Gerhard von Siebenbürgen (Gerhardus, Magister Gerhard) (* um 1210/1215, in Siebenbürgen; † Juli 1271, in Wien) war von 1252 bis zu seinem Tod der "Pfarrer von Wien"[A 1].

Leben

Gerhard von Siebenbürgen dürfte auf der Flucht vor den Tataren um 1240 / 1241 über das ungarische Königreich Ungarn ins damalige Herzogtum Österreich gelangt sein. Herzog Friedrich (II.) "der Streitbare" von Österreich verlieh ihm die Pfarre Gars. Später war Gerhard Probst in Wieselburg und Archidiakon von Raab.[1] Nach dem Tod von Herzog Friedrich II. war er ein Vertrauensmann des böhmischen Königs Przemysl Ottokars II., der sich bei den Auseinandersetzungen um die Nachfolge Friedrichs zunächst behaupten konnte.[2] 1252 folgte er nach der Absetzung von Magister Leopold diesem als "Pfarrer von Wien" nach[1].

Von 1258 bis ca. 1269 war Gerhard in Auseinandersetzungen mit dem Schottenstift in Wien um dessen Pfarr-Rechte verwickelt[3]. Von 1259 bis 1267 führte er außerdem Visitationen in vielen Klöstern und Pfarren durch. Vom 10. bis 12. Mai 1267 wurde die Salzburger Diözesansynode unter Kardinal-Presbytter Guido von San Lorenzo in Lutschina als päpstlicher Legat in Wien abgehalten, was eine große Ehre für ihn bedeutete.[2]

Stiftungen

Unter ihm wurde der Wiener Pfarrhof (heute: das Erzbischöfliches Palais) neu erbauen, und er stiftete in diesem eine Kapelle. Weitere Stiftungen (Urkunde vom 25. November 1267) von ihm waren das Prämonstratenserkloster zur Himmelpforte, das aus einem einen Frauenkonvent der "Inclusae" entstand (einer angeblichen Stiftung der verwitweten böhmischen Königin Konstanze, der Tochter des ungarischen Königs Belas III.)[4] [5] und das Siechenhaus St. Hiob (besser bekannt als das "Klagbaum-Spital")[A 2] (Einweihung im Mai 1267 durch Bischof Peter von Passau in Gegenwart von Guido von San Lorenzo)[6] sowie das Vikariat in Penzing, aus dem später die Pfarre zum Hl. Jakob entstand, eine der Wiener Urpfarren. Er gründete eine Bruderschaft der Seelsorge-Geistlichkeit der Pfarre St. Stephan (mit einem "Cur-Meister" und acht Geistlichen[A 3] und richtete außerdem Seelsorge im Siechenhaus St. Lazarus (später "St. Marx") ein.

Gedenkstätten

  • 1866 wurde in Wien die Gerhardusgasse benannt.[7] Sie gehörte ursprünglich zum 2. Wiener Gemeindebezirk, seit einer Änderung der Bezirksgrenzen aus dem Jahr 1900 findet sie sich im 20. Wiener Gemeindebezirk.
  • 1945 wurde im Stephansdom ein romanischer Grabstein gefunden, der sich auf ihn bezieht.[2]

Gerhard in Legende und Sage

Die "Sage von der Linde bei St. Stephan" um einen Pfarrer mit Namen Eberhard wird in einigen Versionen auch über ihn erzählt.[8]

Literatur

  • Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung - Herkunft - Frühere Bezeichnungen. 4. bearbeitete, aktualisierte und erweiterte Auflage. Pichler Verlag, Wien, 2001, ISBN 3-85431-230-X, S. 83
  • Felix Czeike (Hrsg.): Gerhard von Siebenbürgen. In: Historisches Lexikon Wien. Band 2, Kremayr & Scheriau, Wien 1993, ISBN 3-218-00544-2, S. 505.
  • Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien. Zeitgenossen berichten, Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1995, ISBN 978-3-205-98372-9, S. 32 und 37f.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien, 1995, S. 32
  2. 2,0 2,1 2,2 vgl. Czeike, Wien Lexikon, Bd. 2, S. 505
  3. https://schotten.hypotheses.org/971#more-971, eingesehen am 22. Juni 2017
  4. vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Himmelpfortkloster. In: Historisches Lexikon Wien. Band 3, Kremayr & Scheriau, Wien 1994, ISBN 3-218-00545-0, S. 191f..
  5. vgl. Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien, 1995, S. 38, geht allerdings davon aus, dass es sich bei der Institution ursprünglich um Beginen gehandelt hat
  6. Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien, 1995, S. 37f.
  7. Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen, 2001, S. 83
  8. http://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/wien/stephanskirche/linde.html

Anmerkungen

  1. Die Bezeichnung "Pfarrer von Wien" ist etwas merkwürdig, da es in Wien zu dieser Zeit mehrere Pfarren gab. In den historischen Arbeiten wird gewöhnlich davon ausgegangen, dass damit der Pfarrer der späteren Dom- und Metropolitanpfarre St. Stefan gemeint ist.
  2. Ob er tatsächlich auch Arzt war, als solcher wird er zum Beispiel bei Peter Autengruber: Lexikon der Wiener Straßennamen, 2001, S. 83, bezeichnet, ist nicht sicher. Vermutlich dürfte hier eine Verwechslung mit Magister Gerhard, dem Leibarzt vom Herzog Leopold VI. dem Glorreichen von Österreich vorliegen, der als einer der Gründer des Heiliggeistspital in Wien gilt, vgl. Johannes Sachslehner: Wien. Eine Geschichte der Stadt. Wien / Graz / Klagenfurt: Pichler Verlag 2016, ISBN 978-3854317418, keine Seitenangaben / im Abschnitt Interregnum (eingesehen auf Google Books)
  3. Diese wurden als die Achter bezeichnet, ihre Anzahl entsprach jener der damaligen Vikariate der Stephanspfarre)