Jüdische Gemeinde Kittsee: Unterschied zwischen den Versionen

K
Zeile 44: Zeile 44:
{{Zitat|Der Zufall ließ mich Zeuge einer Bestattung sein und zeigte mir, kurz nach der Ankunft, das Antlitz der Judengemeinde von Kittsee. Sie ist klein geworden, zählt kaum 100 Seelen, lebt mit der Bauernschaft in gutem Einvernehmen - das Leichenbegräbnis erwies durch die große Teilnahme von Nichtjuden, dass man hier über "gutes Einvernehmen" hinaus sogar befreundet ist, Tempel und Gemeindefunktionäre sind in einem hochinteressanten Gebäude untergebracht, der Friedhof ist von einer Rittersburg behütet. Da ich dann mit einigen Juden von Kittsee Fühlung nahm, weiß ich jetzt auch, dass die Kehilla aus erwerbsfleißigen Leuten besteht, ihre Traditionen wahrt, von schweren Schicksalsschlägen verschont blieb, aber natürlich durch Abwanderung schon recht sehr ausgeblutet ist. Draußen sind viele Söhne der Gemeinde zu Reichtum und Ruhm gelangt und - abgefallen. Der größte Sprössling der Kehilla Kittsee war der Geiger [[w:Joseph Joachim|Joachim]], an dessen Geburtshaus eine künstlerisch ausgeführte ungarische Gedenktafel - angebracht wurde. Die Familien Mautner, Figdor, Singer kommen von hier. Bekanntlich hat auch Frau Bundespräsident [[w:Michael Hainisch|Hainisch]] (Anmerkung: Emilie Auguste Figdor<ref>[http://www.geni.com/people/Emilie-Emmy-Hainisch/6000000008976957293 Stammbaumprofil Emilie Emmy Auguste Hainisch], Webseite www.geni.com, abgerufen am 10. Februar 2016</ref>) ihr Stammhaus in der Kittseer Judengemeinde.}}
{{Zitat|Der Zufall ließ mich Zeuge einer Bestattung sein und zeigte mir, kurz nach der Ankunft, das Antlitz der Judengemeinde von Kittsee. Sie ist klein geworden, zählt kaum 100 Seelen, lebt mit der Bauernschaft in gutem Einvernehmen - das Leichenbegräbnis erwies durch die große Teilnahme von Nichtjuden, dass man hier über "gutes Einvernehmen" hinaus sogar befreundet ist, Tempel und Gemeindefunktionäre sind in einem hochinteressanten Gebäude untergebracht, der Friedhof ist von einer Rittersburg behütet. Da ich dann mit einigen Juden von Kittsee Fühlung nahm, weiß ich jetzt auch, dass die Kehilla aus erwerbsfleißigen Leuten besteht, ihre Traditionen wahrt, von schweren Schicksalsschlägen verschont blieb, aber natürlich durch Abwanderung schon recht sehr ausgeblutet ist. Draußen sind viele Söhne der Gemeinde zu Reichtum und Ruhm gelangt und - abgefallen. Der größte Sprössling der Kehilla Kittsee war der Geiger [[w:Joseph Joachim|Joachim]], an dessen Geburtshaus eine künstlerisch ausgeführte ungarische Gedenktafel - angebracht wurde. Die Familien Mautner, Figdor, Singer kommen von hier. Bekanntlich hat auch Frau Bundespräsident [[w:Michael Hainisch|Hainisch]] (Anmerkung: Emilie Auguste Figdor<ref>[http://www.geni.com/people/Emilie-Emmy-Hainisch/6000000008976957293 Stammbaumprofil Emilie Emmy Auguste Hainisch], Webseite www.geni.com, abgerufen am 10. Februar 2016</ref>) ihr Stammhaus in der Kittseer Judengemeinde.}}
{{Zitat|"Es hat mir weh getan", sagte mir Herr Rabbiner Perls, "als mich Joachim aus [[w:Berlin|Berlin]] um Übersendung seines Geburtsscheines anging, denn ich wusste, dass er das Dokument benötigte, um den Austritt aus dem Judentum zu vollziehen." - Als ich mich vorstellte, meinte der starke greise Mann: "Auch mein Amtsvorgänger hieß Abeles, aber sein Sohn heißt schon Andor." - So erfährt man zwischen Tür und Angel die Geschichte der Entfremdung und des Verfalles. Es gibt in Kittsee keine Gaß mehr. Aber Herr Rabbiner Perls konnte mich immerhin dessen versichern, dass die Gemeinde in den 35 Jahren seiner Wirksamkeit nicht geworden, sondern sogar gewachsen sei, allerdings nur mehr 19 Steuerträger zähle, darunter solche, denen die Aufbringung über Erhaltungsbeiträge nicht gerade leicht wird.}}
{{Zitat|"Es hat mir weh getan", sagte mir Herr Rabbiner Perls, "als mich Joachim aus [[w:Berlin|Berlin]] um Übersendung seines Geburtsscheines anging, denn ich wusste, dass er das Dokument benötigte, um den Austritt aus dem Judentum zu vollziehen." - Als ich mich vorstellte, meinte der starke greise Mann: "Auch mein Amtsvorgänger hieß Abeles, aber sein Sohn heißt schon Andor." - So erfährt man zwischen Tür und Angel die Geschichte der Entfremdung und des Verfalles. Es gibt in Kittsee keine Gaß mehr. Aber Herr Rabbiner Perls konnte mich immerhin dessen versichern, dass die Gemeinde in den 35 Jahren seiner Wirksamkeit nicht geworden, sondern sogar gewachsen sei, allerdings nur mehr 19 Steuerträger zähle, darunter solche, denen die Aufbringung über Erhaltungsbeiträge nicht gerade leicht wird.}}
{{Zitat|Das soeben stattgefundene (?) Leichenbegräbnis brachte vom Rabbiner ein charakteristisches Dokument in Erinnerung, eine Zuschrift vom 9. Oktober 1832, ein [[w:Rundschreiben|Zirkular]] der [[w:Buda|Ofener]] Stadthalterei, in das er mir Einblick gibt. Es heißt dort: "Nachdem es hieher amtlich einberichtet worden ist, dass jener Missbrauch stattfindet, wonach die Verzeichnisbücher über Geborene, Vermählte, Gestorbene israelitischer Nation, wenn die führenden Rabbiner absterben, mit ihnen begraben werden..." - wird nachdrücklichst gefordert, dafür zu sorgen, dass dieser Missbrauch sich nie wieder ereignet. Das Schriftstück ist namens der königlich-ungarischen Statthalterei zu Ofen also unterfertigt: "Euer gewogener und dienstverpflichteter Stephan von Begh."}}


=== Zerstörung der Gemeinde 1938 ===
=== Zerstörung der Gemeinde 1938 ===
9.493

Bearbeitungen