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'''Helene Kottannerin''' (* um 1400, vermutlich in [[w:Sopron|Ödenburg]], damals [[w:Königreich Ungarn|Königreich Ungarn]]<ref name ="berlin">vgl. [http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/jancke-quellenkunde/verzeichnis/k/kottanner/index.html Kottanner], Freie Universität Berlin, eingesehen am 28. Dezember 2017</ref>; † um 1470 / 1477)<ref name ="czeike">vgl. {{Czeike|3|584}}</ref>, auch '''Helene Kottanner''', '''Helene Wolfram''' oder '''Helene Székeles''', ist eine der wenigen Frauen, die im mittelalterlichen Wien gelebt haben und über die etwas mehr als der Name bekannt ist. | '''Helene Kottannerin''' (* um 1400, vermutlich in [[w:Sopron|Ödenburg]], damals [[w:Königreich Ungarn|Königreich Ungarn]]<ref name ="berlin">vgl. [http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/jancke-quellenkunde/verzeichnis/k/kottanner/index.html Kottanner], Freie Universität Berlin, eingesehen am 28. Dezember 2017</ref>; † um 1470 / 1477)<ref name ="czeike">vgl. {{Czeike|3|584}}</ref>, auch '''Helene Kottanner''', '''Helene Wolfram''' oder '''Helene Székeles''', ist eine der wenigen Frauen, die im mittelalterlichen Wien gelebt haben und über die etwas mehr als der Name bekannt ist. Ihr Bericht "[[Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin]]" gilt heute als eine der wertvollsten historischen und literarischen Quellen zum 15. Jahrhundert.<ref name ="czeike"/> Es handelt sich dabei um eine der seltenen Geschichtsquellen mit sogenannter weiblicher Perspektive.<ref name ="rogge254">vgl. [[w:Jörg Rogge|Jörg Rogge]]: ''Nur verkaufte Töchter?''. Überlegungen zu Aufgaben, Quellen, Methoden und Perspektiven einer Sozial- und Kulturgeschichte hochadeliger Frauen und Fürstinnen im deutschen Reich während des späten Mittelalters und am Beginn der Neuzeit. In: Cordula Nolte – [[w:Karl-Heinz Spieß|Karl-Heinz Spieß]] – Ralf-Gunnar Werlich (Hrsg.): ''Principes''. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter. Interdisziplinäre Tagung des Lehrstuhls für allgemeine Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften in Greifswald in Verbindung mit der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen vom 15.-18. Juni 2000 (= Residenzforschung. Bd. 14). Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart, 2002. ISBN 3-7995-4514-X. S. 254</ref> | ||
== Herkunft und Familie == | == Herkunft und Familie == | ||
Helene Kottanner war die Tochter des Ödenburger Bürgers Peter Wolfram († nach 1432) <ref name ="czeike"/>, der dem örtlichen niederen Adel angehörte.<ref name ="berlin"/> Der Name ihrer Mutter († um / nach 1442) ist nicht überliefert. Sie war eine Ödenburger Einwohnerin, die später im Haus ihres Schwiegersohnes lebte. 1440 lieferte sie Nelkenwein an den Hofhalt von [[ | Helene Kottanner war die Tochter des Ödenburger Bürgers Peter Wolfram († nach 1432) <ref name ="czeike"/>, der dem örtlichen niederen Adel angehörte.<ref name ="berlin"/> Der Name ihrer Mutter († um / nach 1442) ist nicht überliefert. Sie war eine Ödenburger Einwohnerin, die später im Haus ihres Schwiegersohnes lebte. 1440 lieferte sie Nelkenwein an den Hofhalt von [[Elisabeth von Luxemburg|Königin Elisabeth]].<ref>vgl. Beatrix Eichinger: ''Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert?", 1994, S 16</ref> | ||
Helene Kottanner war zweimal verheiratet<ref name ="czeike"/>: | Helene Kottanner war zweimal verheiratet<ref name ="czeike"/>: | ||
<br /> ∞ in 1. Ehe mit dem Patrizier Peter Székeles (* im 14. Jahrhundert, vermutlich um 1375; † um 1430 / 1431), 1402 Ratsherr, 1408-1421 Bürgermeister von Ödenburg<ref name ="opll165">vgl. Ferdinand Opll: ''Leben im mittelalterlichen Wien'', 1998, S. 165</ref>; | <br /> ∞ in 1. Ehe mit dem Patrizier Peter Székeles (* im 14. Jahrhundert, vermutlich um 1375; † um 1430 / 1431), 1402 Ratsherr, 1408-1421 Bürgermeister von Ödenburg<ref name ="opll165">vgl. Ferdinand Opll: ''Leben im mittelalterlichen Wien'', 1998, S. 165</ref>; | ||
<br /> ∞ in 2. Ehe seit 1432 mit Johann Kottanner (Hans Kottanner dem Jüngeren) (* um 1408<ref name ="opll165"/>; † nach 1470<ref>vgl. Ferdinand Opll: ''Leben im mittelalterlichen Wien'', 1998, S. 168</ref>), einem Bürger der Stadt Wien<ref name ="czeike"/>. Dieser war damals Kammerherr des Dompropstes von [[ | <br /> ∞ in 2. Ehe seit 1432 mit Johann Kottanner (Hans Kottanner dem Jüngeren) (* um 1408<ref name ="opll165"/>; † nach 1470<ref>vgl. Ferdinand Opll: ''Leben im mittelalterlichen Wien'', 1998, S. 168</ref>), einem Bürger der Stadt Wien<ref name ="czeike"/>. Dieser war damals Kammerherr des Dompropstes von [[Stephansdom (Wien)|St. Stephan in Wien]], außerdem ist er als Hausbesitzer für Wien belegt<ref name ="berlin"/>. Die zweite Ehe erfolgte mit der Zustimmung ihres Vaters und ihrer nächsten Verwandten, mit der Erlaubnis des Ödenburger Stadtrates und auf Empfehlung des Wiener Stadtrates und des Wiener Dompropstes.<ref>vgl. Beatrix Eichinger: ''Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert?", 1994, S 16f.</ref> | ||
Helene Kottannerin hatte aus beiden Ehen Kinder, namentlich belegt sind: | Helene Kottannerin hatte aus beiden Ehen Kinder, namentlich belegt sind: | ||
* Wilhelm Székeles, aus der 1. Ehe | * Wilhelm Székeles, aus der 1. Ehe | ||
* Katharina Kottanner, aus der 2. Ehe<ref name ="opll165"/> ∞ in 1. Ehe vor 1468 Jörg | * Katharina Kottanner, aus der 2. Ehe<ref name ="opll165"/> ∞ in 1. Ehe vor 1468 mit dem Ritter Jörg (Georg) von Pellendorf († um 1484 / 1490), Adeliger des Herzogtums Österreich, 1462-1468 Stadtanwalt des Landesfürsten im Stadtrat Wien<ref name ="czeike"/><ref name ="opll166">vgl. Ferdinand Opll: ''Leben im mittelalterlichen Wien'', 1998, S. 166</ref> Er war ein Verwandter von [[Hans von Pellendorf]]. | ||
== Leben == | == Leben == | ||
Seit 1436 ist Helene Kottannerin am Hof der späteren Königin Elisabeth, der Ehefrau von [[Albrecht II. (HRR)|Herzog Albrecht V. von Österreich]] ( | Seit 1436 ist Helene Kottannerin am Hof der späteren Königin [[Elisabeth von Böhmen und Ungarn|Elisabeth]], der Ehefrau von [[Albrecht II. (HRR)|Herzog Albrecht (V.) von Österreich]] (als [[w:römisch-deutscher König|"römischer" König]]: Albrecht II.), belegt, zunächst als Erzieherin für dessen jüngere Tochter [[w:Elisabeth von Habsburg|Elisabeth von Österreich]], die spätere Königin von Polen.<ref name ="Eichinger17">vgl. Beatrix Eichinger: ''Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert?", 1994, S 17</ref> Nach Albrechts Tod († 27. Oktober 1439) war Helene weiterhin im Dienst von dessen Witwe Elisabeth, für die sie im Februar 1440 die [[w:Stephanskrone|Stephanskrone]] aus der [[w:Plintenburg|Plintenburg]] holte<ref group="A">Diese Aktion wird auch in der wissenschaftlichen Literatur als der "Raub der Stephanskrone" bezeichnet, obwohl es sich juristisch betrachtet um keinen Raub, sondern einen Einbruch handelte.</ref>. Nach ihrer eigenen Darstellung war sie zu dieser Zeit die engste Vertraute der Königin.<ref name ="Eichinger17"/> In der Sekundärliteratur wird gewöhnlich angenommen, dass Helene Kottannerin, nachdem Königin Elisabeth ihre Kinder Ladislaus und Elisabeth [[Friedrich III. (HRR)|König Friedrich III.]] übergeben hatte, auch weiterhin bei ihnen geblieben ist, doch gibt es dafür keine eindeutigen Belege.<ref>So zum Beispiel bei Franz Theuer: ''Der Raub der Stephanskrone'', 1994, S. 143f.</ref> | ||
1452 erhielten Helene Kottannerin und ihr zweiter Ehemann von [[Ladislaus Postumus|König Ladislaus Postumus]] beziehungsweise von [[w:Johann Hunyady|Johann Hunyady]], der damals als [[w:Reichsverweser|Gubernator]] für diesen über das ungarische Königreich herrschte, das [[w:Kisfalud|Gut Kisfalud]] auf der Schüttinsel als Geschenk.<ref name ="czeike"/> Diese Schenkung wurde 1470 von [[Matthias Corvinus|König Matthias Corvinus]] bestätigt.<ref name ="Eichinger17"/> Das Gut gehörte später der Tochter Katharina. | 1452 erhielten Helene Kottannerin und ihr zweiter Ehemann von [[Ladislaus Postumus|König Ladislaus Postumus]] beziehungsweise von [[w:Johann Hunyady|Johann Hunyady]], der damals als [[w:Reichsverweser|Gubernator]] für diesen über das ungarische Königreich herrschte, das [[w:Kisfalud|Gut Kisfalud]] auf der Schüttinsel als Geschenk.<ref name ="czeike"/> Diese Schenkung wurde 1470 von [[Matthias Corvinus|König Matthias Corvinus]] bestätigt.<ref name ="Eichinger17"/> Das Gut gehörte später der Tochter Katharina. | ||
Helene Kottannerin war 1451 die Besitzerin des Hauses in Wien, das sich auf der späteren [[w:Kurrentgasse (Wien)|Kurrentgasse]] 2 befand. Sie kaufte, vermutlich zusammen mit ihrem Mann, 1454 ein Haus bei der damaligen [[ | Helene Kottannerin war 1451 die Besitzerin des Hauses in Wien, das sich auf der späteren [[w:Kurrentgasse (Wien)|Kurrentgasse]] 2 befand. Sie kaufte, vermutlich zusammen mit ihrem Mann, 1454 ein Haus bei der damaligen [[Hofburg (Wien)|Wiener Burg]], das nach ihrem Tod auf ihre Tochter Katharina überging.<ref>vgl. Ferdinand Opll: ''Leben im mittelalterlichen Wien'', 1998, S. 165f.</ref> Sie und ihr zweiter Ehemann besaßen noch weitere Häuser in Wien, außerdem Weingärten und Fleischbänke.<ref name ="opll165"/>. | ||
== Charakterbild == | == Charakterbild == | ||
Wegen ihrer "Denkwürdigkeiten" gehört Helene Kottannerin zu den für das Mittelalter seltenen Persönlichkeiten, bei denen Rückschlüsse auf ihren Charakter anhand einer "Primärquelle" möglich sind. Helene entstammte der deutschsprachigen bürgerlich-adeligen Gesellschaft einer damals im westlichen Teil des ungarischen Königreichs gelegenen Handelsstadt. Die ungarische Sprache verstand sie zwar, konnte sie aber nicht selbst sprechen. Vermutlich bereits zuvor, spätestens aber nach ihrer Heirat mit dem Bürgermeister Peter Székeles zählte sie zur städtischen "Elite"-Schicht von Ödenburg. In ihrer Position als Gattin eines Bürgermeisters oder früheren Bürgermeisters dürfte sie entsprechende Erfahrungen gesammelt haben, die später für ihre Karriere am Hof der Königin von Vorteil waren. In ihren "Denkwürdigkeiten" zeigt sie sich als kluge und tatkräftige Frau mit der Fähigkeit zu selbständigen Handeln, die aber auch nicht vergisst, für das, was sie leistet, entsprechenden Lohn zu fordern, den sie, wie das Geschenk des Gutes Kisfalud zeigt, auch einzufordern verstand. Ihr weiteres Leben, soweit aus einigen Urkunden verfolgbar, bestätigt das Bild von ihr, das sich aus den "Denkwürdigkeiten" ergibt.<ref>vgl. [[w:Ferdinand Opll|Ferdinand Opll]]: ''Leben im mittelalterlichen Wien.'' Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1998, ISBN 3-205-98913-9, S. 167f.</ref> | Wegen ihrer "Denkwürdigkeiten" gehört Helene Kottannerin zu den für das Mittelalter seltenen Persönlichkeiten, bei denen Rückschlüsse auf ihren Charakter anhand einer "Primärquelle" möglich sind. Helene entstammte der deutschsprachigen bürgerlich-adeligen Gesellschaft einer damals im westlichen Teil des ungarischen Königreichs gelegenen Handelsstadt. Die ungarische Sprache verstand sie zwar, konnte sie aber nicht selbst sprechen. Vermutlich bereits zuvor, spätestens aber nach ihrer Heirat mit dem Bürgermeister Peter Székeles zählte sie zur städtischen "Elite"-Schicht von Ödenburg. In ihrer Position als Gattin eines Bürgermeisters oder früheren Bürgermeisters dürfte sie entsprechende Erfahrungen gesammelt haben, die später für ihre Karriere am Hof der Königin von Vorteil waren. In ihren "Denkwürdigkeiten" zeigt sie sich als kluge und tatkräftige Frau mit der Fähigkeit zu selbständigen Handeln, die aber auch nicht vergisst, für das, was sie leistet, entsprechenden Lohn zu fordern, den sie, wie das Geschenk des Gutes Kisfalud zeigt, auch einzufordern verstand. Ihr weiteres Leben, soweit aus einigen Urkunden verfolgbar, bestätigt das Bild von ihr, das sich aus den "Denkwürdigkeiten" ergibt.<ref>vgl. [[w:Ferdinand Opll|Ferdinand Opll]]: ''Leben im mittelalterlichen Wien.'' Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1998, ISBN 3-205-98913-9, S. 167f.</ref> | ||
== Belletristik == | |||
* [[w:Benedikte Naubert|Benedikte Naubert]]: ''Ulrich[!] Holzer, Bürgermeister in Wien'', Roman (publ. 1793<ref group="A">Neu publiziert: Christiane Benedikte Naubert: ''Ulrich Holzer, Bürgermeister in Wien''. Erster und zweyter[sic!] Theil[sic!] . Transkribiert, neu herausgegeben, mit Fußnoten und einem Nachwort versehen von Sylvia Kolbe. Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2019. ISBN 978-3-96145-889-9</ref>)<ref group="A">Eine Hauptfigur in diesem Roman ist Elisabeth Fraunauerin, die hier für ihre frühere Herrin, Königin Elisabeth, den Kronenraub ausgeführt hat, was mit Blick auf den damaligen Forschungsstand zu Ende des 18. Jahrhunderts keineswegs im Widerspruch zu den noch bekannten Fakten stand. In den "Denkwürdigkeiten" wird eine Elisabeth Fronauerin als Hofdame von Königin Elisabeth genannt. Nauberts Roman wurde Ende des 18. Jahrhunderts publiziert, also viele Jahre früher, ehe die "Denkwürdigkeiten" in der Österreichischen Nationalbibliothek wieder entdeckt wurden.</ref> | |||
* [[w:Emil Scholl|Emil Scholl]]: ''Der Roßtäuscher'', Roman (publ. 1920)<ref group="A">In diesem Roman kommt Helene Kottannerin nur zu Beginn vor und hat nur wenige Auftritte, die allerdings beeindruckend gestaltet sind.</ref> | |||
== Sekundärliteratur == | == Sekundärliteratur == | ||
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* Beatrix Eichinger: ''Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert?'' Die autobiographischen Schriften einer Frau und zweier Männer im Vergleich. Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (1439-1440). Des Andreas Lapitz Zug nach Rom 1451 und andere denkwürdige Geschichten. Hanns Hierszmanns, Thürhüthers Herzog Albrecht VI. von Österreich, Bericht über Krankheit und Tod seines Herrn, 1463 und 1464. Diplomarbeit (ungedruckt), Wien, 1994 | * Beatrix Eichinger: ''Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert?'' Die autobiographischen Schriften einer Frau und zweier Männer im Vergleich. Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (1439-1440). Des Andreas Lapitz Zug nach Rom 1451 und andere denkwürdige Geschichten. Hanns Hierszmanns, Thürhüthers Herzog Albrecht VI. von Österreich, Bericht über Krankheit und Tod seines Herrn, 1463 und 1464. Diplomarbeit (ungedruckt), Wien, 1994 | ||
* [[w:Ferdinand Opll|Ferdinand Opll]]: ''Leben im mittelalterlichen Wien''. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1998, ISBN 3-205-98913-9, S. 165-168 (Biographie) | * [[w:Ferdinand Opll|Ferdinand Opll]]: ''Leben im mittelalterlichen Wien''. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1998, ISBN 3-205-98913-9, S. 165-168 (Biographie) | ||
* [[w:Dorothee Rippmann|Dorothee Rippmann]]: ''Königsschicksal in Frauenhand''. Der "Kronraub" von Visegrád im Brennpunkt von Frauenpolitik und ungarischer Reichspolitik. In: Jens Flemming - Pauline Puppel - Werner Troßbach - Christina Vanja - Ortrud Wörner-Heil (Hrsg.): ''Lesarten der Geschichte''. Ländliche Ordnungen und Geschlechterverhältnisse. Festschrift für Heide Wunder zum 65. Geburtstag (= Studia Cassellana. Bd. 14). Verlag Kassel University Press, Kassel, 2004. ISBN 978-3899580303. S. 377–401 | |||
* [[w:Franz Theuer|Franz Theuer]]: ''Der Raub der Stephanskrone''. Der Kampf der Luxemburger, Habsburger, Jagiellonen und Hunyaden im pannonischen Raum, Edition Roetzer, Eisenstadt 1994, ISBN 3-85374-242-4 | * [[w:Franz Theuer|Franz Theuer]]: ''Der Raub der Stephanskrone''. Der Kampf der Luxemburger, Habsburger, Jagiellonen und Hunyaden im pannonischen Raum, Edition Roetzer, Eisenstadt 1994, ISBN 3-85374-242-4 | ||
* Iman Tichy: "''ich und die edel kungInn''". Selbst- und Fremddarstellungen Helene Kottanners zwischen weiblichem Erleben und androzentrischen Handlungszuschreibungen. (Ungedruckte) Diplomarbeit, Universität Graz, 2021 [https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/5947128/full.pdf digital] | |||
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Aktuelle Version vom 27. Dezember 2022, 18:25 Uhr
Helene Kottannerin (* um 1400, vermutlich in Ödenburg, damals Königreich Ungarn[1]; † um 1470 / 1477)[2], auch Helene Kottanner, Helene Wolfram oder Helene Székeles, ist eine der wenigen Frauen, die im mittelalterlichen Wien gelebt haben und über die etwas mehr als der Name bekannt ist. Ihr Bericht "Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin" gilt heute als eine der wertvollsten historischen und literarischen Quellen zum 15. Jahrhundert.[2] Es handelt sich dabei um eine der seltenen Geschichtsquellen mit sogenannter weiblicher Perspektive.[3]
Herkunft und Familie
Helene Kottanner war die Tochter des Ödenburger Bürgers Peter Wolfram († nach 1432) [2], der dem örtlichen niederen Adel angehörte.[1] Der Name ihrer Mutter († um / nach 1442) ist nicht überliefert. Sie war eine Ödenburger Einwohnerin, die später im Haus ihres Schwiegersohnes lebte. 1440 lieferte sie Nelkenwein an den Hofhalt von Königin Elisabeth.[4]
Helene Kottanner war zweimal verheiratet[2]:
∞ in 1. Ehe mit dem Patrizier Peter Székeles (* im 14. Jahrhundert, vermutlich um 1375; † um 1430 / 1431), 1402 Ratsherr, 1408-1421 Bürgermeister von Ödenburg[5];
∞ in 2. Ehe seit 1432 mit Johann Kottanner (Hans Kottanner dem Jüngeren) (* um 1408[5]; † nach 1470[6]), einem Bürger der Stadt Wien[2]. Dieser war damals Kammerherr des Dompropstes von St. Stephan in Wien, außerdem ist er als Hausbesitzer für Wien belegt[1]. Die zweite Ehe erfolgte mit der Zustimmung ihres Vaters und ihrer nächsten Verwandten, mit der Erlaubnis des Ödenburger Stadtrates und auf Empfehlung des Wiener Stadtrates und des Wiener Dompropstes.[7]
Helene Kottannerin hatte aus beiden Ehen Kinder, namentlich belegt sind:
- Wilhelm Székeles, aus der 1. Ehe
- Katharina Kottanner, aus der 2. Ehe[5] ∞ in 1. Ehe vor 1468 mit dem Ritter Jörg (Georg) von Pellendorf († um 1484 / 1490), Adeliger des Herzogtums Österreich, 1462-1468 Stadtanwalt des Landesfürsten im Stadtrat Wien[2][8] Er war ein Verwandter von Hans von Pellendorf.
Leben
Seit 1436 ist Helene Kottannerin am Hof der späteren Königin Elisabeth, der Ehefrau von Herzog Albrecht (V.) von Österreich (als "römischer" König: Albrecht II.), belegt, zunächst als Erzieherin für dessen jüngere Tochter Elisabeth von Österreich, die spätere Königin von Polen.[9] Nach Albrechts Tod († 27. Oktober 1439) war Helene weiterhin im Dienst von dessen Witwe Elisabeth, für die sie im Februar 1440 die Stephanskrone aus der Plintenburg holte[A 1]. Nach ihrer eigenen Darstellung war sie zu dieser Zeit die engste Vertraute der Königin.[9] In der Sekundärliteratur wird gewöhnlich angenommen, dass Helene Kottannerin, nachdem Königin Elisabeth ihre Kinder Ladislaus und Elisabeth König Friedrich III. übergeben hatte, auch weiterhin bei ihnen geblieben ist, doch gibt es dafür keine eindeutigen Belege.[10]
1452 erhielten Helene Kottannerin und ihr zweiter Ehemann von König Ladislaus Postumus beziehungsweise von Johann Hunyady, der damals als Gubernator für diesen über das ungarische Königreich herrschte, das Gut Kisfalud auf der Schüttinsel als Geschenk.[2] Diese Schenkung wurde 1470 von König Matthias Corvinus bestätigt.[9] Das Gut gehörte später der Tochter Katharina.
Helene Kottannerin war 1451 die Besitzerin des Hauses in Wien, das sich auf der späteren Kurrentgasse 2 befand. Sie kaufte, vermutlich zusammen mit ihrem Mann, 1454 ein Haus bei der damaligen Wiener Burg, das nach ihrem Tod auf ihre Tochter Katharina überging.[11] Sie und ihr zweiter Ehemann besaßen noch weitere Häuser in Wien, außerdem Weingärten und Fleischbänke.[5].
Charakterbild
Wegen ihrer "Denkwürdigkeiten" gehört Helene Kottannerin zu den für das Mittelalter seltenen Persönlichkeiten, bei denen Rückschlüsse auf ihren Charakter anhand einer "Primärquelle" möglich sind. Helene entstammte der deutschsprachigen bürgerlich-adeligen Gesellschaft einer damals im westlichen Teil des ungarischen Königreichs gelegenen Handelsstadt. Die ungarische Sprache verstand sie zwar, konnte sie aber nicht selbst sprechen. Vermutlich bereits zuvor, spätestens aber nach ihrer Heirat mit dem Bürgermeister Peter Székeles zählte sie zur städtischen "Elite"-Schicht von Ödenburg. In ihrer Position als Gattin eines Bürgermeisters oder früheren Bürgermeisters dürfte sie entsprechende Erfahrungen gesammelt haben, die später für ihre Karriere am Hof der Königin von Vorteil waren. In ihren "Denkwürdigkeiten" zeigt sie sich als kluge und tatkräftige Frau mit der Fähigkeit zu selbständigen Handeln, die aber auch nicht vergisst, für das, was sie leistet, entsprechenden Lohn zu fordern, den sie, wie das Geschenk des Gutes Kisfalud zeigt, auch einzufordern verstand. Ihr weiteres Leben, soweit aus einigen Urkunden verfolgbar, bestätigt das Bild von ihr, das sich aus den "Denkwürdigkeiten" ergibt.[12]
Belletristik
- Benedikte Naubert: Ulrich[!] Holzer, Bürgermeister in Wien, Roman (publ. 1793[A 2])[A 3]
- Emil Scholl: Der Roßtäuscher, Roman (publ. 1920)[A 4]
Sekundärliteratur
- Felix Czeike (Hrsg.): Historisches Lexikon Wien. Band 3, Kremayr & Scheriau, Wien 1994, ISBN 3-218-00545-0, S. 584. digital
- Beatrix Eichinger: Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert? Die autobiographischen Schriften einer Frau und zweier Männer im Vergleich. Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (1439-1440). Des Andreas Lapitz Zug nach Rom 1451 und andere denkwürdige Geschichten. Hanns Hierszmanns, Thürhüthers Herzog Albrecht VI. von Österreich, Bericht über Krankheit und Tod seines Herrn, 1463 und 1464. Diplomarbeit (ungedruckt), Wien, 1994
- Ferdinand Opll: Leben im mittelalterlichen Wien. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1998, ISBN 3-205-98913-9, S. 165-168 (Biographie)
- Dorothee Rippmann: Königsschicksal in Frauenhand. Der "Kronraub" von Visegrád im Brennpunkt von Frauenpolitik und ungarischer Reichspolitik. In: Jens Flemming - Pauline Puppel - Werner Troßbach - Christina Vanja - Ortrud Wörner-Heil (Hrsg.): Lesarten der Geschichte. Ländliche Ordnungen und Geschlechterverhältnisse. Festschrift für Heide Wunder zum 65. Geburtstag (= Studia Cassellana. Bd. 14). Verlag Kassel University Press, Kassel, 2004. ISBN 978-3899580303. S. 377–401
- Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone. Der Kampf der Luxemburger, Habsburger, Jagiellonen und Hunyaden im pannonischen Raum, Edition Roetzer, Eisenstadt 1994, ISBN 3-85374-242-4
- Iman Tichy: "ich und die edel kungInn". Selbst- und Fremddarstellungen Helene Kottanners zwischen weiblichem Erleben und androzentrischen Handlungszuschreibungen. (Ungedruckte) Diplomarbeit, Universität Graz, 2021 digital
Weblinks
- Helene Kottannerin im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
- Helene Kottannerin in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich)
- Kottanner, Freie Universität Berlin
- Weisses Blatt, Wordpress.COM
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 vgl. Kottanner, Freie Universität Berlin, eingesehen am 28. Dezember 2017
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Historisches Lexikon Wien. Band 3, Kremayr & Scheriau, Wien 1994, ISBN 3-218-00545-0, S. 584.
- ↑ vgl. Jörg Rogge: Nur verkaufte Töchter?. Überlegungen zu Aufgaben, Quellen, Methoden und Perspektiven einer Sozial- und Kulturgeschichte hochadeliger Frauen und Fürstinnen im deutschen Reich während des späten Mittelalters und am Beginn der Neuzeit. In: Cordula Nolte – Karl-Heinz Spieß – Ralf-Gunnar Werlich (Hrsg.): Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter. Interdisziplinäre Tagung des Lehrstuhls für allgemeine Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften in Greifswald in Verbindung mit der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen vom 15.-18. Juni 2000 (= Residenzforschung. Bd. 14). Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart, 2002. ISBN 3-7995-4514-X. S. 254
- ↑ vgl. Beatrix Eichinger: Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert?", 1994, S 16
- ↑ 5,0 5,1 5,2 5,3 vgl. Ferdinand Opll: Leben im mittelalterlichen Wien, 1998, S. 165
- ↑ vgl. Ferdinand Opll: Leben im mittelalterlichen Wien, 1998, S. 168
- ↑ vgl. Beatrix Eichinger: Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert?", 1994, S 16f.
- ↑ vgl. Ferdinand Opll: Leben im mittelalterlichen Wien, 1998, S. 166
- ↑ 9,0 9,1 9,2 vgl. Beatrix Eichinger: Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert?", 1994, S 17
- ↑ So zum Beispiel bei Franz Theuer: Der Raub der Stephanskrone, 1994, S. 143f.
- ↑ vgl. Ferdinand Opll: Leben im mittelalterlichen Wien, 1998, S. 165f.
- ↑ vgl. Ferdinand Opll: Leben im mittelalterlichen Wien. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1998, ISBN 3-205-98913-9, S. 167f.
Anmerkungen
- ↑ Diese Aktion wird auch in der wissenschaftlichen Literatur als der "Raub der Stephanskrone" bezeichnet, obwohl es sich juristisch betrachtet um keinen Raub, sondern einen Einbruch handelte.
- ↑ Neu publiziert: Christiane Benedikte Naubert: Ulrich Holzer, Bürgermeister in Wien. Erster und zweyter[sic!] Theil[sic!] . Transkribiert, neu herausgegeben, mit Fußnoten und einem Nachwort versehen von Sylvia Kolbe. Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2019. ISBN 978-3-96145-889-9
- ↑ Eine Hauptfigur in diesem Roman ist Elisabeth Fraunauerin, die hier für ihre frühere Herrin, Königin Elisabeth, den Kronenraub ausgeführt hat, was mit Blick auf den damaligen Forschungsstand zu Ende des 18. Jahrhunderts keineswegs im Widerspruch zu den noch bekannten Fakten stand. In den "Denkwürdigkeiten" wird eine Elisabeth Fronauerin als Hofdame von Königin Elisabeth genannt. Nauberts Roman wurde Ende des 18. Jahrhunderts publiziert, also viele Jahre früher, ehe die "Denkwürdigkeiten" in der Österreichischen Nationalbibliothek wieder entdeckt wurden.
- ↑ In diesem Roman kommt Helene Kottannerin nur zu Beginn vor und hat nur wenige Auftritte, die allerdings beeindruckend gestaltet sind.