Armutsmigration

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Armutsmigration ist ein jahrtausendealtes Phänomen und bezeichnet die temporäre oder dauerhafte Migration von Menschen aus wirtschaftlichen Gründen aus unterentwickelten Regionen in wirtschaftlich besser gestellte Regionen.[1]

Armutsmigration findet innerstaatlich und zwischen Nationalstaaten statt. Armutsmigranten werden auch als Notreisende bezeichnet, da sie aufgrund ihrer Situation oft gezwungen sind prekäre Kurzzeitarbeitsstellen (z. B. als Tagelöhner) anzunehmen und der Arbeit hinterher zu reisen (z. B. als Erntehelfer).

Kurzer geschichtlicher Überblick

Armutsmigration findet seit Jahrtausenden statt. Über viele Jahrhunderte bis nach dem Zweiten Weltkrieg bestand z. B. Armutsmigration und die Flucht vor politischer Verfolgung aus Österreich-Ungarn / Österreich und Deutschland an erster Stelle als Gründe für die Auswanderung nach Amerika, vor allem in die USA.

Als im Januar 2015 die volle Freizügigkeit auch für Unionsbürger aus Bulgarien und Rumänien[2] in Kraft trat, wurde neben Arbeitnehmerbewegungen in wirtschaftlich besser gestellte Regionen in „gewollten“ Berufen (z. B. Pflegekräfte), auch Armutsmigration ausgelöst, die vor allem durch das vermehrte Auftreten von bettelnden Personen öffentlich sichtbar wurde. Verbunden mit einer damals wirtschaftlich schwierigen Situation, bei der nieder qualifizierte Kräfte am Arbeitsmarkt nur wenig nachgefragt waren, konzentrierten sich Armutsmigranten vor allem in größeren Städten und den reicheren Regionen.[3]

Im Zeitraum von 2015 bis 2018 wurde daher die Armutsmigration von Unionsbürgern aus Bulgarien und Rumänien als großes Problem in Österreich wahrgenommen. Parallel dazu haben weit über einer Million Flüchtlingen, Migranten und anderen Schutzsuchenden nach Europa eine belastende Situation für Staat und Gesellschaft geschaffen (siehe europaweiten Flüchtlingskrise). Durch die Missachtung des Unionsrechts von einige Unionsmitgliedstaaten, z. B. aus dem Schengener Abkommen oder dem Dubliner Übereinkommen und die Verweigerung einer gerechten Verteilung der Flüchtlinge, wurde und wird die Integrationskraft der EU und die innereuropäische Solidarität weit mehr in Frage gestellt, als durch die Migration selbst. Ebenso wurde durch die Versuche zur Gewinnung von „politischem Kleingeld“ durch Politiker durch die Trennung der Menschen in „wir“ und „die“ der innerstaatliche Solidaritätsgedanke vermindert, eine Neiddebatte angestoßen, Ausländerfeindlichkeit und Hass gegen Minderheiten geschürt und wird langfristig eine Spaltung der gesamten Gesellschaft verursacht.[4]

Abwärtsspirale bei Armutsmigrant

Armutsmigranten können z.B. Arbeitsmigranten, Flüchtlinge bzw. Asylbewerber, Nachzügler im Rahmen von Familienzusammenführungen und andere sein. Armutsmigranten sind in der Regel nicht immer in der Lage durch ein regelmäßiges Einkommen ihren Lebensunterhalt sofort im Aufnahmestaat zu decken. Werden sie von den Kommunen, den Bundesländern oder dem Staat nicht unterstützt, kommt zur Arbeitslosigkeit auch oft Obdachlosigkeit dazu. In vielen Fällen haben Armutsmigranten auch keinen Anspruch auf Sozialleistungen und keinen freien Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Dadurch verschärft sich die Situation der Armutsmigranten immer weiter und sie werden auch im öffentlichen Raum daher immer auffällig wahrgenommen, da sie ja keine Wohnung haben, und kommen oftmals in Kontakt mit der Polizei alleine deswegen, weil sie sich andauernd im öffentlichen Raum bewegen und/oder dort auch übernachten müssen. In einigen Fällen führt diese Abwärtsspirale sodann auch zur Kleinkriminalität (z. B. Diebstählen).

Gründe für die Armutsmigration

Armutsmigration hat mehrere Ursachen, die nicht nur in der wirtschaftlichen Ungleichheit von Regionen liegt. Vielfach liegen mehrere Gründe parallel vor. Armutsmigration kann zum Beispiel

  • aus rein wirtschaftlichen Gründen,
  • wegen vorsätzlicher bzw. gewollter Schlechterstellung oder Verfolgung von Minderheiten in der Herkunftsregion,
  • wegen demographischer Entwicklungen im Zielland, weil dort weniger Menschen geboren werden, als Arbeitskräfte gebraucht werden,
  • wegen innerer Unruhen im Herkunftsland oder
  • wegen Klimakatastrophen

erfolgen. Armutsmigranten sind aus allen Gesellschaftsschichten anzutreffen. Besonders in der Ausgangs- und Zielgesellschaft wahrgenommen werden Menschen, die wenig oder gar keine Schulbildung haben. Diese gehören auch oft auch einer ethnischen Minderheit an, die aufgrund gesellschaftlicher Rahmenbedingungen oder wegen ihrer Erscheinung auch teilweise starken Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt ist. Durch die geringe Aufnahmebereitschaft im Ausgangsland als auch Zielland für Geringqualifizierte besteht auch wenig Fürsprache und damit auch nur langsam eine nachhaltige Verbesserung ihrer Situation.[5][6] Bei wirtschaftlichen Krisen sind diese Minderheiten auch oftmals die ersten, welche den Arbeitsplatz verlieren.

Abwehrhaltungen

Während hochqualifizierter Arbeitsmigranten, die durchaus auch Armutsmigranten sein können, in einer Aufnahmegesellschaft meist ohne weitere Probleme kurzfristig aufgenommen werden und auch schnell Unterstützung erhalten, stoßen geringqualifizierte Arbeitsmigranten oft auf langanhaltende Ablehnung.

Dies führt vor allem dann zu weit verbreiteter Ablehnung, wenn Armutsmigranten sich in einem bestimmten Gebiet konzentrieren. Die Abwehreaktion ist dabei oft bei den bereits ansässigen Menschen zu beobachten, die selbst von Armut betroffen sind oder am sozialen Rand der Gesellschaft leben (z. B. Arbeitslose oder Geringverdiener). Doch auch in den gesellschaftlich besser gestellten Schichten können Angst, Unwissenheit und politisch bewusst geschürte Ressentiments zu Abwehrhaltungen führen. Von einigen Politikern vor allem aus dem bürgerlichen und rechten Spektrum wird die Armutsmigration als Anlass genommen, um sich selbst zu profilieren und auch um eine Angstdebatte anzustoßen, insbesondere bzgl. dem angeblichen Missbrauch von Sozialleistungen durch Armutsmigranten.[7][8]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Armut, Webseite: armutsmigration.org.
  2. Rumänien und Bulgarien sind bereits zum 1. Januar 2007 der EU beigetreten. Es wurde jedoch eine siebenjährige Übergangsfrist für die Geltung einiger EU-Grundfreiheiten in vielen Unionsmitgliedstaaten eingeführt, die erst am 31.12.2016 endete.
  3. Daniel Bax: Von wegen Armutsmigration, Webseite: taz.de vom 28. Dezember 2013.
  4. Verantwortungsvoll handeln 2, Webseite: armutsmigration.org.
  5. Steffen Lüdke, Guido Grigat: Forscher über Einwanderungspolitik. „Armutsmigration nach Europa ist ein Mythos“. In: Spiegel.de. 6. Juli 2019, abgerufen am 9. September 2020.
  6. Steffen Lüdke, Guido Grigat: Forscher über Einwanderungspolitik „Armutsmigration nach Europa ist ein Mythos“. In: Interview mit Reiner Klingholz. Spiegel Online. 6. Juli 2019, abgerufen am 6. Juli 2019.
  7. Siehe auch Jannis Brühl und Kathrin Haimerl: Mythos Armutsmigration, vom 3. Januar 2014.
  8. CSU will härteren Kurs gegen Armutsmigranten. Handelsblatt. 28. Dezember 2013. Abgerufen am 13. Februar 2015.