Obergutachter: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 15. August 2023, 20:54 Uhr

Ein Obergutachter (selten Obersachverständiger) ist ein Sachverständiger, der von einem Gericht oder einer Behörde mit der Überprüfung eines Gutachtens eines oder mehrerer anderer Sachverständigen beauftragt wird und dafür ein Obergutachten erstellt.[1]

Bei Widersprüchen zwischen Privatgutachten und Gerichtsgutachten wird hingegen kein Obergutachter bestellt[1], sondern gilt in der Regel das gerichtlich beauftragte Gutachten.

Rechtsgrundlage

Während das Gesetz in Österreich den Begriff des Obergutachters nicht direkt kennt[2], wird dieser Begriff in zahlreichen Entscheidungen von Gerichten in Österreich verwendet.[3]

§ 362 Abs. 2 ZPO regelt: Erscheint das abgegebene Gutachten ungenügend oder wurden von den Sachverständigen verschiedene Ansichten ausgesprochen, so kann das Gericht auf Antrag oder von amtswegen anordnen, dass eine neuerliche Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige oder doch mit Zuziehung anderer Sachverständiger stattfinde. Eine solche Anordnung ist insbesondere auch dann zulässig, wenn ein Sachverständiger nach Abgabe des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt wurde.[4]

In § 37 Abs. 1 GebAG[5] wird auf die Funktion eines Obergutachters eingegangen indem geregelt wird: Für die im Auftrag des Gerichtes durchgeführte Überprüfung des gerichtlichen Gutachtens eines anderen Sachverständigen oder von einander widersprechenden gerichtlichen Gutachten mehrerer Sachverständiger ist der Sachverständige mit der doppelten Gebühr zu entlohnen, die für das überprüfte Gutachten, bei einander widersprechenden Gutachten für das höher zu vergebührende Gutachten, jeweils samt Befund, nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist, selbst wenn er keinen Befund aufnimmt.

Historische Vorbilder

Obergutachter wurden bereits im Mittelalter z. B. im Zuge von Hexenprozessen eingesetzt.[6] In der Zeit der Nazidiktatur wurden Obergutachter ab 1939 bis 1945 z. B. im Zusammenhang mit der Ermordung von Kranken und Behinderten Obergutachter institutionell eingesetzt, die die letzte Entscheidung hatten, ob jemand ermordet wurde.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Der SachverständigeV, Heft 2/2023, S. 97.
  2. Im Gegensatz zu Deutschland, wo der Begriff Obergutachter auch im Gesetz zu finden ist (siehe: Suchwort:Obergutachter, Webseite: gesetze-im-internet.de, zuletzt abgerufen am 14. August 2023; Obergutachter, Webseite: lexexakt.de, zuletzt abgerufen am 14. August 2023.
  3. Zum Beispiel in: 7 Ob 195/22k; 134 Dg 2/18f; 15 Os 64/17a; 10 Ob 27/16t; 2 Ob 209/10i; VWGh Ra 2021/03/0284: AsylGH S6 405.272-1/2009/2E; AsylGH C18 407.972-1/2009/3E; BVwG W127 2104786-1/10E; LVwG NÖ LVwG-AV-794/001-2014.
  4. Ähnlich wie in Deutschland § 412 dZPO.
  5. Gebührenanspruchsgesetz, BGBl. Nr. 136/1975.
  6. Vgl. Neuwe Zusätze D. Johann Weiers in der deutschen Ausgabe 1586 von De praestigiis daemonum. Von Teufelsgespenst, Zauberern und Gifftbereytern, Schwarzkünstlern, Hexen und Unholden […]. Nicolaus Basseus, Frankfurt am Main 1586, S. 567–575 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München).