals betagte Gebäude überlassen. Es ist gut erhalten, mit Verständnis renoviert, sieht mit dem bizarren Erker und dem uralten Ziehbrunnen unter den Bauernhäusern wie ein romantisches Stück [[w:Mittelalter|Mittelalter]], das man abzuräumen vergessen hat und beherbergt nebst der kleinen Schul', in die man durch eine Seitentür gelangt, eine Anzahl von Judenwohnungen. Schon dieses Haus der Judengemeinde von Kittsee kennenzulernen lohnt die kurze angenehme Fahrt mit der elektrischen Bahn vom Wiener Hauptzollamt zur Landesgrenze, an dem berühmten [[w:Heidentor (Carnuntum)|"Heidentor"]] vorüber und an den schönen Donauorten [[Petronell-Carnuntum|Petronell]], [[Bad Deutsch-Altenburg|Deutsch-Altenburg]] und Hainburg. Und überraschend wie dieser Judentempel im Nonnenkloster, wirkt dieser Judenfriedhof, umschlossen von den riesigen Mauern einer Ritterburg. Die Burg Kittsee, welche den Gottesacker der Juden in sich aufnahm, ist zu einem Teil von ihrem kunstverständigem Bewohner, einem Arzt, in alter Vornehmheit erhalten, zum anderen in einen riesigen Getreideschüttkasten umgewandelt. Hügelan, längs dem verwitterten Burggemäuer bewegt sich der jüdische Leichenzug und es gehört nicht viel Phantasie dazu, den Judenhaufen so zu sehen, wie er einst hinter der Truhe hier hinaufkam: in Schnallenschuhen, [[w:Pumphose|Pumphosen]], die dunkelgrüne [[w:Mantilla|Mantille]] umgeschlagen, am Kopf den Schiffhut. Jetzt freilich tragen die Juden Bauernstiefel und Wirtschaftspelz oder sie sind gar nach der vorvorletzten Stadtmode gekleidet. Das kleine Tor lässt die Sargträger und allmählich den stark angeschwollenen Leichenzug passieren, dem sich sehr zahlreiche christliche Ortsbewohner angeschlossen haben. Sie hören alle zu, wie der Rabbi zu seiner Gemeinde spricht, von dem Verblichenen und von seiner Sorge um den Fortbestand der alten Treue und Frommheit - ganz freimütig und ganz intim, denn vollzählig umsteht die Kehilla das offene Grab und man hat es hier noch nicht erlernt, geheim zu tun vor den anderen - sie hören, wie den Toten um Verzeihung bittet und wie der kleine, verwachsene Mann mit der Schirmmütze, der Ärmsten einer und doch hochgeachtet ob seiner Kenntnisse und geistigen Fähigkeiten, kein "Oischer" und doch Sprecher der Chewa Kadischa, in bewegter Rede Abschied für alle nimmt. Dann klappern die Zdoke-Büchsen}}
{{Zitat|Der Zufall ließ mich Zeuge einer Bestattung sein und zeigte mir, kurz nach der Ankunft, das Antlitz der Judengemeinde von Kittsee. Sie ist klein geworden, zählt kaum 100 Seelen, lebt mit der Bauernschaft in gutem Einvernehmen - das Leichenbegräbnis erwies durch die große Teilnahme von Nichtjuden, dass man hier über "gutes Einvernehmen" hinaus sogar befreundet ist, Tempel und Gemeindefunktionäre sind in einem hochinteressanten Gebäude untergebracht, der Friedhof ist von einer Rittersburg behütet. Da ich dann mit einigen Juden von Kittsee Fühlung nahm, weiß ich jetzt auch, dass die Kehilla aus erwerbsfleißigen Leuten besteht, ihre Traditionen wahrt, von schweren Schicksalsschlägen verschont blieb, aber natürlich durch Abwanderung schon recht sehr ausgeblutet ist. Draußen sind viele Söhne der Gemeinde zu Reichtum und Ruhm gelangt und - abgefallen. Der größte Sprössling der Kehilla Kittsee war der Geiger Joachim, an dessen Geburtshaus eine künstlerisch ausgeführte ungarische Gedenktafel - angebracht wurde. Die Familien Mautner, Figdor, Singer kommen von hier. Bekanntlich hat auch Frau Bundespräsident [[w:Michael Hainisch|Hainisch]] (Anmerkung: Emilie Auguste Figdor<ref>[http://www.geni.com/people/Emilie-Emmy-Hainisch/6000000008976957293 Stammbaumprofil Emilie Emmy Auguste Hainisch], Webseite www.geni.com, abgerufen am 10. Februar 2016</ref>) ihr Stammhaus in der Kittseer Judengemeinde.}}
{{Zitat|Der Zufall ließ mich Zeuge einer Bestattung sein und zeigte mir, kurz nach der Ankunft, das Antlitz der Judengemeinde von Kittsee. Sie ist klein geworden, zählt kaum 100 Seelen, lebt mit der Bauernschaft in gutem Einvernehmen - das Leichenbegräbnis erwies durch die große Teilnahme von Nichtjuden, dass man hier über "gutes Einvernehmen" hinaus sogar befreundet ist, Tempel und Gemeindefunktionäre sind in einem hochinteressanten Gebäude untergebracht, der Friedhof ist von einer Rittersburg behütet. Da ich dann mit einigen Juden von Kittsee Fühlung nahm, weiß ich jetzt auch, dass die Kehilla aus erwerbsfleißigen Leuten besteht, ihre Traditionen wahrt, von schweren Schicksalsschlägen verschont blieb, aber natürlich durch Abwanderung schon recht sehr ausgeblutet ist. Draußen sind viele Söhne der Gemeinde zu Reichtum und Ruhm gelangt und - abgefallen. Der größte Sprössling der Kehilla Kittsee war der Geiger [[w:Joseph Joachim|Joachim]], an dessen Geburtshaus eine künstlerisch ausgeführte ungarische Gedenktafel - angebracht wurde. Die Familien Mautner, Figdor, Singer kommen von hier. Bekanntlich hat auch Frau Bundespräsident [[w:Michael Hainisch|Hainisch]] (Anmerkung: Emilie Auguste Figdor<ref>[http://www.geni.com/people/Emilie-Emmy-Hainisch/6000000008976957293 Stammbaumprofil Emilie Emmy Auguste Hainisch], Webseite www.geni.com, abgerufen am 10. Februar 2016</ref>) ihr Stammhaus in der Kittseer Judengemeinde.}}
{{Zitat|"Es hat mir weh getan", sagte mir Herr Rabbiner Perls, "als mich Joachim aus [[w:Berlin|Berlin]] um Übersendung seines Geburtsscheines anging, denn ich wusste, dass er das Dokument benötigte, um den Austritt aus dem Judentum zu vollziehen." - Als ich mich vorstellte, meinte der starke greise Mann: "Auch mein Amtsvorgänger hieß Abeles, aber sein Sohn heißt schon Andor." - So erfährt man zwischen Tür und Angel die Geschichte der Entfremdung und des Verfalles. Es gibt in Kittsee keine Gaß mehr. Aber Herr Rabbiner Perls konnte mich immerhin dessen versichern, dass die Gemeinde in den 35 Jahren seiner Wirksamkeit nicht geworden, sondern sogar gewachsen sei, allerdings nur mehr 19 Steuerträger zähle, darunter solche, denen die Aufbringung über Erhaltungsbeiträge nicht gerade leicht wird.}}


=== Zerstörung der Gemeinde 1938 ===
=== Zerstörung der Gemeinde 1938 ===
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