Würstelstand

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Wiener Würstelstand im 1. Bezirk

Der Würstelstand ist die traditionelle österreichische Variante des Imbißstandes: Ein freistehender Verkaufsstand, in dem hauptsächlich kleine warme Fleischspeisen angeboten werden.

Geschichte und Funktion

Gegründet wurde diese Einrichtung während der k.u.k. Monarchie, um Kriegsinvaliden ein Einkommen zu sichern. Ursprünglich handelte es sich um fahrbare Verkaufsstände oder Garküchen; erst in den 1960er-Jahren wurden in Wien fixe Stände erlaubt.[1] Würstelstände sind heute fester Bestandteil der österreichischen Großstadtkultur und haben auch in der Kunst ihre Spuren hinterlassen, etwa im Wiener Genrelied „Der Würstelmann beim Schottentor“ (1956) oder in H.C. Artmanns Buch „Im Schatten der Burenwurst“.

Der angeblich älteste Wiener Stand dieser Art, Würstelstand Leo [2], besteht seit 1928. Einige Stände, vor allem im Bereich der Wiener Innenstadt und am „Gürtel“ (ringförmige Hauptverkehrsader, u.a. wegen Straßenprostitution übel beleumdet), haben bis spät in die Nacht geöffnet und sind dadurch für Nachtschwärmer, Taxifahrer und andere eine der wenigen Möglichkeiten, um diese Uhrzeit zu einer warmen Mahlzeit zu kommen.

Das stete Kommen und Gehen machte Würstelstände von Anfang an auch zu Zentren der Kommunikation und des Meinungsautausches, wobei die gesellschaftlichen Unterschiede hier kurzfristig aufgehoben werden: In diesem Mikrokosmos steht der Generaldirektor gleichberechtigt neben dem Bauarbeiter, der Opernsänger neben dem Sandler.

Sortiment

Würstelstand vor der Wiener Albertina

Das traditionelle Angebot umfasst Burenwurst, Käsekrainer, Frankfurter (im Ausland „Wiener“ genannt), Bosna, Waldviertler, Debreziner und Leberkäse – jeweils mit süßem oder scharfem Senf, sowie einem Stück Brot oder einer Semmel; als Beilage stehen eingelegte Gemüse wie Pfefferoni (mild oder scharf), Salz- oder Essiggurkerl sowie eventuell Silberzwieberl zur Wahl. Auch eingelegte Heringe (in der Variante mit scharfer Paprikasauce „Teufelsroller“ genannt) oder Mannerschnitten gehören meist zum Sortiment. An Getränken gibt es das obligate Bier oder das Stifterl; bei Alkoholfreiem haben mittlerweile Eistee und Cola die Klassiker Keli und Schartner Bombe abgelöst – lediglich der Almdudler ist nach wie vor erhältlich.
Ketchup und Mayonnaise als Würzungen sind neueren Datums. Heutzutage ergänzen auch oft Hot Dogs, Pizzaschnitten oder Schnitzelsemmeln das Angebot, wobei derartige Lokalitäten allerdings meist auf den Titel Würstelstand verzichten.

Das Hauptaugenmerk liegt naturgemäß auf kleinen, erschwinglichen Fleischgerichten; der Versuch im Jahre 2008, in Wien einen vegetarischen Würstelstand – mit fleischfreien Würsten („Vürstel“) auf Soja-Getreide-Basis – zu etablieren, scheiterte erwartungsgemäß. Andererseits werden Spezialitäten wie Pferdeleberkäse immer seltener angeboten.
Im Mai 2012 eröffnete am Schwedenplatz ein „Luxus“-Würstelstand.[3] In diesem gleichsam gentrifizierten Imbiß werden u.a. Sekt, Käsekrainer mit Kaviar und in Trüffelöl gebratene Würste verkauft.

Spezifika

Üblicherweise gibt es weder Sitzgelegenheiten noch (Steh-)Tische. Die Speisen werden entweder in eine Papierserviette eingschlagen oder auf einem kleinen (Karton-)Teller gereicht und auf dem Bord des Standes verzehrt – beziehungsweise im Weitergehen. Gläser stehen nicht zur Verfügung: Man trinkt aus der Flasche (respektive der Dose). Als Besteck gibt es neuerdings auf Wunsch Gabeln/Messer aus Plastik; ursprünglich beschränkten sich die Eßhilfen allenfalls auf Zahnstocher.

Bei „originalen“ Wiener Würstelständen ist der Wiener Schmäh unvermeidlicher Bestandteil der Konversation. Zudem herrscht ein eigener Jargon vor, den zu erlernen einem Ortsfremden nahezu unmöglich ist. Ein oft zitiertes, aber irreführendes Beispiel ist die „eitrige mit an schoafn und an bugl, und a hüsn dazua“ („Eitrige“ = Käsekrainer; „Schoafa“ = scharfer Senf; „Bugl“ = Brotendstück, bekannter als Scherzerl; „Hüsn“ = Dose Bier). Besagte Bestellung – in diversen Varianten kolportiert – wird zwar verstanden; der Sprecher gibt sich damit jedoch als Imitator zu erkennen. Die adäquate Terminologie ist komplexer, zumal sie auch bezirksweise variiert.[4]

Zukunft

Die traditionellen Würstelstände werden sukzessive von Pizzaständen, „Dönerbuden“, „Asia-Snacks“ und dergleichen verdrängt, welche ein vornehmlich jüngeres und durch grenzüberschreitende Medien sozialisiertes Publikum anziehen.

Literatur

  • H. C. Artmann: Im Schatten der Burenwurst. Residenz-Verlag 2003, Salzburg/Wien, ISBN 3-7017-1360-X
  • Elisabeth Hölzl (Hrsg.): Im Banne der Burenwurst. Der Würstelstand als Wille und Vorstellung. Christian Brandstätter, Wien 2001, ISBN 3854981058

Einzelnachweise

Weblinks

 Würstelstand – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons