Akteneinsicht: Unterschied zwischen den Versionen

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Das Recht auf '''Akteneinsicht''' ist ein Verfahrensgrundrecht und wird in Österreich für alle Ebenen der [[w:Verwaltung|Verwaltung]] und der [[w:Gerichtsbarkeit|Gerichtsbarkeit]] durch Artikel 6 [[w:EMRK|EMRK]] auf [[w:B-VG|bundesverfassungsrechtlicher]] Ebene gewährleistet und geschützt. Parteien, Verdächtigen, Beschuldigten, Privatbeteiligten<ref>Im Ermittlungsfahren kann jedoch dem [[Privatbeteiligter|Privatbeteiligten]] die Akteneinsicht beschränkt werden (§ 68 Abs. 1 StPO).</ref> und Privatanklägern bzw Opfern etc. in behördlichen und gerichtlichen Verfahren steht grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht zu und die Behörden und Gerichte sind verpflichtet, diese zu ermöglichen (in Österreich oft als ''gewähren'' oder ''gestatten'' bezeichnet, obwohl es ein Recht ist bzw. Verpflichtung der staatlichen Einrichtung). Für [[w:Sachverständiger|Sachverständigen]] und [[w:Dolmetscher|Dolmetschern]] besteht das Recht auf Akteneinsicht nur soweit und so lange, wie dies für ihre Tätigkeit erforderlich ist.
Das Recht auf '''Akteneinsicht''' ist ein Verfahrensgrundrecht und wird in Österreich für alle Ebenen der [[w:Verwaltung|Verwaltung]] und der [[w:Gerichtsbarkeit|Gerichtsbarkeit]] durch Artikel 6 [[w:EMRK|EMRK]] auf [[w:B-VG|bundesverfassungsrechtlicher]] Ebene gewährleistet und geschützt. Parteien, Verdächtigen, Beschuldigten, Privatbeteiligten<ref>Im Ermittlungsfahren kann jedoch dem [[Privatbeteiligter|Privatbeteiligten]] die Akteneinsicht beschränkt werden (§ 68 Abs. 1 StPO).</ref> und Privatanklägern bzw Opfern etc. in behördlichen und gerichtlichen Verfahren steht grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht zu und die Behörden und Gerichte sind verpflichtet, diese zu ermöglichen (in Österreich oft als ''Akteneinsicht gewähren'' oder ''gestatten'' bezeichnet, obwohl es ein Recht ist bzw. zwingende Verpflichtung der staatlichen Einrichtung). Für [[w:Sachverständiger|Sachverständigen]] und [[w:Dolmetscher|Dolmetschern]] besteht das Recht auf Akteneinsicht nur soweit und so lange, wie dies für ihre Tätigkeit erforderlich ist.
 
Die Akteneinsicht ist grundsätzlich während der Amtsstunden der Behörde oder des Gerichtes in den jeweiligen Amtsräumen zu ermöglichen.<ref>Siehe hierzu z. B. § 53 Abs. 2 StPO.</ref> Im Rahmen der technischen Möglichkeiten kann diese auch über einen Bildschirm oder im Wege elektronischer Datenübertragung ermöglicht werden.


== Recht auf Akteneinsicht ==
== Recht auf Akteneinsicht ==
Die Ermöglichung der Akteneinsicht ist ein Akt, der nicht einer besonderen Genehmigung bedarf, da es ein Verfahrensgrundrecht ist, welches grundsätzlich unabdingbar einem Berechtigten zusteht. Wird ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, dann liegt es jedoch am Berechtigten, ob, wann und wie weit er diese Möglichkeit nutzt.<ref>Für das Verwaltungsverfahren siehe dazu VwGH 99/16/0081, 99/16/0239.</ref>
Die Ermöglichung der Akteneinsicht ist ein Akt, der nicht einer besonderen Genehmigung bedarf, da es ein Verfahrensgrundrecht ist, welches grundsätzlich unabdingbar und jederzeit einem Berechtigten zusteht. Wird ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, dann liegt es jedoch am Berechtigten, ob, wann und wie weit er diese Möglichkeit nutzt.<ref>Für das Verwaltungsverfahren siehe dazu VwGH 99/16/0081, 99/16/0239.</ref> Er kann zur Wahrnehmung seines Rechtes an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit oder in Verbindung mit einer bestimmten Situation oder bzgl. der An- oder Abwesenheit von bestimmten Personen etc. nicht gezwungen werden.


Der Umfang der Akteneinsicht erstreckt sich grundsätzlich – mit Einschränkungen – auf den gesamten Akt, inklusiver der vom Berechtigten selbst eingebrachten Schriftsätze. Bestimmte behördeninterne Aktenbestandteile oder aus Gründen des [[w:Datenschutz|Datenschutzes]] besonders geschützte Informationen, Bilder etc. können unter Umständen ausgenommen werden.  
Der Umfang der Akteneinsicht erstreckt sich grundsätzlich – mit Einschränkungen – auf den gesamten Akt, inklusiver der vom Berechtigten selbst eingebrachten Schriftsätze. Bestimmte behördeninterne Aktenbestandteile oder aus Gründen des [[w:Datenschutz|Datenschutzes]] besonders geschützte Informationen, Bilder etc. können unter Umständen ausgenommen werden.  
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== Verpflichtung zur Ermöglichung der Akteneinsicht ==
== Verpflichtung zur Ermöglichung der Akteneinsicht ==
Das Recht auf Akteneinsicht korrespondiert mit der Verpflichtung von Behörden, Gerichten etc., diese Akteneinsicht zu ermöglichen. Da eine Akteneinsicht grundsätzlich vom Berechtigten jederzeit wahrgenommen werden kann, besteht auch eine Verpflichtung der Behörden, Gerichte etc. dies jederzeit zu den entsprechenden Amtsstunden zu ermöglichen. Dies kann unter Umständen problematisch sein, wenn sich ein Akt z. B. beim Sachverständigen oder Dolmetscher außerhalb des Amtssitzes der Behörde oder des Gerichtes etc., befindet.
Das Recht auf Akteneinsicht korrespondiert mit der Verpflichtung von Behörden, Gerichten etc., diese Akteneinsicht zu ermöglichen. Da eine Akteneinsicht grundsätzlich vom Berechtigten jederzeit wahrgenommen werden kann, besteht auch eine Verpflichtung der Behörden, Gerichte etc. dies jederzeit zu den entsprechenden Amtsstunden zu ermöglichen. Dies kann unter Umständen problematisch sein, wenn sich ein Akt z. B. beim Sachverständigen oder Dolmetscher oder einer Oberinstanz außerhalb des Amtssitzes der zuständigen Behörde oder des Gerichtes etc., befindet.


In der Praxis hat es sich eingebürgert, dass Berechtigte oder deren Rechtsvertreter zuvor die Absicht der Akteneinsicht der Behörde, dem Gericht etc. bekannt geben und einen Termin hierzu vereinbaren. Dies ist jedoch nicht verpflichtend.
In der Praxis hat es sich eingebürgert, dass Berechtigte oder deren Rechtsvertreter zuvor die Absicht der Akteneinsicht der Behörde, dem Gericht etc. bekannt geben und einen Termin hierzu vereinbaren. Dies ist jedoch nicht verpflichtend.
Für Sachverständige, Dolmetscher, Gerichte, Behörden etc. kann auch eine Verpflichtung bestehen, in einen Akt Einsicht zu nehmen, um ihre Tätigkeit überhaupt ordnungsgemäß ausüben zu können.
== Ort der Akteneinsicht ==
Die Akteneinsicht ist grundsätzlich bzw. zumindest während der Amtsstunden der Behörde oder des Gerichtes in den jeweiligen Amtsräumen zu ermöglichen.<ref>Siehe hierzu z. B. § 53 Abs. 2 StPO.</ref> Im Rahmen der technischen Möglichkeiten kann diese auch über einen Bildschirm oder im Wege elektronischer Datenübertragung ermöglicht werden oder auch z. B. bei einem [[w:Lokalaugenschein|Lokalaugenschein]] oder externen Bauverhandlung etc. Akteneinsicht gewährt werden.


== Akteneinsicht im Zivilverfahren ==
== Akteneinsicht im Zivilverfahren ==
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Im österreichischen Strafprozessrecht ist die Akteneinsicht vor allem in den §§ 51 bis 53 [[w:Strafprozeßordnung 1975|StPO]] geregelt, im Verwaltungsstrafrecht in § 24 [[w:Verwaltungsstrafgesetz 1991|VStG]] iVm § 17 [[w:Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991|AVG]] und im Disziplinarstrafverfahren in den jeweiligen Disziplinarordnungen, meist iVm mit dem § 17 AVG.
Im österreichischen Strafprozessrecht ist die Akteneinsicht vor allem in den §§ 51 bis 53 [[w:Strafprozeßordnung 1975|StPO]] geregelt, im Verwaltungsstrafrecht in § 24 [[w:Verwaltungsstrafgesetz 1991|VStG]] iVm § 17 [[w:Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991|AVG]] und im Disziplinarstrafverfahren in den jeweiligen Disziplinarordnungen, meist iVm mit dem § 17 AVG.


Die Akteneinsicht im Straf-, Verwaltungsstraf- und Disziplinarstrafverfahren soll es dem Beschuldigten insbesondere ermöglichen, sich verteidigen zu können, so dass er nicht von Vorwürfen und Beweisen überrascht wird, welche die Behörde, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht gegen ihn verwenden wollen. Es gelten zwar nach § 3 StPO die Grundsätze des Objektivität und Wahrheitserforschung für die Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte. Diese haben ''die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, die für die Beurteilung der Tat und des Beschuldigten von Bedeutung sind'', (...) ''ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden'' und ''die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln'', jedoch wird die Ungleichheit im Strafverfahren zu Lasten der Verdächtigen und Beschuldigten seit Jahrzehnten in Österreich kritisiert und aufgezeigt. Das Recht auf Akteneinsicht ist dabei ein Korrektiv für diese seit Jahrzehnten bestehende Ungleichheit.<ref>Siehe z. B.: Christian Bertel: ''Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts'', 5. Auflage, Wien 1997, S. 68, 234.</ref>
Die Akteneinsicht im Straf-, Verwaltungsstraf- und Disziplinarstrafverfahren soll es dem Beschuldigten insbesondere ermöglichen, sich verteidigen zu können, so dass er nicht von Vorwürfen und Beweisen überrascht wird, welche die Behörde, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht gegen ihn verwenden wollen. Es gelten zwar nach § 3 StPO die Grundsätze des Objektivität und Wahrheitserforschung für die Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte. Diese haben ''die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, die für die Beurteilung der Tat und des Beschuldigten von Bedeutung sind'', (...) ''ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden'' und ''die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln''. Jedoch wird die bestehende Ungleichheit im Strafverfahren zu Lasten der Verdächtigen bzw. Beschuldigten seit Jahrzehnten in Österreich von der rechtswissenschaftlichen Lehre kritisiert und aufgezeigt. Das Recht auf Akteneinsicht ist dabei ein Korrektiv für diese seit Jahrzehnten bestehende Ungleichheit.<ref>Siehe z. B.: Christian Bertel: ''Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts'', 5. Auflage, Wien 1997, S. 68, 234.</ref>


Die Akteneinsicht beginnt dabei bereits im frühen Stadium, wenn der Betroffene noch Verdächtiger ist, also bereits bei der Polizei, sobald diese einen Akt über eine Person oder einen Vorfall angelegt hat und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.<ref>§ 53 Abs. 1 StPO: ''…im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft und bis zur Erstattung des Abschlussberichts (§ 100 Abs. 2 Z 4) auch bei der Kriminalpolizei''.</ref> ''Das Recht auf Akteneinsicht berechtigt auch dazu, Beweisgegenstände in Augenschein zu nehmen, soweit dies ohne Nachteil für die Ermittlungen möglich ist''.<ref>§ 51 Abs. 1 [[w:Strafprozeßordnung 1975|StPO]].</ref>
Die Akteneinsicht beginnt dabei bereits im frühen Stadium, wenn der Betroffene noch Verdächtiger ist, also bereits bei der Polizei, sobald diese einen Akt über eine Person oder einen Vorfall angelegt hat und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.<ref>§ 53 Abs. 1 StPO: ''…im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft und bis zur Erstattung des Abschlussberichts (§ 100 Abs. 2 Z 4) auch bei der Kriminalpolizei''.</ref> ''Das Recht auf Akteneinsicht berechtigt auch dazu, Beweisgegenstände in Augenschein zu nehmen, soweit dies ohne Nachteil für die Ermittlungen möglich ist''.<ref>§ 51 Abs. 1 [[w:Strafprozeßordnung 1975|StPO]].</ref>
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== Verbot der Veröffentlichung ==
== Verbot der Veröffentlichung ==
Bei Informationen, welche im Zuge einer Akteneinsicht gewonnen wurden, kann ein Verbot der Veröffentlichung bestehen.<ref>Siehe z. B. § 54 StPO.</ref> Dabei ist jeweils im
Bei Informationen, welche im Zuge einer Akteneinsicht gewonnen wurden, kann ein Verbot der Veröffentlichung bestehen.<ref>Siehe z. B. § 54 StPO.</ref> Dabei ist jeweils im Einzelfall nach Vornahme einer Interessensabwägung im Sinne des Artikel 6 EMRK zu entscheiden, ob und inwieweit eine Veröffentlichung zu untersagen ist.
Einzelfall nach Vornahme einer Interessensabwägung im Sinne des Artikel 6 EMRK zu entscheiden.


== Kritik ==
== Kritik ==
In Österreich werden immer wieder Akten von der Akteneinsicht ganz oder teilweise, manchmal über Jahre hinweg, ausgenommen und der Berechtigte muss sich sein Recht erkämpfen. Dies wird auch immer wieder in [[w:Wahrnehmungsbericht|Wahrnehmungsberichten]] und in der Presse immer wieder kritisiert.<ref>Beispiel: [https://oe1.orf.at/artikel/341652/Ex-Heimkinder-Keine-Einsicht-in-Akten Ex-Heimkinder: Keine Einsicht in Akten], Webseite: ORF.at vom 31. Mai 2013.</ref> Siehe auch den auch deswegen besonders bekannt gewordenen [[w:Wiener Neustädter Tierschützerprozess|Wiener Neustädter Tierschützerprozess]].
In Österreich werden immer wieder Akten von der Akteneinsicht ganz oder teilweise, manchmal über Jahre hinweg, ausgenommen und der Berechtigte muss sich sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht sogar vor Gericht erkämpfen. Dies wird auch immer wieder in [[w:Wahrnehmungsbericht|Wahrnehmungsberichten]] und in der [[w:Presse|Presse]] (oft erfolglos) kritisiert.<ref>Beispiel: [https://oe1.orf.at/artikel/341652/Ex-Heimkinder-Keine-Einsicht-in-Akten Ex-Heimkinder: Keine Einsicht in Akten], Webseite: ORF.at vom 31. Mai 2013.</ref> Siehe auch den - auch deswegen - besonders bekannt gewordenen [[w:Wiener Neustädter Tierschützerprozess|Wiener Neustädter Tierschützerprozess]].


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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