John Sailer: Unterschied zwischen den Versionen

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== Leben, Werk ==
== Leben, Werk ==
John Sailer, ursprünglich Hans, wuchs in einem sozialistischen Haus auf. Seine Eltern waren der Journalist [[Karl Hans Sailer]] und die Juristin und Diplomatin [[Erna Sailer]]. Nach der [[Anschluss Österreichs|Annexion Österreichs]] durch Hitler-Deutschland im März 1938 war die Familie gezwungen, Österreich zu verlassen. Hans Sailer musste zunächst in Wien zurückgelassen werden, konnte aber noch im Säuglingsalter nachgebracht werden. Seine Kindheit verbrachte er anfangs in Paris, später in New York. Die Familie konnte mit der ''[[Tuscania (Schiff, 1922)|Nea Hellas]]'', einem der letzten Schiffe, die Europa verließen, ihre Flucht von Lissabon nach New York fortsetzen. Unter den Passagieren fanden sich 280 “important intellectuals”, darunter [[Heinrich Mann|Heinrich]] und [[Golo Mann]], [[Alfred Polgar]], [[Franz Werfel]] und [[Alma Mahler-Werfel]]. Mit neun Jahren kehrte er mit der Familie nach Wien zurück. Er besuchte das [[Gymnasium Fichtnergasse]], wo er den späteren Nationalrats- und Bundespräsidenten [[Heinz Fischer]] kennenlernte. John Sailer studierte [[Rechtswissenschaft]], schloss aber das Studium nicht ab.  
John Sailer, ursprünglich Hans, wuchs in einem sozialistischen Haus auf. Seine Eltern waren der Journalist [[Karl Hans Sailer]] und die Juristin und Diplomatin [[Erna Sailer]]. Nach der [[Anschluss Österreichs|Annexion Österreichs]] durch Hitler-Deutschland im März 1938 war die Familie gezwungen, Österreich zu verlassen. Hans Sailer musste zunächst in Wien zurückgelassen werden, konnte aber noch im Säuglingsalter auf abenteuerliche Weise nachgebracht werden.<ref name=ViennaReview >The Vienna Review: ''[https://www.theviennareview.at/archives/2013/john-sailer-gallerist-of-the-austrian-avant-garde John Sailer: Gallerist of The Austrian Avant-Garde]'', 17. April 2013</ref> Seine Kindheit verbrachte er anfangs in Paris, später in New York. Die Familie konnte mit der ''[[Tuscania (Schiff, 1922)|Nea Hellas]]'', einem der letzten Schiffe, die Europa verließen, ihre Flucht von Lissabon nach New York fortsetzen. Unter den Passagieren fanden sich 280 “important intellectuals”, darunter [[Heinrich Mann|Heinrich]] und [[Golo Mann]], [[Alfred Polgar]], [[Franz Werfel]] und [[Alma Mahler-Werfel]]. Mit neun Jahren kehrte er mit der Familie nach Wien zurück. Er besuchte das [[Gymnasium Fichtnergasse]], wo er den späteren Nationalrats- und Bundespräsidenten [[Heinz Fischer]] kennenlernte. John Sailer studierte [[Rechtswissenschaft]], schloss aber das Studium nicht ab.  


Anfang der 1960er Jahre stieg er in den [[Kunsthandel]] ein. Der erste Schritt erfolgte, als er auf dem Sperrmüll [[Sessel]] von [[Thonet]] entdeckte, deren Wert offenbar nicht erkannt worden war. Er besuchte regelmäßig die Ausstellungen der [[Galerie nächst St. Stephan]] und der [[Galerie Würthle]], verkehrte im Künstlerlokal [[Adebar (Lokal)|Adebar]] und im Umkreis der [[Wiener Gruppe]]. Im November 1974 eröffnete er in der vormaligen Garage des [[Goethegasse#Nr._1:_Hanuschhof|Hanuschhofes]] in der Goethegasse die Galerie Ulysses. Während der [[McCarthy-Ära]] geriet der Roman ''[[Ulysses]]'' von [[James Joyce]] derart in Verruf, dass er sogar aus der Bibliothek des Wiener [[Amerika-Haus]]es verbannt wurde. Der Roman war das Lieblingsbuch des jungen Kunsthändlers und wurde zum Namensgeber seiner Galerie.<ref>Vienna.at: ''[https://www.vienna.at/wiener-pionier-galerist-john-sailer-wird-80/5570305 Wiener Pionier-Galerist John Sailer wird 80]'', 28. November 2017</ref> Die erste Ausstellung war eine Hommage an [[Otto Mauer|Monsignore Otto Mauer]] (1907–1973), der als Kunstsammler, Mäzen und Galerist die österreichischen Künstler der Nachkriegs-Avantgarde gefördert hatte. Zu den Künstlern dieser Ausstellung zählten [[Joannis Avramidis]], [[Bruno Gironcoli]], [[Wolfgang Hollegha]], [[Hans Hollein]], [[Walter Pichler (Künstler)|Walter Pichler]], [[Markus Prachensky]], [[Arnulf Rainer]], [[Andreas Urteil]] und [[Fritz Wotruba]]. 1977 wurde Gabriele Wimmer Geschäftspartnerin der Galerie Ulysses. Im selben Jahr erfolgte die Übersiedlung in Dachgeschossräume am Opernring 21. Die erste Ausstellung in den neuen Räumen war der internationalen Avantgarde gewidmet, gezeigt wurden Werke von [[Wassily Kandinsky]], [[Paul Klee]] und [[František Kupka]]. In der Folge konnten John Sailer und Gabriele Wimmer die Galerie Ulysses als Ort der [[Moderne|Klassischen Moderne]] in Wien etablieren. 1989 gründete er in New York die ''Ulysses Gallery New York'', in der Folge organisierte er eine Arnulf-Rainer-Ausstellung im [[Guggenheim Museum New York|Guggenheim Museum]]. In Wien zeigte und verkaufte er Werke der Maler der [[École de Paris (Kunst)|École de Paris]] ([[Hans Hartung]], [[Serge Poliakoff]] und [[Pierre Soulages]]), von [[Hans Arp|Jean Arp]], [[Julio González (Bildhauer)|Julio Gonzàlez]] oder [[Roy Lichtenstein]], dem 1992 eine Personale in neuen, zusätzlichen Galerieräumen im 1. Stock des Hauses gewidmet war. International kooperierte die Galerie mit den Galerien [[Ernst Beyeler|Beyeler]] in Basel, [[Michael Werner (Kunsthändler)|Michael Werner]] in Köln, der [[Galerie de France]] in Paris sowie mit [[André Emmerich]] und [[Leo Castelli]] in New York. Man vertrat [[Karel Appel]], [[Milton Avery]], [[Georg Baselitz]], [[Eduardo Chillida]], [[Stuart Davis (Maler)|Stuart Davis]], [[Helen Frankenthaler]], [[Anselm Kiefer]], [[Per Kirkeby]], [[Markus Lüpertz]], [[Kenneth Noland]], [[Jules Olitski]], [[A. R. Penck]], [[Cy Twombly]], [[Emilio Vedova]] und [[Andy Warhol]].<ref>KunstNet: ''[https://www.kunstnet.at/ulysses/ Galerie Ulysses]'', abgerufen am 18. Oktober 2022</ref> [[Maria Lassnig]] wurde zu einer der bedeutendsten österreichischen Künstlerinnen der Galerie, wie ein umfassender Katalog des Galerie aus dem Jahr 1992 belegt.<ref>''Maria Lassnig: Zeichnungen und Aquarelle.'' Hg. von Oswald Wiener, Gabriele Wimmer und der Künstlerin. Galerie Ulysses 1992, ISBN 3851270134</ref> John Sailer vertrat die Galerie auf zahlreichen Kunstmessen, beispielsweise in Basel, Bologna, Brüssel, Chicago, Köln und Paris. Der Verlag der Galerie, geleitet vom Galeristen, hat zahlreiche Kataloge und Kunstbücher herausgegeben.
Anfang der 1960er Jahre stieg er in den [[Kunsthandel]] ein. Der erste Schritt erfolgte, als er auf dem Sperrmüll [[Sessel]] von [[Thonet]] entdeckte, deren Wert offenbar nicht erkannt worden war. Er besuchte regelmäßig die Ausstellungen der [[Galerie nächst St. Stephan]] und der [[Galerie Würthle]], verkehrte im Künstlerlokal [[Adebar (Lokal)|Adebar]] und im Umkreis der [[Wiener Gruppe]]. Im November 1974 eröffnete er in der vormaligen Garage des [[Goethegasse#Nr._1:_Hanuschhof|Hanuschhofes]] in der Goethegasse die Galerie Ulysses. Während der [[McCarthy-Ära]] geriet der Roman ''[[Ulysses]]'' von [[James Joyce]] derart in Verruf, dass er sogar aus der Bibliothek des Wiener [[Amerika-Haus]]es verbannt wurde. Der Roman war das Lieblingsbuch des jungen Kunsthändlers und wurde zum Namensgeber seiner Galerie.<ref>Vienna.at: ''[https://www.vienna.at/wiener-pionier-galerist-john-sailer-wird-80/5570305 Wiener Pionier-Galerist John Sailer wird 80]'', 28. November 2017</ref> Die erste Ausstellung war eine Hommage an [[Otto Mauer|Monsignore Otto Mauer]] (1907–1973), der als Kunstsammler, Mäzen und Galerist die österreichischen Künstler der Nachkriegs-Avantgarde gefördert hatte. Zu den Künstlern dieser Ausstellung zählten [[Joannis Avramidis]], [[Bruno Gironcoli]], [[Wolfgang Hollegha]], [[Hans Hollein]], [[Walter Pichler (Künstler)|Walter Pichler]], [[Markus Prachensky]], [[Arnulf Rainer]], [[Andreas Urteil]] und [[Fritz Wotruba]]. 1977 wurde Gabriele Wimmer Geschäftspartnerin der Galerie Ulysses. Im selben Jahr erfolgte die Übersiedlung in Dachgeschossräume am Opernring 21. Die erste Ausstellung in den neuen Räumen war der internationalen Avantgarde gewidmet, gezeigt wurden Werke von [[Wassily Kandinsky]], [[Paul Klee]] und [[František Kupka]]. In der Folge konnten John Sailer und Gabriele Wimmer die Galerie Ulysses als Ort der [[Moderne|Klassischen Moderne]] in Wien etablieren. 1989 gründete er in New York die ''Ulysses Gallery New York'', in der Folge organisierte er eine Arnulf-Rainer-Ausstellung im [[Guggenheim Museum New York|Guggenheim Museum]]. In Wien zeigte und verkaufte er Werke der Maler der [[École de Paris (Kunst)|École de Paris]] ([[Hans Hartung]], [[Serge Poliakoff]] und [[Pierre Soulages]]), von [[Hans Arp|Jean Arp]], [[Julio González (Bildhauer)|Julio Gonzàlez]] oder [[Roy Lichtenstein]], dem 1992 eine Personale in neuen, zusätzlichen Galerieräumen im 1. Stock des Hauses gewidmet war. International kooperierte die Galerie mit den Galerien [[Ernst Beyeler|Beyeler]] in Basel, [[Michael Werner (Kunsthändler)|Michael Werner]] in Köln, der [[Galerie de France]] in Paris sowie mit [[André Emmerich]] und [[Leo Castelli]] in New York. Man vertrat [[Karel Appel]], [[Milton Avery]], [[Georg Baselitz]], [[Eduardo Chillida]], [[Stuart Davis (Maler)|Stuart Davis]], [[Helen Frankenthaler]], [[Anselm Kiefer]], [[Per Kirkeby]], [[Markus Lüpertz]], [[Kenneth Noland]], [[Jules Olitski]], [[A. R. Penck]], [[Cy Twombly]], [[Emilio Vedova]] und [[Andy Warhol]].<ref>KunstNet: ''[https://www.kunstnet.at/ulysses/ Galerie Ulysses]'', abgerufen am 18. Oktober 2022</ref> [[Maria Lassnig]] wurde zu einer der bedeutendsten österreichischen Künstlerinnen der Galerie, wie ein umfassender Katalog des Galerie aus dem Jahr 1992 belegt.<ref>''Maria Lassnig: Zeichnungen und Aquarelle.'' Hg. von Oswald Wiener, Gabriele Wimmer und der Künstlerin. Galerie Ulysses 1992, ISBN 3851270134</ref> John Sailer vertrat die Galerie auf zahlreichen Kunstmessen, beispielsweise in Basel, Bologna, Brüssel, Chicago, Köln und Paris. Der Verlag der Galerie, geleitet vom Galeristen, hat zahlreiche Kataloge und Kunstbücher herausgegeben.
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2002 kuratierte er die Ausstellung ''Kunst, Kunst, Kunst'' im [[Museum des 20. Jahrhunderts Wien|Museum des 20. Jahrhunderts]]. Diese Schau setzte sich mit dem [[Liste der Staatspreise der Republik Österreich|Österreichischen Staatspreis]] und dem [[Österreichischer Kunstsenat|Österreichischen Kunstsenat]] auseinander. 2013 bezog er im Streit um die Restitution des [[Beethovenfries]]es Stellung und befürwortete den Verkauf an die [[Republik Österreich]]. Dies sei durchaus im Sinne des Vorbesitzers Erich Lederer gewesen, den er persönlich gut kannte.
2002 kuratierte er die Ausstellung ''Kunst, Kunst, Kunst'' im [[Museum des 20. Jahrhunderts Wien|Museum des 20. Jahrhunderts]]. Diese Schau setzte sich mit dem [[Liste der Staatspreise der Republik Österreich|Österreichischen Staatspreis]] und dem [[Österreichischer Kunstsenat|Österreichischen Kunstsenat]] auseinander. 2013 bezog er im Streit um die Restitution des [[Beethovenfries]]es Stellung und befürwortete den Verkauf an die [[Republik Österreich]]. Dies sei durchaus im Sinne des Vorbesitzers Erich Lederer gewesen, den er persönlich gut kannte.


== Zitat ==
== Zitate ==
{{Zitat|Die ersten Jahre der Zweiten Republik habe ich als spannend und dynamisch erlebt. Es herrschte Aufbruchstimmung. Ich habe das Gefühl, dass man mit mehr Elan und kreativer an die Lösung von Problemen herangegangen ist als heute. Der respektvolle Umgang mit Gegnern war ausgeprägter. Es gab ein ehrlicheres Bekenntnis zur Gesinnung, eine weniger von Lobbyisten und PR-Firmen geschmiedete Politik.|John Sailer|Ich bin ein steckengebliebener Minimalist<ref>[[Der Standard]] (Wien): ''[https://www.derstandard.at/story/2000014801936/ich-bin-ein-steckengebliebener-minimalist Ich bin ein steckengebliebener Minimalist]'', 27. April 2015</ref>}}
{{Zitat|Die ersten Jahre der Zweiten Republik habe ich als spannend und dynamisch erlebt. Es herrschte Aufbruchstimmung. Ich habe das Gefühl, dass man mit mehr Elan und kreativer an die Lösung von Problemen herangegangen ist als heute. Der respektvolle Umgang mit Gegnern war ausgeprägter. Es gab ein ehrlicheres Bekenntnis zur Gesinnung, eine weniger von Lobbyisten und PR-Firmen geschmiedete Politik.|John Sailer|Ich bin ein steckengebliebener Minimalist<ref>[[Der Standard]] (Wien): ''[https://www.derstandard.at/story/2000014801936/ich-bin-ein-steckengebliebener-minimalist Ich bin ein steckengebliebener Minimalist]'', 27. April 2015</ref>}}
{{Zitat|That’s what I admire: Ulysses is always thinking about alternatives; he never gives up; he wants to understand.|John Sailer|Gallerist of The Austrian Avant-Garde<ref name=ViennaReview />}}


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