Die Freien von Raxendorf ist eine Geschichte aus der Wachau, über die unter verschiedenen Namen als Sage (Die Sage von Afterbach, Die Rechte der Raxendorfer, Der Herzog im Mistwagen) seit dem 19. Jahrhundert überliefert ist. Sie wird im Zusammenhang mit einer Privilegien-Bestätigung aus dem 15. Jahrhundert gesehen, welche in der Wissenschaft als merkwürdig gilt, aber historisch belegt ist.

Das Wappen der Gemeinde Raxendorf

Handlung

Hauptschauplatz der Sage von den "Freien von Raxendorf" ist Afterbach (heute Teil der Gemeinde Raxendorf). Es geht um einem Fürsten, der von seinen Feinden verfolgt wird. Er flüchtete über den Jauerling ins nördliche Tal von Raxendorf, wo ihm im "Wagnerschen Haus" in Afterbach Bauersleute zunächst in einem Futtertrog im Stall vor seinen Verfolgern verstecken. Nachdem diese den Hof wieder verlassen haben, bringen die Bauersleute den Fürsten in ein sicheres Versteck, eine Höhle im "Rotensteinwald". Dies gelingt trotz der Anwesenheit der Verfolger, indem sich der Fürst unter dem Mist verbirgt, den die Bauersleute von ihrem Hof wegbringen. Die Bauersleute und ihre Nachbarschaft versorgen den Fürsten in der Folgezeit in der Höhle mit Nahrung, bis er seine Flucht fortsetzt oder den Kampf gegen seine Feinde wieder aufnimmt.[1] In Details variiert die Sage. So ist der Fürst in einer Version ein König und in weiteren Versionen ein Herzog[2]. In einer Version hat zuvor eine Schlacht stattgefunden, in welcher er und seine Gefolgsleute geschlagen wurden. In dieser Version der Sage gewinnt der Fürst nach Abzug der Feinde seine Herrschaft zurück und erhebt Raxendorf zum Markt beziehungsweise verleiht ihm mehrere Rechte.[3]

Historischer Hintergrund

Am 25. August 1459 ließ Kaiser Friedrich III. in Krems eine Urkunde ausstellen, in welcher er die Sonderstellung des Ortes Raxendorf und dessen damalige Privilegien bestätigte. Diese Privilegien bezogen sich nicht nur auf Raxendorf, sondern auch auf 10 weitere Orte in dessen Umgebung, die in der Urkunde als "Freigrafschaft Weitenegg" zusammengefasst wurden.[4] Die tatsächliche Herkunft dieser Privilegien und die Fragen, warum sie erteilt wurden und wer sie erteilt hat, ist bisher nicht eindeutig geklärt.[5] Nach der Bestätigungsurkunde, die Kaiser Friedrich III. ausstellen ließ, betrafen diese Privilegien ursprünglich ca. "Freie".[6] Die sogenannten "Raxendorfer Privilegien" beziehungsweise deren Bestätigung durch Kaiser Friedrich III. wurden von den meisten Landesfürsten bis ins 18. Jahrhundert ebenfalls bestätigt.[7]

Eine Originalurkunde, welche die Herkunft dieser Rechte und von wem sie ursprünglich verliehen worden waren, erklären könnte, ist bisher nicht entdeckt worden.[8] Noch bei der Bestätigung im Jahr 1660 durch Kaiser Leopold I. soll sie diesem vorgelegt worden sein.[9] Nach der Erstellung und Bestätigung durch den Kaiser war sie von einem Richter ins Herrschaftshaus in Emmersdorf gebracht worden, wo sie später bei einem Brand verloren ging. Zwei Abschriften, die sich heute im Archiv von Persenbeug und im Stiftsarchiv von Melk wurden von Hans Lempeck, dem Pfleger in Weitenegg, beglaubigt.[10]

Bei den Rechten der "Freien von Raxendorf" handelte sich nicht nur um die Ausübung einer eigenen Gerichtsbarkeit oder die Befreiung von jeder Zoll- und Mautgebühr, sondern auch um Rechte, die für die Geschichtsforschung sonderbar wirken wie, dass zum Beispiel, wenn ein Raxendorfer bei Hof erscheint, die Pferde des Herzogs aus dem Stall geführt werden müssen, damit die Pferde der Raxendorfer hineingestellt werden konnten und Ähnliches.[8] In einer Urkunde aus dem Jahr 1284 wird das Bestehen eines "Freiengerichtes" anlässlich eines Rechtstreites von Otto von Maissau, damals Landrichter des Herzogtums Österreich, und vom Burggraf von Weitenegg bestätigt.[10]

Was den tatsächlichen Hintergrund der sogenannten "Raxendorfer Privilegien" betrifft, dürften diese entweder von den "Freien" selbst geschaffen worden sein, um ihr Zusammenleben zu organisieren oder auf eine ältere Grundherrschaft zurückgehen, nach deren Beendigung die Privilegien ihre Gültigkeit behalten hatten.[11] Inge Resch-Rauter hat die Theorie aufgestellt, dass die Vorfahren der "Freien von Raxendorf" ursprünglich Untertanen des Rugierkönigs waren und ihre Rechte aus der Zeit seiner Herrschaft stammen.[12] Ein entscheidendes Argument für ihre Theorie ist, dass Pöggstall (erstmas 1134 genannt), der spätere Hauptort in jenem Gebiet, wo die sogenannten "Freien von Raxendorf" ansässig waren, weder in der Urkunde aus dem Jahr 1284 noch in der Bestätigung von Kaiser Friedrich III. vorkommt. Daraus schließt sie, dass die Rechte der "Freien" erstmals erteilt wurden, als Pöggstall noch nicht existiert hat.[13]

Verbreitung

  • Der Fürsten, Herzog oder König, der in der Sage, welche in der Wachau spielt, von Bauersleuten versteckt und in Sicherheit gebracht wird, hat dort keinen Namen. Später wurde die Sage auf Herzog Friedrich (II.) "dem Streitbaren", der als der "letzte Babenberger" gilt, übertragen.[14] Inwieweit hier die Sagenbildung um die Kuenringer eine Rolle gespielt haben könnte, wäre noch wissenschaftlich zu untersuchen, da die Sagen- und Legendenbildung um Friedrich "den Streitbaren" gewöhnlich auf einen anderen Teil des heutigen Niederösterreichs und die Stadt Wien beschränkt ist. Außerdem dürfte die Sage von den Freien von Raxendorf auch das Vorbild für weitere Sage sein, die in Südtirol spielt und in welcher ein anderer Herzog Friedrich ("Friedl mit der leeren Tasche") vom Ahnherren der Grafen Hendl, der hier noch ein Müller beziehungsweise Bauer ist, ebenfalls mit Hilfe eines Misttransportes in Sicherheit gebracht wird.[15] Hier könnte Friedrich "der Streitbare" das Bindeglied sein.[A 1]
  • Inzwischen wurde die Sage auch vom Tourismus entdeckt. Die Gemeinde Raxendorf bietet dazu eine Themenwanderung an.[16]

Literatur

  • Inge Resch-Rauter: Die Wiege der Bayern. Wachau und Waldviertel. Teletool Edition, Wien, 4., wesentlich erweiterte Ausgabe 2016. ISBN 3-9500-1672-4
  • Inge Resch-Rauter: Ranna. Geschichte in Geschichten. Eigenverlag, Mühldorf, o. J. S. 68-70
  • Gerhard Floßmann: Die Freien von Raxendorf - Ein Kuriosum der mittelalterlichen Rechtsgeschichte. In: Peter Aichinger-Rosenberger - Andreas Zajic (Hrsg.): Menschen und Denkmale. Schloss Pöggstall. Adelige Residenz zwischen Region und Kaiserhof (= Katalog des Landesmuseums. Neue Folge. Nr. 537). Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra, 2017. ISBN 978-3-99028-710-1. S. 235-239

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Inge Resch-Rauter: Die Wiege der Bayern. Wachau und Waldviertel. Teletool Edition, Wien, 4., wesentlich erweiterte Ausgabe 2016. ISBN 3-9500-1672-4. S. 53f.
  2. Zum Beispiel in der Version von Hans Plöckinger aus dem Jahr 1926, wo der Fürst ein österreichischer Herzog ist, der seinen Sitz in Wien hat. Vgl. Die Rettung des Herzogs.htm Die Rettung des Herzogs , Sagen.AT, abgerufen am 9. Jänner 2021
  3. vgl. Inge Resch-Rauter: Die Wiege der Bayern. Wachau und Waldviertel, 2016, S. 54
  4. vgl. Inge Resch-Rauter: Ranna, S. 69
  5. vgl. Inge Resch-Rauter: Ranna. Geschichte in Geschichten. Eigenverlag, Mühldorf, o. J. S. 70
  6. vgl. Inge Resch-Rauter: Die Wiege der Bayern. Wachau und Waldviertel, 2016, S. 56f.
  7. vgl. Gerhard Floßmann: Die Freien von Raxendorf, 2017, S. 238
  8. 8,0 8,1 vgl. Die Rechte der Raxendorfer, Sagen.AT, abgerufen am 8. Jänner 2021
  9. vgl. Gerhard Floßmann: Die Freien von Raxendorf, 2017, S. 239
  10. 10,0 10,1 vgl. Inge Resch-Rauter: Die Wiege der Bayern. Wachau und Waldviertel, 2016, S. 55
  11. vgl. Inge Resch-Rauter: Die Wiege der Bayern. Wachau und Waldviertel, 2016, S. 60
  12. vgl. Inge Resch-Rauter: Die Wiege der Bayern. Wachau und Waldviertel, 2016, S. 62
  13. vgl. Inge Resch-Rauter: Die Wiege der Bayern. Wachau und Waldviertel, 2016, S. 59
  14. vgl. Gerhard Floßmann: Die Freien von Raxendorf, 2017, S. 235
  15. vgl. Herzog Friedrich auf der Flucht, Sagen.AT, abgerufen am 8. Jänner 2021
  16. vgl. Kaiserhoehlenweg, Waldviertel.AT, abgerufen am 8. Jänner 2021

Anmerkungen

  1. In diesem Zusammenhang ist recht interessant, dass der Sohn und Neffe der letzten Rugierkönige beziehungsweise der letzte Rugierkönig ein gewisser Frederich war. Vgl. Inge Resch-Rauter: Die Wiege der Bayern. Wachau und Waldviertel, 2016, S. 142