Abstammung (Recht): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 27. August 2023, 18:58 Uhr

Die Abstammung einer natürlichen Person hat zahlreiche Folgen, die vielfach auch in der österreichischen Rechtsordnung zu lösen gesucht wurden. Die in der Praxis wohl wichtigste Auswirkung und Ursache für die Feststellung einer Abstammung sind, wenn es um Streitigkeiten im Rahmen einer Erbschaft geht.[1]

Begriff

Abstammung bezeichnet in der deutschen Sprache primär das Herkommen aus einem bestimmten Familienverband (familiäre Abstammung). Abstämmling, Abkömmling, Absprößling[2] oder kurz Abstamm[3] bezeichnet dabei jemanden, der aus dieser Abstammung stammt.

Im Badischen Landrecht (1809) wurde die Abstammung wie folgt definiert: Die Reihenfolge der Grade bildet eine Abstammung. Eine gerade Abstammung nennt man die Folge der Grade unter Personen, wo durchaus die folgende von der vorhergehenden gezeugt ist.[4]

Abstammung (auch als Abkunft bezeichnet) kann in einem weiteren Sinne auch verwendet werden, dass jemand aus einem bestimmten Volk abstammt, aus einem bestimmten Dorf, einer bestimmten Region oder Staat etc.[5] Aus der familiären Abstammung kann sich auch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stand, wie z. B. Bauern oder dem Adel ableiten (besonders im Adel wird seit dem frühen Mittelalter die Abstammung von mütterlichen und väterlichen Vorfahren ähnlich wichtig betrachtet).

Im Gegensatz zur Vielweiberei war und ist die gesellschaftlich bzw. staatlich anerkannte Vielmännerei in den westlichen Staaten nicht verbreitet und es gab daher aus diesem Umstand keine weiteren Probleme mit der Feststellung der Vaterschaft zu einem Kind.

Mutterschaft

In Österreich und Deutschland galt und gilt der altrömische Grundsatz: Mater semper certa est („die Mutter ist immer gewiss“). Rechtliche Mutter des Kindes ist immer die Frau, die es geboren hat.[6] Unabhängig von einer möglichen Abweichung wegen z. B. künstlicher Befruchtung. Die Mutterschaft ist damit nach diesem Rechtsprinzip leicht festzustellen. Leihmutterschaft ändert in Österreich und Deutschland nichts an der Abstammung (rechtlichen Zuordnung) des Kindes zur Mutter, die das Kind geboren hat.

Vaterschaft

Grundsatz

Anders ist es seit früher Zeit bei der Vaterschaft (Pater semper incertus est im Sinne von: „der Vater ist immer ungewiss“). Hier mussten zur Festlegung der Abstammung bereits im Römischen Reich juristische Fiktionen geschaffen werden, die einen grundsätzlichen Rechtszustand festlegten (im Sinne von: Vater ist …), der nur durch den Beweis des Gegenteils erschüttert und geändert werden kann. Dieses System wurde in z. B. Deutschland und Österreich grundlegend übernommen.

Dementsprechend normiert § 144 Abs. 1 ABGB verschiedene rechtliche Annahmen, aus denen sich grundsätzlich die Vaterschaft ergibt. Vater des Kindes ist der Mann,

  1. der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist oder als Ehemann der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist (siehe auch Empfängniszeit) oder
  2. der die Vaterschaft anerkannt hat (hier ist die biologische Abstammung unerheblich – siehe § 145 und § 154 ABGB) oder
  3. dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (dabei wird die biologische Abstammung rechtsgültig festgestellt – siehe § 148 und § 151 ABGB).
Ausnahmen

Nach § 148 Abs. 3 und 4 ABGB ist der biologische Vater nicht der Abstammungsvater, wenn

  • an der Mutter innerhalb der im Abs. 2 genannten Frist eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten durchgeführt worden ist. Dann ist als Vater der Mann festzustellen, der dieser medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Form eines Notariatsakts zugestimmt hat, es sei denn, er weist nach, dass das Kind nicht durch diese medizinisch unterstützte Fortpflanzung gezeugt worden ist. Ist an der Mutter innerhalb der im Absatz 2, genannten Frist eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten durchgeführt worden, so ist als Vater der Mann festzustellen, der dieser medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Form eines Notariatsakts zugestimmt hat, es sei denn, er weist nach, dass das Kind nicht durch diese medizinisch unterstützte Fortpflanzung gezeugt worden ist.
  • Ein Dritter, dessen Samen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung verwendet wird, kann nicht als Vater des mit seinem Samen gezeugten Kindes festgestellt werden. Dritter ist, wer seinen Samen einer für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen zugelassenen Krankenanstalt mit dem Willen überlässt, nicht selbst als Vater eines mit diesem Samen gezeugten Kindes festgestellt zu werden.

Elternschaft

Lebt eine Frau mit der Mutter eines Kindes in einer Ehe oder einer eingetragenen Partnerschaft, so wird das Verhältnis dieser Frau zum Kind in Österreich z. B. gemäß §§ 141, 144 und 145 ABGB als Elternschaft bezeichnet (analog zur Vaterschaft eines Mannes – siehe § 144 Abs. 3 ABGB).[7]

Änderung der Abstammung

Die Feststellung der Abstammung von einem bestimmten Vater bzw. die Feststellung der Nichtabstammung können nach § 142 ABGB auch nach dem Tod der betroffenen Person erfolgen (auch durch z. B. den/die Erben) und wirken auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurück (ex tunc, es können unter Umständen somit z. B. Erbansprüche rückwirkend entfallen). Zur postmortalen Abstammungsänderung sind berechtigt der Vater oder das Kind und auch bei einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft die andere Frau (siehe auch § 144 Abs. 2 und 3 ABGB).

Die Änderung der Abstammung ist ein außerstreitiges Verfahren, welches in § 81 ff AußStrG geregelt ist. Hat jemand den Verdacht ihm sei ein Kuckuckskind untergeschoben worden (oder die Erben, dies sei dem Verstorbenen so geschehen) oder will ein solches Kind seine wahre Abstammung klären (siehe auch Scheinvater) so erfolgt dies in der Regel durch ein DNA-Gutachten (Vaterschaftstest). Die widerlegbare Zeugungsvermutung nach § 148 Abs. 2 ABGB, nach welcher Vater ist, wer der Mutter innerhalb von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Geburt beigewohnt hat oder mit dessen Samen an der Mutter in diesem Zeitraum eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung durchgeführt worden ist, hat eher untergeordnete Bedeutung.

Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung

Aus Artikel 8 UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 7 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention und dem Haager Adoptionsübereinkommen folgt das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Es ist dies ein Persönlichkeitsrecht. Daraus folgt z. B. auch, dass ein adoptiertes Kind und ein durch künstliche Befruchtung gezeugter Mensch das Recht auf die Herausgabe des Namens seines biologischen Vaters hat.

Verwandtschaftsbeziehung bzw. Blutsverwandtschaft

Abstammung bedeutet seit alters her nicht Blutsverwandtschaft. Abstammung als Verwandtschaftsbeziehung kann rechtlich auch z. B. durch Adoption oder Vaterschaftsanerkennung entstehen. Ebenso konnte eine Abstammungslinie, obwohl Blutsverwandtschaft bestand, in bestimmten Gesellschaftsschichten bzw. zu bestimmten Zeiten nicht durch Töchter weitergegeben werden (siehe auch: Patrilinearität).

Literatur

  • Joachim Pierer: Abstammung in Deixkler-Hübner: Handbuch Familienrecht2, Wien 2020, S. 231 ff.

Einzelnachweise

  1. Peter Pichlmayr: Die postmortale Abstammungsänderung aus erbrechtlicher Sicht, Zal 13/2023, S. 244.
  2. Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Suchwort: Abstammen], Ausgabe Wien 1811, abgerufen am 27. August 2023.
  3. Abstamm, Webseite: drw.hadw-bw.de, abgerufen am 27. August 2023.
  4. BadLR. 1809, Satz 736.
  5. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm: Abstammung, Webseite: woerterbuchnetz.de, abgerufen am 27. August 2023.
  6. § 143 Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB): „Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat.“ § 1591 Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) (Deutschland): „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“
  7. Änderungen zu § 148 Abs. 2 und 3 ABGB zum 31. Dezember 2023 siehe VfGH-Erkenntnis G 230/2021, Webseite: vfgh.gv.at.