Zwischenspiel in Wien

Nach seiner Rückkehr nach Wien heiratete er Antonia Albrecht, sie war die Tochter des Hausmeisters seiner Wohnung, die er mit ihr in den nächsten Monaten auch bewohnte. In diesen schwierigen Zeiten bewies sich Tamás Erdődy einmal mehr als Überlebenskünstler. So scheute er sich nicht davor verschiedene Gelegenheitsarbeiten anzunehmen, unter anderem war er als Fleischhauer im Schlachthof Sankt Marx tätig, ehe er sich um eine bequemere Arbeit umsah, die er dann auch bald fand. Er wurde "Detektivinspektor" der Wiener Polizei und seine Aufgabe war die in den internationalen Hotels Wiens abgestiegenen Gäste zu überwachen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und die daraus erworbenen Erkenntnisse seinen Vorgesetzten zu melden. Eine Zeit lang war er der Berittenen Polizei zugeteilt und engagierte sich auch im freiwilligen Wiener Feuerwehrwesen.[1]

Laut seinen Memoiren suchte er Anfang Juli 1919 Kontakt mit Raimund Neunteufel einem Politiker der späteren Großdeutschen Volkspartei, um sich, wie er schrieb, in der "westungarischen Frage zu orientieren". Hier werden Erdődys Memoiren wieder zeitlich ungenau, da diese Partei erst am 7. August 1920 gegründet wurde, er aber behauptet, dass er zu seiner Überraschung von Neunteufel im Juli 1919 den Posten des "Polizeichefs" dieser Partei in der Parlamentskanzlei angeboten bekam, den er auch annahm. Allerdings bestand zu dieser Zeit die sogenannte "Großdeutsche Vereinigung", ein Zusammenschluss verschiedener Parteien, die bei den Wahlen 1919 insgesamt 26 Parlamentssitze gewinnen konnten. Da aus dieser Großdeutschen Vereinigung 1920 die Großdeutsche Volkspartei hervorging, kann es daher sein, dass Erdődy lediglich in der Bezeichnung der Partei nicht exakt ist, die restlichen Informationen in seinen Memoiren hingegen stimmen.[2][3]

Hinter dem von Erdődy verwendeten Begriff "westungarische Frage" verbarg sich der Wunsch, deutschsprachige Gebiete Westungarns von Ungarn abzutrennen und Österreich anzuschließen. Ein erster Versuch dazu war die Ausrufung der Republik Heinzenland in Mattersburg am 5. Dezember 1918 durch den Sozialdemokraten Hans Suchard, deren Existenz zwei Tage durch ungarisches Militär und der Bürgerwehr von Sopron schon wieder beendet wurde und Suchard eine Anklage wegen Hochverrates einbrachte.

Mit seiner Anstellung bei der Großdeutschen Vereinigung befand sich Erdődy nun mitten in der "westungarischen Agitation", wie er das österreichischen Ringen um das Burgenland in seinen Memoiren bezeichnete, und da er nach wie vor sich leidenschaftlich zu seiner Heimat Ungarn bekannte, betrieb er in den nächsten Wochen ein Doppelspiel. Während er für seinen Arbeitgeber in den nächsten Wochen bei verschiedenen Verhandlungen teilnahm, unter anderem gab es eine Verhandlung mit dem Wiener Polizeipräsidenten und späteren Bundeskanzler Johann Schober über die Übernahme des Gendarmeriedienstes in Westungarn,

Einzelnachweise

  1.  Paul Szemere, Erich Czech: Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.. Amalthea-Verlag, Wien 1931, S. 188 und 189.
  2.  Paul Szemere, Erich Czech: Habsburgs Weg von Wilhelm zu Briand - Vom Kurier der Sixtus-Briefe zum Königsputschisten - Die Memoiren des Grafen Tamás von Erdődy.. Amalthea-Verlag, Wien 1931, S. 189.
  3. Großdeutsche Volkspartei, Webseite www.aeiou.at, abgerufen am 18. Februar 2021