Jüdische Gemeinde Oberwart: Unterschied zwischen den Versionen
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* Bei 20 Menschen wurde eine Wiener Adresse als letzte bekannte Adresse angegeben. Die meisten dieser Adressen befinden sich im 2. Bezirk ([[ | * Bei 20 Menschen wurde eine Wiener Adresse als letzte bekannte Adresse angegeben. Die meisten dieser Adressen befinden sich im 2. Bezirk ([[Leopoldstadt]]). Damit ist auch in dieser Hinsicht die Vertreibung der Juden aus Oberwart belegt, die 1938 ihren Wohnort verlassen mussten und in Wien auf die Wohltätigkeit ihrer Glaubensbrüder angewiesen waren. | ||
* Aus den Daten lässt sich auch die Perfektionierung der Methoden des Völkermordes durch die Nationalsozialisten herauslesen. Während die ersten Deportationen 1939 noch in der Absicht erfolgten, Lager im besetzten Teil von Polen durch Juden errichten zu lassen, kam es im Jahr 1941 zur nächsten Steigerung im perfiden Mordplan der Nazis. Nun waren die Ghettos des Osten das Ziel der Transportzüge. Über das weitere Schicksal der Menschen in diesen Ghettos finden sich in der Datenbank keine Informationen. | * Aus den Daten lässt sich auch die Perfektionierung der Methoden des Völkermordes durch die Nationalsozialisten herauslesen. Während die ersten Deportationen 1939 noch in der Absicht erfolgten, Lager im besetzten Teil von Polen durch Juden errichten zu lassen, kam es im Jahr 1941 zur nächsten Steigerung im perfiden Mordplan der Nazis. Nun waren die Ghettos des Osten das Ziel der Transportzüge. Über das weitere Schicksal der Menschen in diesen Ghettos finden sich in der Datenbank keine Informationen. | ||
* Einige Menschen wurden zuerst in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und von dort Monate später in die Vernichtungslager. | * Einige Menschen wurden zuerst in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und von dort Monate später in die Vernichtungslager. |
Version vom 5. Februar 2016, 17:08 Uhr
Die Jüdische Gemeinde Oberwart war die jüngste unter den israelitische Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Burgenlandes. Die ersten Gemeindemitglieder siedelten sich am Beginn des 19. Jahrhunderts in Oberwart an und unterstanden der Jüdischen Gemeinde Schlaining.
siehe auch: Geschichte der Juden im Burgenland
Geschichte der jüdischen Gemeinde
Vier Konfessionen in einer Siedlung
Die heutige Stadt Oberwart stellte eine Besonderheit im südlichen Burgenland dar. Während die anderen Ortschaften in der Umgebung Teil des Herrschaftsgebietes der Familie Familie Batthyány waren, lebten in Oberwart freie Bauern. Sie galten als die Nachkommen jener ungarischen Grenzwächter ("Warte"), welcher der Stadt und der Region ("Die Wart") ihren Namen gaben. Die Siedlung bestand aus dem "Obertrumm" (ungarisch Felszeg) und dem "Untertrumm" (Alszeg), im Zwischenraum, der heute das Stadtzentrum bildet, bauten in weiterer Folge deutschsprachige Händler, Gewerbetreibende und Beamte ihre Häuser bzw. arbeiteten in den öffentlichen Gebäuden, die dort errichtet wurden.[1]
Eine weitere Besonderheit waren die vier Konfessionen, die im Laufe der Zeit entstanden. Im Obertrum bildete sich um 1600 mit der Reformierten Pfarrgemeinde Oberwart die älteste protestantische Kirchengemeinde in Österreich. Im Untertrum hingegen siedelten mehrheitlich katholische Bauern. Dazu kamen Angehörige der Evangelischen Kirche AB und nach der Ansiedlung der ersten Juden entstand im Laufe eine Israelitische Kultusgemeinde.[1]
Von der Entstehung der Gemeinde bis zur Zerschlagung durch den Nationalsozialismus
Wann sich die ersten Juden in Oberwart niederließen ist genau nachweisbar. In statistischen Aufzeichnungen über die jüdische Bevölkerung, den "Conscriptiones Judaerum", wurde zum ersten Mal 1822 ein jüdischer Bewohner, Leopold Österreicher, erwähnt. Diese ersten Juden stammten aus der jüdischen Gemeinde Schlaining, die ins wenige Kilometer entfernte Oberwart umzogen.[2]
Um 1850 lebten vierzehn jüdische Mitbürger in Oberwart. Diese Zahl steigerte sich in den Jahren bis 1900 auf 100 Menschen. Ein wichtiger Grund dafür war die Erhebung Oberwarts 1841 zum Markt. Während alle anderen jüdischen Gemeinden von 1900 bis 1934 einen Rückgang bei der Bevölkerungszahl verzeichneten, stieg hingegen die jüdische Einwohnerzahl von Oberwart weiterhin. Ein Großteil dieser Menschen stammte aus der Muttergemeinde Schlaining, die wegen der dortigen beengten Verhältnisse und der geringen Verdienstmöglichkeiten in das aufstrebende Oberwart übersiedelten.[3]
Während Schlaining im 19. Jahrhundert als Kultusgemeinde von den jüdischen Bewohnern von Oberwart, Pinkafeld, Bad Tatzmannsdorf und Großpetersdorf entsprechenden Kultussteuern einhob, wurde die Unzufriedenheit der Oberwarter Juden gegenüber ihren Schlaininger Glaubensbrüdern immer größer. 1904, als in Oberwart die Synagoge erbaut wurde, überstieg ihre Anzahl bereits jene in der Muttergemeinde. Heftige Streitereien kennzeichneten das Verhältnis der beiden Gemeinden in den nächsten Jahren. 1910 schloss die Oberwarter Gemeinde einen steuerlichen Sondervertrag mit ihrer Muttergemeinde, wodurch sich wiederum die Steuerlast für die Juden in den anderen Gemeinden des Bezirkes Oberwart erhöhte. Der Niedergang der einst bedeutenden Judengemeinde von Schlaining ging auch in den nächsten Jahren weiter, sodass sich 1923 der Schlaininger Rabbiner Felix Blau gezwungen sah, ebenfalls nach Oberwart zu übersiedeln.[4]
Der Streit zwischen beiden Gemeinden war damit aber nicht beendet sondern wurde nun unter Einschaltung der Behörden weiter verschärft. 1927 erließ die Bezirkshauptmannschaft einen Bescheid mit dem die bisherige Filialgemeinde Oberwart zu einer selbständigen Kultusgemeinde umgewandelt wurde. Im August 1929 erfolgte von Behördenseite die Auflösung der Schlaininger Kultusgemeinde, während Oberwart schließlich am 23. Mai 1930 offiziell von der Bezirkshauptmannschaft zur Israelitische Kultusgemeinde Oberwart/Felsöör erhoben wurde. Die Oberwarter Gemeinde war nun auch für die jüdischen Bewohner von Markt Allhau, Bad Tatzmannsdorf, Bernstein, Großpetersdorf, Kohfidisch, Oberschützen, Pinkafeld, Rotenturm an der Pinka, Schlaining sowie zeitweise auch Rechnitz zuständig.[5]
Opferbilanz des Holocausts
Allgemeine Informationen
Die Burgenländische Forschungsgesellschaft hat aus verschiedenen Quellen Daten über die burgenländischen Opfer des Holocausts ermittelt und mit diesen Informationen eine Datenbank erstellt. Dieser Datenbestand enthält 31 Einträge mit Oberwart-Bezug (Stand Feber 2016)[6], mit 24 Namen etwas geringer fällt die Liste in der Opferdatenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes aus.[7] Eine um Mehrfachnennungen bereinigte Aufstellung von Yad Vashem nennt 33 jüdische Holocaust-Opfer mit einem Bezug zu Oberwart. Während sich die Einträge in den österreichischen Beständen zumeist an erhalten gebliebenen Dokumenten der nationalsozialistischen Dienststellen orientieren, basieren rund 40 Prozent der Einträge in der Datenbank von Yad Vashem auf Aussagen von überlebenden Familienangehörigen, die nach dem Krieg getätigt worden sind.[8] Kombiniert man diese drei Datenbestände kommt man auf insgesamt 52 Namen von Personen, die entweder in Oberwart geboren wurden oder zumindest ansässig waren. In dieser kombinierten Liste sind auch Menschen enthalten, die in Oberwart auf die Welt kamen, die Stadt aber schon lange vor Beginn der Deportationen verlassen hatten.
siehe dazu auch: Liste der Holocaust-Opfer mit Bezug zu Oberwart
Von 141 in Oberwart 1938 von den Nationalsozialisten registrierten jüdischen Bewohnern wurden laut der burgenländischen Historikerin Ursula Mindler mindestens 41 ermordetet. Von 42 Menschen ist gesichert, dass sie den Holocaust überlebten. Über den Verbleib der restlichen 58 ist immer noch nichts bekannt.[9]
Die auf den Datenbeständen der Burgenländischen Forschungsgesellschaft, des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes und von Yad Vashem basierende kombinierte Liste enthält folgende Informationen:
- Die Datenbank enthält Informationen über 52 Personen, welche einen Bezug zu Oberwart haben. Dieser Bezug bestand entweder durch die Geburt in diesem Ort oder einen Zweitwohnsitz oder dem Besitz von Immobilien.
- Mindestens 29 dieser Personen waren gebürtige Oberwarter. Wie viele von ihnen 1938 direkt aus Oberwart vertrieben wurden, lässt sich nicht ermitteln.
- Die Liste umfasst die Namen von 28 Männern und 24 Frauen.
- Von 49 Personen ist das Geburtsjahr bekannt. Die beiden jüngsten Opfer (Irene Angelus, 1941 in das Ghetto Kielce deportiert, und Otto Medowoy, 1942 in das Vernichtungslager Maly Trostinez deportiert) waren 1938 acht Jahre alt, das älteste 74 (Samuel Schlenger, 1944 aus Ungarn nach Auschwitz deportiert). Zehn Personen waren jünger als 20. Anders als in anderen jüdischen Gemeinden verteilten sich die Oberwarter Opfer beinahe gleichförmig auf alle Altersgruppen. Lediglich bei den Personen zwischen 20 und 30 Jahren gab es nur ein Opfer.
- Bei 20 Menschen wurde eine Wiener Adresse als letzte bekannte Adresse angegeben. Die meisten dieser Adressen befinden sich im 2. Bezirk (Leopoldstadt). Damit ist auch in dieser Hinsicht die Vertreibung der Juden aus Oberwart belegt, die 1938 ihren Wohnort verlassen mussten und in Wien auf die Wohltätigkeit ihrer Glaubensbrüder angewiesen waren.
- Aus den Daten lässt sich auch die Perfektionierung der Methoden des Völkermordes durch die Nationalsozialisten herauslesen. Während die ersten Deportationen 1939 noch in der Absicht erfolgten, Lager im besetzten Teil von Polen durch Juden errichten zu lassen, kam es im Jahr 1941 zur nächsten Steigerung im perfiden Mordplan der Nazis. Nun waren die Ghettos des Osten das Ziel der Transportzüge. Über das weitere Schicksal der Menschen in diesen Ghettos finden sich in der Datenbank keine Informationen.
- Einige Menschen wurden zuerst in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und von dort Monate später in die Vernichtungslager.
- Den Daten kann auch entnommen werden, dass einige Oberwarter Juden von Wien in den Westen flüchten konnten. Aufgrund der militärischen Erfolge der Deutschen wurden aber auch sie Opfer der Holocausts. Diese Menschen landeten zuerst in Sammellagern in den betreffenden Ländern und wurden dann nach Auschwitz deportiert, wo sie entweder sofort umgebracht wurden oder als Arbeitssklaven noch eine Galgenfrist eingeräumt bekamen.
Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der Oberwarter Opfer, die im jeweiligen Jahrzehnt geboren wurden.
Zeitraum | Personen |
---|---|
1860-1869 | |
1870-1879 | |
1880-1889 | |
1890-1899 | |
1900-1909 | |
1910-1919 | |
1920-1929 | |
1930-1939 |
Informationen zu den Deportationen
Aus den Daten der Opferliste wurde nachfolgende Übersichtstabelle erstellt, welche darstellt, von wo aus die Transporte starteten (= Spaltenüberschrift) und wohin sie gingen (Bezeichnung der Zeile).
Die Daten zeigen folgende Informationen über die unterschiedlichen Deportationswege und Phasen des Völkermordes:
- Am 20. und 27. Oktober 1939 wurden drei Oberwarter Juden (Ernst Steiner, Alexander Grünwald, Nathan Kornfeind) in Transportzügen nach Nisko deportiert, um dort ein Barackenlager zu errichten. Diese Nisko-Plan genannte Phase war trotz ihres Scheiterns für den späteren Organisator des Holocausts, Adolf Eichmann, ein weiterer Schritt hin zum Völkermord.
- Im Frühjahr 1941 trat die Vernichtung der Juden in eine neue Phase ein, indem es zur Einrichtung von Ghettos im eroberten Polen, dem sogenannten Generalgouvernement, kam. Dies lässt sich auch in der Opferdatenbank nachvollziehen, denn am 10. und 19. Februar wurden vier jüdische Oberwarter (Irene Angelus, Josef Würzberger, Wilhelmine Angelus, Emilie Flaschner) in das Ghetto Kielce deportiert, eine weitere Person (Ludwig Schwarz) in das Ghetto[10] von Opole.
- Am 20. Jänner 1942 trafen sich in Berlin hochrangige Vertreter des nationalsozialistischen Staates zur Wannseekonferenz, wo unter anderem bestimmt wurde, das Konzentrationslager Theresienstadt als Altersghetto einzurichten. Im Laufe des Jahres wurden drei ehemalige ältere jüdische Bewohner von Oberwart (Rosa Hochstädt, Heinrich Steiner und Cäcilie Grünwald) dorthin verlegt, wobei zwei von ihnen im Laufe den nächsten Monate verstarben. Rosa Hochstädt überstellte man später nach Auschwitz.
- Weitere Deportationszüge brachten ehemalige Oberwarter Bewohner 1942 und 1943 in das Vernichtungslager Maly Trostinez (vier Personen), ins Ghetto Izbica (eine Person) und nach Auschwitz (14 Personen). Die meisten dieser nach Auschwitz deportierten Oberwarter Juden hatten 1938 die Flucht aus Wien in den Westen geschafft. Durch den siegreichen Westfeldzug der Wehrmacht 1940 wurden sie aber von der Mordmaschinerie der Nationalsozialisten wieder eingeholt und je nach Aufenthaltsort über das französische Sammellager Drancy (zwei Personen) und das belgischen Sammellager Mechelen/Malines (zehn Personen) nach Auschwitz deportiert. Die restlichen beiden (Ida und Samuel Schlenger) wurden 1944 im Zuge der Vernichtung der ungarischen Juden in Auschwitz ermordet.
- Einigen Oberwarter Juden gelang die Flucht nach Ungarn bzw. waren schon vorher dorthin ausgewandert, doch auch sie sollten nicht überleben, denn 1944 holte sie der Holocaust ein.
- Als letzter jüdischer Bewohner Oberwarts starb vermutlich Geza Löwensohn als Zwangsarbeiter in einem Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald, dem Kommando Schwalbe V.
Bei der nachfolgenden Tabelle zeigt den Startpunkt der Deportation (= Spaltenüberschrift) und das Ziel (Bezeichnung der Zeile). Theresienstadt ist sowohl Ziel als auch Ausgangspunkt einer Deportation (=Überstellung). So wurden zum Beispiel drei Personen von Wien in das Lager Nisko deportiert. Das Lager Malines war für sieben Personen der Ausgangspunkt für die Deportation nach Auschwitz.
Über das weitere Schicksal der Menschen, welche in die Ghettos deportiert wurden, gibt es in der Datenbank keine Informationen.
Ziel | Wien | Drancy | Malines | Ungarn | Theresienstadt | Summe |
---|---|---|---|---|---|---|
Nisko (Lager) | ||||||
Izbica (Ghetto) | ||||||
Kielce (Ghetto) | ||||||
Opole (Ghetto) | ||||||
Auschwitz (KZ/VL) | ||||||
Theresienstadt (KZ) | ||||||
Maly Trostinec (VL) | ||||||
Summe: |
Einzelschicksale
Über folgende Personen bzw. Familien konnte die burgenländische Historikerin Ursula Mindler detaillierte Informationen in Erfahrung bringen.
Familie Schein
Besonders berührend ist dabei das Schicksal die Familie Schein. Sanal Schein wurde am 15. Oktober 1887 in Jurkow in Polen geboren. Seine Frau Esther kam am 21. April 1892 in Tarnopol auf die Welt. Sanal Schein arbeitete in Oberwart als Schneider und Marktfahrer und bewohnte mit seiner Familie das "Scheinhaus" in der heutigen Lisztgasse.[11]
Das Paar hatte acht Kinder: Moritz (1913), Max (1914), Bertha (geb. 1916), Olga (1918), Magdalena (1921), Edith (1923), Norbert (1925) und Erich (1926). Zumindest Olga, Moritz, Max und Bertha waren Mitglieder der jüdischen Jugendbewegung Makkabi Hazair.[11]
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich konnte die Familie nach Belgien fliehen, wo sie vermutlich 1942 verhaftet wurde und in das Sammellager Malines bei Mechelen kam. Am 31. Oktober 1942 wurde Norbert Schein von Malines nach Auschwitz deportiert. Am 19. April 1943 folgten ihm in einem weiteren Transport seine Eltern Esther und Sanal sowie seine Geschwister Erich, Magdalena und Moritz. Sie alle überlebten Auschwitz nicht.[11]
Bruder Max Schein floh 1938 nach Brüssel, wo er 1941 heiratete. Im September 1943 wurde er dort schließlich zusammen mit seiner Ehefrau verhaftet. Nach einem Aufenthalt im Sammellager Malines erfolgte ihre Deportation nach Auschwitz. Max Schein überlebte nicht nur Auschwitz sondern auch das KZ Mauthausen, wohin er im Laufe des Krieges verlegt worden war. Schein kehrte als erster Oberwarter Holocaust-Überlebender wieder nach Oberwart zurück, wo er aber weder ein Familienmitglied noch irgendein Mitglied der jüdischen Gemeinde vorfand.[11] Mit Hilfe von Verwandten wanderte er 1948 nach Paraguay aus und gelangte über Argentinien in die USA. 1963 stellte Max Schein einen Antrag auf Entschädigung an die Republik Österreich. Er musste sich dabei mit einer widerwilligen Bürokratie auseinandersetzen, die das Verfahren über drei Jahre lang verschleppte.[12] Nachdem er 1966 folgenden Beschwerdebrief verfasst hatte, wurde ihm ein Monat später ein ablehnender Bescheid zugestellt:[13]
„Ich verstehe,dass diese Sachen langsam erledigt werden, aber da schon mehr als zwei (eigentlich drei) volle Jahre vergangen sind, ohne eine Erledigung zu erlangen, möchte ich gern wissen, warum diese ungewöhliche Verspätung vorliegt. Ich möchte nur erwähnen, dass es im Jahre 1938, nicht einmal eine volle Stunde gedauert hat, mich von meinem Berufe und vielen anderen Sachen zu berauben. Es ist unglaublich für mich zu verstehen, wenn wirklich die Absicht vorhanden ist, für Wiedergutmachung zu geben, warum es nicht erledigt wird.“
Auch Bertha Schein überlebte den Holocaust und heiratete in Amerika den ebenfalls aus Oberwart stammenden Jenö Löwy (1917-2005). Eine weitere Schwester (Olga), der rechtzeitig die Flucht ins Ausland gelang, überlebte im Exil.[11]
Über das Schicksal von Edith Schein hingegen ist nichts bekannt.[11]
Familien Glaser
Neben Max Schein kamen noch das Ehepaar Alfred (geboren 1881) und Cäcilie (1888) sowie Hermine Glaser (1875) nach Oberwart zurück. Sowohl das Ehepaar Glaser als auch Hermine Glaser und ihr Mann Moritz gelang nach der Machtergreifung über Wien die Flucht nach Shanghai. 1943 starb Moritz vermutlich in dem von den Japanern in Shanghai eingerichteten Ghetto.[14]
Hermine Glaser starb 1950 in Oberwart und liegt auf dem jüdischen Friedhof begraben. An sie und ihren Mann Moritz erinnert heute noch ein Grabstein auf diesem Friedhof.
Alfred Glaser arbeitete als Hut- und Kappenmacher in Oberwart, sein Geschäft und seine Werkstätte befand sich an zentraler Lage im Postgebäude am Hauptplatz. Während das Ehepaar Glaser nach Shanghai flüchtete, gelang ihrem Sohn Alexander die Flucht in die Schweiz. 1947 kehrte das Ehepaar nach Oberwart zurück, mit ihrem Tod endete die Geschichte der jüdischen Gemeinde Oberwart endgültig.[15]
Über die Umstände der Vertreibung schrieb ihr Sohn Alexander, dem die Flucht in die Schweiz gelang, nach dem Krieg:ref name="mindler138139"></ref>
„Das Geschäft hatten wir nach dem Einmarsch der Deutschen schon nach 8 Tagen aufgeben müssen. Wir mussten alles, was nicht niet- und nagelfest war, verschleudern, nur um leben zu können. Nach Aufgabe des Geschäftes hatten wir in der Wohnung die Werkstatt. Da kam die Gendarmerie und beschlagnahmten alles, was zum Geschäft gehörte. Innerhalb von 14 Tagen mussten wir auf Anweisung der GESTAPO Oberwart verlassen.“
Jüdische Spuren in Oberwart
Rabbinatshaus
Das Rabbinatshaus bestand aus der Wohnung, die sich aus einer Küche und drei Zimmern zusammensetzte, und den Amtsräumlichkeiten des Rabbiners. In den offiziellen Räumlichkeiten fand auch der Religionsunterricht für die jüdischen Kinder statt. Vermutlich aus diesem Grund wurde und wird das Haus auch fälschlicherweise als "Jüdische Schule" bezeichnet, das es aber nicht war, denn die jüdischen Kinder besuchten für alle anderen Gegenstände die örtliche evangelische Schule. Auch andere Bezeichnungen wie "Amtshaus", "Beamtenhaus" oder "Rabbinerhaus" haben sich erhalten. Das Rabbinatshaus, in dem auch die Sitzungen der Kultusgemeinde stattfanden, war von der Synagoge durch einen Hof getrennt, in dem sich eine Holzhütte zur Geflügelschlachtung, Klosettanlagen, ein Holzschuppen sowie ein Brunnen befanden.[16]
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wohnte der Feuerwehrkommandant im Haus, das 1939 renoviert und ein Jahr später arisiert wurde. Dieser "Kauf" wurde 1946 vom damaligen Oberwarter Bürgermeister bestätigt.[16] Heute beherbergt das unter Denkmalschutz stehende Gebäude das Berufsinformationszentrum.[17]
Synagoge
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts diente das sogenannte Maisl'sche Haus als Betraum. Da in dieser Zeit immer mehr Juden nach Oberwart zogen und man sich von der Muttergemeinde Schlaining emanzipieren wollte, wurde 1902 ein Ausschuss gegründet, dessen Aufgabe die Errichtung einer Synagoge war. Zwei Jahre später, am 1. Juni 1904, wurde die neue Synagoge in der Tempelgasse, heute Ambrosigasse 13, feierlich eröffnet. Neben den Pfarrern der beiden ortsansässigen protestantischen Konfessionen, waren auch die Rabbiner von Szombathely, Rechnitz und Schlaining anwesend. [18]
Die Synagoge war ein ebenerdiger Bau, der etwa 120 Sitzplätze beherbergte. Fotos vom Innenraum des Bethauses sind nicht erhalten, es ist lediglich auf einigen Stadtansichten abgebildet, die für Ansichtskarten verwendet wurden. Bis zum Zeitpunkt des Anschlusses wurden in der Oberwarter Synagoge vierzehn Torarollen aufbewahrt, über deren Verbleib nichts bekannt ist. Die Historiker Ursula Mindler geht aber davon aus, dass diese 1938 an die IKG Wien transferiert wurden, nachdem die Nationalsozialisten die jüdische Oberwarter Gemeinde auflösten. Die Wiener Kultusgemeinde erklärte sich damals bereit, die Ritualgegenstände ihrer Oberwarter Glaubensbrüder aufzubewahren.[19]
Nach dem Anschluss wurde die Synagoge als Feuerwehrhaus genützt, im angrenzenden Rabbinatshaus zog der Feuerwehrkommandant ein. In den nächsten Monaten erfolgte ein Umbau des Bethauses, man brach Tore heraus und zog eine Zwischendecke ein. 1940 wurde es offiziell "arisiert". 1946 bestätigte der Oberwarter Bürgermeister die Enteignung, 1953 dürften dann beide Häuser durch die Gemeinde Oberwart von der IKG Wien angekauft worden sein. In den 1990er-Jahre erfolgte ein weiterer Umbau der ehemaligen Synagoge, die seit 1997 die Musikschule beherbergt. An dem heute unter Denkmalschutz stehenden Gebäude wurde 1989 auf Betreiben der IKG Graz eine Gedenktafel angebracht, die folgenden Text trägt:
„Zum Gedenken an den Leidensweg unserer ehemaligen jüdischen Mitbürger. Hier stand ihr Bethaus. Es wurde 1938 von den Nationalsozialisten zerstört.“
Jüdischer Friedhof
Es gibt keine gesicherte Quelle, aus der ermittelt werden kann, wann der jüdische Friedhof tatsächlich angelegt worden ist. Der infrage kommende Zeitraum reicht von 1877 bis 1910. Gesichert ist jedoch, dass die evangelische Gemeinde A.B. den jüdischen Oberwartern einen Teil ihres Friedhofes zur Verfügung stellte, damit sie dort ihre Toten bestatten konnten. Die Historikerin Ursula Mindler hat die Grabsteine des Friedhofes katalogisiert und festgestellt, dass die älteste Inschrift aus dem Jahr 1896 stammt. Der Stein erinnert an Jakob Kornfeind, der am 9. Juli 1896 verstorben war. Der jüngsten Grabstein stammt aus dem Jahr 1950. Es ist jener von Hermine Glaser, die am 13. Oktober 1950 verstarb. Die Inschrift auf dem Stein erinnert auch an ihren 1943 im Shanghaier Exil verstorbenen Mann Moritz. [20]
Heute sind noch 32 Grabstellen festzustellen, wobei bei drei Gräbern der Grabstein fehlt. Bei zwei weiteren Grabstellen gibt es nur noch einen Sockelrest bzw. einen Stein mit einer schwer leserlichen Inschrift. Ein weiterer Stein erinnert an die in Großpetersdorf verstorbenen und in Oberwart begrabenen jüdischen Bewohnern. Die restlichen 26 Grabsteine weisen unterschiedliche Verwitterungsgrade auf. Ungewöhnlich an den Beschriftungen ist, dass sie entgegen der sonst üblichen jüdischen Praxis nur auf der Vorderseite beschriftet sind. Während in den anderen burgenländischen Gemeinden die Grabsteine ausschließlich hebräisch beschriftet sind, tragen die Oberwarter Steine meist zweisprachige Inschriften (19 hebräisch/deutsch, 5 hebräisch/ungarisch, einer ausschließlich deutsch). Zwölf Inschriften, darunter auch die fünf ungarischen, stammen aus der Zeit vor 1920. Hermines Glaser deutsch beschrifteter Stein wurde als einziger nach dem 2. Weltkrieg aufgestellt, die restlichen stammen aus der Zeit zwischen 1920 und 1936.[20]
Der Friedhof ist die einzige Einrichtung der ehemaligen Kultusgemeinde Oberwart, die weitgehend in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben ist.
Weblinks
- Jüdische Bevölkerung Oberwarts, Webseite www.gedenkweg.at
- Jüdische Gemeinde Schlaining, Webseite www.vhs-burgenland.at, PDF-Dokument
- Wächter über Oberwart - JÜNGSTE KULTUSGEMEINDE DES BURGENLANDES, Webseite www.waechter-oberwart.at
Literatur
- Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 22
- ↑ Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 23
- ↑ Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 26 und 27
- ↑ Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 30 bis 34
- ↑ Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 35 und 36
- ↑ Die burgenländisch-jüdischen Opfer der NS-Zeit, Webseite www.forschungsgesellschaft.at, abgerufen am 6. Februar 2015
- ↑ Opferdatenbank des DÖW, Webseite www.doew.at, abgerufen am 6. Februar 2015
- ↑ ZENTRALE DATENBANK DER NAMEN DER HOLOCAUSTOPFER, Webseite yvng.yadvashem.org, abgerufen am 6. Februar 2015
- ↑ Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 128 und 129
- ↑ DÖW - Ghetto Opole, Webseite ausstellung.de.doew.at, abgerufen am 1. Februar 2016
- ↑ 11,0 11,1 11,2 11,3 11,4 11,5 Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 83 und 84
- ↑ 12,0 12,1 Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 136 und 138
- ↑ Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 138
- ↑ Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 135 und 136
- ↑ Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 138 und 139
- ↑ 16,0 16,1 Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 53 und 55
- ↑ BIZ - BerufsInfoZentren, Webseite www.ams.at, abgerufen am 28. Januar 2016
- ↑ Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 56 und 57
- ↑ Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 59
- ↑ 20,0 20,1 Ursula Mindler: Die jüdische Gemeinde von Oberwart/Felsöör, edition lex liszt, Oberwart 2013, Seite 62 und 76
Geschichte der Juden im Burgenland
Ehemalige jüdische Gemeinden im Burgenland:
Deutschkreutz | Eisenstadt | Frauenkirchen | Gattendorf | Güssing | Kittsee | Kobersdorf | Lackenbach | Mattersburg | Neufeld | Oberwart | Rechnitz | Schlaining
Listen der Holocaust-Opfer burgenländischer Gemeinden
Deutschkreutz | Eisenstadt | Frauenkirchen | Gattendorf | Güssing | Kittsee | Kobersdorf | Lackenbach | Mattersburg | Oberwart | Rechnitz | Schlaining
Listen der Holocaust-Opfer burgenländischer Bezirke
Eisenstadt-Umgebung | Güssing | Jennersdorf | Mattersburg | Neusiedl am See | Oberpullendorf | Oberwart
Einsatz ungarisch-jüdischer Zwangsarbeiter im Burgenland
Südostwall-Abschnitt Südburgenland | Liste der südburgenländischen Lager für ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter