Alte Mühle von Tattendorf: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 15. Oktober 2019, 10:11 Uhr

Die alte Mühle in Tattendorf um 1900 [1]

Die Mühle in Tattendorf ist eine Mahlmühle , befindet sich im niederösterreichischen Bezirk Baden unweit von Ebreichsdorf und ist nicht mehr in Betrieb.

Geschichte

Der älteste urkundliche Nachweis über den Bestand dieser Mühle in Tattendorf findet sich anno 1258 im Stift Klosterneuburg, der damaligen Grundherrschaft von Tattendorf. Als erster namentlich genannte Mühlenbetreiber scheint anno 1422 „Hanns Mulner von der Mül“ im Grundbuch des Stiftes Klosterneuburg auf[2].

1682 erwarb der Müller Georg Knötzl zusammen mit seiner Frau Maria die Mühle in Tattendorf von Martin und Sophiam Vischböck um 1.200 Gulden[3] und erlitt ein schreckliches Schicksal: „er Knötzl, in dem 1683 geschehenen Türckhen und Tärtarischen Einfall, alda gleich oberhalb der Wuehr Niedergehaut, undt die Müll durch das feuer totaliter ruinirt worden“[4] ist. Knötzel’s Witwe konnte alleine die Brandstatt nicht wieder errichten und verließ Tattendorf um einen Müller aus Wiener Neustadt zu ehelichen. Das Stift Klosterneuburg lies als Lehnsherr die Mühle 1689 wieder neu erbauen[5] und vier Jahre später gelangte dass Anwesen mit allem Zubehör um 1.600 Gulden an Michael und Barbara Fleischhacker aus Burgau in der Steiermark[5]. Als Barbara 1715 verstarb, heiratete der Witwer Michael Fleischhacker seine zweite Frau Salome. Diese musste schnell Witwe geworden sein, denn im Grundbuch scheint Salome - nach Vergleich mit ihren 3 Kindern - als alleiniger Besitzerin auf[6]. Da zu dieser Zeit eine Frau nur eine gewisse Zeit einen Witwenbetrieb betreiben durfte, verheiratet sich 1730 die nunmehrige Mühlenbesitzerin mit Paul Ränkhl[6] - auch sie verstarb nach nur drei Ehejahren. Der hinterlassene Ehemann schritt daraufhin im Jahre 1734 mit Maria Magdalena Haderer aus Tattendorf zum Traualtar[7] und wurde auch nicht alt - sein Tod ereilte ihn 1741.

Leopold Paur (1791-1855) Mühlinhaber von 1823-1849

Nun heiratete Franz Anton Paur[8] ein Sohn des Badener Mühlbesitzers auf der Schäfflermühle Johannes Georg Paur im Jahre 1742 die Witwe Maria Magdalena und wurde somit Mühlenbesitzer[9]. Für dreißig Jahre war jetzt einmal Schluss mit dem kurzzeitigen Besitzwechsel. Die Mühle erhielt in dieser Zeit im Wesentlichen ihr heutiges Aussehen. 1745 ließ Franz Anton Paur eine wunderschöne Stuckdecke in einer der Mühlenräumlichkeiten errichten die die „Mutter Gottes“ stehend auf der Erdkugel, welche eine Schlange umschloss und seine Initialen FAP einbauen. Aus der Ehe mit Maria Magdalena gingen 8 Kinder hervor und der älteste überlebende Sohn Johann Adam Paur[10] erbte 1776[11] nach dem Tod der Eltern die Mühlenanlage gemeinsam mit seiner Frau Josefa geb. Marksteiner.

Der erstgeborene Sohn Ignaz Paur[12] war der spätere Erfinder der „Wiener Hochmüllerei“. Seine Erfindung der doppelten Grießputzmaschine war die Voraussetzung für die industrielle Mehlproduktion. Die Tochter Clara Paur[13] ehelichte 1804 den Müllersohn Josef Paul Schmid[14] aus Oberliesing in der Tattendorfer Dorfkirche und wurde Dominikalmüllerin auf der Freimühle in Unterlanzendorf (heute Gut Fabricius) sowie Ahnherrin der Müllerfamilien Schmid und Polsterer. 1795 verstarb Johann Adam Paur[10] und seine Witwe ehelichte Johann Frank[15], einen aus Thurndorf in Bayern stammenden Müllermeister mit dem diese aber keine Nachkommen hatte. Im Jahre 1800 brannte die Mühle durch Selbstentzündung ab[16], wurde aber wieder aufgebaut.

Stuckdecke von 1745 in der Mühle Tattendorf

Nach dem Frieden von Pressburg mit Napoleon Ende 1805 hatten die Tattendorfer Bürger französische Besatzungstruppen aufzunehmen und zu verköstigen. 8.000 Soldaten und 1.600 Pferde wurden in Tattendorf einquartiert. Laut damaligen Aufzeichnungen hatte der Mühlenbesitzer Johann Frank[11] den Hauptteil der Soldaten einzuquartieren: 440 Mann und 157 Pferde mussten in der Mühle beherbergt und verköstigt werden[17]. Nachdem Josefa Frank geb. Marksteiner 1816 verstarb[18], war der Müllermeister Johann Frank Alleinbesitzer der Mühle[11]. 1823 übernahm sein Stiefsohn Leopold Paur mit Gattin Josefa geb. Fürst den Mühlenbetrieb[11]. Im Zuge der Abschaffung der Lehenswirtschaft im Revolutionsjahr 1848 verkaufte Leopold 1849 die Mühle an Franz und Franziska Lethmüller[11] die den Betrieb um 1874 an Ludwig Polsterer[19] verpachteten. Als Franz Lettmüller 1877 verstarb erbte seine Gattin Franziska dessen Hälfte[11] und verkaufte den gesamten Betrieb 1881[11] an Johanna Polsterer[20], einer Schwester von Ludwig Polsterer. Johanna modernisierte den Mühlenbetrieb und ließ um 1898 die Mühlenräder abmontieren und durch eine Francis-Turbine, die Strom lieferte ersetzen. Die Familie Polsterer war neben der Tattendorfer Mühle im Laufe der Zeit auch Eigentümer der Rösselmühle in Enzersdorf an der Fischa und der Kunstmühle Unterwaltersdorf. 1918 verstarb die Mühleignerin Johanna Polsterer und deren Erben verpachteten den Betrieb an die „Landwirtschaftliche Genossenschaft Ebreichsdorf“, die die Mühle 1953 im Eigentum erwarb[16].

Die Mühle in Tattendorf diente ausschließlich der Lohnmüllerei und war voll ausgelastet. Die kostenlose Wasserkraft ermöglichte eine konkurrenzfähige Produktion gegenüber ausländischen Produkten und trug zur Dotierung des Reservefonds der „Landwirtschaftlichen Genossenschaft Ebreichsdorf“ bei. 1925 standen 7 Beschäftigte in Lohn und Brot und in den beiden Weltkriegen verbesserte diese die Ernährungssituation in Tattendorf. 1947 kam der Neubau einer großen Lagerhalle, an der Teesdorfer Straße gelegen, hinzu. Im Jahr 1961 kam das „Aus“ für den Mühlenbetrieb, die Mühle wurde aus betriebswirtschaftlichen Gründen geschlossen[21].

Nachnutzung

Josef und Annas Maria Dachauer kauften 1985 die Mühle und eröffnete ein paar Jahre später darinnen das „Weingut in der Mühle“. Anfänglich wurde in den eigens dafür adaptierten Mühlenräumlichkeiten ein Heurigenlokal eingerichtet und erfreute sich großer Beliebtheit. Auch wurde von Josef Dachauer mit großer Liebe zum Detail ein Museum in der Mühle mit abwechselten Themen eingerichtet. Derzeit beherbergt die Mühle neben dem schon bestehenden Museum Fremdenzimmer und einen Biohofladen, der von Frau Dachauer mit viel Liebe geführt wird.

Grundbuchauszug

Jahr Grundbücherliche Besitzer der alten Mühle in Tattendorf [16] durch
1422 Mulner Hanns
Mülner Leopold
1514 Weyßs Christan, Müllner
1520 Weiss Christan, Müllner
1520 Newhawser Jorig und Regina Kauf
1525 Moser Leopold und Barbara Kauf
1544 Häberler Paul und Margaretha Kauf
1560 Lutz Michael und Margaretha Kauf
Lutz Michael und Barbara
1588 Häberler Matheus und Catharina Kauf
1597 Etthofer Hans Kauf
1631 Wilhelm Andreas, Herr von Prandis, Freyherr zu Leonburg

und Forstherr auf Rodaun und Eva Maria geb. Urschenpekhin

1646 Täschl Hanns und Regina Kauf
Moser Johann und Johann und Susanna geb. Täschl
1668 Vischböck Martin und Sophiam Kauf
1682 Knözl Geogen Müllner und Maria Kauf
1683 Zerstärung durch die Türken
1689 Wiederaufbau durch das Stift Klosterneuburg
1694 Fleischhackher Michael, Müllner und Barbara Kauf
1715 Fleischhackher Michael und Salome Heirat
Fleischhackher Salome Witwe Erbe
1730 Ränckhl Paul und Salome Heirat
Ränckl Paul, Witwer
1734 Ränckl Paul und Maria Magdalena Heirat
Ränckhl Maria Magdalena, Witwe Erbe
1743 Paur Franz Anton und Maria Magdalena verw. Ränckhl Heirat
1772 Paur Maria Magdalena, Witwe Erbe
1776 Pauer Johann Adam und Josepha Erbe
1795 Pauerin Josepha, Witwe Erbe
1795 Frank Johann und Josepha (Witwe) Erbe
1800 Zerstörung durch Brand infolge Selbstentzündung
1816 Frank Johann, Witwer Erbe
1823 Pauer Leopold und Josepha Übernahme
1849 Lettmüller Franz und Franziska Kauf
1877 Lettmüller Franziska Erbe
1881 Polsterer Johanna Kauf
1953 Landwirtschaftliche Genossenschaft Ebreichsdorf Kauf
1985 Dachauer Josef und Anna Maria Kauf

Literatur

Josef Mitterer: Wenn Spuren von Menschen Geschichte werden, 2014

Einzelnachweise

  1. Aquarell: aus dem Besitz der Familie Hietz
  2. Stiftsarchiv Klosterneuburg - Grundbuch 18/5
  3. Stiftsarchiv Klosterneuburg - Vb. 3a-2 (fol.225r)
  4. Stiftsarchiv Klosterneuburg - Grundbuch C (fol.172)
  5. 5,0 5,1 Stiftsarchiv Klosterneuburg Vb. 3a-3 (fol.71r)
  6. 6,0 6,1 Stiftsarchiv Klosterneuburg - Grundbuch A (fol.31)
  7. Stiftsarchiv Klosterneuburg - Grundbuch A (fol.100)
  8. Baden, Pfarre Sankt Stephan - Tauf-, Trauungs und Sterbebuch 1695-1725 (fol.279) auf Matricula Online Franz Anton Paur (*1713 in der Schäfflermühle zu Baden ; † 1772 in der Mühle Tattendorf) war ein österreichischer Müller
  9. Stiftsarchiv Klosterneuburg - Grundbuch A (fol.143)
  10. 10,0 10,1 Johann Adam Paur (*1748 in der Mühle zu Tattendorf; † 1795 ebenda) war ein österreichischer Müller und Ortsrichter von Tattendorf
  11. 11,0 11,1 11,2 11,3 11,4 11,5 11,6 Stiftsarchiv Klosterneuburg - Grundbuch D (fol.75)
  12. Ignaz Paur (*1778 in der Mühle Tattendorf; † 1842 in Lichtenwörth) war ein österreichischer Müller und Erfinder
  13. Clara Schmid geb. Paur (*1781 in der Mühle Tattendorf; †1842 in Unterlanzendorf)
  14. Josef Paul Schmid (*1778 in Oberliesing (heute Wien-Liesing); †1857 in Unterlanzendorf) war ein österreichischer Müller auf der Freimühle in Unterlanzendorf
  15. Johann Frank (*1758 in Thurndorf, Bayern; † 1835 auf der Wieden in Wien) war ein bayrisch-österreichischer Müller in Tattendorf
  16. 16,0 16,1 16,2 Josef Mitterer: Wenn Spuren von Menschen Geschichte werden, 2014 S. 200
  17. Josef Mitterer: Wenn Spuren von Menschen Geschichte werden, 2014, S. 148
  18. Pfarre Tattendorf - Tauf-, Trauungs- und Sterbebuch 1797-1828 (fol.108) auf Matricula Online
  19. Ludwig Polsterer (*1845 in Oberrohrbach, Pfarre Leobendorf im Weinviertel; † 1906 in Enzersdorf/Fischa) war ein österreichischer Mühlenbesitzer in Enzersdorf an der Fischa
  20. Johanna Polsterer (*1840 in Oberrohrbach, Pfarre Leobendorf im Weinviertel; † 12. Dezember 1918 in der Mühle Tattendorf) war eine österreichische Mühlenbesitzerin in Tattendorf
  21. Josef Mitterer: Wenn Spuren von Menschen Geschichte werden, 2014, S. 220

47.9564516.299689Koordinaten: 47° 57′ 23″ N, 16° 17′ 59″ OWeblinks

 Alte Mühle von Tattendorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons