Stephan (I.) von Maissau (* im 13. Jahrhundert; † 1316) war oberster Marschall des Herzogtums Österreich und Vogt mehrere im heutigen Bundesland Niederösterreich gelegener Klöster. Er gilt als eines der bedeutendsten Mitglieder der Familie der Maissauer.

Die Burg Maissau, nach der sich Stephans Familie benannte, heute

Herkunft

Stephan (I.) von Maissau stammte aus einer bedeutenden Ministerialenfamilie[A 1] des Herzogtums Österreich, die auf den Burggrafen Otto von Mödling zurückgeführt wird. Er war der Sohn von Otto (II.) von Maissau aus dessen Ehe mit Elisabeth von Sonnberg.[1] Verheiratet war er vermutlich zweimal[A 2]:

∞ in 1. Ehe mit Gertrud von Pettau (genannt 1312), die aus einer Adelsfamilie stammte, welche im heutigen Slowenien ansässig war[2]
∞ in 2. Ehe mit Margarete von Neuhaus († um 1312), einer Tochter des böhmischen Adeligen Ulrich (I.) von Neuhaus:
  • Ulrich (I.) von Maissau[3]
  • Anna von Maissau, seit 1307 Ehefrau von Otto von Kaja, einem der Söhne von Wulfing von Kaja aus dessen Ehe mit Adelheid von Hackenberg.[4] Als ihre Mitgift erhielt Otto von Kaja von Stephan von Maissau eine Geldsumme, für welche er sich verpflichtete Eigengüter zu kaufen, die bei Kinderlosigkeit der Ehe sein Schwiegervater und dessen Familie erben sollten.[5]
  • Offemia von Maissau, Ehefrau von Wulfing von Stubenberg[6]
  • Elisabeth von Maissau, seit ca. 1312 Ehefrau von Alber(!sic) von Pottendorf[7]
  • Agnes von Maissau, Ehefrau von Johann von Kuenring(-Dürnstein)[8]
  • Ursula von Maissau, frühverstorben[9]
  • Otto von Maissau, frühverstorben[9]

Von Stephan von Maissau ist ein Siegel erhalten, welches ihn als Marschall mit Szepter zu Pferd zeigt.[10]

Leben

 
Die Zisterze St. Bernhard

Stephan (I.) von Maissau ist erstmals 1263 als Zeuge in einer Urkunde belegt, die sein Vater ausstellte. Nach dessen Tod überließ er zusammen mit seiner Mutter Elisabeth dem Stift Zwettl Einkünfte in Langenlois, um so jene Schulden zu tilgen, die sein Vater bei diesem Stift gemacht hatte. Für diese Urkunde soll er noch das Siegel seines Vaters verwendet haben.[1]

Stephan von Maissau übernahm 1278 unter der Herrschaft von König Rudolf I. das Amt des Marschalls im Herzogtum Österreich. 1310 wird er erstmals als Obersten Marschall bezeichnet. Zu dieser Würde gehörte das Ehrenrecht ein eigens Siegel führen zu dürfen.[11] Stephan von Maissau, der um 1278 auch den Titel eines Kämmerers von Vöttau führte, wurde von König Rudolf außerdem auch mit Rechtsangelegenheiten betraut, welche die dem Herzogtum Österreich benachbarte Markgrafschaft Mähren betrafen, die er seit dem Herbst 1278 hatte besetzen lassen.[12] Mit Inhaber des Marschallamtes gehörte Stephan von Maissau zu den bedeutendsten Landherren des Herzogtums Österreich. Besonders in der Anfangsphase der Herrschaft der Habsburger wurden sie in die Entscheidungen der Herrscher einbezogen. Bei den Aufenthalten von König Rudolf im Herzogtum Österreich findet sich Stephan von Maissau häufig bei den Schiedsgerichten und Landgerichten, meist unter dem Vorsitz des Landrichters ("iudex generalis Austriae") Otto (II.) von Haslau, an deren Entscheidungen und Vollzug er besonders aktiv mitwirkte.[13] Wie in den Zeiten von König Ottokar forderten die Landherren als Räte des Landesfürsten beziehungsweise des "römischen" Königs ein Mitspracherecht in den Finanzangelegenheiten. Als König Rudolf 1281 abreiste, war die Verschreibung von Pfandschaften an Gläubiger zur Begleichung der entstandenen Kosten für seine Hofhaltung an ihre Zustimmung gebunden.[14] Stephan von Maissau gehörte auch zu jenen Landherren, die König Rudolf I., nachdem er seinen Sohn Albrecht zur Seite stellte, als er diesen im Mai 1281 zum Reichsverweser des Herzogtums Österreich ernannte.[15] Stephan von Maissau gehörte zu jenen Adligen des Herzogtums Österreich, die König Rudolf bei seiner Abreise 1281 von Wien über Linz nach Regensburg geleiteten.[16] Spätestens nachdem Albrecht als Herzog von Österreich Steier anerkannt worden war, nach der Verabschiedung des "Vertrages von Rheinfelden" und der Gegenurkunde, die nicht durch die Landherren, sondern nur durch die Ministerialen der Herzogtümer Österreich und Steier ausgestellt wurde, begann dieser die Aktivitäten des Rates, den ihm sein Vater zur Seite gestellt hatte, einzuschränken. Zumindest in den Urkunden der Jahre danach fällt auf, dass Stephan von Maissau sich allmählich vom herzoglichen Hof zurückzog und sich meistens in Maissau oder Horn aufhielt.[17]

Nachdem bereits sein Vater die Herrschaft der Familie in Pöggstall begründet haben dürfte, gibt es seiner Zeit die ersten schriftlichen Belege, dass der Pöggstaller Besitzes des Klosters Kremsmünster an die Maissauer gelangt war. Während des Aufstandes gegen Herzog Albrecht (I.) von Österreich, dem späteren König Albrecht I., wurde die Burg Pöggstall zerstört oder zumindest beschädigt. Stephan (I.) von Maissau stand offenbar auf der Seite von Herzog Albrecht.[3] In den 1280er- und 1290er-Jahren konnte er seine Besitzungen wesentlich vergrößern, in dem er als landesfürstliches Lehen und Pfandschaft die "Herrschaften" Raabs und Krumau erhielt.[18] 1302 erwarb er durch Kauf von Johann von Kapellen das Dorf Seiterndorf (heute Teil der Gemeinde Weiten), ebenfalls ein herzogliches Lehen.[19] Er besaß außerdem Lehen des Hochstifts Passau.[20]

Stephan von Maissau hatte offensichtlich großes Interesse daran, Erbteile, die an seine Schwestern gefallen waren und deren Mitgiften zurückzubekommen. 1297 erwarb er durch Tausch von seinem Neffen Benesch von Wartenberg die Eigengüter, welche dieser von seiner Mutter, einer nicht namentlich genannten Schwester von Stephan, geerbt hatte, darunter die halbe Feste in Ottenschlag und Güter im Marchfeld bei Gänserndorf, Siebenbrunn, Streifing und Dietrichsdorf sowie einen Weingarten und Burgrechte in Döbling und Grinzing (beide heute Teile der Stadt Wien). 1298 kaufte er seiner Schwester Sophie von Haunfeld und ihren Söhnen ihren Anteil an der Burg in Maissau ab und erwarb von ihnen außerdem Waldbesitz bei Maissau, Fuchsberg und oberhalb des Kamps sowie Fischrechte.[20] 1303 erhielt Stephan von Ulrich von Wolfenreuth dessen Hof zu Mutstal (südlich bei Spitz), den er daraufhin diesen als Lehen zurückgab.[19] 1305 kaufte er gemeinsam mit Otto von Kierling ein Viertel am "Haus von Rastenberg" sowie "Gülten" in Rastenberg (heute Teil von Rastenfeld , Marbach im Felde (heute ebenfalls Teil von Rastenfeld), Jaitendorf (heute Teil von Lichtenau, Großgöttfritz sowie im Markt Rastenfeld und zu Wurmbrand (heute Teil der Gemeinde Groß Gerungs).[21]

Stephan von Maissau war Vogt des Augustiner Chorherrenstiftes Klosterneuburg und des Benediktinerklosters Altenburg.[22] Um 1277 gründete er das Zisterzienserinnenkloster St. Bernhard (heute Teil der Gemeinde St. Bernhard-Frauenhofen), indem er die Patronatsrechte über das bereits bestehende Zisterzienserinnenkloster in Neu-Melon (heute Teil der Gemeinde Arbesbach) übernahm und diesem eine neue Niederlassung erbauen ließ. Für die Klosterkirche stiftete er einen Altar, für den er dem Kloster einen Weingarten und eine Hofstatt in Langenlois sowie ein Lehen in Krug (heute Gemeinde St. Bernhard-Frauenhofen) überließ.[23] Um 1285 war Maria von Neuhaus, die Schwester seiner Ehefrau, dort die Äbtissin. 1293 übertrug Stephan von Maissau der Äbtissin Euphemia das Patronatsrecht über Neukirchen, 1294 erreichte er für das Stift die niedere Gerichtsbarkeit.[24] Das Stift St. Bernhard diente seiner Familie bis zur Gründung der Kartause in Aggsbach als Hauskloster und Grablege.[25]

Literatur

  • Brigitte Rigele: Die Maissauer. Landherren im Schatten der Kuenringer. (Ungedruckte) Dissertation, Universität Wien, 1990
  • Peter Trawnicek: Pöggstall und die Grabdenkmäler in der Kirche St. Anna im Felde. In: Sbornik Praci filozoficke fakulty brnenske univerzity studia facultatis philosophicae universitatis brunensis C 49, 2002. S. 271-291 digital

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 54
  2. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 56
  3. 3,0 3,1 vgl. Peter Trawnicek: Pöggstall und die Grabdenkmäler, 2002, S. 275
  4. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 57 mit Fußnote 121
  5. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 78
  6. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 57 mit Fußnote 122
  7. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 57 mit Fußnote 123
  8. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 57f.
  9. 9,0 9,1 vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 57
  10. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 25
  11. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 151 und 153
  12. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 159
  13. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 154-158
  14. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 158
  15. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 160
  16. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 160f.
  17. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 164-167
  18. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 75
  19. 19,0 19,1 vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 77
  20. 20,0 20,1 vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 76
  21. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 77.
  22. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 73 und 152
  23. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 63f. und S. 65
  24. vgl. St. Bernhard, Burgenkunde.AT, abgerufen am 4. Juli 2020
  25. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 72

Anmerkungen

  1. Die Ministerialen, auch als "Dienstadel" bezeichnet, bildeten im Mittelalter innerhalb des "niederen" Adels eine eigene Gruppe. Ursprünglich "Unfreie", waren sie durch ein Dienst- oder Lehnsverhältnis in den "niederen" Adel aufgestiegen, im Unterschied zu den "edelfreien" oder "hochfreien" Adelsfamilien.
  2. Eine Tauschurkunde aus dem Jahr 1291 enthält Hinweise, aus denen auf eine dritte Ehe von Stephan geschlossen werden kann. Ob er allerdings tatsächlich mit einer Tochter von Hedwig von Sonnberg und Dietrich von Knenicz verheiratet war, ist letztlich nicht eindeutig geklärt. Ebenfalls in der Forschung umstritten ist, ob Dietrich von Knenicz mit Dietrich von Neuhaus ident ist. Vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer, 1990, S. 57, Fußnote 120