Diskussion:Siegfried Heim
Vorwort zur Familienchronik "Heims Ahnen"
Du sollst Vater und Mutter ehren, auf daß es dir wohl ergehe auf Erden!
Am 16. September 2001 jährt sich der Geburtstag unseres Vaters Anton Heim zum 100. Mal. Ich nehme dieses Datum zum Anlaß, diese Schrift für seine Kinder und Kindeskinder zusammenzustellen. "Ihr ganzes Leben lang arbeiteten unser Vater und unsere Mutter für ihre große Familie. Das war in den schrecklichen Wirrnissen des 20. Jahrhunderts nicht mehr überall selbstverständlich. Für sie beide schon!
Seine Mutter hat unser Papa schon mit 15 Jahren verloren, den Vater mit 25. Beide hätte er noch lange gebraucht. So mußte er sich manche Lebenserfahrungen hart verdienen. Wenn er uns aus seinem Leben erzählte, klang immer die Achtung vor seinen Eltern und die Liebe zu ihnen durch. Seinen Lebenslauf habe ich den Ahnenreihen vorangestellt und mit ein paar Daten unserer Mutter ergänzt. Über ihr Schaffen in der Bütze möchte ich an anderer Stelle berichten.
Unser Vater war sehr an seinen Vorfahren und Verwandten interessiert. Vielerlei vergilbte Dokumente und Andenken bewahrte er in den Schubladen des Schreibtisches und in den Geheimfächern im alten Stubenkasten auf. Mit besonderer Sorgfalt füllte er den Ahnenpaß aus, der allen Staatsangestellten im Jahre 1938 als Arier-Nachweis vorgeschrieben worden war. Für ihn war es ein Anlaß, in alten Kirchenbüchern zu forschen und sich in die Welt der Vorfahren zu versenken.
Nun habe ich Vaters Ahnenpaß als Grundlage genommen und die einzelnen Familien noch etliche Generationen weiter zurück verfolgt. Bei meiner Arbeit im Gemeindearchiv in Wolfurt fand ich Zugang zu den Wolfurter Pfarrbüchern, die ja auch Bildstein und Buch zurück bis 1650 umfassen. Auf viele sehr interessante Vorfahren bin ich dabei gestoßen, deren Schicksale uns alle berühren. Den Beginn der Familien Haltmayer, Bildstein und Fischer fand ich erst nach langen Forschungen in den Archiven von Bregenz, Hard, Dornbirn und sogar in Friedrichshafen. Er wird hier erstmals den Verwandten vorgestellt und kann deren Stammbäume erweitern.
Die Troy-Ahnen unserer Mutter sind bereits durch ihre Base Anna Troy-Hammerer im Großdorf umfassend erforscht und in einem riesigen Stammbaum aufgeschrieben worden. Eine Kopie davon hat sich Mama besorgt. Sie ist jetzt im Besitz unseres Bruders Friedrich. Daraus habe ich einen Auszug im Anhang als Familie 9 aufgeschrieben.
Das älteste Datum in meinen Unterlagen ist die Inskription des jungen Sebastian Fischer 1572 an der Universität Dillingen. Die meisten anderen Familien lassen sich bis zum Beginn der Kirchenbücher erforschen. Für die Heim und die Gmeinder in Hergensweiler und für die Dür und die Gmeiner in Alberschwende habe ich Vaters Erhebungen, die bis 1740 zurückreichen, nicht erweitert. Es sind trotzdem lange Reihen geworden. Beim ersten flüchtigen Überlesen mögen sie langweilig wirken. Erst ein tieferes Betrachten vermag uns das Leben unserer Ahnen vor Augen zu führen. Hungersnöte, Kriege, Krankheiten und Kindersterblichkeit lassen es oft düster erscheinen. Ganz sicher war darin aber auch Raum für Frohsinn und Feste. Ein paar besonders auffallende Ahnen-Schicksale habe ich eigens herausgehoben.
Wenn ich dieses Buch in die Hände der jungen Familien lege, so verbinde ich damit den Wunsch, sie mögen im beginnenden 21. Jahrhundert erfolgreich voranschreiten. Wenn sie dabei manchmal auf ihre Vorfahren zurück schauen, so könnte ihnen das vielleicht helfen, die Richtung zu bestimmen.
- Wolfurt, im März 2001
- Siegfried Heim
Anton Heim
16. September 1901 — 21. März 1979
Unser Vater wurde 1901 in dem alten Bauernhaus Nr. 93 in der Bütze geboren. Hierher holte er 1927 seine Frau Frieda und zog dann mit ihr neun Kinder groß. Im gleichen Haus ging sein Leben 1979 zu Ende. Im gleichen Haus: geboren, gelebt, gearbeitet, gestorben!
Bei seiner Geburt waren seine fünf älteren Geschwister alle schon tot, gestorben im zartesten Alter an Kinderkrankheiten oder einfach an Lebensschwäche. Kein Wunder, daß ihn nun seine Mutter Franziska mit besonderer Liebe pflegte und ihm, oft unter dem Spott der Spielgefährten, bei jedem kühlen Wind sein Männtelchen nachtrug!
Sein Vater Josef war Bauer, Sticker und Musikant. Aufgewachsen in Hanso Hus neben der Kirchenstiege, hatte er das Tapeziererhandwerk erlernt. Er hatte Süd- Deutschland durchwandert und bei den Königsschlössern Ludwigs I. gearbeitet. Daheim in Wolfurt hatte er dann die einzige Tochter des Küfers Haltmayer geheiratet und war zu ihr in die Bütze gezogen. Als Tapezierer fand er in einem Bauerndorf kaum Arbeit. Daher betrieb er jetzt die kleine Landwirtschaft mit zwei oder drei Kühen, pflanzte Bodo-Biora und Türggo im Ried, ermtete im Guot beim Haus und im Oberfeld viel Obst und arbeitete in Feld, Ried und Wald zur Selbstversorgung der Familie. Als in Wolfurt 1907 das Stickereifieber ausbrach, schaffte sich auch Josef Heim eine große Maschine an. Bis tief in die Nacht arbeitete er mit seiner Frau und einigen Nachbars-kindern an der Franken-Mühle. Die einsetzende Krise machte das Unternehmen aber schon im folgenden Jahr zu einem Verlustgeschäft.
Vater Josef nahm ein paar Jahre lang an den Sitzungen des Gemeinde-Ausschusses teil. Seine ganze Freude gehörte aber der Musik. Zwei Jahre lang war er sogar Kapellmeister der Blasmusik, sonst aber ein gesuchter Klarinettist mit dem B- oder dem kleineren Es-Glanet. Ja, er spielte sogar das damals sehr seltene Bickele, die winzige Piccolo-Flöte. Als ihm das fortschreitende Alter die vorderen Zähne ausfallen ließ, soll er mit einem zurechtgeschnitzten Holzspan hinter der Lippe seinem geliebten Instrument neuen Halt gegeben haben. So groß war Josef Heims Interesse an der Musik, daß er gelegentlich Konzerte in St. Gallen besuchte. Zu Fuß natürlich! Der Hinweg schon etwa 40 Kilometer! Und dann nach dem Konzert und einer Jause aus dem Rucksack noch der lange Heimweg durch die dunkle Nacht!
Das war also die Umwelt, in der der kleine Anton als Einzelkind aufwuchs. Drüben auf der anderen Seite der Straße sorgten dagegen bei Zwickles und bei Rists ganze Scharen von Buben für mancherlei Abwechslung. Mit ihnen besuchte er ab 1908 fünf Klassen der Volksschule im Strohdorf.
Ein Pfarrer sollte er werden! Da schickte man ihn also zusammen mit seinen besten Freunden Jakob Rist und Johann Zwickle ins Gymnasium nach Bregenz. Den einstündigen Weg dorthin legten sie immer zu Fuß zurück. Wenn Eis die Ach deckte, kürzten sie den Weg ab, und oft wateten sie durch den Fluß, um den Maut-Heller an der neuen Brücke zu sparen. Manchmal durften die jungen Studenten die fromme Nachbarin Düro Franzele besuchen, besser bekannt als erste Auto-Fahrerin in Vorarlberg und selbstbewußte Weltreisende. Mit Vorliebe ließ sie die Buben in ihrer kostbar bebilderten Bibel blättern, weil sie dadurch auf ihren frommen Wegen gestärkt werden sollten. Schlußendlich ist aber dann nur Jakob Rist ein Geistlicher geworden.
Der erste Weltkrieg brachte viel Kummer ins Dorf. 1916 starb die Mutter, erst 55 Jahre alt. Die alte Tante Karolina übersiedelte aus Hanso Hus in die Bütze und versorgte so nebenbei den Haushalt. Bis zu ihrem 70. Lebensjahr ging sie täglich zur Arbeit in die Spinnerei Schindler in Kennelbach. 56 Jahre lang, anfangs täglich 12 oder 13 Stunden, ohne Urlaub oder freien Samstag, für kargen Lohn!
Im Haus in der Bütze war die Not eingekehrt. Schon 1911 hatten die Geschwister Heim ein schönes Grundstück zum Bau des Vereinshauses im Strohdorf spottbillig an den Katholischen Arbeiterverein verkauft. Jetzt mußte
Frieda Heim, geb Troy
Flucht & Heimkehr
Am Montag, 30. April, marschierten die Franzosen im Leiblachtal ein. Granateinschläge dröhnten, die Bordkanonen der Tiefflieger rasselten. Unsere Nachbarn beluden ein Pferdefuhrwerk mit Habseligkeiten und flohen nach Bildstein. Auf der Unterlindenstraße ging eine große Flak in Stellung. Voll Angst packten wir schnell zwei Koffer und unsere vier kleinsten Geschwister auf einen Handwagen. Auch eine Nachbarin vertraute uns ihre zwei Jüngsten an. Sie selbst wollte beim Haus bleiben. Mein 15-jähriger Bruder und Michel, der alte Knecht, wollten ebenfalls daheim zu Haus und Vieh schauen.
Wir anderen flohen durch den Ippachwald nach Buch. Mit zwei weiteren Familien fanden wir dort freundliche Aufnahme bei Bekannten. Mich schickte man mit dem Fahrrad wieder heim. Am anderen Morgen begann der Angriff auf Bregenz. Riesige Rauchsäulen quollen aus der brennenden Stadt, eine besonders schwarze stieg aus den Lagern der Autowerkstätte Anwander auf. Gefährliche Jagdbomber hämmerten immer wieder auf die Flüchtlinge herab, die gruppenweise über die Achbrücken hasteten. Ich fuhr wieder als Kurier nach Buch und hörte noch, wie am späten Vormittag die Achbrücken und die Kennelbacher Kanalbrücke gesprengt wurden. Mittags wurde Bregenz besetzt, gegen Abend erschienen die Franzosen in Kennelbach. Am 2. Mai schneite es in Buch. Ein Bote berichtete mittags, jetzt sei auch Wolfurt besetzt. Schnell hoben wir wieder Koffer und Kinder auf den Wagen und verabschiedeten uns von den herzensguten Gastgebern.
Eine weiße Windel sollte als Fahne unser Gefährt schützen. Im Ippachwald standen schwer bewaffnete deutsche Soldaten. Scheu und grußlos eilten wir vorbei. Menschenleer das Oberfeld! Aber auf dem Kirchplatz war Betrieb. Französische Soldaten hatten ein deutsches Kettenkrad erbeutet und jagten darauf lauthals jubelnd wie Buben in waghalsigen Kurven umher. Von uns nahm niemand Notiz. Daheim war alles in Ordnung. Weinend vor Freude schloß unsere Nachbarin ihre Kinder in die Arme.
- Heimat Wolfurt Heft 3 Seite 34f