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Das '''Wienerische''' ist ein [[ | Das '''Wienerische''' ist ein [[w:Bairische Dialekte#Mittelbairisch|ostmittelbairischer Dialekt]], der in [[Wien]] und Umgebung gesprochen wird. Es unterscheidet sich vom [[w:Standarddeutsch|Hochdeutschen]] unter anderem in Wortschatz, Grammatik und Aussprache; oft so deutlich, daß es außerhalb des spezifischen Sprachraumes – etwa bereits in [[w:Westösterreich|Westösterreich]] – als weitgehend unverständlich empfunden wird. | ||
<center>{{Zitat|''Wienerisch ist weit mehr als nur ein ostmittelbairischer Dialekt. Er ist eine rhythmische Philosophie mit Humor.''|Peter Wehle}}</center> | <center>{{Zitat|''Wienerisch ist weit mehr als nur ein ostmittelbairischer Dialekt. Er ist eine rhythmische Philosophie mit Humor.''|Peter Wehle}}</center> | ||
[[Datei:Wienerlied anno 1900.png|miniatur|294px|Altwiener [[ | [[Datei:Wienerlied anno 1900.png|miniatur|294px|Altwiener [[w:Couplet|Couplet]] „Lokale Ausdrücke“ (um 1900)<br>Text: Anton Hauptmann; Musik: Rudolf Hauptmann<br>Notenblatt erste Seite / Text der ersten Strophe]] | ||
== Geschichte == | == Geschichte == | ||
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Der Wiener Dialekt ist im Schwinden begriffen. Ein Grund dafür ist die hohe Migrationsrate: Bereits 2009 bestand, nach offiziellen Zahlen – also ohne Berücksichtigung der „Illegalen“ –, fast die Hälfte der Stadtbevölkerung aus sog. Neubürgern (die bereits hier geborene „zweite Generation“ eingerechnet)<ref>[[Wirtschaftskammer Österreich|Wirtschaftskammer]] Wien (Hrsg.): ''Werbung in Wien – Handbuch für Mitglieder der Fachgruppe Werbung''; 2010, S. 77</ref>, wobei der Prozentsatz unter Jüngeren noch höher liegt. Angesichts dieser fortschreitenden Entwicklung sind des örtlichen Idioms Mächtige in Wien mittlerweile de facto in der Minderheit. Andererseits gab es im Laufe der Geschichte immer wieder massive Zuwanderungswellen – zuletzt Anfang des 20. Jahrhunderts durch Tschechen –, ohne daß die Wiener Mundart dadurch wesentlich beeinträchtigt worden wäre. | Der Wiener Dialekt ist im Schwinden begriffen. Ein Grund dafür ist die hohe Migrationsrate: Bereits 2009 bestand, nach offiziellen Zahlen – also ohne Berücksichtigung der „Illegalen“ –, fast die Hälfte der Stadtbevölkerung aus sog. Neubürgern (die bereits hier geborene „zweite Generation“ eingerechnet)<ref>[[Wirtschaftskammer Österreich|Wirtschaftskammer]] Wien (Hrsg.): ''Werbung in Wien – Handbuch für Mitglieder der Fachgruppe Werbung''; 2010, S. 77</ref>, wobei der Prozentsatz unter Jüngeren noch höher liegt. Angesichts dieser fortschreitenden Entwicklung sind des örtlichen Idioms Mächtige in Wien mittlerweile de facto in der Minderheit. Andererseits gab es im Laufe der Geschichte immer wieder massive Zuwanderungswellen – zuletzt Anfang des 20. Jahrhunderts durch Tschechen –, ohne daß die Wiener Mundart dadurch wesentlich beeinträchtigt worden wäre. | ||
Die Hauptursache für das [[ | Die Hauptursache für das [[w:Archaismus#Ursachen für das Verschwinden von Wörtern|Veralten]] findet sich derzeit im Fortschritt globaler Informationstechnologie. Die aufgrund der weitaus höheren Einwohnerzahl von Deutschen dominierte Medienwelt des Sprachraumes (Werbung, Literaturübersetzungen, Filmsynchronisation) drängt ursprüngliche Ausdrucksformen in Österreich ebenso zurück wie etwa in der Schweiz. Jüngere Generationen werden heute zudem u.a. in ihren Sprachgewohnheiten weitgehend von Massenmedien sozialisiert. Diese Effekte betreffen neben dem Dialekt auch die österreichische Hochsprache, von der Artikelwahl bis hin zur [[w:Sprachmelodie|Sprachmelodie]]. Dehnung und Artikulation werden sukzessive übernommen, ebenso wie Satzstellungen oder – in Deutschland übliche – [[w:Anglizismus|Anglizismen]] <ref>[http://www.evolver.at/editorial/Sprachpflege_International_Year_of_Languages_2008/ ''„Rez gscheid!“'']: [[Evolver|EVOLVER]] zum International Year of Languages 2008</ref>.<br>Ein typisches Beispiel ist die Übernahme des Wortes „lecker“ aus dem Bundesdeutschen. Noch in den 1990ern wäre dieses [[w:Adjektiv|Adjektiv]] hierzulande keinesfalls mit „schmackhaft“ assoziiert worden, da das mitschwingende ''lecken'' – von: „sich die Lippen lecken“ – im Österreichischen ''schlecken'' heißt; die Silbe „leck“ existierte bis dahin ausschließlich in der [[w:Konnotation|Konnotation]] mit dem Götzzitat (''„leck(man)oasch“''). | ||
Da der ursprüngliche Wortschatz zunehmend in Vergessenheit gerät, kann man davon ausgehen, daß das genuin Wienerische im Laufe der kommenden Jahrzehnte von einer standardisierten deutschen Umgangssprache nach und nach assimiliert wird. | Da der ursprüngliche Wortschatz zunehmend in Vergessenheit gerät, kann man davon ausgehen, daß das genuin Wienerische im Laufe der kommenden Jahrzehnte von einer standardisierten deutschen Umgangssprache nach und nach assimiliert wird. | ||
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== Sprachliche Eigenheiten == | == Sprachliche Eigenheiten == | ||
=== Wortschatz === | === Wortschatz === | ||
Das Wienerische bewahrt wie kaum ein anderer Dialekt [[ | Das Wienerische bewahrt wie kaum ein anderer Dialekt [[w:Althochdeutsch|alt]]- und [[w:Mittelhochdeutsch|mittelhochdeutsche]] [[w:Wurzel (Linguistik)|Wurzeln]], weshalb es der ursprünglichen Sprache näher ist als das Hochdeutsche. Dies zeigt sich nicht nur an alten Wendungen, die der Hochsprache fremd geworden sind, sondern auch in der [[w:Phonetik|Phonetik]]: Trotz identischer Schreibweise werden Silben anders gefärbt, wenn sie unterschiedlicher [[w:Etymologie|etymologischer]] Herkunft sind (s.u.). Letzteres ist jedoch nur akustisch verifizierbar – da Wienerisch fast nur mündlich tradiert wird, existiert keinerlei verbindliche [[w:Orthographie|Orthographie]]. | ||
Neben Vokabeln aus den Sprachen der [[ | Neben Vokabeln aus den Sprachen der [[w:Kronland (Österreich)|Kronländer]] findet sich ebenso eine Vielzahl von Ausdrücken aus dem [[w:Jiddisch|Jiddischen]], dem [[w:Französische Sprache|Französischen]], der [[w:Zigeunersprache|Zigeunersprache]] und anderen mehr. | ||
=== Aussprache === | === Aussprache === | ||
Die Wiener Mundart wird tendenziell als weich und melodiös empfunden. Das liegt hauptsächlich an der [[ | Die Wiener Mundart wird tendenziell als weich und melodiös empfunden. Das liegt hauptsächlich an der [[w:Lenisierung|Lenisierung]] („harte“ [[w:Konsonant|Konsonanten]] wie ''t'', ''p'', ''k'' werden zu ''„d“'', ''„b“'', ''„g“'') sowie der Gewohnheit, [[w:Vokal|Vokale]] bisweilen in die Länge zu ziehen und – je nach Gesprächssituation – auch zu [[w:Modulation (Linguistik)|modulieren]]. [[w:Vokal|Selbstlaute]] werden oft ganz anders ausgesprochen als im Hochdeutschen. Die entsprechenden Regeln sind jedoch äußerst komplex, da sie von vielen Faktoren abhängen. Auch dem Wiener selbst – so er nicht das Fachgebiet studiert hat – sind die Kausalitäten unbekannt; er [[w:Intonation (Phonetik)|intoniert]] automatisch. | ||
Im Satz „Ich werde dir helfen“ zum Beispiel bleibt das erste ''i'' annähernd gleich, das zweite jedoch wird zum kurzen ''„a“''; das erste ''e'' wird scheinbar zu ''„i “'', das dritte hingegen zu einer Art ''„ö“''. Ergebnis: ''„Ii wia da hööfm!“'' (inhaltlich im Übrigen eine Drohung, im Sinne von „das werde ich dir abgewöhnen“). Stellt man den Satz um, bleibt die Bedeutung gleich, nicht aber die Silbenfärbung: ''„Dia wead ii hööfm!“''. In der Bitte „Hilf mir“ wiederum wird das ''i'' des [[ | Im Satz „Ich werde dir helfen“ zum Beispiel bleibt das erste ''i'' annähernd gleich, das zweite jedoch wird zum kurzen ''„a“''; das erste ''e'' wird scheinbar zu ''„i “'', das dritte hingegen zu einer Art ''„ö“''. Ergebnis: ''„Ii wia da hööfm!“'' (inhaltlich im Übrigen eine Drohung, im Sinne von „das werde ich dir abgewöhnen“). Stellt man den Satz um, bleibt die Bedeutung gleich, nicht aber die Silbenfärbung: ''„Dia wead ii hööfm!“''. In der Bitte „Hilf mir“ wiederum wird das ''i'' des [[w:Verb|Verbs]] zu ''„ü“'': ''„Hüüf ma!“''. Hinzu kommt eine Vielzahl von Schattierungen, die in der Schrift keine Entsprechung finden. Der Vokal ''a'' etwa reicht von normal „heller“ Aussprache über [[w:Nasalvokal|nasale]] Varianten und zunehmende [[w:Verdumpfung|Verdumpfung]] stufenlos bis zum ''o''. (Vgl. die Dialektversionen von „heiß“ - „angelehnt“ - „Haus“ - „Hasen“ - „Hose“.) | ||
Nämliches gilt für praktisch alle Selbst- und [[ | Nämliches gilt für praktisch alle Selbst- und [[w:Diphthong|Zwielaute]]; [[w:Phrasierung|Phrasierung]] und Betonung im Satz sind dabei ebensowichtig. Daher gibt es auch keine einzige [[w:Transkription (Linguistik)|Transkriptionsart]], die es dem Ortsfremden ermöglichen würde, einen geschriebenen Dialekttext korrekt auszusprechen. Selbst komplexe [[w:Lautschrift|Lautschriften]] können hier nur ungefähre Anhaltspunkte liefern. | ||
=== Grammatik === | === Grammatik === | ||
Auffällig ist die Vorliebe für den [[ | Auffällig ist die Vorliebe für den [[w:Diminutiv|Diminutiv]], wobei an Stelle des hochdeutschen ''-chen'' die Silbe ''„-erl “'' angehängt wird. Damit ist jedoch nicht zwangsläufig eine – in welcher Hinsicht immer – kleinere Version des Hauptbegriffes gemeint. Oft ist es nur Ausdruck der Sympathie, weshalb ausschließlich historisch lange Gewohntem (bzw. standesmäßig Adäquatem) diese Vertraulichkeit zukommt. Ein ''„geigerl “'' beispielsweise unterscheidet sich äußerlich nicht von der ''„geign“'' ([[w:Violine|Violine]]); mit ersterem Kosenamen wird das Instrument aber eher bedacht, wenn es beim [[Heuriger|Heurigen]] erklingt. Andere scheinbar verkleinerte [[w:Substantiv|Substantiva]] haben überhaupt keine 'große' Entsprechung, wie etwa das ''„stamperl “'' (Schnapsglas) oder das ''„pantscherl “'' (amouröse Affäre). | ||
Bei der Intonation von Diminutiva werden Vokalverdumpfungen des Ausgangswortes rückgängig gemacht: Der ''Bach'' heißt ''„boch“'', sein kleines – respektive familiäres – [[ | Bei der Intonation von Diminutiva werden Vokalverdumpfungen des Ausgangswortes rückgängig gemacht: Der ''Bach'' heißt ''„boch“'', sein kleines – respektive familiäres – [[w:Pendant|Pendant]] jedoch ''„bacherl “''. Das gilt auch für geläufige Eigennamen: Der erwachsene Karl heißt ''„Koa''<sup>r</sup>''l “'', der kleine ''„Kaa''<sup>r</sup>''li “''.<br>Das bloße ''„-l “'' als [[w:Suffix|Suffix]] hingegen dient oft weniger der Verkleinerung als der Differenzierung: ''„glos“'' = ''Glas'' allgemein, ''„glasl “'' = Trinkglas, ''„glaserl “'' = familiär; ''„håus“'' = ''Haus'' allgemein, ''„heisl “'' = Abort (!), ''„heiserl “'' = Eigenheim. | ||
Was die [[ | Was die [[w:Deklination (Grammatik)|Deklination]] betrifft, ist der hochdeutsche [[w:Genitiv|Genitiv]] im Wienerischen praktisch unbekannt. Entsprechende Relationen (Besitz, Verfügung) werden via [[w:Dativ|Dativ]] plus [[w:Possessivpronomen|Possessivpronomen]] formuliert: ''Augusts Gefährtin'' ist daher ''„dem Gustl sei oide“'' („dem Gustl seine Alte“) – geläufig in der Form ''„in Gustl sei oide“''.<br>Weitere sprachliche Spezifika stellen unter anderem das ''wie'' im [[w:Komparativ|Komparativ]] dar ('' „greßa wia“'' = ''größer als''; ''„ois wia“'' = ''so wie''), oder der oft – im Gegensatz zur Rechtschreibung – beigefügte Artikel (''Geld'' = ''„a göd“'', d.h. „ein Geld“). Auch wird dem eigentlichen Verb gerne ein „tun“ vorangesetzt: ''„tuasd eh schaun“'' = „achtest du auch wirklich darauf“. | ||
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Zentrales Element des Wienerischen ist die (selbst-)ironische Doppelbödigkeit. Die Grenzen zwischen Ernst und Witz sind dabei fließend. Diese Form der Kommunikation spiegelt eine Lebenshaltung wider, die sich stets ein gewisses Augenzwinkern bewahrt. | Zentrales Element des Wienerischen ist die (selbst-)ironische Doppelbödigkeit. Die Grenzen zwischen Ernst und Witz sind dabei fließend. Diese Form der Kommunikation spiegelt eine Lebenshaltung wider, die sich stets ein gewisses Augenzwinkern bewahrt. | ||
Der [[ | Der [[w:Duden|Duden]] übersetzt den Begriff mit „Trick“,<ref>''Duden. Die deutsche Rechtschreibung''. 20.Auflage, 1991; S. 634</ref> was jedoch an der Sache vorbeigeht. Er hat auch nichts mit „schmähen“ zu tun (ahd.: ''smahen'' = verächtlich machen), sondern leitet sich vom jiddischen ''schemá'' her (''Erzählung, Gehörtes''). Ortsfremden, insbesondere Deutschen, ist es meist unmöglich, die feinen [[w:Nuance|Nouancen]] zu erkennen; da auch [[w:Mimik|Mimik]] und Tonfall in das hintersinnige Wechselspiel eingebunden sind, wird Ironisches oft ernstgenommen oder freundlich-Scherzhaftes als Spott mißverstanden. | ||
=== Übertreibung und Bildhaftigkeit === | === Übertreibung und Bildhaftigkeit === | ||
Sachverhalte werden selten in trockener, realistischer Form dargelegt. Formale Unter- und Übertreibungen sind fixer Bestandteil von Schilderungen, wobei sie seitens des Angesprochenen durchaus [[ | Sachverhalte werden selten in trockener, realistischer Form dargelegt. Formale Unter- und Übertreibungen sind fixer Bestandteil von Schilderungen, wobei sie seitens des Angesprochenen durchaus [[w:Semantik|semantisch]] exakt „entschlüsselt“ werden. Eine Distanzbeschreibung wie ''„do brauchst ned ewig und drei tog umahatschn, do foist dreimoi um und bist scho duat“'' versteht der Wiener etwa als – positive – Mitteilung, daß das gemeinte Ziel zu Fuß in weniger als zehn Minuten erreichbar ist. (Hdt. ungefähr: „Man muß nicht eine Ewigkeit plus drei Tage lang gehen, da die Entfernung nur drei Körperlängen beträgt“.) | ||
Ein weiteres Merkmal ist der häufige Einsatz von [[ | Ein weiteres Merkmal ist der häufige Einsatz von [[w:Gleichnis|Gleichnissen]], die ebenso [[w:Abstraktion|abstrakt]] wie bildhaft sein können: ''„schiach wia da zins“'' („häßlich wie die Mietzahlung“), ''„ågschitt wia a hydrant“'' („angeschüttet“ = betrunken), und so fort. | ||
=== Das Ordinäre === | === Das Ordinäre === | ||
Wie fast alle Dialekte weist auch das Wienerische ein breites [[ | Wie fast alle Dialekte weist auch das Wienerische ein breites [[w:Repertoire|Repertoire]] an Schimpfwörtern, Fäkal- und Sexualausdrücken auf; allein die Bezeichnungen für Geschlechtsmerkmale (etwa der weiblichen<ref>[http://www.evolver.at/kolumnen/Sprachpflege_26_11_2009/ ''„Cherchez la femme“'']: Weibliche Geschlechtsmerkmale im Wienerischen</ref>) übertreffen zahlenmäßig bei weitem die Ausdrucksvarianten der Hochsprache - und ermöglichen dadurch, nebenbei, deutlich differenziertere Beschreibungen. Im Bereich der Kraftausdrücke und Drohungen zeigt sich die örtliche Mundart besonders farbenfroh und plastisch. Auf das [[w:Schwäbischer Gruß|Götzzitat]] zum Beispiel kann ein Wiener antworten: ''„Ii beiß da a gwind in oasch daßd schraufm scheißt“'' ('' „gwind“'' = Gewinde, ''„schraufm“'' = Schrauben). | ||
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== Kultur == | == Kultur == | ||
=== Lyrik und Prosa === | === Lyrik und Prosa === | ||
1935 brachte [[Josef Weinheber]] seinen erfolgreichen Gedichtband „Wien wörtlich“ heraus, der unter anderem Dialektverse enthält („Der Auflauf“); manches davon fand später auch Eingang in österreichische Schulbücher, nicht zuletzt wegen seiner völkisch-nationalen Gesinnung. Im gleichen Jahrzehnt verfaßte – unter ganz anderen Vorzeichen – [[Peter Hammerschlag]] seine skurrilen Gedichte, einige davon auf Wienerisch („Pülcherdialog ad infinitum“) oder mit zumindest wienerischem Einschlag; veröffentlicht wurden sie allerdings erst vierzig Jahre später, von [[Friedrich Torberg]]. Nach dem [[ | 1935 brachte [[Josef Weinheber]] seinen erfolgreichen Gedichtband „Wien wörtlich“ heraus, der unter anderem Dialektverse enthält („Der Auflauf“); manches davon fand später auch Eingang in österreichische Schulbücher, nicht zuletzt wegen seiner völkisch-nationalen Gesinnung. Im gleichen Jahrzehnt verfaßte – unter ganz anderen Vorzeichen – [[Peter Hammerschlag]] seine skurrilen Gedichte, einige davon auf Wienerisch („Pülcherdialog ad infinitum“) oder mit zumindest wienerischem Einschlag; veröffentlicht wurden sie allerdings erst vierzig Jahre später, von [[Friedrich Torberg]]. Nach dem [[w:Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] sorgte die [[Wiener Gruppe]] für eine Renaissance der Dialektlyrik: Neben einschlägigen Werken etwa von [[Gerhard Rühm]] oder [[Konrad Bayer]] gilt vor allem das diesbezügliche Œuvre [[H. C. Artmann]]s („med ana schwoazzn dintn“, etc.) bis heute als richtungsweisend. In den 1970ern brachten es die Mundartdichter [[Trude Marzik]] („Aus der Kuchlkredenz“) und [[Anton Krutisch]] („Wiener Lavendel“) zu einer gewissen Popularität. | ||
Schon im umfangreichen humoristischen Werk [[Alexander Roda Roda]]s finden sich unter anderem wienerische Dialoge („Wie man dem Wienerherzen wehetut“). 1906 erschien dann der berühmt-berüchtigte, [[Felix Salten]] zugeschriebene Roman „[[Josefine Mutzenbacher]]“: Die pornographische „Geschichte einer Wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt“ bedient sich – milieugemäß – auch des örtlichen Sexualwortschatzes. 1971 veröffentlichte [[Wolfgang Teuschl]] „[[Da Jesus und seine Hawara]]“, eine Übertragung des [[ | Schon im umfangreichen humoristischen Werk [[Alexander Roda Roda]]s finden sich unter anderem wienerische Dialoge („Wie man dem Wienerherzen wehetut“). 1906 erschien dann der berühmt-berüchtigte, [[Felix Salten]] zugeschriebene Roman „[[Josefine Mutzenbacher]]“: Die pornographische „Geschichte einer Wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt“ bedient sich – milieugemäß – auch des örtlichen Sexualwortschatzes. 1971 veröffentlichte [[Wolfgang Teuschl]] „[[Da Jesus und seine Hawara]]“, eine Übertragung des [[w:Evangelium (Buch)|Evangeliums]] ins Wienerische, die mittlerweile zum modernen Klassiker avancierte. | ||
=== Theater und Kabarett === | === Theater und Kabarett === | ||
Das [[Alt-Wiener Volkstheater]] des 18. und 19. Jahrhunderts hatte die „einfachen“ Gesellschaftsschichten als Zielpublikum und bediente sich auch deren Sprache. Neben Autoren wie [[Josef Alois Gleich]], [[Karl Meisl]] oder [[Adolf Bäuerle]] zählen vor allem [[Ferdinand Raimund]] und [[Johann Nepomuk Nestroy]] zu den prominentesten Vertretern. | Das [[Alt-Wiener Volkstheater]] des 18. und 19. Jahrhunderts hatte die „einfachen“ Gesellschaftsschichten als Zielpublikum und bediente sich auch deren Sprache. Neben Autoren wie [[Josef Alois Gleich]], [[Karl Meisl]] oder [[Adolf Bäuerle]] zählen vor allem [[Ferdinand Raimund]] und [[Johann Nepomuk Nestroy]] zu den prominentesten Vertretern. | ||
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Tradition des [[ | Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Tradition des [[w:Volksstück|Volksstückes u.a. von [[Jura Soyfer]] („Der Lechner Edi schaut ins Paradies“) und [[Ödön von Horváth]] („[[Geschichten aus dem Wiener Wald]]“) fortgeführt. Vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund floß zunehmend Gesellschaftskritik in die komödiantische Form ein. In [[Karl Kraus]]' zwischen 1915 und 1922 verfasstem [[w:Satire|satirischen]] [[w:Erster Weltkrieg|Erster-Weltkrieg]]-Drama „[[Die letzten Tage der Menschheit]]“ illustrieren die Sprachgewohnheiten der Protagonisten den kriegshetzerischen Irrwitz jener Zeit. | ||
In den 1960er Jahren dominierten zwei Bühnen die [[Wiener Kabarettszene]]. Das [[Simpl]] war schon 1912 gegründet worden; in der Zwischenkriegszeit hatte hier [[Fritz Grünbaum]] die [[ | In den 1960er Jahren dominierten zwei Bühnen die [[Wiener Kabarettszene]]. Das [[Simpl]] war schon 1912 gegründet worden; in der Zwischenkriegszeit hatte hier [[Fritz Grünbaum]] die [[w:Doppelconférence|Doppelconférence]] weiterentwickelt. Unter der künstlerischen Leitung von [[Karl Farkas]] wurde es zur Legende. Er selbst sprach in den Programmen meist Wiener Hochdeutsch, leicht jiddisch eingefärbt – der Dialektpart blieb eher [[Ernst Waldbrunn]] vorbehalten, seinem berühmtesten Bühnenpartner. Die „Konkurrenz“ residierte im [[stadtTheater walfischgasse|Neuen Theater am Kärntnertor]]. 1959 von [[Gerhard Bronner]] eröffnet, entstanden hier – in Zusammenarbeit mit Größen wie [[Georg Kreisler]] oder [[Carl Merz]] – unter anderem Klassiker wie der „Travnicek“ und „[[Der Herr Karl]]“ (beide mit [[Helmut Qualtinger]]). | ||
Heute ist die Mundart auf Kleinkunstbühnen beispielsweise von [[Lukas Resetarits]], [[Andreas Vitásek]], [[Alfred Dorfer]], [[Josef Hader]], [[Günther Paal]] oder [[Thomas Maurer]] zu hören. Der einzige Kabarettist, der seine Programme in unverfälschtem Wienerisch spricht, ist jedoch [[Roland Düringer]]. | Heute ist die Mundart auf Kleinkunstbühnen beispielsweise von [[Lukas Resetarits]], [[Andreas Vitásek]], [[Alfred Dorfer]], [[Josef Hader]], [[Günther Paal]] oder [[Thomas Maurer]] zu hören. Der einzige Kabarettist, der seine Programme in unverfälschtem Wienerisch spricht, ist jedoch [[Roland Düringer]]. | ||
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Das alteingesessene [[Wienerlied]] konserviert gleichsam den Wortschatz und die Redensarten seiner Entstehungszeit. Seine Hochblüte erlebte es in der Zeit zwischen 1880 und 1930. Das Spektrum reicht dabei vom „[[Marx Augustin|Lieben Augustin]]“ bis zu den Aufnahmen etwa von [[Maly Nagl]] („I brauch’ ka schöne Leich“). Neben den Werken berühmter Autoren wie [[Wilhelm Wiesberg]] („D’ Hausherrn-Söhnln“), [[Carl Lorens]] („Jetzt trink ma no a Flascherl Wein“) oder [[Ludwig Gruber (Komponist)|Ludwig Gruber]] („Mei Muatterl war a Weanarin“) stehen vor allem die [[Schrammelmusik|Schrammeln]] für weinselige Heurigengemütlichkeit. | Das alteingesessene [[Wienerlied]] konserviert gleichsam den Wortschatz und die Redensarten seiner Entstehungszeit. Seine Hochblüte erlebte es in der Zeit zwischen 1880 und 1930. Das Spektrum reicht dabei vom „[[Marx Augustin|Lieben Augustin]]“ bis zu den Aufnahmen etwa von [[Maly Nagl]] („I brauch’ ka schöne Leich“). Neben den Werken berühmter Autoren wie [[Wilhelm Wiesberg]] („D’ Hausherrn-Söhnln“), [[Carl Lorens]] („Jetzt trink ma no a Flascherl Wein“) oder [[Ludwig Gruber (Komponist)|Ludwig Gruber]] („Mei Muatterl war a Weanarin“) stehen vor allem die [[Schrammelmusik|Schrammeln]] für weinselige Heurigengemütlichkeit. | ||
In der Nachkriegszeit vom aufkommenden Schlager verwässert, wurde das Genre in den 1970ern u.a. von [[Horst Chmela]] („Ana hot immer des Bummerl“) und [[Karl Hodina]] („Herrgott aus Sta“) wiederbelebt. [[Roland Neuwirth]], der sich als Erneuerer des Wienerlieds versteht, zeigte mit seinen [[Extremschrammeln]] auch, daß [[ | In der Nachkriegszeit vom aufkommenden Schlager verwässert, wurde das Genre in den 1970ern u.a. von [[Horst Chmela]] („Ana hot immer des Bummerl“) und [[Karl Hodina]] („Herrgott aus Sta“) wiederbelebt. [[Roland Neuwirth]], der sich als Erneuerer des Wienerlieds versteht, zeigte mit seinen [[Extremschrammeln]] auch, daß [[w:Blues|Blues]] und der Wiener Dialekt sehr gut zusammenpassen. Die Tradition volksmusikalischer Einflüsse durch Zuwanderer ist etwa bei der [[Wiener Tschuschenkapelle]] zu hören („Erst wann’s aus wird sein“). Auch Berühmtheiten von Oper und Bühne würdigten (und würdigen) das Wienerlied mit ihren Vorträgen, unter anderem [[Alexander Girardi]], [[Hans Moser]], [[Paul Hörbiger]], [[Fritz Imhoff]], [[Erich Kunz]], [[Heinz Holecek]] oder [[Walter Berry]]. | ||
Der von der Zeit des Ersten Weltkriegs bis zu seinem Tod in den späten 1950ern wohl populärste Vortragskünstler [[Hermann Leopoldi]] („In der Barnabitengassn“, „Schnucki, ach Schnucki“) stand mehr in der Tradition der Bar- und [[ | Der von der Zeit des Ersten Weltkriegs bis zu seinem Tod in den späten 1950ern wohl populärste Vortragskünstler [[Hermann Leopoldi]] („In der Barnabitengassn“, „Schnucki, ach Schnucki“) stand mehr in der Tradition der Bar- und [[w:Varieté|Varieté]]-Szene; während seiner Emigration in der [[w:Zeit des Nationalsozialismus|Nazizeit]] paßte er sein Repertoire an die Gegebenheiten der deutschsprachigen New Yorker Exilcafés an. In den 1950/60er Jahren spiegelten hierzulande die kabarettistischen Lieder von [[Pirron und Knapp]] („Tröpferlbad“, „Hausmastarock“) die Wiener Lebensweise wider und waren so gut wie jedem bekannt. | ||
Die Kabarettszene um das „Neue Theater am Kärntnertor“ (s.o.) [[ | Die Kabarettszene um das „Neue Theater am Kärntnertor“ (s.o.) [[w:Persiflage|persiflierte]] die bislang textlich vorherrschende gute Laune. Mit [[w:Zynismus|Zynismus]] und Treffsicherheit thematisierten [[Gerhard Bronner]] („Die alte Engelmacherin“) oder [[Georg Kreisler]] („Tauberl vergiften“) die dunkle Seite der Wienerseele. Ein besonderes Beispiel für die Abgründigkeit wienerischen Humors ist die 1966 produzierte Platte „Helmut Qualtinger singt Schwarze Lieder“, mit Texten von [[H. C. Artmann]] und [[Gerhard Rühm]] (Musik: [[Ernst Kölz]]). | ||
Beeinflußt von US-amerikanischen Musikstilen – und gefördert durch die Verbreitung des [[ | Beeinflußt von US-amerikanischen Musikstilen – und gefördert durch die Verbreitung des [[w:Rundfunk|Rundfunks]] – entwickelte sich ab den 1960ern der sogenannte [[Austropop]]. Zu den bekanntesten Vertretern zählen [[Wolfgang Ambros]] („[[Da Hofa]]“; Text: [[Joesi Prokopetz]]), [[Georg Danzer]] („[[Jö schau]]“) und [[Rainhard Fendrich]] („[[Oben ohne]]“). Bei Letzterem ist der hiesige Dialekt bereits oft durch Poidihuabarisch und Schönbrunnerdeutsch abgeschwächt. Im Laufe der Jahrzehnte setzten viele andere Repräsentanten auf eine künstlichen Pseudo-Mundart, um ihre Platten auch im deutschsprachigen Ausland verkaufen zu können; Tiefpunkt dieser Entwicklung stellen heute einheimische Schlagersternchen wie [[w:Christina Stürmer|Christina Stürmer]] u.a. dar, die klares [[Piefke|Piefkinesisch]] singen.<br>Der oft zitierte Liedermacher [[Ludwig Hirsch]] zählt ebensowenig zur wienerischen Musik. Der gebürtige [[Steiermark|Steirer]] imitierte zwar erfolgreich die „schwarze“ Seite hiesiger Texte; er konnte dabei jedoch nie die humoristisch-''positive'' Seite einbringen – jenes gewisse Etwas, das den [[Wiener Schmäh|Schmäh]] ausmacht. Nicht zuletzt klingt seine [[w:Diktion|Diktion]] allenfalls für Ortsfremde „original“.<br>Unter den in neuerer Zeit erfolgreichen Musikern bedient sich (der kroatischstämmige) [[Willi Resetarits]] – besser bekannt als [[Kurt Ostbahn|Ostbahn-Kurti]] („Nochtschicht“; Text: [[Günter Brödl]]) – wieder eines bodenständigen Wienerisch. | ||
=== Film und Fernsehen === | === Film und Fernsehen === | ||
Das ausgestrahlte Bild war noch Schwarz-Weiß, als der ehemalige Simpl-Conférencier [[Heinz Conrads]] in den späten 1950er Jahren das Fernsehpublikum erstmals mit den Worten ''„Küß' die Hand die Damen, guten Abend meine Herrn; seawas die Madln, griaß eich die Buam!“'' begrüßte. Die wöchentliche Sendung „[[Guten Abend am Samstag]]“ – ein harmloses Unterhaltungsprogramm, vornehmlich für ältere Zuseher – wurde für fast drei Jahrzehnte zum Fixpunkt im [[Österreichischer Rundfunk|ORF]], mit unerreichten Einschaltquoten. Wienerischer Dialekt blieb im hiesigen TV für lange Zeit bieder-atmosphärische Verzierung. | Das ausgestrahlte Bild war noch Schwarz-Weiß, als der ehemalige Simpl-Conférencier [[Heinz Conrads]] in den späten 1950er Jahren das Fernsehpublikum erstmals mit den Worten ''„Küß' die Hand die Damen, guten Abend meine Herrn; seawas die Madln, griaß eich die Buam!“'' begrüßte. Die wöchentliche Sendung „[[Guten Abend am Samstag]]“ – ein harmloses Unterhaltungsprogramm, vornehmlich für ältere Zuseher – wurde für fast drei Jahrzehnte zum Fixpunkt im [[Österreichischer Rundfunk|ORF]], mit unerreichten Einschaltquoten. Wienerischer Dialekt blieb im hiesigen TV für lange Zeit bieder-atmosphärische Verzierung. | ||
Das änderte sich erst 1975 mit „[[Ein echter Wiener geht nicht unter]]“ (Autor: [[Ernst Hinterberger]]). Die Serie um den Arbeiter Edmund „Mundl“ Sackbauer (kongenial dargestellt von [[Karl Merkatz]]) zeigte – komödiantisch zugespitzt – in 24 Folgen den Alltag einer typischen Wiener Familie aus einfachen Verhältnissen. Obwohl auch hier die Dialoge meist einer fernsehgerechten Kunstdiktion folgen, finden sich viele echte Sprachpretiosen. In den 1990er Jahren brachte es die inhaltlich ähnlich gelagerte Serie „[[Kaisermühlen Blues]]“ vom nämlichen Autor sogar auf 64 Folgen; ein Grund für die breite Akzeptanz dürfte dabei auch die [[ | Das änderte sich erst 1975 mit „[[Ein echter Wiener geht nicht unter]]“ (Autor: [[Ernst Hinterberger]]). Die Serie um den Arbeiter Edmund „Mundl“ Sackbauer (kongenial dargestellt von [[Karl Merkatz]]) zeigte – komödiantisch zugespitzt – in 24 Folgen den Alltag einer typischen Wiener Familie aus einfachen Verhältnissen. Obwohl auch hier die Dialoge meist einer fernsehgerechten Kunstdiktion folgen, finden sich viele echte Sprachpretiosen. In den 1990er Jahren brachte es die inhaltlich ähnlich gelagerte Serie „[[Kaisermühlen Blues]]“ vom nämlichen Autor sogar auf 64 Folgen; ein Grund für die breite Akzeptanz dürfte dabei auch die [[w:Zeitgeist|zeitgeistige]] Einarbeitung [[w:Politische Korrektheit|politisch korrekter]] Themata gewesen sein. | ||
Ursprünglich vergleichbar war nur [[Helmut Zenker]]s 1976-1983 entstandene (zunächst als Hörspiel ausgestrahlte) Kriminalgeschichte um den fiktiven Wiener Polizeimajor Adolf Kottan. „[[Kottan ermittelt]]“ (Regie: [[Peter Patzak]]) erfreute sich als [[ | Ursprünglich vergleichbar war nur [[Helmut Zenker]]s 1976-1983 entstandene (zunächst als Hörspiel ausgestrahlte) Kriminalgeschichte um den fiktiven Wiener Polizeimajor Adolf Kottan. „[[Kottan ermittelt]]“ (Regie: [[Peter Patzak]]) erfreute sich als [[w:Satire|Satire]] auf gängige Kriminalserien großer Beliebtheit. Neben Darstellern wie [[Kurt Weinzierl]] oder [[Gusti Wolf]] war es vor allem der Kabarettist [[Lukas Resetarits]] (Bruder von Willi Restartis, s.o.), der die Reihe prägte.<br>Epigonalen Krimiserien wie „[[Kommissar Rex]]“ (1994-2004) oder „[[Stockinger]]“ (1996) mangelte es am Dialekt ebenso wie am anarchistischen Humor. | ||
1998 kam „[[MA 2412]]“ heraus: Eine [[ | 1998 kam „[[MA 2412]]“ heraus: Eine [[w:Sitcom|Situationskomödie]] in 34 Folgen, die das österreichische Bürokratentum anhand eines fiktiven „Wiener Amtes für Weihnachtsdekoration“ zum Inhalt hatte; Protagonisten waren [[Roland Düringer]] und [[Alfred Dorfer]]. Die nie ausgestorbene Verklärung der [[Österreich-Ungarn|k&k-Monarchie]] wiederum wurde 2007-2010 in der satirischen Talkshow „[[Wir sind Kaiser]]“ (mit [[Robert Palfrader]] als „Kaiser Robert Heinrich I.“) ironisiert. | ||
Bei Kinofilmen wurde immer schon darauf geachtet, den Dialekt nicht zu stark einzusetzen, um möglichst den gesamten deutschsprachigen Raum als Absatzmarkt zur Verfügung zu haben. Einige Filme, in denen zumindest teilweise Wienerisch gesprochen wird, sind: | Bei Kinofilmen wurde immer schon darauf geachtet, den Dialekt nicht zu stark einzusetzen, um möglichst den gesamten deutschsprachigen Raum als Absatzmarkt zur Verfügung zu haben. Einige Filme, in denen zumindest teilweise Wienerisch gesprochen wird, sind: | ||
* „Exit ... nur keine Panik“<ref>[http://www.imdb.com/title/tt0080705/ ''„Exit ... nur keine Panik“'']: Der Film auf der [[ | * „Exit ... nur keine Panik“<ref>[http://www.imdb.com/title/tt0080705/ ''„Exit ... nur keine Panik“'']: Der Film auf der [[w:Internet Movie Database|IMDb]]</ref> (Ö/D 1980; R: [[Franz Novotny]]; mit [[Hanno Pöschl]], [[Paulus Manker]], [[w:Isolde Barth|Isolde Barth]]) | ||
* „[[Der Bockerer (Film)|Der Bockerer]]“ (D/Ö 1981; R: [[Franz Antel]]; mit [[Karl Merkatz]], [[Ida Krottendorf]], [[Georg Schuchter]]) | * „[[Der Bockerer (Film)|Der Bockerer]]“ (D/Ö 1981; R: [[Franz Antel]]; mit [[Karl Merkatz]], [[Ida Krottendorf]], [[Georg Schuchter]]) | ||
* „[[Café Malaria|Malaria]]“ (Ö 1982; R: [[Niki List]]; mit [[Christian Schmidt (Schauspieler, 1958)|Christian Schmidt]], [[Andreas Vitásek]], Sabine Platzer) | * „[[Café Malaria|Malaria]]“ (Ö 1982; R: [[Niki List]]; mit [[Christian Schmidt (Schauspieler, 1958)|Christian Schmidt]], [[Andreas Vitásek]], Sabine Platzer) | ||
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=== Comics === | === Comics === | ||
Von einzelnen [[ | Von einzelnen [[w:Cartoon|Cartoons]] – etwa in regionalen Tageszeitungen – abgesehen, ist das Wienerische auf diesem Sektor wenig präsent. Eine Ausnahme bildet die [[w:Liste der Mundart-Ausgaben von Asterix|Mundart-Reihe]] der [[w:Comic|Comicserie]] „''[[w:Asterix|Asterix]]''“, in der bislang drei einschlägige Bände erschienen: | ||
* ''Da große Grobn'' (1997, [[Günter Brödl]]; deutscher Titel: „[[ | * ''Da große Grobn'' (1997, [[Günter Brödl]]; deutscher Titel: „[[w:Der große Graben|Der große Graben]]“) | ||
* ''Da Woasoga'' (1998, [[Günter Brödl]]; deutscher Titel: „[[ | * ''Da Woasoga'' (1998, [[Günter Brödl]]; deutscher Titel: „[[w:Der Seher|Der Seher]]“) | ||
* ''Asterix oes Legionäa'' (1999, [[H. C. Artmann]]; deutscher Titel: „[[ | * ''Asterix oes Legionäa'' (1999, [[H. C. Artmann]]; deutscher Titel: „[[w:Asterix als Legionär|Asterix als Legionär]]“) | ||
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== Alltagskultur == | == Alltagskultur == | ||
=== Essen und Trinken === | === Essen und Trinken === | ||
Die leiblichen Genüsse liegen dem Wiener seit jeher am Herzen. So finden sich nicht nur im Vokabular der [[Wiener Küche]] zahlreiche ortsspezifische Spezialausdrücke; die hier wesentlichen Zentren gastronomischer Kultur haben darüber hinaus ihre jeweils eigenen Formulierungen im Sprachgebrauch hinterlassen.<br>Im [[Wiener Kaffeehaus|Kaffeehaus]] bestellt man z.B. keinen [[ | Die leiblichen Genüsse liegen dem Wiener seit jeher am Herzen. So finden sich nicht nur im Vokabular der [[Wiener Küche]] zahlreiche ortsspezifische Spezialausdrücke; die hier wesentlichen Zentren gastronomischer Kultur haben darüber hinaus ihre jeweils eigenen Formulierungen im Sprachgebrauch hinterlassen.<br>Im [[Wiener Kaffeehaus|Kaffeehaus]] bestellt man z.B. keinen [[w:Cappucino|Cappuccino]], sondern eine ''„[[Melange|melåusch]]“''. Kellner gibt es dort nicht: „Herr Ober“ ist die korrekte Anrede, beziehungsweise – so man bereits öfter zu Gast war – unter Einbeziehung des Vornamens etwa „Herr Franz“. | ||
Beim [[Heuriger|Heurigen]] oder im Wirtshaus wiederum werden die servierenden Damen (nur) mit „Fräulein“ angesprochen. Wobei auf die Intonation zu achten ist: Wer „Froij-laihn" sagt, wird sofort als Ausländer erkannt ( ''„fräuleein“'' – mit [[Meidlinger L]] – wäre annähernd richtig). Ähnliches gilt für Bestellungen wie [[ | Beim [[Heuriger|Heurigen]] oder im Wirtshaus wiederum werden die servierenden Damen (nur) mit „Fräulein“ angesprochen. Wobei auf die Intonation zu achten ist: Wer „Froij-laihn" sagt, wird sofort als Ausländer erkannt ( ''„fräuleein“'' – mit [[Meidlinger L]] – wäre annähernd richtig). Ähnliches gilt für Bestellungen wie [[w:Schorle|Schorle]] statt ''„gsprizta“'' oder [[w:Biermaße|Halbe]] statt ''„kriagl “''. Das umfangreiche Begriffsrepertoire beim [[Würstelstand]]<ref>[http://www.evolver.at/kolumnen/Sprachpflege_Wuerstelstand_25_03_2010/ ''„Heiß und fettig“'']: Der Wiener Würstelstand und seine Spezialausdrücke</ref> variiert sogar bezirksweise, weshalb es für Ortsfremde faktisch nicht erlernbar ist. | ||
=== Sport und Spiel === | === Sport und Spiel === | ||
1956 setzten [[Pirron und Knapp]] dem Fußball mit ihrem Lied „Ländermatch“<ref>[http://www.youtube.com/watch?v=s5xQ8JW9Wxk Pirron und Knapp: ''Das Ländermatch'']</ref> ein musikalisches Denkmal. Das Wienerische bewahrt im betreffenden [[ | 1956 setzten [[Pirron und Knapp]] dem Fußball mit ihrem Lied „Ländermatch“<ref>[http://www.youtube.com/watch?v=s5xQ8JW9Wxk Pirron und Knapp: ''Das Ländermatch'']</ref> ein musikalisches Denkmal. Das Wienerische bewahrt im betreffenden [[w:Jargon|Jargon]] einerseits Ausdrücke der Originalsprache Englisch ('' „metsch“'' / ''match'', ''„koana“'' / ''corner''), kennt aber auch viele nur hier verständliche Wortschöpfungen; etwa den ''„brotschuß“'' – einen so schwachen Schuß, daß man dem Ball ein Stück Brot nachwerfen möchte, damit er in der Luft nicht „verhungert“ – oder das ''„guakerl “''. Bei Letzterem verfehlt ein Spieler den Ball, weil er ihm zwischen den Beinen durchrollt (also unterhalb der ''„guakn“'', i.e. des Penis).<br>Berühmt wurde die Radioreportage von [[Edi Finger]] aus dem Jahr 1978 beim Spiel [[Córdoba 1978|Österreich gegen Deutschland]]: Seinen jubelnden Ausruf [[Edi Finger#Córdoba 1978|''„I wer narrisch!“'']]<ref>[http://www.youtube.com/watch?v=CXbS_EqwWNY ''„I wer narrisch!“'']: [[Edi Finger]], [[Córdoba 1978]]</ref> gibt es heute sogar als Handy-Klingelton. | ||
Neben [[ | Neben [[w:Schach|Schach]] und [[w:Billard|Billard]] (vorzugsweise [[w:Carambolage|Carambol]]) erfreut sich in Wien das Kartenspiel großer Beliebtheit. Die am häufigsten gespielten Arten sind [[w:Tarock|Tarock]], [[w:Préférence|Prefaranzen]] und [[Schnapsen]]. Entsprechend haben viele Fachausdrücke ihren Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden. Der ''„gschdis“'' ([[w:Trull (Tarock)|Sküs]]) als höchste Karte im Tarock steht [[w:Synonymie|synonym]] für Abweisung: ''„Mei oide hod ma in gschdis gebn“'' bedeutet soviel wie „Meine Partnerin hat unsere Beziehung beendet“. Vom Schnapsen leiten sich u.a. ''„es bummerl ham“'' (das Nachsehen haben) oder ''„ausn schneida sein“'' her (sich aus einer schwierigen Situation gerettet haben): Im Spiel bezeichnet ein ''„bummerl “'' eine verlorene Einzelpartie, das ''„schneiderbummerl “'' eine ohne einzigen Punkt verlorene Gesamtpartie. | ||
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== Beispiel: Übersetzung des Bildtextes == | == Beispiel: Übersetzung des Bildtextes == | ||
Die im Eingangsbild abgedruckte erste Strophe des Liedes „Lokale Ausdrücke“ bezieht sich – man bedenke die Jahreszahl – auf ungefähr folgende Situation: Ein Herr aus dem [[ | Die im Eingangsbild abgedruckte erste Strophe des Liedes „Lokale Ausdrücke“ bezieht sich – man bedenke die Jahreszahl – auf ungefähr folgende Situation: Ein Herr aus dem [[w:Bürgertum|Bürgertum]] ließ sich spätabends von einer [[w:Droschke|Droschke]] chauffieren und zahlt dem Kutscher nur ein Drittel des geforderten Preises. Der Fahrer hat nun – nicht zuletzt wegen des Standesunterschiedes – kaum eine Möglichkeit, seine Forderung durchzusetzen. Was ihm bleibt, ist, seinem Ärger mit Beschimpfungen Luft zu machen; wobei er gezielt das (vermeintliche) Niveau des Fahrgastes zum Inhalt nimmt. | ||
* ''A Fiaker, der tuat für's Fahrn von an Herrn, bei der Nacht in der Leopoldstadt drei Gulden begehrn'' | * ''A Fiaker, der tuat für's Fahrn von an Herrn, bei der Nacht in der Leopoldstadt drei Gulden begehrn'' | ||
:„Bei der Nacht“ = spät abends/nachts; [[Leopoldstadt]] = Name des 2. Wiener Gemeindebezirkes; einer nicht unbedingt gut [[ | :„Bei der Nacht“ = spät abends/nachts; [[Leopoldstadt]] = Name des 2. Wiener Gemeindebezirkes; einer nicht unbedingt gut [[w:Leumund|beleumdeten]] Gegend. „Begehren“: der Gebrauch dieses hochdeutschen Wortes ist bereits ironisch gemeint (schließlich steht dem [[Fiaker]] die Bezahlung ja zu). | ||
* ''der Herr sagt: Ich zahl' ein Gulden bloß nur, i glaub', für a Viertelstund fahr'n is das gnua!'' | * ''der Herr sagt: Ich zahl' ein Gulden bloß nur, i glaub', für a Viertelstund fahr'n is das gnua!'' | ||
:„Eine Viertelstunde“: Man kann davon ausgehen (siehe weiter oben: Unter- und Übertreibungen), daß die Fahrt länger als 15 Minuten gedauert hat. | :„Eine Viertelstunde“: Man kann davon ausgehen (siehe weiter oben: Unter- und Übertreibungen), daß die Fahrt länger als 15 Minuten gedauert hat. | ||
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:„Sieh zu, daß du weiterkommst“ = Aufforderung, sich zu entfernen. | :„Sieh zu, daß du weiterkommst“ = Aufforderung, sich zu entfernen. | ||
* ''Du bucklerts Maikäferl mit dem Mehlwurmheferl'' | * ''Du bucklerts Maikäferl mit dem Mehlwurmheferl'' | ||
:„Buckliges Maikäferchen“: Vielleicht ging der Herr ja ein wenig gebeugt; oder er trug einen [[ | :„Buckliges Maikäferchen“: Vielleicht ging der Herr ja ein wenig gebeugt; oder er trug einen [[w:Frack|Frack]], dessen Schöße an die Flügeldecken des Insektes gemahnten. Wahrscheinlicher ist allerdings, daß derlei optische Anmutungen vom Sprecher insinuiert werden. „Mehlwurmhäferl“ war ein spöttischer Ausdruck für den [[w:Zylinder (Hut)|Zylinderhut]]: In einem entsprechenden Gefäß wurden die [[w:Larve|Larven]] des [[w:Mehlkäfer|Mehlkäfers]] als Nahrung für Stubenvögel gezüchtet. | ||
* ''tua nur g'schwind apasch'n sonst'n kriagst a Flaschn'' | * ''tua nur g'schwind apasch'n sonst'n kriagst a Flaschn'' | ||
:„Abpaschen“ = sich sehr rasch entfernen / das Weite suchen; „Flaschen“ = Ohrfeige. | :„Abpaschen“ = sich sehr rasch entfernen / das Weite suchen; „Flaschen“ = Ohrfeige. | ||
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:„Masl“ = Glück, „eh“ = ohnehin, „auf der Erde“ = am Boden: Also jemand, den das (pekuniäre) Glück bereits verlassen hat. | :„Masl“ = Glück, „eh“ = ohnehin, „auf der Erde“ = am Boden: Also jemand, den das (pekuniäre) Glück bereits verlassen hat. | ||
* ''mit deine Spatzenwad'ln kannst am Schubkarr'n rad'ln'' | * ''mit deine Spatzenwad'ln kannst am Schubkarr'n rad'ln'' | ||
:„Mit deinen Waden, die so dürr wie die eines Spatzen sind, magst du mit einer [[ | :„Mit deinen Waden, die so dürr wie die eines Spatzen sind, magst du mit einer [[w:Schubkarre|Scheibtruhe]] Rad fahren“ ... | ||
* ''net mit'n Jukkazeugl, anbrennts Magenbeugl'' | * ''net mit'n Jukkazeugl, anbrennts Magenbeugl'' | ||
:... „aber nicht in einem Fuhrwerk mit schnellen Pferden, du angebranntes Mohnbeugel!“.<br>In diesen zwei Zeilen macht der Sprecher seiner Entrüstung via zunehmend phantasievoller Abschweifungen Luft. „Jucker“ = schnelles Pferd; „Zeugl“ = [[ | :... „aber nicht in einem Fuhrwerk mit schnellen Pferden, du angebranntes Mohnbeugel!“.<br>In diesen zwei Zeilen macht der Sprecher seiner Entrüstung via zunehmend phantasievoller Abschweifungen Luft. „Jucker“ = schnelles Pferd; „Zeugl“ = [[w:Gespann|Gespann]]; das Mohnbeugel ist ein beliebtes Süßgebäck (ähnlich dem [[Kipferl]]). | ||
* ''i könnt den Wasserratzn ane einepatzen'' | * ''i könnt den Wasserratzn ane einepatzen'' | ||
:„Könnte“ = möchte, würde gerne; „Wasserratte“: Hier eine Steigerung der Beschimpfung „Ratte“ (man beachte auch den scheinbaren [[ | :„Könnte“ = möchte, würde gerne; „Wasserratte“: Hier eine Steigerung der Beschimpfung „Ratte“ (man beachte auch den scheinbaren [[w:Akkusativ|Akkusativ]] im Artikel); „Einepatzen“ = hineinschlagen. | ||
* ''daß er nimmer zwölfe läuten hört'' | * ''daß er nimmer zwölfe läuten hört'' | ||
:Eigentlich eine Morddrohung: „Er wird es nicht (einmal) mehr hören, wenn die Turmuhr Zwölf schlägt“ (also am längsten/lautesten); im Dialekt jedoch nie wirklich ernstgemeint. | :Eigentlich eine Morddrohung: „Er wird es nicht (einmal) mehr hören, wenn die Turmuhr Zwölf schlägt“ (also am längsten/lautesten); im Dialekt jedoch nie wirklich ernstgemeint. |