Stadtrichter war ein Verwaltungsamt, das seit dem Mittelalter bis Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem Areal der heutigen Republik Österreich belegt ist. Der Stadtrichter wirkte in der Stadt, für welche er zuständig war, als Vertreter der Landesherrschaft, von dem er stets ernannt wurde. Ursprünglich übte er alle Rechte aus, die diesem zukamen.

Das Amt des Stadtrichters

Stadtrichter wurden stets von der Landesherrschaft, also gewöhnlich vom Landesfürsten oder Landesherrn, ernannt. Sie vertraten diesen in allen Rechten, die ihm in seiner Funktion als Herrscher einer Stadt zukamen. Die Machtposition des Stadtrichters wurde im Hoch- und Spätmittelalter in vielen Städten durch die Entstehung von Bürgergemeinden allmählich eingeschränkt. Leitete der Stadtrichter zunächst noch die Sitzungen des von der Bürgergemeinde als ihre Vertretung gewählten Stadtrates, so wurde diesem allmählich das Mitspracherecht bei der Bestellung des Stadtrichters eingeräumt. Durch die Schaffung des Bürgermeisteramtes und dessen Aufstieg zum obersten städtischen Funktionär durch den Vorsitz im Stadtrat und als Wortführer der Bürgergemeinde, verlor der Stadtrichter endgültig seine politische Machtposition, wenn er auch gewöhnlich Mitglied des Stadtrates blieb. Das Amt wurde entweder aufgegeben oder auf seine richterlichen Funktionen beschränkt.[1]

Die Stadtrichter von Wien

In Wien[A 1] gab es seit dem Ende des 12. Jahrhunderts einen Stadtrichter. Die dortige Bürgergemeinde wurde seit ca. 1221 von einem gewählten Rat vertreten, dessen Sitzungen der Stadtrichter zunächst leitete. Bereits 1237 und neuerlich 1278 wurde dem Wiener Stadtrat ein Mitspracherecht bei der Bestellung des Stadtrichters eingeräumt. Der Wiener Bürgermeister, dessen Amt seit 1282 belegt ist, wurde Vorsitzender des Rats und Wortführer der Bürgergemeinde. Als oberster städtischer Funktionär der Stadt Wien, löste er in dieser Funktion den Wiener Stadtrichter ab. Dieser war seit 1296 zwar Mitglied des Stadtrates, übte zu diesem Zeitpunkt in Wien jedoch nur mehr richterliche Funktionen aus. Innerhalb des Wiener Burgfrieds, dessen Grenzen durch das "Burgfriedensprivileg" unter Kaiser Leopold I. 1698 endgültig festgelegt wurden, übte der Stadtrichter die "niedere Gerichtsbarkeit" in allen Zivilsachen und in minderen Strafsachen aus. Die "hohe Gerichtsbarkeit" für alle Delikte, die mit Tod oder Verstümmelung bestraft wurden ("Land- oder Blutgerichtsbarkeit"), welche der Verleihung des "Blutbannes" durch den Landesfürsten bedurfte, übte er nicht nur im Burgfrieden der Stadt Wien aus, sondern auch in der Stadt damals benachbarten Dörfern Altmannsdorf, Atzgersdorf, Breitensee, Dornbach, Erlaa, Gumpendorf, Hernals, Hetzendorf, Inzersdorf, Liesing, Matzleinsdorf, Meidling, Oberdöbling, Ottakring, Pötzleinsdorf, Siebenhirten, Vösendorf und Währing.[A 2]. In der Stadt Wien gab es außerdem bestimmte Berufs- und Standesgruppen, die nicht oder nur mit Einschränkungen der Gerichtsbarkeit des Stadtrichters unterstellt waren. Dazu gehörten der landesfürstliche Hofstaat, der Adel, die Geistlichkeit, die Universität, das dem Landesfürsten unterstehende Militär, die jüdische Bevölkerung, die Hausgenossen, die Spielleute und die Bewohner der Grundherrschaft des Schottenstifts. [1] Besonders der niederen Gerichtsbarkeit gab es immer wieder Kompetenzkonflikte zwischen den Stadtrat und dem Stadtrichter, weswegen 1566 die "Schrannenordnung" und 1653 eine "Taxordnung" erlassen wurde. Diese "Taxordnung" wurde 1761 erneuert.[2]

Der Amtssitz des Wiener Stadt- und Landgerichts war die "Schranne", welche ursprünglich der Stadt gehörte, aber 1629 in den des (Erzherzogs von Österreich unter der Enns" überging. Seine Urteile des Stadtrichters mussten in Hochgerichtsfällen bereits im Mittelalter vor Vollstreckung dem Wiener Rat zur Bestätigung vorgelegt werden.[2] Die Prozessführung und Urteilsfindung des Wiener Stadtrichters erfolgten unter Mitwirkung von Beisitzern, die der Stadtrichter bis 1522 von Fall zu Fall aus dem Kreis des "Genanntenkollegiums" auswählen durfte. 1522 wurde dieses "Genanntenkollegium" durch den damaligen Landesfürsten aufgelöst, und dieser ernannte zwölf Bürger zu Stadtgerichtsbeisitzern. Weitere Änderungen brachte die Stadtordnung des Jahres 1526, nach welcher von den Mitgliedern der neuen 100-köpfigen Stadtregierung zwölf den inneren und 76 den äußeren Rat bilden sollten. Die restlichen zwölf Mitglieder fungierten nun als Stadtgerichtsbeisitzer, wobei jährlich der innere Rat durch den äußeren Rat und der äußere Rat und die Beisitzer durch den inneren Rat gewählt wurde. Die Beisitzer benötigten allerdings zusätzlich die Zustimmung des Landesfürsten oder seiner Landesregierung. Während der Bürgermeister jetzt von den 100 Mitgliedern aus ihrem Kreis oder aus der übrigen Bürgerschaft gewählt wurde, wurde der Stadtrichter auch weiterhin vom Landesfürsten oder von dessen Landesregierung ernannt, ohne dass es dafür besondere Einschränkungen gab. Erst 1554 wurde festgelegt, dass der Stadtrichter von Wien auch ein Bürger der Stadt Wien sein müsse. 1561 wurde festgelegt, dass der Stadtrichter wie auch der Bürgermeister nicht länger als zwei Jahre im Amt bleiben sollten und erst nach einer zweijährigen Unterbrechung ihre Wiederwahl zulässig war.[1]

1753 verzichtete der Wiener Rat auf sein Recht, dass der Stadtrichter ihm in Hochgerichtsfällen seine Urteile vorzulegen hatte, und dieser verlor dabei allerdings in seiner Funktion als Ratsmitglied das Stimmrecht bei Ratsentscheidungen in Wirtschafts- und Verwaltungsangelegenheiten.Das Amt des Stadtrichters wurde durch die Magistratsreform von Kaiser Joseph II. (1. November 1783) abgeschafft. In dieser wurde die Verwaltung und Gerichtsbarkeit neu geregelt und die bisherige Institutionen für diese (der innerer Rat, der Stadtrichter und die Stadtgerichtsbeisitzer) durch ein als "Magistrat" bezeichnetes besoldetes Beamtenkollektiv ersetzt sowie drei Senate für die Erfüllung der politisch-wirtschaftlich und zivil- und strafgerichtlichen Aufgaben geschaffen.[2]

Liste der Stadtrichter von Wien

Namentlich bekannt sind die folgenden Stadtrichter der Stadt Wien:

Das Amt des Stadtrichters von Wien ist erstmals für 1192 belegt. Seit 1206 sind einige dieser Stadtrichter namentlich bekannt, doch erst die Stadtrichter zwischen 1396 gelten als vollständig erfasst.[3]

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Stadtrichter. In: Historisches Lexikon Wien. Band 5, Kremayr & Scheriau, Wien 1997, ISBN 3-218-00547-7, S. 302. digital
  2. 2,0 2,1 2,2 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Stadtrichter. In: Historisches Lexikon Wien. Band 5, Kremayr & Scheriau, Wien 1997, ISBN 3-218-00547-7, S. 303. digital
  3. vgl. Stadtrichter im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien, abgerufen am 28. November 2018

Anmerkungen

  1. Wien war im Mittelalter eine Stadt im Österreich, die unter den Babenbergern seit Herzog Heinrich (II.) von Österreich ("Heinrich Jasomirgott") gewöhnlich der Sitz des Herzogs von Österreich. war. Unter Herzog Friedrich (II.) von Österreich ("Friedrich dem Streitbaren") versuchte sich die Stadt einige Jahre vergeblich als "Reichsstadt" gegen ihn zu behaupten. Während des Interregnums beanspruchte sie diesen Status ebenfalls, der ihr erst unter Herzog Albrecht (I.) von Österreich (Haus Österreich (Habsburg) endgültig aberkannt wurde. Wien gehörte daraufhin zu den Residenzen der Habsburger, war unter der Herrschaft von einigen Habsburgern der Hauptsitz ihrer Herrschaftsgebiete, und wurde im 17. Jahrhundert die Hauptstadt des "Habsburger-Reiches", nachdem sie sich im 15. Jahrhundert als Hauptstadt des Herzogtums Österreich "unter der Enns" behauptet hatte. Sie gehörte seit dem Spätmittelalter außerdem zu den wichigsten Landständen des Herzogtums Österreich.
  2. Die übrigen Dörfer, die später in das Wiener Stadtgebiet einbezogen wurden, gehörten zu den Hochgerichtssprengeln von Klosterneuburg, Sankt Veit, Schwechat, Stadlau und zum "Waldamt für den Wienerwald."