Graf Johann von Liechtenstein zu Nikolsburg (* im 14. Jahrhundert; † um 1398[1]), auch Hans von Liechtenstein, war einer der Räte und bis zu seinem Sturz um 1395 viele Jahre der Hofmeister von Herzog Albrecht (III.) von Österreich ("Albrecht mit dem Zopfe").

Herkunft und Familie

Johann (I.) von Liechtenstein zu Nikolsburg stammte aus einer bedeutenden Adelsfamilie. Einer seiner Vorfahren war Heinrich (I.) von Liechtenstein († 1265), dem der "Böhmenkönig" Ottokar (II.) die Herrschaft Nikolsburg als freies Eigentum geschenkt hatte. Dessen Sohn Heinrich (II.) von Liechtenstein wechselte auf die Seite von König Rudolf I. Auch in den folgenden Jahrhunderten standen die Liechtensteiner meistens auf der Seite der Habsburger. Johann von Liechtenstein dürfte einer der Söhne von Hartneid (II.) von Liechtenstein zu Nikolsburg und Eisgrub († 1349/50) gewesen sein und somit ein Enkel von Heinrich (II.) aus dessen Ehe mit Petrissa von Zelking.

Johann (I.) von Liechtenstein zu Nikolsburg war dreimal verheiratet,

∞ in 1. Ehe mit Agnes von Klingenberg († vor 1387), der Tochter des in Schlacht bei Crécy gefallenen Heinrich von Klingenberg († 26. August 1346) und Stieftochter seines Verwandten Ulrich von Liechtenstein zu Nikolsburg. Ihre Mutter war Anna von Maissau, eine Urenkelin des Marschalls Stephan (I.) von Maissau († 1316) und die Schwester des Schenken Heidenreich von Maissau.[2]
∞ in 2. Ehe mit Katharina von Pottendorf
∞ in 3. Ehe mit Elisabeth von Puchheim († 1408)

Aus seiner ersten Ehe hatte Johann eine Tochter: Katharina von Liechtenstein († um 1397), sie war mit Reinprecht (II.) von Wallsee zu Enns († 1422) verheiratet.[3]

Karriere

Johann von Liechtenstein gehörte zu den Räten von Herzog Albrecht und war mehr als 30 Jahre einer seiner engsten Mitarbeiter. Als solcher war er an vielen politischen Verhandlungen beteiligt, wie die Kanzleivermerke auf den Urkunden des Herzogs belegen. Er war außerdem ein wichtiger Kreditgeber von Herzog Albrecht, der ihm zahlreiche Pfandschaften überließ. 1385 kaufte er eine adlige Herrschaft. Sein Sturz erfolgte recht überraschend im Jahr 1394, nachdem er sich zuvor bei einem Konflikt zwischen dem Herzog von Österreich (Haus Habsburg) und dem König von Böhmen (Haus Luxemburg) auffallend zurückgehalten hatte. Wenig später wurde bekannt, dass er auch als Rat für König Wenzel ("Wenzel dem Faulen") tätig gewesen war und von diesem ein Haus in Kleinseite (heute Teil von Prag) geschenkt bekommen hatte. Im Februar 1395 wurde Johann von Liechtenstein in Gmunden gefangen genommen und einige Zeit auf der Burg Bernstein bei Kirchdorf eingekerkert.[4] Er musste sich, wie auch weitere Verwandte, darunter seine Tochter Katharina und ihre Familie, dem Urteil von Schiedsrichtern[A 1] unterwerfen, ehe er wieder freigelassen wurde.[5] Nach diesem verlor er sämtliche Besitzungen im Herzogtum Österreich.[4] Bei seiner Freilassung aus der Haft am 7. Februar 1395 musste er nicht nur dem Herzog, sondern namentlich auch dessen Kanzler, Berthold von Wehingen Urfehde schwören.[6]

Dass er auf Befehl des Herzogs ertränkt wurde, gilt in der neueren Forschungen als widerlegt. Die Hintergründe für seinen Sturz, der nach der Überlieferung sehr plötzlich erfolgte, sind allerdings bisher nicht wirklich geklärt.[1] Während in der älteren Forschung der Sturz des Liechtensteiners meistens als eine Folge des Machtkampfes von Herzog Albrecht und König Wenzel, bei dem er zwischen die Fronten geraten war, und somit politisch motiviert wurde, deutet Brigitte Rigele den Sturz ausschließlich als eine Folge des Scheiterns der herzoglichen Finanzpolitik. Dadurch, dass Johann von Liechtenstein alle im Herzogtum Österreich gelegenen Besitzungen aberkannt wurde, konnte sich Herzog Albrecht ihrer Meinung nach finanziell sanieren. Sie zieht dabei eine Parallele zum Sturz des Schenken und Marschalls Otto (IV.) von Maissau unter Herzog Albrecht (V.) von Österreich und zu Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung.[7]

Vermögensverhältnisse

Johann von Liechtenstein kaufte 1393 gemeinsam mit seinem Bruder Hartneid von Liechtenstein die Burg und Herrschaft Tulbing von den Zelkingern. Nach seinem Sturz kam sie in den Besitz von Herzog Albrecht (III.) "mit dem Zopfe", der sie seiner Ehefrau Beatrix von Zollern hinterließ.[8]

Literatur

  • Christian Lackner: Aufstieg und Fall des Hans von Liechtenstein zu Nikolsburg im 14. Jahrhundert. In: Jan Hirschbiegel - Werner Paravicini (Hrsg.): Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, veranstaltet in Zusammenabeit mit der Stadt Neuburg an der Donau, der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und dem Deutschen Historischen Institut Paris. Neuburg an der Donau, 21. - 24. September 2002. Thorbecke, Ostfildern, 2004. ISBN 3799545174. S. 251-262

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 vgl. Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien: Zeitgenossen berichten. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1995, ISBN 978-3-205-98372-9, S. 102
  2. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer. Landherren im Schatten der Kuenringer. (Ungedruckte) Dissertation, Universität Wien, 1990 S. 202f.
  3. vgl. Max Doblinger: Die Herren von Walsee. Ein Beitrag zur österreichischen Adelsgeschichte (= Archiv für österreichische Geschichte. Band 95). Holzhausen, Wien, 1906, S. 75 und S. 86
  4. 4,0 4,1 vgl. Der Fall des Günstlings, eingesehen am 6. Mai 2018
  5. vgl. Max Doblinger: Die Herren von Walsee. Ein Beitrag zur österreichischen Adelsgeschichte (= Archiv für österreichische Geschichte. Band 95). Holzhausen, Wien, 1906, S. 86
  6. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft. Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzoge (1365 - 1406). Habilitationsschrift, Wien, 2001. Bd. 2, S. 344
  7. vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer. Landherren im Schatten der Kuenringer. (Ungedruckte) Dissertation, Universität Wien, 1990. S. 251
  8. vgl. Günter Marian: Studien zum mittelalterlichen Adel im Tullnerfeld. (Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich. Hrsg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich. Band 39). St. Pölten, 2017. ISBN 978-3-901234-27-9, S. 327

Anmerkungen

  1. Während sich bei Doblinger ein Verfahren findet, dass durch das Fällen von Schiedssprüchen beendet wurde, wird das Vorgehen gegen den Liechtensteiner in neueren Arbeiten als Prozess bezeichnet, wobei von einem Schauprozess ausgegangen wird.