Tirna (Familie)

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Die Familie von Tirna war eine im Herzogtum Österreich ansässige sogenannte "Ritterbürgerfamilie". Im 14. Jahrhundert bekleideten ihre Mitglieder über mehrere Generationen ohne Unterbrechung das Amt des Hubmeisters, womit sie "de facto" die gesamte Finanzverwaltung des Herzogtums in ihrer Hand hatten. Sie stellten zweimal den Bürgermeister der Stadt Wien und erwarben enormen Besitz. Mit dem Sturz von Rudolf von Tirna als Hubmeister im Jahr 1392 setzte ihr Niedergang ein. Im 15. Jahrhundert starb die Familie in "männlicher" Linie aus.

Werdegang

Die Herren von Tirna dürften ursprünglich Ministeriale[A 1] der Grafenfamilie von Raabs und nach deren Aussterben in "männlicher" Linie der Grafenfamilie von Hirschberg gewesen sein.[1] Als Stammsitz der Familie von Tirna gilt die in Zissersdorf gelegene Veste Oberthürnau (heute Teil der Gemeinde Drosendorf-Zissersdorf).[2] Die Besitzungen der Familie befanden sich zunächst im Waldviertel, im Weinviertel und in der Markgrafschaft Mähren.[3] Im 14. Jahrhundert wurde die Familie in der Stadt Wien[A 2] ansässig, wo sie sich ins Wiener Bürgertum integriert, ohne allerdings ihre Ritterbürtigkeit aufzugeben.[2] Im 14. Jahrhundert stellte sie mit Friedrich und Hans von Tirna zwei Bürgermeister der Stadt Wien. Außerdem gelang es das wichtige landesfürstliche Amt des Hubmeisters über einige Generationen durchgehend in der Familie zu halten, womit im 14. Jahrhundert die gesamte Finanzverwaltung des Herzogtums Österreich in ihrer Hand war. 1370 bildete Hans von Tirna als Münz- und Hubmeister von Herzog Albrecht (III.) von Österreich († 1395) gemeinsam mit dessen Hofmeister Hans von Liechtenstein († 1397), Reinhard von Wehingen († 1394), dem Erbschenk Heidenreich von Maissau († um 1381) und den beiden reichen Wiener Bürgern Christoph Syrfeger und Niklas Stainer jenes Konsortium, das vier Jahre lang die Finanzverwaltung aller von den Habsburger beherrschten Lande und Territorien übernahm. Zu dieser Zeit befand sich die Familie von Tirna auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Mitte der 1480er-Jahre begann allmählich der Niedergang, welcher durch den Verlust des Hubmeisteramtes (1392) wesentlich beschleunigt wurde.[4]

Erinnerungen an die Familie Tirna

Zu den auf dem Areal der heutigen Stadt Wien gelegenen Besitzungen der Familie Tirna gehörte der spätere Federlhof (heute Wien 1), der 1338-1398 der Wiener "Stadtpalast" der Familie war. Seit 1373 besaßen sie außerdem den sogenannten "niedere Hof" in Matzleinsdorf, der bis ca. 1408 in ihrem Besitz war. In Matzleinsdorf stifte die Familie Tirna 1395 die Margaretenkapelle.[5] Außerdem zählte die Familie zu den Besitzern des späteren Schlosses Sierndorf.[6]

Die Familie gehörte zu den Stiftern der Moranduskapelle (Kreuzkapelle) (erbaut 1358/62) des Wiener Stephansdoms, in der später Prinzen Eugen beigesetzt wurde.[6]. An der Außenseite der Kapelle befindet sich bis heute das Familienwappen. In dieser Kapelle, die nach ihnen auch die Tirnakapelle genannt wurde, wurde 1478 Jörg von Tirna beigesetzt, der als Letzter der Familie gilt.[5]

Bekannte Mitglieder der Familie

  • Ekkehard von Tirna ("Ekkihard de Tirnua") gilt als das erste Mitglied der Familie Tirna, welches urkundlich belegt ist. Er stiftete 1157 dem Stift Göttweig als "Seelgerät" einen Weingarten in "Odenprunne".[7]
  • Wichard von Thürnau (Tyrna) ("Wichardus de Tyrnach", "Wichard de Thern") († 1265), genannt erstmals 1234, dürfte bereits zu den Gefolgsleuten des späteren "Böhmenkönigs" König Ottokar gehört haben, als dieser noch Markgraf von Mähren war.[8] Dieser machte ihn später zum Burggrafen von [[w:Vranov nad Dyjí|Frain.[9] 1257 kämpfte er für ihn in der Schlacht von Mühldorf und geriet dabei in Gefangenschaft. 1265 wird seine Witwe Wulfhild († um / nach 1265) als Stifterin genannt.[10] Gemeinsam mit ihrer Tochter Jutta und deren Ehemann, Johann de Dobran, stiftete sie dem Stift Zwettl das bei Schwarzenau gelegene Dorf "Ezelenslage".[11]
  • Friedrich von Tirna (nach 1353), Bürgermeister von Wien
  • Hans von Tirna († um 1388), Bürgermeister von Wien
  • Rudolf von Tirna (nach / um 1392, vermutlich in Wien), Hubmeister des Herzogtums Österreich

Literatur

  • Felix Czeike (Hrsg.): Tirna. In: Historisches Lexikon Wien. Band 5, Kremayr & Scheriau, Wien 1997, ISBN 3-218-00547-7, S. 458–459.
  • Anton Kreuzer: Die Besiedlung des Raumes von Zlabings und Neubistritz (Die Herren von Tierna) (= Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Südmährens. Heft IV.). Verlag des Südmähr. Landschaftsrates, Geislingen/Steige, 1973
  • Christian Lackner: Hof und Herrschaft. Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzöge (1365-1406) (= Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Erg.Bd. 41). R. Oldenbourg Verlag, Wien / München, 2002. ISBN 3-7029-0456-5

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Anton Kreuzer: Die Besiedlung des Raumes von Zlabings und Neubistritz, 1973, S. 9
  2. 2,0 2,1 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Tirna. In: Historisches Lexikon Wien. Band 5, Kremayr & Scheriau, Wien 1997, ISBN 3-218-00547-7, S. 458.
  3. vgl. Anton Kreuzer: Die Besiedlung des Raumes von Zlabings und Neubistritz (Die Herren von Tierna) (= Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Südmährens. Heft IV.). Verlag des Südmähr. Landschaftsrates, Geislingen/Steige, 1973, S. 15f.
  4. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft, 2002., S. 128
  5. 5,0 5,1 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Tirna. In: Historisches Lexikon Wien. Band 5, Kremayr & Scheriau, Wien 1997, ISBN 3-218-00547-7, S. 458–459.
  6. 6,0 6,1 vgl. Therese Backhausen: Zu Gast im Schloss Sierndorf, auf der Burg Rastenberg und im Renaissancehaus Stein, Burgenverein.AT, Burgentage, eingesehen am 7. August 2018
  7. vgl. Anton Kreuzer: Die Besiedlung des Raumes von Zlabings und Neubistritz (Die Herren von Tierna) (= Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Südmährens. Heft IV.). Verlag des Südmähr. Landschaftsrates, Geislingen/Steige, 1973, S. 15
  8. vgl. Anton Kreuzer: Die Besiedlung des Raumes von Zlabings und Neubistritz, 1973, S. 22
  9. vgl. Anton Kreuzer: Die Besiedlung des Raumes von Zlabings und Neubistritz, 1973, S. 27
  10. vgl. Anna Maria Sigmund: Die Tursen von Lichtenfels. Geschichte und Genealogie eines niederösterreichischen Ministerialengeschleches. (Ungedruckte) Dissertation, Wien, 1981, S. 63
  11. vgl. Anton Kreuzer: Die Besiedlung des Raumes von Zlabings und Neubistritz, 1973, S. 29

Anmerkungen

  1. Die Ministerialen, auch als "Dienstadel" bezeichnet, bildeten im Mittelalter innerhalb des "niederen" Adels eine eigene Gruppe. Ursprünglich "Unfreie", waren sie durch ein Dienst- oder Lehnsverhältnis in den "niederen" Adel aufgestiegen, im Unterschied zu den "edelfreien" oder "hochfreien" Adelsfamilien.
  2. Die Stadt Wien war damals die größte Stadt im Herzogtum Österreich und gehörte zu dessen Landständen. Sie war unter der Herrschaft der Babenberger seit Herzog Heinrich (II.) ("Heinrich Jasomirgott") Sitz des Herzogs von Österreich und gehörte zu den wichtigsten Residenzen der Habsburger. Im 15. Jahrhundert behauptete Wien sich als Hauptstadt des Herzogtums Österreich "unter der Enns", aber erst im 17. Jahrhundert wurde es die Hauptstadt des "Habsburgerreiches". Bis Mitte des 19. Jahrhunderts umfasste die Stadt Wien im Wesentlichen jenen Stadtteil, der heute den ersten Bezirk bildet. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden durch Eingemeindung die Wiener Bezirke 2-9. Ende des 19. Jahrhunderts beziehungsweise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden durch Eingemeindung die Bezirke 10-23.