Zuckerfabrik Leopoldsdorf: Unterschied zwischen den Versionen
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* Werner Kohl: ''Die | * Josef Borecky, Helmut Falschlehner, Werner Kohl, Dieter Nefischer: ''Die Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken-Actiengesellschaft und das Zuckerimperium Schoeller mit der Zuckerfabrik Leopoldsdorf im Marchfelde'' in ''Die österreichische Zuckerindustrie und ihre Geschichte(n) 1750–2013'', 2014, Böhlau Verlag S.274-292 ISBN 9783205794981 | ||
* Otto R. Maresch: ''Die Geschichte der Zuckerfabrik Leopoldsdorf der Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken-Actiengesellschaft'', 1951, anlässlich 50-Jahrfeier | * Otto R. Maresch: ''Die Geschichte der Zuckerfabrik Leopoldsdorf der Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken-Actiengesellschaft'', 1951, anlässlich 50-Jahrfeier | ||
Version vom 26. August 2020, 16:11 Uhr
Die Zuckerfabrik Leopoldsdorf ist eine zum Agrana-Konzern gehörende Zuckerfabrik in Leopoldsdorf im Marchfelde. Ihr Bestehen ist aktuell sehr umstritten, da wegen des verstärkten Auftretens des Rüsselkäfers die Rübenanbaufläche drastisch abgenommen hat und sich damit die Zuckerfabrikation an dem Standort nicht mehr lohnen soll.[1][2]
Geschichte
Entstehung
Die Gründung der Zuckerfabrik geht auf das Jahr 1901 zurück, wo die Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken AG (LLZ) unter Richard von Skene senior (1867-1947) ein Grundstück vom Gut des Rudolf Wiener von Welten mit der Größe von 33,52 Hektar kaufte.
Das Rübengebiet grenzte unmittelbar an jenes der Dürnkruter Zuckerfabrik Kürschner & Bachler, von der die LLZ schon länger plante sie zu kaufen, die Verhandlungen aber bisher ergebnislos verliefen.
Unter dem Betriebsdirektor der Zuckerfabrik von Mratín in Böhmen, Josef Hauser wurde die Zuckerfabrik errichtet. Die Einrichtung wurde von zahlreichen böhmischen und mährischen Unternehmen wie Breitfeld, Danek & Co in Prag oder der Ersten Brünner Maschinenfabriksgesellschaft, die schon Erfahrung in der Ausrüstung von Zuckerfabriken aufwiesen, geliefert. Auch der Gleisanschluss an die Marchegger Ostbahn zwischen den Bahnhöfen Siebenbrunn-Leopoldsdorf und Untersiebenbrunn wurde errichtet. Beim Bau des Fabriksgebäudes kam es allerdings in der Nacht nach der Gleichenfeier zu einem Unglück, denn infolge eines Orkans am 30. November 1901 stürzte ein Teil der Westfront wieder ein. Trotzdem konnte der Bau zügig fortsgesetzt werden und 1902 fertiggestellt werden, sodass noch in diesem Jahr die ersten Rüben verarbeitet werden konnten.
Die Anbaugebiete betrugen zu Betriebsbeginn 2.711 Joch (1.560 Hektar). Von diesen wurden rund 45.000 Tonnen Rüben verarbeitet.
Durch die ungünstige Lage der Fabrik in Leipnik wurde diese im Jahr 1904 nach 37 Kampagnen stillgelegt. Der Standort wurde jedoch nicht aus dem Firmenwortlaut der LLZ gestrichen, da auch die Kuffnersche Lundenburger Zuckerfabriks-Aktiengesellschaft bestand. Mit der Schließung wurde Leopoldsdorf der Haupthersteller von Rohzucker der LLZ.
Noch vor dem Ersten Weltkrieg konnte die LLZ sowohl in Mähren Zuckerfabriken aufkaufen, wie jene Kwassitz und Wschetul (heute Stadtteil von Holešov, wobei Kwassitz nur gekauft wurde, eine Konkurrenz loszuwerden und zu schließen. Auch an der Dürnkruter Fabrik konnte die LLZ noch Anteile erwerben, die bis zu einer Mehrheit führten.
Zwischenkriegszeit
Nach dem Ersten Weltkrieg verblieben nur mehr Leopoldsdorf und Dürnkrut im heutigen Österreich, die von der Wiener Zentrale der LLZ gesteuert werden konnten. In der Tschechoslowakei organisierten sich die von der LLZ verbliebenen Zuckerfabriken nach 1921 als Lundenburger Zuckerraffinerie Aktiengesellschaft neu. Allerdings entstanden in Österreich mit den Zuckerfabrik Siegendorf und Hirm, die ja bisher zu Transleithanien gehörten und mit der Volksabstimmung 1921 erst zum verbliebenen Österreich kamen.
Die Leopoldsdorfer Fabrik wurde in eine Zuckerraffinerie umgebaut und konnte in der Kampagne 1920/1921 in Betrieb genommen werden. Durch den Zuckermangel nach dem Krieg wurde der Zuckeranbau durch die Industrie unterstützt. Von der Zuckerfabrik selbst wurde zuerst die Kristallzucker- und im Jahr darauf die Würfelzuckererzeugung aufgenommen.
Durch die erworbenen Anteile in Dürnkrut wurde die Zusammenarbeit intensiviert und es bis zu zwei Drittel des Rohzuckers aus Dürnkrut verarbeitet. 1926 wurden schließlich die beiden unter Schoeller und Richard Skene fusioniert.
Die wirtschaftliche Lage in den 1930er Jahren spiegelt sich auch in den Rübenanbauflächen wider, da auch der Zuckerkonsum stark abnahm. War die Produktion von Zucker in Leopoldsdorf in der Saison 1934/35 noch 505.135 Doppelzentner (dz) (50.000 Tonnen), so sank sie im Folgejahr auf 297.414 dz (30.000 Tonnen).
Zweiter Weltkrieg
Mit dem Anschluss wurde auch die Zuckerfabrik der deutschen Zuckerwirtschaft in Berlin unterstellt, von wo sie ein bestimmtes Erzeugungskontingent zugeteilt bekam. Die LLZ insgesamt verlor jetzt alle Kunden in Westösterreich, die von Bayern beliefert wurden. Die Zuckerfabriken wurden jetzt aber auch zur Erzeugung von Futtermittel verpflichtet, sodass in Leopoldsdorf auch eine große Trocknungsanlage für Rübenschnitzel errichtet wurde. Sowohl Einkaufs- als auch Verkaufspreise wurden zentral vorgegeben.
Mit den fortschreitenden Kriegsjahren wurden Anbauflächen kleiner und die Produktion ging zurück. Durch die Luftangriffe wurde zwar der Betrieb gestört, die Schäden hielten sich jedoch in Grenzen. Erst zu Kriegsende wurden durch abziehende deutsche Truppen am 9. April Einrichtungen gesprengt, während die Zentrale in Wien durch den Kampf um Wien niederbrannte. Auch Richard Skene junior kam dabei ums Leben. Als die Front auch bei Leopoldsdorf immer näher rückte, flüchteten zahlreiche Bewohner, vor allem Frauen und Kinder, auch mit Firmenfahrzeugen der Zuckerfabrik nach Westen, wo sie auch im Gebiet um Zwettl Unterschlupf fanden.
Als die Sowjets einrückten, war die Fabrik selbst demoliert. Die Truppen beschalagnahmten die Fabrik und das Zuckerlager wurde Beutegut.
Erst nach der Instandsetzung der weniger beschädigten Fabrik in Dürnkrut, wurde der Wiederaufbau in Leopoldsdorf begonnen. Schwierigkeiten machte die Beschaffung von Maschinenteilen, aber auch die teilweise Besetzung durch die Sowjets. Erst 1949 erhielt die Firmenleitung wieder die volle Hoheit über die Fabrik. So konnte in diesem Jahr wieder mit der Rohzucker- und Rübenkampagne begonnen werden. Die Finanzierung war erleichtert, da hinter der LLZ auch das Bankhaus Schoeller als Haupteigentümer stand. So wurden in die Renovierung und damit verbundene Modernisierung 90 Millionen Schilling investiert.
Im Jahr 1949 konnte auch erstmals Rohrzucker aus Kuba verarbeitet werden, der im Zuge des Marshallplans durch die Amerikaner nach Österreich geliefert wurde. In der Saison 1950/1951 erreichte die Produktion wieder jene in den 1930er Jahren.
Im Jahr 1957 konnte das Werk an das Erdgasnetz angeschlossen werden, sodass die teure Ölfeuerung eingestellt werden konnte. Eine treibende Kraft des Wiederaufbaues war Paul Ferstel (?-1959), ein Enkel des Architekten Heinrich von Ferstel, sowohl in Leopoldsdorf als auch in Dürnkrut.
Nach einem Vierjahresplan der LLZ im Jahr 1963 sollte als Folge der Kontingentierung des Rübenanbaues die Kapazität in Leopoldsdorf wesentlich zu erhöht werden. So konnten in der Kampagne 1966/1967 5,9 Millionen Zentner (590.000 Tonnen) Rüben verarbeitet werden.
Während sich das Eigentümerunternehmen LLZ zu einer Beteiligungsgruppe wandelte, die von Delikomat bis zur Casino Austria reichte, wurden 1972 die beiden Zuckerfabriken Leopoldsdorf und Dürnkrut in eine neue Gesellschaft Marchfelder Zuckerfabriken AG später GmbH unter dem Dach der LLZ umgewandelt.
Im März 1976 wurde die Fusion der Marchfelder Zuckerfabriken mit jenen der Familie Strakosch, also der Hohenauer und Enns fusioniert um die Rationalisierungen der einzelnen Werke auszunützen, angekündigt. 1977/1978 wurde diese Fusion vollzogen und als neue Sugana Zucker GesmbH mit Sitz am Heumarkt in Wien gegründet.
Dabei wurde aber das kleinste der Werke, das Werk in Dürnkrut geschlossen und als Zentralwerkstatt der verbliebenenen Werke ausgebaut. Andere Mitarbeiter fanden auch in Leopoldsdorf Beschäftigung.
Mit dem Jahr 1979 begannen durch Änderungen der Schoeller-Bank auch Änderungen in der Eigentümerstruktur der Sugana und damit des Werkes in Leopoldsdorf. Zuerst eine Fusion 1987 mit der Zuckerfabrik Tulln wurde 1989 die Agrana Beteiligungs-AG gegründet, die Sugana und auch die Stärkefabriken Agena umfasste.
Durch weitere Rationalisierungen und Konzentrationen wurden zahlreiche Zuckerfabriken geschlossen, sodass aktuell neben jener in Leopoldsdorf nur mehr eine in Tulln in Betrieb sind.
Literatur
- Josef Borecky, Helmut Falschlehner, Werner Kohl, Dieter Nefischer: Die Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken-Actiengesellschaft und das Zuckerimperium Schoeller mit der Zuckerfabrik Leopoldsdorf im Marchfelde in Die österreichische Zuckerindustrie und ihre Geschichte(n) 1750–2013, 2014, Böhlau Verlag S.274-292 ISBN 9783205794981
- Otto R. Maresch: Die Geschichte der Zuckerfabrik Leopoldsdorf der Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken-Actiengesellschaft, 1951, anlässlich 50-Jahrfeier
Einzelnachweise
- ↑ Zuckerfabrik Leopoldsdorf vor dem Aus auf ORF-Niederösterreich vom 25. August 2020 abgerufen am 26. August 2020
- ↑ Zuckerfabrik Leopoldsdorf kurz vor der Schließung auf meinbezirk vom 26. August 2020 abgerufen am 26. August 2020
Weblinks
- Zuckerfabriken der Agrana
- Fotos zum Schlagwort Zuckerfabrik in der Topothek der Gemeinde/Region leopoldsdorf-im-marchfeld (Urheberrechte beachten)
48.23916116.702633Koordinaten: 48° 14′ 21″ N, 16° 42′ 9″ O