Heinrich von Österreich[A 1] (* im 13. Jahrhundert, um 1208; † 29. November 1227 oder 1228)[A 2], besser bekannt als "Heinrich der Grausame", war der Vater von Herzogin Gertrud († 1288), die gewöhnlich als "die letzte Babenbergerin" gilt. Über seine Enkelin Agnes († um 1295) wurde er allerdings Vorfahre einiger Adelsfamilien, die in der Steiermark und in Kärnten Spuren hinterließen. Die bedeutendste von diesen waren vermutlich die Grafen von Cilli, über die er sogar ein Vorfahre von zwei bedeutenden Kaiserdynastien und einer Königsdynastie wurde. Über ihn selbst gibt es jedoch nur wenige gesicherte Fakten.

Heinrich, genannt "der Grausame", belagert die Haimburg und vertreibt seine Mutter Theodora von dieser, Darstellung auf dem Babenberger-Stammbaum im Stift Klosterneuburg, Ende des 15. Jahrhunderts

Herkunft und Familie

Heinrich "der Grausame" stammte aus jener Herrscherfamilie, die heute als die Babenberger bezeichnet wird. Er war einer der Söhne von Herzog Leopold (VI.) von Österreich ("Leopold dem Glorreichen") aus dessen Ehe mit der byzantinischen Prinzessin Theodora Angela und der ältere Bruder von Herzog Friedrich (II.) "dem Streitbaren". Verheiratet war er mit Agnes von Thüringen († vor 1247), einer Tochter des Landgrafen Hermann (I.).[1] Aus dieser Ehe hatte er eine Tochter, die spätere Herzogin Gertrud von Österreich und Steier († 1288), die als sein einziges Kind gilt.

Leben

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Leben

Heinrich war, ähnlich wie sein Vater, als jüngerer Sohn wohl für die geistliche Laufbahn bestimmt gewesen, rückte aber wie dieser durch den Tod seines älteren Bruders zum Thronerben auf, da Leopold 1216 im Alter von neun Jahren durch Sturz von einem Baum verstarb. Unter anderem tritt Heinrich in den Jahren 1224 und 1227 als Zeuge bzw. Mitsiegler in mehreren Urkunden seines Vaters und als Zeuge einer im Jahre 1227 in Donauwörth ausgestellten Urkunde seines Schwagers, Heinrich (VII.) von Hohenstaufen, des römischen Königs und Königs von Sizilien auf, dem Ehemann seiner Schwester Margarete von Österreich, die 1227–1235 römische Königin, 1246 Herzogin von Österreich und 1253–1260 Königin von Böhmen war.[3]

Seine erste Rolle war passiv, als Objekt der Familienpolitik seines Vaters. Herzog Leopold VI. war damals verstärkt auf den mitteldeutschen Raum ausgerichtet. Ein Grund dafür mag darin gelegen sein, dass er dadurch den König von Böhmen, Ottokar I. Přemysl, mit dem laufend Spannungen bestanden, in die Zange nehmen konnte. Schließlich verheiratete er vier seiner Kinder – drei Töchter und auch Heinrich – mit Partnern aus dieser Region. Eine für Heinrich wenig erfreuliche Konsequenz der väterlichen Heiratspolitik war verbunden mit ihrem spektakulärsten Erfolg: der Vermählung seiner Schwester Margarete mit dem römischen König Heinrich VII., dem gewählten Nachfolger des Kaisers Friedrich II. des Heiligen Römischen Reiches, genannt „Stupor mundi“ – „das Staunen der Welt“. Heinrich wurde – in nicht ganz erklärlicher Weise – wegen dieser Ehe gezwungen, auf die Mitgift seiner eigenen Braut Agnes von Thüringen zu verzichten. Dass dies geschah, um die prunkvolle Hochzeit und Aussteuer seiner Schwester zu finanzieren, ist reine Spekulation, jedoch nicht ganz von der Hand zu weisen. Seine Eheschließung fand schließlich als „Doppelhochzeit“ gemeinsam mit der „königlichen“ Hochzeit seiner Schwester in der freien Reichsstadt Nürnberg statt. Trotz großer Pracht und zahlreichen hochrangigen Gästen wurde das Fest von ungewohnten Zwischenfällen überschattet. Der von Kaiser Friedrich II. als Reichsverweser eingesetzte Erzbischof Engelbert I. von Köln, Graf von Berg, wurde kurz vor der Hochzeit in Gevelsberg von seinem Neffen, Graf Friedrich von Isenberg, erschlagen. Auf dem Fest kam es daher zu bewaffneten Streitigkeiten über die Verantwortung für diesen Mord. Nicht genug damit, brach eine Treppe im Schloss ein, wodurch mehrere Gäste zu Tode kamen.

Seine wichtigste – wenn auch unrühmliche – Rolle spielte Heinrich im Zusammenhang mit dem seit langem schwelenden Konflikt zwischen Österreich und Böhmen. Der Anlass hing mit der Eheschließung seiner Schwester Margarete mit König Heinrich VII. zusammen. König Heinrich war zuvor aus strategischen Gründen mit Agnes von Böhmen (* 1211; † 1282), Prinzessin von Böhmen, einer Tochter von König Ottokar I. Přemysl von Böhmen, verlobt worden. Die Braut wurde daher von König Ottokar an den Hof von Herzog Leopold VI. gesandt, um sie in Wien mit der deutschen Sprache vertraut zu machen und um sie auf ihre künftige Rolle als römische Königin und später Kaiserin vorzubereiten. Kaiser Friedrich II. beschloss jedoch überraschend im Jahr 1225, dass König Heinrich nicht Agnes von Böhmen, sondern Margarete von Österreich, eine Tochter Leopolds VI., heiraten solle. Leopold VI. war wohl sehr geehrt, jedoch in der unangenehmen Lage, dem König von Böhmen die von Kaiser Friedrich II. als Schwiegertochter verschmähte Tochter zurückschicken zu müssen, und dies, da nunmehr seine eigene Tochter den Thronerben des Heiligen Römischen Reiches heiraten sollte. König Ottokar I., der dahinter wohl eine Intrige von Herzog Leopold vermutete, war empört. Er suchte und fand jedoch bald eine Gelegenheit, sich für diese Schmach zu rächen. Nachdem Leopold 1226 nach Italien abgereist war, fiel Ottokar mit Streifscharen in Österreich ein und verwüstete das Land nördlich der Donau. Unterstützt wurde er dabei von unerwarteter Seite, nämlich vom österreichischen Erbherzog Heinrich, der sich gegen seinen Vater erhob. Denkbare Motive wären sein Ärger darüber, dass die Mitgift seiner Frau dem kaiserlichen Heiratsprojekt geopfert wurde, die Befürchtung, dass er als Erstgeborener durch eine neuerliche Teilung der Erblande zugunsten seines jüngeren Bruders Friedrich benachteiligt werden könnte, oder schlicht der Wunsch, die Regierung um einige Jahre früher übernehmen zu können.

Der Erfolg dieser gemeinsamen Aktion war sehr beschränkt, da die führenden österreichischen und steirischen Ministerialen Heinrich die Gefolgschaft verweigerten. Dem böhmischen Einfall stellte sich der Landmarschall von Österreich, Heinrich von Kuenring entgegen, der die böhmischen Soldaten aus dem Land vertrieb. Heinrich selbst gelang nur ein bescheidener Erfolg: er konnte seine Mutter aus ihrer Residenz, der Burg von Hainburg, vertreiben. Er konnte jedoch nach Rückkehr seines Vaters dessen militärischem Aufgebot letztlich nicht widerstehen und musste sich unterwerfen. Die Spannungen gegenüber Böhmen sowie innerhalb der Familie blieben jedoch bestehen, obwohl Vater und Sohn 1227 am Hoftag in Donauwörth wieder gemeinsam auftraten. Während viele österreichische und böhmische Quellen über die Kämpfe mit den Böhmen schweigen, berichten die Cont. Santacruc. I, MGH SS IX, 626 und die Annales S. Ruperti Salisb., MGH SS IX, 783 über den Aufstand Heinrichs und über die Vertreibung seiner Mutter.[4]

Heinrich starb bald darauf während einer gemeinsamen Reise mit seinem Vater in Schwaben 1227/1228.

Heinrichs Beiname

Heinrichs bekannter Beiname "der Grausame" und sein weniger bekannter Beiname "der Gottlose" sind aus dem 15. Jahrhundert. Sie finden sich erstmals bei Ladislaus von Sunthaym, der 1489 im Auftrag des Abtes von Klosterneuburg eine Genealogie der Babenberger-Familie verfasste.


Orte mit Bezug im heutigen Österreich

Erinnerung im heutigen Niederösterreich

Darstellung in Literatur und Belletristik

  • Gottlob Heinrich Heinse: Margarethe von Oesterreich, Gemahlin des unglücklichen Königs Heinrich von Hohenstauffen. Aus dem dreizehnten Jahrhundert, 2 Bde. (publiziert 1792)

Literatur

  • Karl Lechner: Die Babenberger. Markgrafen und Herzoge von Österreich 976–1246 (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Band 23). Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 6. Auflage 1996. ISBN 978-3205982296
  • Georg Scheibelreiter: Die Babenberger. Reichsfürsten und Landesherren. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2010. ISBN 978-3-205-78573-6

Weblinks

  Heinrich von Babenberg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons

Einzelnachweise

  1. vgl. Susanna Neukam: Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold. Die Babenbergerinnen und ihre Zeit. Amalthea Signum Verlag, Wien, 2013. ISBN 978-3-85002-822-6, S. 236
  2. vgl. Georg Scheibelreiter: Die Babenberger. Reichsfürsten und Landesherren. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2010. ISBN 978-3-205-78573-6, S. 303
  3. Karl Lechner: Die Babenberger, Markgrafen und Herzoge von Österreich 976 – 1246, S. 377, Anmerkung 111.
  4. Karl Lechner: Die Babenberger, Markgrafen und Herzoge von Österreich 976 – 1246, S. 377, Anm. 111
  5. vgl. Karl Lechner: Die Babenberger, 1996, S. 271

Anmerkungen

  1. Im Artikel wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit eine einheitliche Bezeichnung für ihn gewählt. Zwar ist der Beiname "der Grausame" nicht zeitgenössisch, doch dürfte Heinrich unter diesem weitgehend bekannt sein. Eine Titulierung als Herzog von Österreich oder Herzog von Steier ist insofern problematisch, als sie für ihn nicht nachgewiesen ist und er bereits vor seinem Vater starb.
  2. Angaben zum Sterbedatum nach Georg Scheibelreiter. Vgl. ders.: Die Babenberger, 2010, S. 303
Überregionale Aspekte dieses Themas werden auch in der Wikipedia unter dem Titel Heinrich der Grausame behandelt.
Hier im ÖsterreichWiki befinden sich Informationen sowie Ergänzungen, die zusätzlich von regionaler Bedeutung sind (siehe Mitarbeit).