Sterbeverfügung

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Eine Sterbeverfügung ist ein nach dem Sterbeverfügungsgesetz (StVfG)[1] erichteter Nachweis, eines dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschlusses zur Selbsttötung (§ 1 Abs. 1 und § 3 Zif. 1 StVfG).

Geschichtlicher Hintergrund

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat am 11. Dezember 2020 die Entscheidung gefällt, dass „Mitwirkung am Selbstmord“ in Form der Hilfeleistung zur Selbsttötung (§ 78 Strafgesetzbuch) verfassungswidrig und mit Ende 2021 aufzuheben ist. [2][3] Um keinen rechtsfreien Raum entstehen zu lassen, wurde zum 1. Jänner 2022 das Sterbeverfügungsgesetz in Kraft gesetzt, wodurch nun ein gesicherter Rahmen für die Leistung und Inanspruchnahme von Assistenz beim Suizid vorhanden ist.[4]

Zum Dezember 2022 sollen in Österreich 111 Sterbeverfügungen errichtet worden sein. 90 Präparate wurden ausgegeben und weniger als 10 sollen zur Selbsttötung verwendet worden sein.[5]

2023 sollen sich laut der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG) 21 Menschen in Österreich durch assistierten Suizid das Leben genommen haben (2/3 Frauen, 1/3 Männer).[6]

Rechtswirksamkeit

Eine Sterbeverfügung kann nur nach österreichischem Recht errichtet werden (§ 1 Abs. 3 StVfG). Die Sterbeverfügung gilt nur innerhalb des Hoheitsgebiets der Republik Österreich. Der Errichter der Sterbeverfügung muss entweder österreichischer Staatsbürger sein oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben (§ 1 Abs. 2 StVfG).

Freiwilligkeit

Der Entschluss der sterbewilligen Person, ihr Leben zu beenden, muss frei und selbstbestimmt, insbesondere frei von Irrtum, List, Täuschung, physischem oder psychischem Zwang und Beeinflussung durch Dritte gefasst werden (§ 6 Abs. 2 StVfG). Die Entscheidungsfähigkeit muss zweifelsfrei gegeben sein (§ 6 Abs. 1 StVfG). Dies muss ärztlich bestätigt werden (§ 8 Abs. 3 Zif. 2 StVfG).

Niemand ist verpflichtet einer sterbewilligen Person Hilfe beim Sterben zu leisten. Falls eine solche Leistung vertraglich vereinbart wurde, kann diese nicht eingeklagt werden (§ 2 Abs. 1 StVfG).

Dies bedeutet, eine Apotheke ist nicht verpflichtet Präparate[7] abzugeben, die eine sterbewilligen Person benutzen will, um zu sterben. Niemand ist verpflichtet, an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitzuwirken (auch kein Notar und kein Arzt – § 2 Abs. 1 und Abs. 2 StVfG).

Umgekehrt bedeutet es aber auch, dass z. B. kein Arzt, kein Notar, kein Apotheker, keine sonstige Person deswegen benachteiligt werden darf, weil sie an einer Sterbeverfügung mitwirkt (§ 2 Abs. 2 StVfG).

Errichtung einer Sterbeverfügung

Sterbewillige Person

Eine Sterbeverfügung kann nur von Personen errichtet werden (§ 6 Abs 3 StVfG):

  • die an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit (§ 120 Z 1 ASVG) oder
  • an einer schweren, dauerhaften Krankheit (§ 120 Z 1 ASVG) mit anhaltenden Symptomen leiden,

deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen, wobei die Krankheit einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringt.

Die Sterbeverfügung kann wirksam frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung (§ 7 StVfG) errichtet werden. Ausnahme: hat ein Arzt bestätigt, dass die sterbewillige Person an einer unheilbaren, zum Tod führenden Erkrankung leidet und in die terminale Phase (§ 3 Zif. 8 StVfG)[8] eingetreten ist, so ist eine Errichtung bereits nach zwei Wochen zulässig.

= Aufklärung

Medizinische Aufklärung

Der Errichtung einer Sterbeverfügung hat eine Aufklärung durch zwei ärztliche Personen voranzugehen, von denen eine eine palliativmedizinische Qualifikation aufzuweisen hat, und die unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen im Sinne des § 6 Abs. 2 (StVfG) freien und selbstbestimmten Entschluss geäußert hat (§ 7 Abs 1 StVfG).

Rechtliche Aufklärung

Bevor die Sterbeverfügung schriftlich vor einer dokumentierenden Person (§ 3 Zif. 6 StVfG) errichtet wird, muss die Dokumentation über die ärztliche Aufklärung (§ 7 Abs. 3 StVfG) vorliegen und muss der Sterbewillige über die rechtliche Aspekte hingewiesen werden sowie über die Möglichkeit der Errichtung einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht, die Errichtung einer letztwilligen Verfügung, die strafrechtlichen Grenzen der Hilfeleistung und weitere Rechtsfolgen (§ 8 Abs. 2 StVfG).

Dokumentierende Person

Die Person, vor welcher eine Sterbeverfügung höchstpersönlich schriftlich errichtet werden muss (§ 8 StVfG), wird im StVfG als „dokumentierende Person“ bezeichnet (§ 3 Zif. 6 und § 4 StVfG). Es kann dies ein Notar oder ein rechtskundiger Mitarbeiter der Patientenvertretungen (§ 11e des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes) sein. Diese Person ist auch für die Aufbewahrung der Sterbeverfügung die verantwortliche Person (§ 3 Zif. 7 StVfG).

Das Original der Sterbeverfügung erhält die sterbewillige Person, eine Kopie hat die dokumentierende Person aufzubewahren und zudem muss im elektronischen Sterbeverfügungsregister eine Eintragung hierzu erfolgen (§ 9 StVfG).

Aufhebung einer Sterbeverfügung

Eine Sterbeverfügung kann unwirksam sein oder aufgehoben werden.

Sie ist unwirksam, wenn diese nicht nach den Vorgaben im StVfG errichtet wurde oder, wenn diese strafrechtlich nicht zulässig ist (§ 10 Abs. 1 StVfG).

Eine Sterbeverfügung wird unwirksam, wenn die sterbewillige Person diese widerruft oder zu erkennen gibt, dass diese nicht mehr wirksam sein soll (§ 10 Abs. 2 StVfG).

Eine Sterbeverfügung wird auch nach Ablauf eines Jahres nach ihrer Errichtung unwirksam (§ 10 Abs. 2 StVfG).

Hilfeleistung

Hilfeleistung (Sterbehilfe) für eine sterbewillige Person beim Beenden des Lebens ist nicht gegeben, wenn z. B. ein Arzt ärztliche Aufklärung vornimmt oder wenn z. B. ein Notar an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitwirkt (§ 3 Zif. 4 StVfG).

Eine einer sterbewilligen Person helfende Person muss volljährig und entscheidungsfähig sein (§ 3 Zif. 3 StVfG) und darf nicht der aufklärende Arzt und/oder der dokumentierende Notar oder Mitarbeiter der Patientenvertretung sein (§ 6 Abs. 4 StVfG).

Es ist nach § 12 Abs 1 StVfG verboten, mit der Hilfeleistung zu werben. Das Werbeverbot umfasst Werbung, die eigene oder fremde Hilfeleistung oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt oder anpreist. Zulässig ist jedoch, eine sterbewillige Person auf die Möglichkeit der Errichtung und Dokumentation einer Sterbeverfügung hinzuweisen, auf die Möglichkeit der Aufklärung sowie Abgabe des Präparates (§ 12 Abs. 2 StVfG).

Es ist jedenfalls verboten, sterbewilligen Personen eine Hilfeleistung anzubieten oder diese durchzuführen, wenn man sich oder einem Dritten dafür wirtschaftliche Vorteile versprechen lässt oder annimmt, die über den Ersatz des nachgewiesenen Aufwands hinausgehen (§ 12 Abs. 3 StVfG).

Literatur

Einzelnachweise

  1. BGBl. I Nr. 242/2021, am 1. Jänner 2022 in Kraft getreten.
  2. Es ist verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten, Webseite: vfgh.gv.at vom 11. Dezember 2020.
  3. G 139/2019, Webseite: vfgh.gv.at vom 11. Dezember 2020.
  4. Sterbeverfügung, Webseite: aektirol.at, abgerufen am 11. Juli 2024.
  5. Sterbehilfe: Bisher 111 Sterbeverfügungen errichtet, Webseite: orf.at vom 30. Dezember 2022.
  6. Gerald John: Ein Jahr Sterbeverfügung: Was Menschen zum assistierten Suizid veranlasste, Webseite: derstandard.at vom 25. Jänner 2023.
  7. Díes ist eine für die sterbewillige Person tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital oder ein anderes, durch Verordnung gemäß § 11 Abs. 6 StVfG festgelegtes Mittel, das in entsprechender Dosis das Leben beendet (§ 3 Zif. 9 und § 11 StVfG.
  8. Die „terminale Phase“ liegt vor, wenn die Krankheit ein Stadium erreicht hat, in dem sie nach medizinischem Ermessen voraussichtlich innerhalb von sechs Monaten zum Tod führen wird.