Römerzeitliche archäologische Funde in Grafendorf bei Hartberg: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 28. April 2021, 19:53 Uhr

Römische Provinzen und Orte auf dem Gebiet des heutigen Österreichs
Lageskizze mit der Position von Flavia Solva

Die römerzeitlichen archäologischen Funde in Grafendorf bei Hartberg sind Beispiele, welche erinnern lassen, dass die Römerzeit in Österreich beinahe ein halbes Jahrtausend währte. Um 15 v. Chr. ließ Kaiser Augustus die Reichsgrenzen vom Südrand der Alpen bis zur Donau vorlegen. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde das Königreich Noricum zunächst ein römisches Protektorat, später unter Kaiser Claudius Provinz. Diese war wiederum in selbstständige Stadtgemeinden beziehungsweise Verwaltungsbezirke, sogenannte Municipium, aufgeteilt. Das Gemeindegebiet von Grafendorf bei Hartberg gehörte zur Stadt Flavia Solva und lag an der nordöstlichen Grenze des Municipiums. [1]

Funde

Die römerzeitlichen Funde in Grafendorf bei Hartberg umfassen Grabsteine, Statuetten und Figuren, die im Laufe der Zeit auf dem Gemeindegebiet aufgefunden oder bei gezielten Ausgrabungen geborgen werden konnten.

Römische Grabsteine

In Vitrine ausgestellte römische Grabsteine

Im Laufe der Zeit wurden in Grafendorf an unterschiedlichen Stellen auf dem Gemeindegebiet römische Grabsteine aufgefunden:[2]

  • Grabstein des solvensischen Duumvir C. Sacretius Spectatinus, eingemauert bis 1964 in der Westmauer der Pfarrkirche Grafendorf
  • Grabsteinfragment, das 1966 bei der Erneuerung des Pflasters außerhalb der Kirche gefunden wurde. Der Stein war in abgeglätteter Form als Pflasterstein verwendet worden.
  • Marmorstele, die 1995 im Hof des Hauses Nr. 97 (Familie Hohenscherer vulgo Fischer-Resi) aufgefunden wurde und ebenfalls Verwendung als Pflasterstein gefunden hatte.

1995 erfolgte eine Aufstellung dieser drei Grabsteine in einer schützenden Vitrine neben der Kreuzkapelle. Zusätzlich sind die Standorte zweier weiterer Grabsteine, die sich eingemauert in Hauswänden in Grafendorf befinden, bekannt.

Grabstein des solvensischen Duumvir C. Sacretius Spectatinus

Der mächtige Marmorblock mit den Maßen 1,13 x 082 x 0,55m ist der Rest eines großen Grabdenkmals, welches bis 1964 in der Westmauer in der Grafendorfer Kirche eingemauert war. Die Schriftzeichen in dem gerahmten, oben durch ein sogenanntes norisch-pannonisches Volutenornament abgeschlossenes Feld haben aufgrund langandauernde ungünstige Lagerung des Steines gelitten, sodass heute manches nicht mehr zu lesen ist, was einst noch gut erkannt werden konnte:

C. SACRETIO
SPECTATINO
II. VIR. I. D. F. S. (= IIvir iure dicundo Flaviae Solvae)
AN. L. ET. SECVN
DINAE. SEVE
RINAE. CON
(F?) F C

Die Inschrift heißt auf deutsch, dass dieses Grabdenkmal für einen Gemeindevorsteher von Flavia Solva, dem Duumvir Caius Sacretius Spectatinus, der im Alter von 50 Jahren gestorben war, und für dessen Frau Secundina errichtet wurde. Der Verstorbene war einer der beiden duoviri, die man am ehesten mit Bürgermeistern vergleichen kann, die jährlich gewählt wurden und dem Gemeinderat, bestehend aus einhundert lebenslänglichen Mitgliedern, und dem gesamten Gemeindewesen vorstanden. Der Duumvir Sacretius - der Name kommt auch in einer in der Südmauer der Hartberger Kirche eingelassenen Inschrift vor - war gewiss ein Gutsbesitzer aus der Grafendorfer Gegend. [3]

Ikarus-Statuette

Von einem größeren Grabdenkmal kommt auch die aus Marmor bestehende Ikarus-Statuette, welche 0,64m hoch ist. Es handelt sich dabei um eine Statue ohne Kopf, gefunden nächst der Grafendorfer Kirche auf dem alten Friedhofsgrund 1869. Die im Gegensatz zu ähnliche Fundobjekten in Budapest, Steinamanger, aber auch Flavia Solva, künstlerisch nicht gerade hochwertig, zeigt einen Jüngling in Vorderansicht mit angesetzten Flügeln, die am Rücken und an den Oberarmen durch Binden befestigt sind. Solche Figuren dienten zur Bekrönung eines Grabmals, wozu sie sich auch aus religiösen Gründen sehr gut eignen. Auch dieser Fund unterstreicht den Rang des Grafendorfer Gebietes in der Römerzeit, da ja monumentale Grabanlagen nicht zufällig irgendwo errichtet werden.[4]

Die Statuette befindet sich heute im Lapidarium des Steiermärkischen Landesmuseums Joanneum.[5]

Reliefstein

Ein weiteres, noch in Grafendorf vorhandenes Monument ist der allerdings nicht mehr sehr gut erhaltene Reliefstein mit den Halbfiguren eines Ehepaares in einer rechteckig geformten Nische mit den Maßen 1,14 x 0,7m. Mit dem Stein des Sacretius kann man dieses Relief am Hause des Schneidermeisters Taubenschuß leider nicht in Verbindung bringen, so ansprechend eine solche Kombination auch wäre. Am verschliffenen Relief erkennt man noch, dass der Mann eine Rolle in seiner Linken hält - nach allgemeiner Auffassung die Bürgerrechtsrolle - und am Bildnis der Frau mit der norischen Haube ist noch der Halsring zu sehen und die großen Fibeln, die den Mantel im Bereich der Schlüsselbeine festhalten. [6]

Steinlöwe

Grablöwe aus Stambach

Der Steinlöwe von Stambach ist ein rund 1800 Jahre alter Grablöwe. Er wurde am 12. September 1954 im Rahmen von Straßenbauarbeiten etwa 100 m westlich vom Hof Kopper-Seidl entdeckt. Der Fund wurde nach Grafendorf gebracht und vor der Volkschule aufgestellt. Mit der Errichtung des Gemeindezentrums in Stambach wurde der bereits stark abgewitterte Löwe wieder in seine Heimat übersiedelt. Seit der Zusammenlegung der Gemeinde Grafendorf und Stambach befindet sich der Steinlöwe im historischen Museum in Grafendorf. Der römerzeitliche Grablöwe aus dem 2. Jh. n. Chr. steht unter Denkmalschutz. [7]

Der Löwe bestehend aus Marmor ist 0,94 m breit, 0,55 m hoch und besitzt eine Tiefe von 0,21 m. Er ist in einem schlechten Zustand, wie unschwer am Bild zu erkennen ist. Löwen wurden in der antiken Kultur als eine Art Beschützer der Toten angesehen. Sie galten aber auch als Wächter von Palästen, Toren, Altären und Thronen. Ebenso Häuser bzw. den Wohnort sollten sie beschützen.

Villa rustica I

Ein 70m2 großer mit Fußbodenheizung ausgestatteter Raum einer "villa rustica", aus der römischen Kaiserzeit, ist ein ordentlicher Beweis für römerzeitliche Bauten in Grafendorf bei Hartberg. Die Überreste wurden beim Ausbaggern einer Baugrube für ein Einfamilienhaus entdeckt. Die Bemühungen vom Landesmuseum Joanneum und von dem Bundesdenkmalamt förderten eine Hypokaustheizung zutage, deren Erhaltungszustand in dieser Großflächigkeit in Österreich einzigartig war. Der Ausgräber Jörg Fürnholzer schätzte, dass die Villa in das 3. Jh. n. Chr. einzuordnen ist. Einige meinen jedoch, dass dieser Datierungsvorschlag zu spät angesetzt sei, da das doch geringe Fundmaterial eher auf die 2. Hälfte des 2. und auf den Anfang des 3. Jhs. n. Chr. hinweist. Dieser Vorschlag würde auch besser mit den Ergebnissen der Ausgrabung im Gräberfeld Leberholz korrespondieren, wobei gesagt werden muss, dass die Zusammengehörigkeit zwischen Villa und Gräberfeld nicht bewiesen, aber stark vermutet werden.[8]

Hügelgrab im Leberholz

Westlich von Grafendorf befindet sich in etwa 1 km Entfernung vom Ostzentrum ein Wald, der bei der Bevölkerung unter dem Namen "Leberholz" bekannt ist. Im Frühjahr 1997 entschloss sich das Bundesdenkmalamt zu einer Feststellungsgrabung im Gräberfeld Leberholz. Ein Grabhügel mit ungefähr acht m Durchmesser und einer Höhe von 0,7m war neuerlich im Zuge einer massiven Raubgrabung unsachgemäß geöffnet worden. Bei der darauffolgenden Untersuchung wurde festgestellt, dass der Grabeinbau glücklicherweise stark exzentrisch zur Hügelmitte, außerhalb der Raubgrabung gelegen war. Er war in Trockenmauerwerk errichtet und umfasste einen etwa 1,0 x 1,2 m großen Innenraum ohne Abdeckung, der außer der Brandschüttung auch eine Dreifußschale mit Deckel, eine Urne und einen Faltenbecher beinhaltete.

Publikationen

  • Markterhebung von Grafendorf bei Hartberg, 1964
  • Infotafel im ehemaligen Gemeindeamt Stambach
  • Steinpeißer - Zeitschrift des Historischen Vereins Hartberg, 1999

Weblinks

  • Diplomarbeit von Fa. Mag. Federico Bellitti
  • Artikel zu den Hügelgräbern im "Leberholz"
  • Bericht zu der Ausgrabung der Hypokaustheizung

Einzelnachweise

  1. Steinpeißer, Zeitschrift des Historischen Vereins Hartberg, 6. Jahrgang/1999, S.14
  2. Federico Bellitti: Die Kleinfunde der römischen Villa II von Grafendorf bei Hartberg - Diplomarbeit 2007, Seite 8 und 9, Webseite www.hlk.steiermark.at, abgerufen am 28. April 2021
  3. Markterhebung von Grafendorf bei Hartberg, 1964, S.22
  4. Markterhebung von Grafendorf bei Hartberg, 1964, S.24
  5. Federico Bellitti: Die Kleinfunde der römischen Villa II von Grafendorf bei Hartberg - Diplomarbeit 2007, Seite 9, Webseite www.hlk.steiermark.at, abgerufen am 28. April 2021
  6. Markterhebung von Grafendorf bei Hartberg, 1964, S.25
  7. Infotafel im ehemaligen Gemeindeamt Stambach
  8. Diplomarbeit von Fa. Mag. Federico Bellitti S.12

Htlpinkafeld.png Dieser Artikel wurde 2020/21 im Zuge des Schulprojektes der HTL Pinkafeld erstellt oder maßgeblich erweitert.