Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 3. Mai 2022, 17:41 Uhr

Durch das Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz (KuKuSpoSiG) vom 5. Mai 2020 fanden wesentliche Eingriffe in die Eigentumsfreiheit der Konsumenten in Österreich statt.[1] Durch dieses Gesetz werden Privatveranstalter eines Kunst-, Kultur- oder Sportereignisses dazu berechtigt, bereits bezahlte Tickets nicht direkt an den Käufer rückzuvergüten, sondern anstelle dessen ganz oder teilweise einen Gutschein auszustellen.

Begünstigte und Verpflichtete aus dem Gesetz

Begünstigte Veranstalter

Nach § 1 Abs. 7 KuKuSpoSiG können Veranstalter eines Kunst-, Kultur- oder Sportereignisses die Vorteile dieses Gesetzes für sich in Anspruch nehmen, wenn

  • Betreiber oder Veranstalter des Kunst-, Kultur- oder Sportereignisses oder Betreiber der Kunst- oder Kultureinrichtung nicht der Bund, ein Land oder eine Gemeinde ist oder aber
  • kein Rechtsträger ist, der entweder zumindest mehrheitlich im Eigentum des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde steht oder
  • für den der Bund, ein Land oder eine Gemeinde haftet oder
  • den Abgang dieses Betreibers oder Veranstalters trägt.

Durch das Gesetz sollen somit Privatveranstalter geschützt werden wie z. B. gewerbliche oder auf Gewinnerzielung ausgerichtete Fußballvereine. Der Titel des Gesetzes: Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz ist irreführend, das er lediglich der Sicherung bzw. dem Schutz der im Verhältnis wenigen Betreiber oder Veranstalter von Kunst-, Kultur- oder Sportereignissen oder Betreiber der Kunst- oder Kultureinrichtung dient, nicht aber dem Großteil der Menschen, die diesen Veranstaltern zuvor einen Teil ihres Vermögens (z. B. durch den Ticketvorverkauf) anvertraut haben.

Verpflichtete Konsumenten

Durch das KuKuSpoSiG werden Konsumenten verpflichtet zu Gunsten von Privatveranstaltern von Kunst-, Kultur- oder Sportereignisse auf die Rückzahlung des Ticketpreises zeitweise ganz oder teilweise zu verzichten. Der Oberste Gerichtshof (OGH)[2] hat im Oktober 2021 festgestellt, dass § 1 Abs. 1 des KuKuSpoSiG iVm Abs. 4 KuKuSpoSiG so zu verstehen ist, dass der Veranstalter bei einer mehrtägigen Kunst- bzw Kultur- oder Sportveranstaltung, die wegen COVID-19-Maßnahmen ausgefallen ist, und für die auch Tagestickets gekauft werden konnten, für jeden einzelnen Veranstaltungstag einen Gutschein bis zu 70 EURO ausstellen kann und nur das über diesen Betrag pro Veranstaltungstag hinausgehende (anteilige) Entgelt bar zurückzuerstatten sei.

Rechtskonformität

Verfassungsmäßigkeit der Regelung

Grundsätzlich stehen die Kunst-, Kultur- oder Sportveranstalter sowie die Konsumenten aufgrund der restriktiven Maßnahmen der Regierung im Zuge der sogenannten COVID-19-Pandemie vor derselben Ausgangslage. Viele dieser Kunst-, Kultur- oder Sportveranstalter und Konsumenten haben aufgrund dieser restriktiven Maßnahmen der Regierung relevante Einkommenseinbußen. Es sind daher im Lichte des verfassungsgesetzlich zu gewährleistenden Gleichheitsgebots, des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Übermaßverbots sowie im Hinblick auf die Eigentumsfreiheit und Vertragsgestaltungsfreiheit gute Gründe erforderlich, warum der Gesetzgeber den Kunst-, Kultur- oder Sportveranstalter gegenüber den Konsumenten mehr Rechte einräumt und vor allem den Konsumenten auch das Unternehmerrisiko und Insolvenzgefahr aufbürdet und die Kunst-, Kultur- oder Sportveranstalter hingegen davon entlastet.

Das Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz und das staatliche Handeln ist vom verfassungsrechtlich gewährleisteten Prinzip der Verhältnismäßigkeit (Verhältnismäßigkeitsprinzip) begrenzt. Jeder Eingriff in ein Grundrecht, mit dem persönliche Rechte beschränkt werden, ist im öffentlichen Interesses nur dann zulässig, wenn ein gewisses Maß eingehalten wird. Dieser Grundsatz gehört zu den elementaren modernen Konzepten eines Rechtsstaates. Vor und bei einem Eingriff ist daher in jedem Fall vom staatlichen Organ abzuwägen, ob die persönliche Rechte eines Individuums nicht höher zu bewerten sind, als das öffentliche Interesse an einer bestimmten Regelung. Dabei ist bei jedem staatlichen Handeln zu prüfen, ob dieses

  • einen legitimen Zweck verfolgt,
  • die Maßnahme oder das Handeln zur Zielerreichung überhaupt geeignet ist, und
  • ob dieses überhaupt erforderlich ist und im Hinblick auf die gewählte Maßnahme auch
  • angemessen ist.

Das Verhältnismäßigkeitsprinzip steht dabei in enger Beziehung zum Übermaßverbot und soll die Individuen vor allzu weitreichendem staatlichen Handeln (auch wenn dieses unter Umständen fürsorglich gemeint ist), schützen.

Das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Gesundheit kann in Zeiten einer Pandemie von überragender Bedeutung sein. Dies berechtigt den Gesetzgeber jedoch nicht, Maßnahmen nur zu Lasten einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern (Konsumenten ) zu treffen und andere zu bevorzugen (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz), wenn diese Maßnahmen zudem mit der Pandemie selbst und der Gesundheit der Bevölkerung in keinem direkten Zusammenhang stehen. Gemäß dem Titel des Gesetzes, wurde dieses zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie erlassen. Es wurde also vom Gesetzgeber bewußt zu Lasten der Konsumenten, die von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ebenfalls in gleicher oder noch größerem Maß betroffen sein können, dieses Gesetz erlassen. Ob solche Gründe zur Beschränkung der verfassunggesetzlich gewährleisteten tatsächlich ausreichend vorliegen, welche die Konsumenten in dieser Form belasten, wird von den Gerichten in Österreich daher noch zu prüfen sein.

Europarechtswidrigkeit

In einem ersten Entwurf eines Gesetzes zur Rückzahlung von Vorauszahlungen für Pauschalreisen hatte die deutsche Bundesregierung ein Modell vorgesehen, welches ebenfalls nur eine verpflichtende Gutscheinlösung vorsah. Gegen diese Lösung hat sich die Europäische Kommission klar ausgesprochen. In weiterer Folge musste der Gesetzesentwurf so abgeändert werden, dass keine verpflichtende Annahme eines Gutscheins durch den Kunden besteht und muss der Gutschein zudem insolvenzsicher ausgestaltet werden.[3]

Solche Regelungen in Bezug auf Gutscheine für annulierte Flugreisen sind auch nach einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs vom Juni 2021 rechtswidrig. Fluggesellschaften hätten in der COVID-19-Krise die Rechte auf Rückerstattung annullierter Flüge (rund 7000) missachtet. Reisende seien gezwungen worden, Gutscheine statt Rückzahlungen anzunehmen. Von Unionsmitgliedstaaten seien zwar "alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den Fluggesellschaften und Pauschalreiseveranstaltern zu helfen, doch wurde viel zu wenig getan, um die Rechte von Millionen Menschen in der EU zu schützen", kritisierte Annemie Turtelboom (Mitglied des Europäischen Rechnungshofs). 15 Unionsmitgliedstaaten, z. B. die Niederlande, Frankreich und Belgien, hätten sogar noch dabei geholfen, indem sie rechtswidrige nationale Vorschriften erlassen oder andere Maßnahmen ergriffen hätten, die die Praxis Gutschein statt Erstattung legitimieren hätten.[4]

Inhalt des Gesetzes

Grundsätzlich ist jeder Kunst-, Kultur- oder Sportveranstalter, wie jeder andere Unternehmer, verpflichtet, wenn er eine Veranstaltung nicht durchführen kann, den Kaufpreis für das Ticket für den Eintritts- oder Teilnahmepreis zurückzuerstatten. Dies unabhängig davon, warum das Kunst-, Kultur- oder Sportereignis nicht stattfinden konnte. Den Käufer (z. B. Konsument) des Tickets trifft hingegen in der Regel keinerlei Verantwortung oder Haftung dafür.

Dieser Grundsatz wurde nun durch das Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz vom 5. Mai 2020 im Zusammenhang mit den Maßnahmen der Regierung aufgrund der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 und 2021[5] zu Lasten der Konsumenten geändert und diesen ein Teil des Unternehmerrisikos aufgebürdet. Dies ist insbesondere im Hinblick auch auf eine mögliche spätere Insolvenz eines Kunst-, Kultur- oder Sportveranstalter bedenklich, da dann diese Gutscheine praktisch wertlos sind und der Konsument sein Geld nicht zurückerstattet erhält.

Gutscheine anstelle der Entgeltrückzahlung

Zentraler Inhalt des Gesetzes ist, dass anstelle einer Entgeltrückzahlung, wenn ein Kunst-, Kultur- oder Sportereignis aufgrund der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 oder 2021[5] entfallen ist, ein Gutschein ausgegeben werden kann (siehe § 1 Abs. 1 KuKuSpoSiG). Dabei wird je nach Höhe des Entgeltes (Ticketpreises) differenziert (§ 1 Abs. 3 bis 6 KuKuSpoSiG):

  • Entgelt bzw. Ticketpreis über 70 bis 250 Euro: der Veranstalter oder Betreiber kann sich bis zum Betrag von 70 Euro durch die Übergabe eines Gutscheins von seiner Rückzahlungspflicht befreien; den 70 Euro übersteigenden Teil des Entgelts hat er hingegen dem Besucher oder Teilnehmer zurückzuzahlen (Abs. 4). Dieser Punkt betrifft in der Praxis den Großteil der Veranstaltungen im Bereich Kunst-, Kultur- und Sport.
  • Entgelt bzw. Ticketpreis über 250 Euro : der Veranstalter oder Betreiber hat dem Besucher oder Teilnehmer den Betrag von 180 Euro zurückzuzahlen; hinsichtlich des 180 Euro übersteigenden Teils des Entgelts kann er sich hingegen durch die Übergabe eines Gutscheins von einer sofortigen Rückzahlungspflicht befreien (Abs. 5).
  • Abonnements: der Besucher oder Teilnehmer kann anstelle eines Gutscheins verlangen, dass das zurückzuzahlende Entgelt auf die Zahlung für ein folgendes Abonnement angerechnet wird (Abs. 6).
  • Bei bereits teilweise konsumierten Veranstaltungen: Es ist nur der noch nicht konsumierte Teil des Tickets durch einen Gutschein zu erstatten (Abs. 3).

Der Gutschein kann nur beim selben Veranstalter eingelöst werden, sofern keine abweichende Regelung zugunsten des Konsumenten besteht oder vereinbart wird.[6]

Übertragbarkeit und Einlösung des Gutscheins

Gemäß § 2 des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz kann der Besucher oder Teilnehmer, der ein z. B. Ticket etc. gekauft hat, den Gutschein an jede natürliche Person weitergeben. Der Inhaber des Gutscheins kann mit diesem bis zu dessen Wert das Entgelt für ein anderes Kunst-, Kultur- oder Sportereignis des Veranstalters oder für einen Besuch der Kunst- oder Kultureinrichtung nach deren Wiedereröffnung bezahlen. Er ist aber nicht dazu verpflichtet, den Gutschein für ein anderes Kunst-, Kultur- oder Sportereignis oder für einen anderen Besuch der Kunst- oder Kultureinrichtung einzulösen.

Nur dann, wenn der Inhaber eines Gutscheins, der aufgrund eines im Jahr 2020 oder im ersten Halbjahr 2021 entfallenen Kunst-, Kultur- oder Sportereignisses oder aufgrund einer im Jahr 2020 oder im ersten Halbjahr 2021 geschlossenen Kunst- oder Kultureinrichtung ausgestellt wurde, diesen nicht bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 eingelöst hat, hat ihm der Veranstalter oder Betreiber den Wert des Gutscheins auf Aufforderung unverzüglich auszuzahlen. (§ 2 Abs. 3 KuKuSpoSiG). Es zeigt sich somit durch diese Bestimmung, dass es im Kern des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz nur um eine zeitliche begrenzte finanzielle Entlastung der Kunst-, Kultur- oder Sportveranstalter für einen bestimmten Zeitraum geht. Es werden durch das Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz die Veranstalter oder Betreiber von Kunst-, Kultur- oder Sportveranstaltungen nicht verpflichtet, einen insolvenzfesten Rücklagenfonds oder insolvenzfeste Bankguthaben oder ähnliches zu schaffen, um dieser Zahlungsverpflichtung jedenfalls in Zukunft nachkommen zu können.

Kostenfreiheit und abweichende Vereinbarungen

Gemäß § 3 darf der Kunst-, Kultur- oder Sportveranstalter für die Ausstellung, Übersendung oder Einlösung des Gutscheins dem Besucher oder Teilnehmer oder dem späteren Inhaber des Gutscheins keine Kosten angelastet werden. Sind die Besucher, der Teilnehmer oder der Inhaber des Gutscheins ein Verbraucher (§ 1 KSchG), so sind Vereinbarungen, die von den vorstehenden Bestimmungen zu ihrem Nachteil abweichen, unwirksam.

Inkrafttreten und Außerkrafttreten; zeitlicher Anwendungsbereich

§ 4. (1) Das Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz trat mit 6. Mai, 0:00 Uhr, in Kraft und tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 außer Kraft. Die Auszahlungsverpflichtung nach dem 31. Dezember 2023 ist auch über das Außerkrafttreten des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz anzuwenden (§ 4 bs. 3 KuKuSpoSiG).

Das Gesetz ist auf Rückzahlungspflichten für nach dem 13. März 2020 entfallene Kunst-, Kultur- oder Sportereignisse oder für nach dem 13. März 2020 durchgeführte Schließungen von Kunst- oder Kultureinrichtungen anzuwenden. Hätte der Veranstaltung 2020 oder im ersten Halbjahr 2021 stattfinden sollen, dann kann der Kunde erst ab dem 1. Jänner 2023 die Auszahlung verlangen. War die Veranstaltung im zweiten Halbjahr 2021 geplant, dann kann der Kunde erst ab dem 1. Jänner 2024 die Auszahlung verlangen.[6]

Vollziehung

Nach § 5 KuKuSpoSiG ist mit der Vollziehung des Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetzes die Bundesministerin für Justiz betraut.

Aufbau des Gesetzes

  • § 1 (Übergabe eines Gutscheins anstelle der Entgeltrückzahlung)
  • § 2 (Übertragbarkeit und Einlösung des Gutscheins)
  • § 3 (Kostenfreiheit und abweichende Vereinbarungen)
  • § 4 (Inkrafttreten und Außerkrafttreten; zeitlicher Anwendungsbereich)
  • § 5 (Vollziehung)

Sonderfälle

Im Sinne des KuKuSpoSiG sind von der Gutscheinlösung nur die Leistungen umfasst, die direkt mit der Sport- oder Kulturveranstaltung zusammenhängen (z. B. Eintrittspreis). Nicht jeodch Zusatzleistungen, wie Übernachtungen oder Getränkebons etc. Zusatzleistungen müssen sofort zur Gänze zurückerstattet werden.[6]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz zur Sicherung des Kunst-, Kultur- und Sportlebens vor weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz – KuKuSpoSiG) beschlossen wird (BGBl. I Nr. 40/2020).
  2. Geschäftszahl 1Ob131/21b.
  3. Das Parlament, Nr. 28-29 vom 6. Juli 2020, S. 4.
  4. EU-Rechnungshof: Fluggastrechte in Pandemie missachtet, Webseite: orf.at vom 29. Juni 2021.
  5. 5,0 5,1 Auch auf 2021 erweitert durch BGBl. I Nr. 149/2020.
  6. 6,0 6,1 6,2 Abgesagte Events: Wie Kunden zur ihrem Geld kommen, Webseite: help.orf.at vom 2. April 2022.