Fangstange (Blitzschutz)
Die Fangstange[1] (auch veraltet: Blitzfänger) ist Teil des Blitzableitungssystems (Blitzableiter) und dient primär dazu, den Blitz als erster Teil der Blitzschutzanlage sicher in das Erdreich abzuleiten.
Name
Die Fangstange bzw. der Blitzfänger bzw. Blitzschutzfangeinrichtung etc. „fängt“ den Blitz nicht aktiv ein. Es kann je nach Anforderung an das zu schützende Objekt eine Fangstange oder auch ein Fangseil sein. Insoweit kann die Bezeichnung irreführend sein (siehe unten Funktionsweise).
Andere Fangeinrichtungen
Neben den Fangstangen werden in der Praxis (meist als Kombination) maschenartig angeordnete Blitzschutzdrähte zum zusätzlichen Schutz herausragender Teile bzw. großer Dachflächen verwendet. Ebenso können Metalldächer oder Teile davon als Fangeinrichtung verwendet werden. Alle Fangeinrichtungen müssen die zu schützende Struktur/Gebäude überragen. Um die Lage und Ausdehnung der Fangeinrichtung zu berechnen und sicherzustellen werden verschiedene Verfahren angewandt, z. B. das Blitzkugelverfahren oder das Schutzwinkelverfahren oder Maschenverfahren.
Blitzentladung
Ein Blitz setzt bei Einschlag in eine Struktur auf dem Erdboden Energie frei. Diese beträgt etwa 1 bis 10 Milliarden Joule. Diese Energie des Blitzes wirkt sich in Form von Wärme, Licht und Schall aus. Ein üblicher Blitz hat etwa eine Dauer von 0,2 Sekunden und hat dabei in dieser Zeitspanne umgerechnet eine elektrische Leistung von etwa 200.000 bis 2.000.000 kW bei etwa 50.000 bis 150.000 A). Umgerechnet auf eine Stunde leistet somit ein Blitz rund 600 bis 7000 kWh, woraus sich ergibt, dass es aus technischer Sicht auf der Erde nicht rentabel ist, Blitze zu speichern, ganz abgesehen von der Problematik Spannungen im Mega- und Gigavoltbereich in weniger als einer Sekunde zu beherrschen (Beispiel: eine 5 kWp Photovolatikanlage wandelt in Mitteleuropa an einem Sonnentag rund 30 kWh elektrische Energie um).
Diese Energie wird normalerweise auch durch Vorentladungen und oft nur eine Hauptentladung freigesetzt, die jeweils nur einigen zehn Mikrosekunden (typischerweise 30 bis 50 Mikrosekunden) über einen Zeitraum von etwa einer Fünftelsekunde (0,2 Sekunden) freigesetzt werden.
Funktion einer Fangstange bzw. eines Fangseiles
Grundsätzliches
Strukturen bzw. Gebäude sind unterschiedlich dem Risiko von Blitzeinschlägen ausgesetzt. Bauwerke auf einem Berg oder sehr hohe Bauwerke (z. B. ein Hochhaus oder Turm) sind potentiell gefährdeter, als nieder Bauwerke in einem engen Tal oder neben einem hohen Bauwerk. Es gibt Regionen mit hoher Blitzeinschlagshäufigkeit und solche mit geringerer.
Durch Versuche wurde festgestellt, dass Blitzeentladungen („Einschlag“) bevorzugt an
- Spitzen (Hohe Bäume, Schiffsmasten, Türmen etc.) und
- Kanten (z. B. Gebäudekanten von Hochhäusern)
erfolgen. Es kommt an solchen Stellen bevorzugt zu einer teilweisen Ionisierung der umgebenden Luft durch Spitzenentladung (hochspannungsführenden Anlagenteilen haben daher zur Vermeidung dieses Effektes typischerweise rundliche, voluminös wirkende Formen).
Werden solche Strukturen, wie z. B. Fangstangen („Spitzen“) und Fangseile („Kanten“) eingesetzt, so ergibt sich daraus die höherer Wahrscheinlichkeit, dass ein Blitz in diese einschlägt. Von solchen Strukturen gehen Fangentladung (elektrostatische Entladung) aus (siehe vereinfachtes Schema rechts). Eine Fangentladung „streckt“ sich der Vorentladung entgegen (ionisierter Blitzkanal). Es baut sich dazwischen der „Blitzkanal“ auf, durch den später der Hauptblitz strömt. Über bzw. um solche Strukturen bilden sich unter Umständen auch andere Koronaentladungen auf (welche u. a. auch als Elmsfeuer sichtbar sein kann).[2][3][4]
Daher sollte z. B. ein Fangseil vom Durchmesser her möglichst dünn sein („scharfe Kante“), um eine Erhöhung der Randfeldstärke zu erreichen. Ob Fangspitzen wiederum möglichst spitz sein sollen, ist umstritten.
Die Energie des Blitzes wird sodann über die Fangstange, die an der Konstruktion/Gebäude seitlich befindlichen Blitzableiter und den ausreichend dimensionieren Erder (z. B. Fundamenterder oder Tiefenerder) in den Erdboden abgeleitet.
Material
In der Praxis bestehen Fangeinrichtungen wie Fangstangen oder Fangseile aus witterungsbeständigem, elektrisch gut leitfähigem und blitzstromtragfähigem Material. Es werden Metalle wie Aluminiumlegierung (AlMgSi), Niro (V2A), verzinkter Stahl oder Kupfer verwendet. Der Leitungsquerschnitt beträgt in der Regel 50 mm² Stahl oder 8 mm in Aluminium. Ein getrennt verlegter Potentialausgleich sollte mindestens in 16 mm² Kupfer ausgeführt sein. Das Material muss gewährleisten, dass die Energie des Blitzes sicher abgeleitet wird und nicht zum Schmelzen der Fangeinrichtungen oder der Blitzableiter führt und den dabei entstehenden mechanischen Kräfte stangehalten wird (Lorentzkraft). Auch soll es zu keinen mechanischen Verformungen kommen.[5]
Um einen möglichst geringen elektrischen Widerstand aller Fangeinrichtungen und der Ableiter und verbundenen Konstruktionsteile (z. B. auch einer Photovoltaikanlage) und einen Faradayscher Käfig zu erreichen, werden diese so oft wie möglich untereinander verbunden (Parallelschaltung).
Zeitweise wurden radioaktive Blitzfangeinrichtung eingesetzt, bei denen jedoch nie nachgewiesen werden konnte, dass diese tatsächlich durch die radioaktive Substanz die Luft um den metallischen Leiter stärker ionisiert. Wegen der mit der Radioaktivität verbundenen Gefahren werden diese in Europa nicht mehr verwendet und, soweit vorhanden, demontiert und durch herkömmliche Blitzfangeinrichtungen ersetzt.[6]
Blitzrakete
Mit einer Blitzrakete, einer Rakete, die einen dünnen Kupferdraht nach sich zieht, wurden Experimente durchgeführt, um zu erreichen, dass ein Hauptblitz möglichst kontrolliert über diesen Kupferdraht abgeleitet wird. Das System funktioniert, ist aber in der Praxis für die breite Anwendung und zur Erfassung mehrerer hintereinander abgehender Blitze nicht geeignet.[7]
Schutzwirkung
Fangstangen bzw. Fangseile bieten keinen hundertprozentigen Schutz. Auch wenn ein Großteil der Blitzenergie abgeleitet werden kann, kann ein kleiner Nebenblitz (Verästelung) Schäden verursachen.
Die Fangstange bzw. das Fangseil ist Teil des äußeren Blitzschutzes. Um zu verhindern, dass über Kabel oder andere Konstruktionsteile die Blitzenergie in das Gebäudeinnere übertragen wird, bzw. wenn dies geschieht, keine Schäden entstehen, ist der innere Blitzschutz so auszugestalten, dass diese Energie ebenfalls in die Erde abgeleitet wird. Dafür werden in der Regel spezielle Überspannungsableiter verwendet, abgeschirmte Kabel und Näherungen von im Gebäudeinneren verlegten Kabeln zu den äußeren Blitzschutzableitern und Fangeinrichtungen vermieden.
Nachteile von Fangstangen
Fangstangen oder Ähnliches können zu Schattenwurf und somit zu Ertragsminderung der Photovoltaikanlage führen. Dies erschwert die Planung bzw. Ausführung eines äußeren Blitzschutzkonzeptes.
Normen
In Österreich ist für den Blitzschutz vor allem folgende Norm relevant:
- ÖVE/ÖNORM EN 62305 (Blitzschutz)
Daneben gibt es sehr viele Normen bzw. Teile von Normen, die sich mit dem Blitzschutz für spezielle Anlagen (z. B. Windräder, Eisenbahnen, Seilbahnen, Gasanlagen, Schornsteine, Aufzüge, Photovoltaik- oder Solaranlagen etc.) befassen.
Weblinks
Blitz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons
Einzelnachweise
- ↑ engl.:: lightning rod; franz.: Pararrayos.
- ↑ Blitzfragen und Blitzschutz Webseite: leifiphysik.de.
- ↑ VDE Blitzschutz + Blitzforschung - Entstehung von Gewittern und Blitzentladungen, Webseite: vde.com.
- ↑ C. B. Moore, William Rison, James Mathis, Graydon Aulich: Lightning Rod Improvement Studies, Webseite: lightning.org, abgerufen am 20. Juli 2024.
- ↑ Blitzschutzanlagen, Webseite: sbz-online.de, abgerufen am 20. Juli 2024.
- ↑ Hansruedi Völkle: Radium-haltige Blitzableiter in der West-Schweiz, Bundesamt für Gesundheit, Bern und Physikdepartment der Universität Freiburg, 2008.
- ↑ July 25, 2002, triggered lightning video, Webseite: skydiary.com, abgerufen am 20. Juli 2024.