Herzog Wilhelm von Österreich (* um 1370, in Wien; † 15. Juli 1406, in Wien[1]) herrschte im 14. Jahrhundert über Teile der heutigen Republik Österreich. Nach dem Tod von Herzog Albrecht III. von Österreich ("Albrecht mit dem Zopfe") folgte er diesem als "Senior" der Familie nach und konnte sich in dieser Position für beide Familienzweige[A 1] (mit Einschränkungen) behaupten. Wilhelm residierte, bis 1404 zusammen mit seinem Cousin Herzog Albrecht (IV.) von Österreich ("Albrecht dem Weltwunder")[A 2], in der Hofburg in Wien.

Reitersiegel von Herzog Wilhelm von Österreich

Herkunft und Familie

Herzog Wilhelm stammte aus dem "Leopoldinischen Famlienzweig" der Herzöge von Österreich (Habsburger). Er war der älteste Sohn von Herzog Leopold III. von Österreich († 1386) aus dessen Ehe mit Viridis Visconti, einer der Cousinen und Schwägerinnen von Gian Galeazzo Visconti, dem ersten Herzog von Mailand. Seine Brüder waren die Herzöge Leopold (IV.) der Stolze, Ernst (I.) der Eiserne (der zeitweise sein Mitregent war) und Friedrich (IV.) der Ältere von Österreich.

Wilhelms Verlobung und "verhinderte Ehe" mit der polnischen Königin Hedwig (Jadwiga)[A 3], die nach der "Österreichischen Chronik von den 95 Herrschaften" und der "Deutschen Chronik" 1374-1382 am Hof in Wien erzogen wurde[2], erfuhr eine gewisse romantische Verklärung. Seit 1401 war er mit ihrer Cousine Johanna von Anjou, der späteren Königin von Neapel verheiratet. Kinder aus dieser Ehe sind nicht belegt.

Herrschaften - Überblick

 
Siegel des Herzog Wilhelm von Österreich
  • 1886 verzichtete Wilhelm nach dem Tod seines Vaters für sich und seine Brüder zunächst auf die Herrschaft über die Herzogtümer Steier[A 4], Kärnten[A 5] und Krain ("Innerösterreich") zugunsten von Herzog Albrecht (III.) von Österreich ("Albrecht mit dem Zopfe") beziehungsweise auf Beteiligung an dieser Herrschaft. Erst nach dessen Tod herrschte er seit 1395 über diese drei Herzogtümer und die dazu gehörigen Herrschaften.
  • Außerdem führten er und sein Cousin Albrecht (IV.) seit 1395 eine gemeinsame Herrschaft über das Herzogtum Österreich ("Donauösterreich")[A 6]. 1404-1406 übte Wilhelm als Vormund für den gleichnamigen Sohn des Cousins dort ebenfalls die alleinige Herrschaft aus.
  • Die Herrschaftsverhältnisse zwischen ihm, seinem Bruder Leopold (IV.) und seinem Cousin Albrecht (IV.) wurden in den Verträgen von Hollenburg (22. September 1395) und Wien" (1396) unter Vermittlung der Landstände geregelt. In den Jahren darauf dürfte es dennoch mehrmals zu Konflikten gekommen sein.[3]

Als engster Mitarbeiter und politischer Berater von Herzog Wilhelm gilt sein Kanzler Berthold von Wehingen, Bischof des Hochstiftes Freising. Dieser war bereits Kanzler unter Herzog Albrecht (III.) von Österreich ("Albrecht mit dem Zopfe") gewesen und hatte zu dessen engsten Vertrauten gezählt.[4]

Relevante Geschehnisse für die österreichischen Bundesländer

  • Am 24. Februar 1396 verabschiedete Wilhelm zusammen mit Leopold (IV.) und Albrecht (IV.) das "Wiener Ratswahlprivileg".
  • Am 23. Oktober 1396 bestätigte Wilhelm gemeinsam mit Albrecht (IV.) eine "steirische Judenordnung", die am 24. Juni 1377 von den Herzögen Albrecht (III.) und Leopold (III.) erlassen worden war. Am 13. Dezember 1397 stellten beide gemeinsam der jüdischen Bevölkerung im Herzogtum Österreich, in der Neustadt und Neunkirchen, diesseits des Semmerings und ob der Enns ein Privileg für ihre Unterstützung nach dem Tod von Albrecht (III.) aus, in denen sie dieser Schutz vor Gewalt zusagten, zu dem auch ihre Amtsleute und Untertanen angehalten werden sollten. In diesem Privileg wurde der Landmarschall als Richter in Schuldangelegenheiten eingesetzt. Dieses Privileg erneuerten die Herzöge am 28. Jänner 1401.[5]
  • Vor dem 15. Juli 1406 sandte Wilhelm ein großes Heer von Wien aus gegen ins ungarische Königreich eingefallene Plünderer, die in der Umgebung von Neusiedl am See ihr Unwesen trieben. Bei der dortigen Kirche gelang es, diese festzunehmen. 61 wurden nach Wien gebracht, wo sie teilweise gegen Lösegeld freigelassen, teilweise eingekerkert und teilweise in Knechtschaft geworfen wurden.[1]
  • Wilhelm stirbt im Sommer 1406 in Wien bei einem Unfall, als er unter ein Pferd gerät und von diesem erdrückt wird. Als Sterbeort ist das Haus des "Stazzen" am Kienmarkt überliefert, allerdings ist ein Wiener Bürger oder Hausbesitzer mit Namen "Stazzer" zu dieser Zeit nicht belegt.[6]

Erinnerungsstätten an Wilhelm im heutigen EU-Land Österreich

Niederösterreich

 
Belehnung von Herzog Wilhelm, Glasfenster in der Pfarrkirche Litschau
  • Litschau: Auf einem Glasfenster an der Nordseite der Pfarrkirche Litschau "zum Hl. Michael" ist die gemeinsame Belehnung der Herzöge Wilhelm und Albrecht von Österreich durch König Wenzel im Jahr 1398 dargestellt. Es handelt sich um eine Arbeit des Unternehmens Ostermann und Hartwein aus München, die 1911/12 geschaffen wurde.

Wien

  • Wilhelm wurde nach seinem Tod in der Herzogsgruft des Wiener Stephansdoms beigesetzt.[1] Er hatte gemeinsam mit Albrecht (IV.) den Ausbau von dessen Hauptturm gefördert.[7]
  • Gemeinsam mit Albrecht (IV.) förderte Wilhelm auch den Weiterbau der Kirche Maria am Gestade in Wien.[7]

Namentlich belegte Mitarbeiter von Herzog Wilhelm

Wilhelm in Legende und Sage

  • Nach den Chroniken des Mittelalters war Wilhelm ein tatkräftiger und umsichtiger Politiker. Außerdem soll er ein leutseliger Fürst gewesen sein, weswegen er "Wilhelm der Freundliche" genannt wurde.[8]
  • Zu den Wandersagen, die zu verschiedenen Personen erzählt werden, gehört auch jene von einem treuen Tier, das den Tod seines Herrn nicht überleben will und deshalb nach diesem jegliche Nahrungsaufnahme verweigert. Bei Wilhelm ist es ein Löwe, den er angeblich in seiner Menagerie gehalten hat.[9]
  • Seine Verlobung mit der polnischen Königin Hedwig und die aufgelöste beziehungsweise nicht zustande gekommene Ehe wurden später romantisch verklärt. Nach den "Wiener Annalen" soll er um 1386 persönlich nach Krakau gereist sein.[10] Der Umstand, dass er erst nach Hedwigs Tod heiratete, wird damit begründet, dass er sich trotz ihrer Eheschließung mit einem anderen als ihr rechtmäßiger Ehemann betrachtete.[11]
  • Wilhelm kommt in einigen Sagen vor, in denen es um die Gefangenschaft von König Wenzel IV. von Böhmen ("Wenzel dem Faulen") in Wien geht. Gewöhnlich ist er an Wenzels Flucht beteiligt, entweder durch Unachtsamkeit oder indem er auf Wenzels Seite wechselt, weil er Wenzels Halbbruder, den späteren Kaiser Sigismund, nicht ausstehen kann oder sich von diesem zugunsten seines Cousins Albrecht (IV.) hintergangen fühlt.

Belletristik

  • Josephine von Kviatovska: Hedwiga und Cimburgis oder die starken Frauen. Ein historischer Roman aus dem 14. Jahrhundert. Mausberger, Wien 1820

Literatur

  • Günther Hödl: Habsburg und Österreich 1273-1493. Gestalten und Gestalt des österreichischen Spätmittelalters. Verlag Böhlau, Wien / Köln / Graz, 1988, ISBN 3-205-05056-8
  • Brigitte Hamann (Hrsg.): Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon. Verlag Carl Ueberreuter, Wien, 1988, S. 428-430[A 7]
  • Karl-Friedrich Krieger: Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, 2., aktualisierte Auflage 2004, ISBN 3-17-018228-5, S. 154-156[A 8]
  • Alois Niederstätter: Österreichische Geschichte 1278–1411. Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter. Verlag Ueberreuter, Wien, 2001, ISBN 3-8000-3974-5, S. 194–198

Literatur zu Teilaspekten

  • Eva Bruckner: Formen der Herrschaftsrepräsentation und Selbstdarstellung habsburgischer Fürsten im Spätmittelalter. phil. Dissertation, Wien, 2009, S. 152–164 digital

Lexikonartikel

  • Franz KronesWilhelm (Herzog von Österreich). In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Duncker & Humblot, Leipzig, 1898, Bd. 43, S. 20–24 digital (inhaltlich von der neueren Forschung überholt, von historiographischem Interesse)
  • Constantin von Wurzbach: Habsburg, Wilhelm der Höfliche, Herzog von Oesterreich. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien, 1861, 7. Theil, S. 415f. digital (inhaltlich von der neueren Forschung überholt, von historiographischem Interesse)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 vgl. Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien: Zeitgenossen berichten. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1995, ISBN 978-3-205-98372-9, S. 111
  2. vgl. Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien. Zeitzeugen berichten. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1995, ISBN 3-205-98372-6, S. 92 und S. 93f.
  3. vgl. Karl-Friedrich Krieger: Die Habsburger im Mittelalter, 2004, S 148f.
  4. vgl. Christian Lackner: Hof und Herrschaft. Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzoge (1365 - 1406). Habilitationsschrift, Wien, 2001. Bd. 2, S. 344
  5. vgl. Martha Keil: "… vormals bey der Juden Zeitt …". Studien zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Wiener Neustadt im Spätmittelalter. Dissertation, Universität Wien, 1998, S. 9 und 10
  6. vgl. Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien: Zeitgenossen berichten. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1995, ISBN 978-3-205-98372-9, S. 111f.
  7. 7,0 7,1 vgl. Eva Bruckner: Formen der Herrschaftsrepräsentation und Selbstdarstellung, 2009, S. 51f.
  8. vgl. Günther Hödl: Habsburg und Österreich 1273-1493, 1988, ISBN 3-205-05056-8 S. 155
  9. vgl. Brigitte Hamann (Hrsg.): Die Habsburger, 1988, S. 427
  10. vgl. Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien: Zeitgenossen berichten. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1995, ISBN 978-3-205-98372-9, S. 96
  11. vgl. Ferdinand Opll: Nachrichten aus dem mittelalterlichen Wien. Zeitgenossen berichten. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 1995, ISBN 978-3-205-98372-9, S. 109

Anmerkungen

  1. Als Folge der 1379 im Vertrag von Neuberg an der Mürz vereinbarten Länderteilung hatte sich das Haus Österreich (Habsburg) in zwei (gleichberechtigte) Familienzweige aufgeteilt, die "Albrechtinische" und die "Leopoldinische" Linie.
  2. Wilhelm war aus der "Leopoldinischen Linie", Albrecht IV. aus der "Albrechtinischen Linie".
  3. Ihre ältere Schwester war die ungarische Königin Maria, die erste Ehefrau des späteren Kaisers Sigismund, der als ihr Mitregent und späterer Nachfolger über das ungarische Königreich herrschte. Wilhelms spätere Ehefrau Johanna war die Schwester von [[w:Ladislaus von Neapel|König Ladislaus von Neapel ("Ladislaus den Großmütigen"), dessen Familie ebenfalls Ansprüche auf die ungarische Krone besaß und dieses wiederholt durchzusetzen versuchte.
  4. Das Herzogtum Steier(mark) umfasste damals Teile der späteren Bundesländer Steiermark und Oberösterreich.
  5. Das Gebiet des Herzogtums Kärnten umfasste damals Teile des späteren Bundeslandes Kärnten dessen übrige Teile damals noch unter der Herrschaft des Erzstiftes Salzburg und dessen Suffraganbistum Gurk sowie der Albertinischen Linie der Grafen von Görz und Tirol (Grafen von Görz) waren.
  6. Das Herzogtum Österreich umfasste damals nur Teile der heutigen Bundesländer Niederösterreich und Wien.
  7. In Details nicht mehr ganz aktuell, aber als Einführung und Erstinformation noch immer gut geeignet. Eine weitere und spätere, inhaltlich aber nicht aktualisierte Ausgabe ist 2001 bei Amalthea Signum erschienen: Brigitte Hamann (Hrsg.): Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon. Verlag Amalthea Signum, Wien, 2001. ISBN 978-3850024457. Neuere aktualisierte Auflagen existieren nur als EBook.
  8. Eine gute Überblicksdarstellung, der Schwerpunkt liegt allerdings auf den Habsburgern die römisch-deutsche Könige und Kaiser waren.
VorgängerAmtNachfolger
Albrecht (III.) von ÖsterreichHerrscher über das Herzogtum Steier
ca. 1395-1406
1395-1404 gemeinsam mit Albrecht IV. (Österreich)
Ernst (I.) von Österreich
VorgängerAmtNachfolger
Albrecht (III.) von ÖsterreichHerrscher über das Herzogtum Kärnten
ca. 1395-1406
Ernst (I.) von Österreich
VorgängerAmtNachfolger
Albrecht (III.) von ÖsterreichHerrscher über das Herzogtum Österreich
ca. 1395-1406
1395-1404 gemeinsam mit Albrecht IV. (Österreich)
Albrecht (V.) von Österreich
Überregionale Aspekte dieses Themas werden auch in der Wikipedia unter dem Titel Wilhelm (Österreich) behandelt.
Hier im ÖsterreichWiki befinden sich Informationen sowie Ergänzungen, die zusätzlich von regionaler Bedeutung sind (siehe Mitarbeit).