Tamás Erdődy
Tamás Graf Erdődy (* 1. Juli 1887 in Rotenturm an der Pinka; † 20. April 1931 in Güns, heute Ungarn) war ein kaiserlicher Geheimkurier, Bürgermeister von Rotenturm und Ordonanzoffizier beim 5. Armeekommando.
Leben
Tamás Erdödy war der Sohn von Gyula Graf Erdödy von Monyókerek und Monoszló aus der Rotenturmer Linie der Erdödy. Seine Mutter war Emilie, geborene Gräfin Szechenyi, eine Nichte Gyulas). Gyula Erdödy war Großgrundbesitzer und durch sein Erbe Mitglied im ungarischen Reichstag. Tamás wurde gemeinsam mit Erzherzog Karl (dem späteren Kaiser) großgezogen. Er war Privatschüler und legte seine Prüfungen am königlichen Obergymnasium in Steinamanger (Szombathely) ab. Später besuchte er das Gymnasium in Raab. Tamás Onkel, Nikolaus Szenchenyi, war von 1901 bis 1911 Bischof von Raab.
Sein Leben widmete Tamás zunächst dem Feuerwehrwesen. So wurde er im Jahr 1908 Kommandant der Feuerwehr Rotenturm. Auch sein Vater zählte schon zu den Gründern und Kommandanten dieser Wehr.[1]. Zeitweise war er auch Bürgermeister von Rotenturm. 1908 wurde er Leutnant der Reserve beim k.u.k. Husarenregiment Nr. 9 in Ödenburg, 1914 war er Ordonanzoffizier beim 5. Armeekommando. Von Oktober 1915 bis September 1916 diente er an der Front in Galizien, danach in den Dolomiten. Als er 1915 verwundet wurde, wurde er zur Feldgendamerie versetzt. Da sein Vater schwer erkrankte, wurden er und sein Bruder Lajos von der Front beurlaubt. Erzherzog Karl, welcher mit Tamás aufgewachsen ist, besuche die Familie Erdödy gerne zu Jagdausflügen.
Werdegang
Am 2. Februar 1917 wurde Tamás an den Hof des Kaisers nach Wien berufen, in das Armeeoberkommando überstellt und der Militärkanzlei des Kaisers zugeteilt. Am 8. Februar 1917 beauftragten ihn Kaiser Karl und Kaiserin Zita mit der Kontaktaufnahme mit den Brüdern der Kaiserin, Sixtus und Xavier. Mit diesem Ereignis wurde Tamás zu einer Schlüsselfigur in der berüchtigten Sixtus-Affäre. Mit falschem Pass, offiziell als diplomatischer Kurier, reiste er zur Gesandtschaft nach Bern. Als er in Neuchatel ankam, traf er sich geheim mit den beiden Bourbonen, welche in der belgischen Armee tätig waren, und überbrachte ihnen Briefe des Kaisers mit Friedensvorschlägen. Im Februar 1917 reiste er erneut in die Schweiz, wo er die Bourbonenprinzen zu persönlichen Gesprächen mit dem Kaiserpaar nach Laxenburg brachte. Am 24. März 1917 wurde der "Erste Kaiserbrief" an Sixtus übergeben, in welchem ihm die Unterstützung für Frankfreich in seinen Ansprüchen an Elsaß-Lothringen zugesichert wurden. Danach kam Sixtus wieder nach Wien. Am 7. Mai wurde der "Zweite Kaiserbrief" übergeben. Der deutsche Kanzler Bethmann-Hollweg wurde von Karl über die Sonderfriedensbemühungen informiert. Im Frühjahr 1918 gelangte die "Sixtus-Affäre" an die Öffentlichkeit, wobei der Kontakt von Czernin geleugnet wurde. Nach diesem Ereignis wurde der "Erste Kaiserbrief" von den Franzosen veröffentlicht. Der Ruf und das Ansehen des Kaisers wurden dadurch stark beschädigt. Für seine Bemühungen wurde Tamás Erdödy zum Rittmeister befördert. Auch nach der Abdankung Karls blieb er in Eckartsau an seiner Seite.
Erdődys Rolle beim ersten Restaurationsversuch Karls
Hauptartikel dazu: Aufenthalt von Kaiser Karl in Westungarn im März 1921
Am 25. März 1921, dem Karfreitag, stand der aus der Schweiz mit dem Pass seines portugiesischen Gärtners Roderigo Sanques angereiste Kaiser Karl I. auf einmal vor der Tür von Tamás Erdődys Wiener Wohnung in der Landskrongasse 5. Am nächsten Tag gelang es Erdődy aufgrund seiner guten Beziehungen im ungarischen Generalkonsulat ein Einreisevisum für Ungarn für den vermeintlichen Portugiesen zu erhalten. Um die Mittagszeit fuhren Karl und Erdődy mit einem Taxi zur Burg Seebenstein, wo bereits der ehemalige Leibchaffeur von Karl, Josef Schlederer, wartete. Über Mönichkirchen ging es nach Sinnersdorf, wo die beiden nach Ungarn einreisen konnten. Karl wurde dabei zwar von einem der diensttuenden Gendarmeriebeamten erkannt, weil er diesem während des Krieges die Goldene Tapferkeitsmedaille persönlich verliehen hatte. Der Gendarmeriebeamte vertraute sich aber nur Tamás Erdődy, der den Beamten aufgrund der Nähe zu seinem Heimatort Rotenturm an der Pinka bekannt war, an und verriet nicht die wahre Identität Karls.[2]
Auch in der heute zum Burgenland gehörenden Stadt Pinkafeld, dem damaligen Pinkafö, erkannte der Wirt Julius Lehner, bei dem sie einkehrten und ein Mittagessen zu sich nahmen, den Kaiser. Aber auch dieser vertraute sich nur Tamás Erdődys an und wurde von diesem daraufhin aufgefordert die wahre Identität von Karl für sich zu behalten. Da sie das Auto wieder nach Sinnersdorf zurückschicken mussten, weil sie dafür keine Einreisegenehmigung hatten, ging es nun mit einer von Lehner bereitgestellten Kutsche in Richtung Steinamanger weiter. Unterwegs legten sie in Großpetersdorf beim Kaufmann Herrmann Schey eine Pause ein und nahmen eine Jause zu sich. Eine Bedienstete von Schey, die während des Krieges in Baden im Hauptquartier als Köchin gearbeitet hatte, erkannte den Kaiser sofort. Dieses Mal gelang es den beiden Reisenden aber nicht mehr die Identität des Kaisers geheimzuhalten, denn binnen kurzer Zeit war die gesamte Ortschaft auf den Beinen. Die rasch angetretene Feuerwehr stand Spalier als Karl und Erdődy unter 'Eljen'-Rufen der Bevölkerung eine Kutsche Scheys bestiegen, die sie dann bis zum Abend dieses Ostersamstages in die Residenz des Steinamangener Bischofs Johann Mikes brachte.[3]
Erdődys Rolle bei der Entstehung des Burgenlands
Eine kleinere, königstreue Einheit, die als einziger der genannten Verbände viele Freiwillige aus Westungarn in ihren Reihen hatte, versammelte sich unter Graf Tamás Erdödy im Raum Güns-Steinamanger und nahm später im Raum Oberwart aktiv an Kampfhandlungen teil. Diese königstreuen Formationen wurden jedoch von den gegen Habsburg eingestellten Freischärlern um Prónay und Héjjas bald als gefährliche Rivalen angesehen.
Nachwirkung
1931 erschienen die Memoiren von Tamás Erdődy mit dem Titel Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten im Amalthea-Verlag in Wien. Die beiden Autoren Paul Szemere und Erich Czech hatten dabei auf Basis der Tagebücher von Erdődy sein Wirken zwischen 1916 und 1921 nachgezeichnet.
Die Tagebücher gelangten nach dem Tod Erdődys in Privatbesitz und gerieten in Vergessenheit, bis schließlich der Journalist Georg Markus in der Tageszeitung Kurier im Jahre 2017 über das Auftauchen der Tagebücher berichtete. Dem Österreichischen Staatsarchiv gelang es daraufhin sie käuflich zu erwerben und für die Öffentlichkeit zu sichern.[4]
Die Tagebücher bildeten in weiterer Folge auch die Basis für die Universum History Folge „Der Verrat des Kaisers“, die am 5. Februar 2021 in ORF2 ausgestrahlt wurde. Fritz Kalteis führte bei dieser Doku, die an Originalschauplätzen wie dem Schloss Eckartsau, dem Kaiserhaus in Baden und der Villa Wartholz in Reichenau an der Rax spielte, Regie. Diese Universum History Folge entstand als Eigenproduktion von ORF, Metafilm, BMB und ZDF/ARTE.[5] Während Kaiser Karl I. von Leopold Altenburg, einem Ururenkel von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth, gespielt wurde, übernahm der deutsche Schauspieler Raphael von Bargen die Rolle des Tamás Erdődys.[6]
Für Manfried Rauchensteiner, der als Historiker die Universum History Folge wissenschaftlich begleitete, war das Auffinden von Erdödys Tagebücher ein besonderer Glücksfall:[6]
„Sie ermöglichen eine Chronologie der Geschehnisse, wie wir sie bisher nicht gehabt haben.“
Siehe auch
Publikationen
- Paul Szemere, Erich Czech: Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy. Amalthea-Verlag, Wien 1931.
Weblinks
- Tamás Erdödy auf atlas-burgenland.at
Einzelnachweise
- ↑ Peter Krajasich, Roland Widder : Die Freiwilligen Feuerwehren des Burgenlandes - 60 Jahre Burgenländischer Landesfeuerwehrverband, 1983, Seite: 514
- ↑ Paul Szemere, Erich Czech: Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.. Amalthea-Verlag, Wien 1931, S. 213 bis 221.
- ↑ Paul Szemere, Erich Czech: Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.. Amalthea-Verlag, Wien 1931, S. 228 bis 231.
- ↑ Österreichisches Staatsarchiv erwirbt Tagebücher des Grafen Tamás Erdödy, Webseite www.ots.at, abgerufen am 6. Feber 2021
- ↑ „Universum History“-Doku „Der Verrat des Kaisers“ rekonstruiert die „Sixtus-Affäre“ – am 5. Februar um 22.35 Uhr in ORF 2, Webseite www.ots.at, abgerufen am 6. Feber 2021
- ↑ 6,0 6,1 „Universum History“-Doku „Der Verrat des Kaisers – Kaiser Karl und das Ende der Habsburger“ in St. Pölten präsentiert, Webseite orf.at, abgerufen am 6. Feber 2021