Evi Fersterer
Evi Fersterer (* 31. Dezember 1948 in Leogang als Eva Gassner) ist eine österreichische Malerin, Dichterin und Hotelierin. Sie gilt als Begründerin der Kunstrichtung „Mystischer Realismus”[1] und wurde durch ihre „Klotzbilder” international bekannt.
Kindheit und Jugend
Evi Fersterer wurde 1948 als Tochter von Georg und Franziska Stöckl, geb. Gassner, in Leogang geboren. Bis zu ihrem 5. Lebensjahr wuchs sie bei ihren Großeltern in Gries im Pinzgau auf. Bis heute gilt diese Zeit als sehr prägend für die spätere Künstlerin. Nach der Heirat der Eltern zog sie 1954 zum „Kirchenwirt” nach Leogang um. Sie besuchte bis 1959 die ortsansässige Volksschule und wechselte danach in die Hauptschule Saalfelden. Dort fielen ihre Zeichnungen erstmals ihrem Lehrer Schwarzenauer auf, worauf dieser ihr Ölfarben schenkte und die Eltern auf ihr Talent aufmerksam machte. Von 1963 bis 1966 besuchte Evi die Gastgewerbefachschule in Salzburg, danach absolvierte sie ein Arbeitspraktikum in England und arbeitete zu Hause im „Kirchenwirt“ mit.
Umzug nach Saalbach und Anfänge in der Malerei
1968 heiratete sie Sepp Fersterer, einen Hotelier und Erfinder, und zog zu ihm nach Saalbach um. Kurz danach kam ihre erste Tochter, Eva-Franziska zur Welt, zwei Jahre später ihre zweite Tochter Silvia-Helga. In den darauffolgenden Jahren half Evi ihrem Mann Sepp beim geschäftlichen Aufbau der Betriebe: 1973 wurde das Hotel Hinterhag, 1976 die Hinterhagalm fertiggestellt. Während des Baus sah Evi in dem herumliegenden Altholz ihre Klotzmenschen. Diese wurden später zu einer eigenen Kunstrichtung. Sepp, welcher sie stets mit seiner liebenden Strenge prägte, legte ihr die „Klötze” sozusagen in den Weg.
Im Sommer 1979 nahm Fersterer an der Sommerakademie in Salzburg bei Claus Pack, Professor an der Akademie für Bildende Kunst, teil. Sie wurde von Pack entscheidend gefördert und wurde in ihrer Berufung zur Malerei gestärkt. Kurz darauf baute ihr Mann für sie ein Atelier in Saalbach. Sepp trug dazu einen alten Getreidekasten (17. Jh.) vom Stöcklweg/Pillersee ab und baute ihn in Saalbach wieder auf. Jahrelang malte sie im Verborgenen. In den darauffolgenden Sommern konzentrierte sich die frischgebackene Wirtin zunehmend der Malerei und nahm an der Ferienakademie in Bruneck/Italien, erneut bei Claus Pack, teil. Darüber hinaus bekam sie in der Galerie im Arzthaus in Maishofen ihre erste kleine Ausstellung.
1984 wurde Evi Fersterer von Direktor Peter Greenham als bisher einzige Österreicherin in die Meisterklasse der Royal Academy of Arts in London aufgenommen. Zudem wurde Sir Anthony Eyton ihr Freund und Mentor. Im selben Jahr erschien der erste Kunstkalender der Künstlerin. 1985 wurde ihr Sohn Josef „Seppi” geboren. Im Jahr 1987 realisierte Evi mit Sepps Hilfe ihre Idee eines „Spiegelbaumes” am Rathausplatz in Wien. Mit dem ersten Geld aus der Kunst erwarb sie im selben Jahr in Panzano/Italien einen 1.000 Jahre alten Turm und eine Burg, das Castello di Panzano, als zweites Atelier, welches ihr Mann Sepp in den darauffolgenden Sommern in mühevoller Arbeit renovierte. 1991 wurde das Hotel im Sommer erstmals zugesperrt und die ganze Familie zog nach Panzano. Die Töchter Evi und Sylvia studierten Kunst im nahe gelegenen Florenz. Sepp wird dort zum Weinbauer und Evi malt.
Ausstellung in New York, ORF-Porträt und weitere Ausstellungen
Im Jahr 1988 eroberten Evis „Klötze” die neue Welt: in der renommierten Galerie „ART 54” in New York wurden ihre Werke im Rahmen einer Einzelausstellung gezeigt. Der ORF widmete ihr zu diesem Anlass ein Porträt, welches von Emmy-Preisträger Günther Degn produziert wurde. 1990 folgte eine Einzelausstellung in der Galerie Würthle in Wien. Zudem erschien ihr zweiter Kunstkatalog mit ihren „Klotzbildern”. 1991 realisierte Fersterer zusammen mit Arik Brauer und Anthony Eyton eine Gemeinschaftsausstellung in der Galerie Saalbach. Im Rahmen der Kinderkulturtage in Leogang 1992 entsteht ihr erstes Kinderbuchprojekt. Im selben Jahr gab Evi Fersterer mit einer Ausstellung auf der „ART HAMBURG” ihr Deutschland-Debüt und in der Galerie Saalbach stellt sie unter anderem mit Manfred Bockelmann aus.
Im Oktober 1993 kehrte Evi Fersterer zu ihren Wurzeln zurück. Durch Initiative des Rotary Clubs Saalfelden und der Gemeinde Leogang wurde eine Werkschau mit über 150 Bildern in ihrem Elternhaus „Kirchenwirt/Samerstall” in Leogang gezeigt. Zudem folgten ihr vierter Kunstkatalog und eine Einzelausstellung in der Galerie Schillerplatz in Wien. In Zusammenwirken mit Don Adolfo Asnaghi und Professor Ludolf Müller wurde im selben Jahr der Gedichtband von Vladimir Solovév mit Bildern von Evi Fersterer veröffentlicht.
Seit 1994 werden in einer Dauerausstellung im Heimathaus Saalbach Werke der Künstlerin gezeigt. Bei der Einrichtung stand ihr Freund und Förderer General Siegfried Weitlaner zur Seite. Von 1994 bis 1996 malte Fersterer mit den Schülern der Volksschule Saalbach die Ölbilder "Frühling", "Sommer", "Herbst" und "Winter" unter der Leitung von Direktor Fritz Rauscher. Im Rahmen der Oktobervernissage 1995 stellte Evi Fersterer im Schloss Mittersill aus. Im selben Jahr gründete Tochter Eva den „ART PRINT VERLAG” und veröffentlichte den fünften Kunstkatalog ihrer Mutter. Zur Erstellung ihrer Winterbilder realisierte Evi ihr Freiluftatelier "Koffer am Berg" 2 x 2 m. Ebenfalls 1995 gestaltete Evi Fersterer zusammen mit den Schülern der Volksschule Saalbach das Plakat für den "Weltcup-Corner" der Pinzgauer Post.
Aufregung um Kunstaktion „Nerzmantel”
Im Winter 1995 sorgt Evi Fersterer im traditionsgebundenen Saalbach mit ihrer Aktion „Abrechnung mit meinem früheren Denken” für Aufregung: sie durchbohrte ihren alten Nerzmantel mit Messern und stellte ihn vor der Galerie Saalbach aus. Unzählige Urlauber sowie Hoteliers im Nerz gingen daran vorbei. Im Ort reagierte man auf diese „Provokation“ mit Drohbriefen, verbalen Drohungen, schiefen Blicken und Ausgrenzung. In der Galerie Saalbach wurden sogar ein Ölbild und ein Wittmann-Sessel aufgeschlitzt. Die Kompromisslosigkeit ihres künstlerischen und sozialen Engagements trugen Evi Fersterer fortan die Bezeichnung "Saalbachs geliebt-gehasste Tochter" ein.
Anfänge in der Bildhauerei und Kinderbuchprojekt
1996 begann Evi Fersterer in ihrem Turmatelier in Panzano mit der Bildhauerei und schlug einen Kopf in Marmor „Seppi“. Ihr zweites bildhauerisches Werk wurde eine Steinmadonna. Im Oktober desselben Jahres wurden ihre Werke im Universitäts-Kulturzentrum Klagenfurt im Rahmen der „Aktion Nerzmantel” ausgestellt. Auch in den darauffolgenden Jahren fanden Ausstellungen an verschiedenen Orten im In- und Ausland statt, darunter Wien, Hamburg und Zürich.
Zwischen 1996 und 1997 malte Evi mit den Kindern der Volksschule Saalbach Bilder zum Buch „Die gelbe Lokomotive” des russischen Schriftstellers Dimitrij de Spiller. Zudem folgte eine weitere Ausstellung zusammen mit Anthony Eyton in der Galerie Saalbach und eine Einzelausstellung in der Galerie Augustin in Innsbruck.
Einzelausstellung in St. Petersburg und internationaler Durchbruch
Im Rahmen der 3. Internationalen Biennale „DIALOGUES 97” nahm Fersterer 1997 an einer Ausstellung in der zentralen Ausstellungshalle „MANEGE” teil. Der Organisator der „Dialogues”, L. A. Skobkina, war dabei von den in einem Katalog Fersterers abgebildeten Arbeiten derart begeistert, dass er ihr, im Vergleich zu den übrigen Künstlern, die dreifache Ausstellungsfläche zugestand.
Mit der darauffolgenden Einzelausstellung 1998 im Russischen Museum Schloss Mikhailovsky in Sankt Petersburg gelang Fersterer endgültig der internationale Durchbruch. Tausende Besucher waren von der Ausstellung begeistert und auch in den Medien fand sich breite Zustimmung für das Werk der Künstlerin. 1999 wurde sie mit dem Diplom „Member of the Russian Museum” ausgezeichnet.
Gründung Hilfswerk „SALVE”
Ebenfalls 1998 erwarb die mittlerweile anerkannte Künstlerin zusammen mit ihrem Mann Sepp die Burg Falkenstein in Obervellach/Kärnten und gründete das Hilfswerk "SALVE". Dabei sollte die Falkensteinbrücke, welche die Burg überragt, eine Brücke zwischen Ost und West versinnbildlichen. In ihrem ersten handgeschriebenen SALVE-Brief bat sie um ein liebevoll gepacktes Paket für russische Kinder, Mütter oder Väter. Die Hilfsaktion hatte ein enormes Echo zur Folge: Tausende Menschen beteiligten sich an der Hilfsaktion und mithilfe der Salzburger Nachrichten, der Spedition Verena Schick und der AUA wurden über 2.000 Pakete gesammelt und nach Russland gebracht. Seither verließen jedes Jahr tausende Pakete Saalbach in Richtung Sankt Petersburg. Auch hunderte Hörgeräte konnten Dank Barbara Stöckl österreichweit eingesammelt und in eine Schule für taubstumme Kinder gebracht werden.
Weitere Ausstellungen und Vorstellung „Mystischer Realismus”
Nach der Gründung des Hilfswerks wurde zusammen mit Anatoly Vasilyew eine Ausstellung in der Galerie Saalbach gezeigt und Evi Fersterer stellte für die Dialysestation im Krankenhaus Zell am See Bilder zur Verfügung. Im Mai 1998 hielt die Künstlerin am Salzburger Landesinsitut für Hörgeschädigte einen Mal-Workshop.
Im Jahr 2000 wurden im Zuge des 175. Jubiläums der renommierten Galerie Wimmer in München Werke von Evi Fersterer in einer Einzelausstellung gezeigt. Zudem stellte Galeristin Christine Rettinger erstmals die von Fersterer begründete Kunstrichtung „Mystischer Realismus” vor. Der Autor Dr. Stefan Loos beschreibt Evis Kunstrichtung:
„Mystisch in der Quelle, realistisch im Ziel – mit dem behutsamen Aufspüren tiefer innerer Regungen und deren ungestümer Verkörperung begründet Evi Fersterer die Kunstrichtung des Mystischen Realismus”
Dazu erschien ihr sechster Kunstkatalog.
2002 folgte eine weitere Einzelausstellung in der Galerie Augustin in Wien.
Rückzug von der Öffentlichkeit
Im Jahr 2003 erschütterte ein schwerer Schicksalsschlag die Künstlerin: Ihr geliebter Mann Sepp starb plötzlich und unerwartet an einer Leukämie-Erkrankung. Fersterer sagte alle weiteren Ausstellungen ab, darunter eine Personalretrospektive in Kyoto, Japan, und zog sich in ihr Atelier in Saalbach zurück. 2005 ließ Evi Fersterer zur Erinnerung an ihren verstorbenen Mann über ihrem Bauernhaus in Saalbach eine Holzkapelle am Berg errichten.
Rückkehr mit neuer Ausstellung und Film „Atem der Klötze”
Erst drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes wagte sich Fersterer erstmals wieder zu einer Ausstellung – zu einer großen Personalretrospektive im „Samerstall/Kirchenwirt” - im Bergbaumuseum und im „KubinKabinett” in Leogang. Im selben Jahr folgte eine Ausstellung im „Helga-Treichl-Hospiz” in Salzburg. Außerdem stellte der Schriftsteller Werner Müller sie erstmals als Autorin vor.
2007 ließ Professor Staudach Bilder der Künstlerin in seine Geburtenstation im Landeskrankenhaus in Salzburg hängen. Im Jahr 2009 wurde Evi Fersterers Leben im Film „Der Atem der Klötze” von Mucky Degn zusammengefasst. Im selben Jahr erwarb sie von Peter Alexanders Sohn einen Turm in „Klotzform” in Teneriffa als Atelier.
2010 folgte eine erneute Zusammenarbeit mit der Galerie Augustin in Wien: Ihre Werke wurden in der Ausstellung „Von Innen Sehen” im Palais Palffy gezeigt. Kurz darauf erschien Evis 2. Lyrikband „Wenn das Herz spricht” zu Gunsten ihres Hilfswerks SALVE. Im Jahr 2014 wurde ihr Buch „Evi Fersterer – Gemälde“ mit Texten von Loys Egg im Ritter Verlag veröffentlicht. Im Rahmen der Festspiele 2015 wurde eine Einzelausstellung in der Galerie Gerlich in Salzburg eingerichtet.
Im Sommer 2018 eröffnete Evi Fersterer zusammen mit ihrem Enkel Marcus ihr eigenes Atelier am Ursulinenplatz 6 in Salzburg.
Einzelnachweise
- ↑ Thaler, Walter: Die Seele als Bild. Evi Fersterer - Mystischer Realismus 1979 - 2006. ART PRINT Verlag, Saalbach 2006, ISBN 3200006218, S. 5-23 (https://www.worldcat.org/title/evi-fersterer-die-seele-als-bild-bilder-aus-den-jahren-1979-bis-2006-die-monographie-erscheint-anlasslich-der-retrospektive-evi-fersterer-in-leogang-samerstall-des-kirchenwirts-bergbaumuseum-kubinkabinett-236-1102006/166033402).