Umetikettierung

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Als Umetikettierung (engl.: Relabelling, auch als Neukennzeichnung oder ähnlich bezeichnet) wird die Änderung der Angaben zu einem Produkt oder einer Praktik oder einem Begriff verstanden, wodurch die bisherige Herkunft oder der Zusammenhang bewusst oder unbewusst, zulässigerweise oder unzulässigerweise verschleiert werden soll oder wird. Dabei kann das vorhandene Etikett entfernt und durch ein anderes ersetzt oder es mit einem anderen überdeckt werden.

Produkte

Bei Produkten erfolgen Umetikettierung aus verschiedenen Gründen (Beispiele):

  • zur Verschleierung der ursprünglichen Herkunft eines Produktes (z. B. Unternehmen Y verkauft das Produkt des Unternehmens X unter eigenem Namen),
  • zur Änderung bzw. Verlängerung des bisherigen Haltbarkeitsdatums,
  • zur Änderung bzw. Verschleierung des Herkunftslandes/Produktionsstandortes,
  • zur Neueinstufung und -kennzeichnung von Stoffen oder Produkten um diese z. B. europaweit zu vereinheitlichen,
  • um Markenrechte weitergelten zu lassen, obwohl diese z. B. innerhalb der EU nach dem ersten Inverkehrbringen eigentlich erschöpft wären,
  • um nationalen Vorgaben bezüglich dem Produkt beizulegenden Informationen zu genügen (z. B. Beschreibung auf Arzneimitteln)[1],
  • um nach einer Produkt- oder Änderung des Firmennamens diese einheitlich zu benennen.

In Österreich können Umetikettierungen strafrechtlich oder verwaltungsstrafrechtlich relevant sein, wenn damit z. B. der Verbraucher getäuscht werden soll[2], wie dies in der Vergangenheit bei Lebensmitteln und anderen Produkten immer wieder vorgekommen ist (siehe z. B. Gammelfleisch oder Fleischskandale in Deutschland, OGH in 11 Os 128/16g (11 Os 129/16d)). Oder wenn Produkte, die eine bestimmte Eigenschaft haben, durch Umetikettierung neue und meist bessere Eigenschaften erhalten sollen (z. B. Photovoltaikmodule erhalten durch Umetikettierung mehr „Leistung“).

Beispiele

Urheberrecht und Markenrechte

Im Bereich des Urheberrechtes und Markenrechtes kommt es durch Umetikettierungen immer wieder zum Versuch z. B. Preisgefälle in den verschiedenen Unionsmitgliedsstaaten zum Nachteil der Konsumenten aufrecht zu erhalten. Grundsätzlich gilt innerhalb der EU, dass ein einmal in Verkehr gebrachtes Produkt im gesamten Binnemarkt frei verkehrsfähig ist und der Urheber oder Markeninhaber nicht berechtigt ist, den Vertrieb einzuschränken. Liegen keine objektiv gerechtfertigten Gründe vor (z. B. nach § 10b Abs. 2 Markenschutzgesetz[3]), so kann der Urheber oder Markeninhaber nicht wegen Umetikettierung oder Umverpackung den Vertrieb seiner Ware im Binnenmarkt einschränken. Dennoch versuchen immer wieder Unternehmen dies zum Nachteil der Konsumenten und die nationalen Gerichte (z. B. in Österreich)[4] als auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mussten sich mit solchen Praktiken auseinandersetzen um zu beurteilen, ob ein objektiv gerechtfertigter Grund für die Umetikettierung bzw. Umverpackung vorliegt.[5]

Hygiene Austria

Im Zusammenhang mit der sogenannten Maskenaffäre bei der Fa. Hygiene Austria wurde festgestellt, dass dieses Unternehmen dutzende Mitarbeiter beschäftigte um während der COVID-19-Krise FFP2-Masken aus China umzuetikettieren, so dass diese nunmehr nach Außen eine Herkunft aus Österreich hatten.[6][7] Diese Aufdeckung der Umetikettierung führte dazu, dass viele Unternehmen, welche zuvor Kunden von Hygiene Austria waren, die Zusammenarbeit daraufhin einstellten und Schadenersatzansprüche prüften.[8]

UMTS-Modems

UMTS-Modems von einigen wenigen Herstellern weltweit werden von Mobilfunkgesellschaften in Österreich unter eigenem Namen verkauft. So zum Beispiel von A1 Telekom Austria, One oder Drei, Für den Konsumenten wird dadurch der Produkt- und Preisvergleich schwierig, weil er nicht mehr direkt nachvollziehen kann, welches Produkt und welche Qualität er zum angebotenen Preis kauft.

Ökostromprodukte

Bei Ökostromprodukten kommt es immer wieder zum Vorwurf an große Kraftwerksbetreiber und Energielieferanten, sie würden elektrische Energie aus konventionellen, nicht nachhaltigen Kraftwerken als Ökostrom verkaufen und dadurch die Konsumenten täuschen. Dies wird ebenfalls als Umetikettierung bezeichnet und kritisiert.[9][10][11][12][13]

Ladendiebstahl

Beim Ladendiebstahl kann es unter Umständen zu einer Umetikettierung von Waren durch potentielle Käufer kommen, wenn eine Person z. B. ein teureres Produkt mit dem Etikett, Preisschild, Strichcode etc. eines günstigeren Produkts überklebt. Dies ist rechtlich gesehen ein Betrug.

Rechnungen

Die Änderung von Rechnungen und die Ausstellung von Scheinrechnungen wird ebenfalls als „Umetikettierung“ bezeichnet.[14]

Begriffe

Auch bei Begriffen kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine „Umetikettierung“ erfolgen (Beispiele).

Atomkraft

Bei Begriffen wird durch die „Umetikettierung“ versucht dem Wort einen neuen oder anderen Bedeutungsinhalt zu geben. So hat z. B. der Begriff Atomkraft eine politisch-ideologisch motivierte Verschiebung zu Kernkraft bzw. Kernenergie erfahren.[15][16]

Grazer Schule

Der Begriff der Grazer Schule wurde seit Ende der 1960er Jahre für eine kleine, programmatisch homogene, an der Grazer Technischen Hochschule angesiedelte Gruppe verwendet und 1981 „umetikettiert“ um sämtliche bemerkenswerte Gebäude, die seit den 1960er Jahren von Grazer Architekten hervorgebracht worden waren, zu erfassen.[17][18]

Entlassung – Freisetzung

Seit einigen Jahrzehnten werden von Unternehmen die Begriffe Kündigung, Entlassung etc. vermieden und es wird von „Freisetzung“, „betriebsbedingten Umstrukturierungen“ etc. gesprochen und geschrieben und in den Medien weitgehend unkritisch übernommen. Es ist dies ein Euphemismus, da die für Arbeitnehmer nachteiligen Auswirkungen, teilweise Existenzbedrohend, durch die Entlassungen verschleiert werden soll. Solche Begriffe wurden bereits zum Unwort des Jahres erklärt, dennoch stoßen sich viele Journalisten nicht daran, die Begriffe zu verwenden.

Einzelnachweise

  1. Siehe z. B. OGH in 4 Ob 172/07h.
  2. Siehe z. B. OGH in 4 Ob 20/90.
  3. Siehe EuGH in: C-253/20; C-254/20.
  4. Siehe z. B.: OGH in 4 Ob 175/23y; 11Os49/23z.
  5. Siehe EuGH z. B.: C-427/93; C-429/93; C-463/93
  6. Verena Kainrath, Jan Michael Marchart, Aloysius Widmann: Hygiene Austria: Wie aus einem Zufallsfund ein Maskenskandal wurde. derstandard.at, 13. März 2021.
  7. Hausdurchsuchung bei Hygiene Austria, Webseite: noe.orf.at vom 2. März 2021.
  8. Hygiene Austria: "Haben chinesischen Lohnfabrikanten mit Maskenproduktion beauftragt, Webseite: nachrichten.at vom 3. März 2021.
  9. Grüne Energie: Ökostrom-Anbieter im Vergleich, Webseite: vki.at vom 27. Oktober 2021.
  10. Stromanbieter-Check, Webseite: global2000.at vom 1. Dezember 2023.
  11. Jens Lubbadeh: Mogelpackung: Stromanbieter verkaufen Atomstrom als Ökostrom, Webseite: spiegel.de vom 5. Jänner 2008.
  12. Wissenswertes über Ökostrom, Webseite: vzsh.de.
  13. Schwindel mit Ökostrom, Webseite: derstandard.at vom 7. Mai 2008.
  14. Siehe: OGH in 1 Ob 200/23b .
  15. Christopher Schrader: Aufschwung der Atome. In: Süddeutsche Zeitung. 4. Juni 2008, S. 18, mit einem Absatz zur Begriffsgeschichte.
  16. Matthias Jung: Öffentlichkeit und Sprachwandel. Zur Geschichte des Diskurses über die Atomenergie. Westdeutscher Verlag, Opladen 1994, ISBN 3-531-12392-0.
  17. Anselm Wagner: Wie die ‚Grazer Schule‘ zweimal erfunden worden ist. In: GATnews, 10. März 2013, abgerufen am 5. April 2023.
  18. Karin Tschavgova: Was bleibt von der Grazer Schule? In: Die Presse. 7. Januar 2011, abgerufen am 5. April 2023.