Markgraf Ernst "der Tapfere"[A 1] (* im 11. Jahrhundert, um 1027/30;, vermutlich in Melk; † 9. Juni 1075, bei Homburg, heute Teil von Bad Langensalza)[A 2] oder Ernst der Strenge, auch Markgraf Ernst von Österreich oder Ernst "Markgraf der Bayern", herrschte über Gebiete im heutigen Niederösterreich. Bekannt ist er wegen seines Schlachtentodes, auf den auch sein Beiname Bezug nimmt.

Ernst der Tapfere, Darstellung auf einem Glasfenster in Stift Heiligenkreuz

Ehe und Nachkommen

 
Reitersiegel von Markgraf Ernst dem Tapferen

Ernst "der Tapfere" entstammte einer Herrscherfamilie, die heute als die Babenberger bezeichnet wird. Er war der Sohn des Markgrafen Adalbert "des Siegreichen" aus dessen Ehe mit Frowiza Orseolo.[1] Nach dem aktuellen Forschungsstand sind seine Eheverhältnisse ziemlich unklar. Er dürfte zweimal verheiratet gewesen sein, gesichert ist seine Ehe mit Adelheid († 1071) aus der Familie der Wettiner, einer Tochter des Markgrafen Dedo (II.) von "Meißen"[A 3] († 1075), die um 1060 geschlossen wurde.

Aus dieser Ehe hatte Markgraf Ernst mindestens einen Sohn: Markgraf Leopold (II.) "der Schöne"[A 4].[2]

Gewöhnlich werden ihm zwei weitere Kinder aus dieser Ehe zugeschrieben:

- Graf Berthold (I.) von Bogen (†1141)
- Graf Albert (II.) von Bogen († 1146)
- Gräfin Liutgard von Bogen († 1156) ∞ mit Herzog Bretislav (II.) von Böhmen († 1100)

Dieser Adalbert von Pernegg gilt zwar als historisch gesichert, dass er allerdings tatsächlich ein Sohn von Markgraf Ernst war, wird in der neueren Geschichtsforschung inzwischen kritisch hinterfragt.[3]

Nach der neueren Forschung heiratete Markgraf Ernst um / nach 1172 Suanhild von der Ungarnmark.[4] In anderen Forschungsarbeiten gilt diese Ehe allerdings als die erste Ehe des Markgrafen. Sie entstammte einem rheinischen Grafengeschlecht und war eine Verwandte von Erzbischof Hermann (II.) von Köln.[5]

Herrschaften

Ernst der Tapfere herrschte 1055-1075 als Markgraf über die Mark Österreich[A 5].[6]

Leben

Machtmittelpunkt der Herrschaft des Markgrafen Ernst "des Tapferen" könnte die Stadt Tulln gewesen sein. Sie war früher Zentrum des alten Königsgutes in der Mark Österreich und ihrer Vorgängerin, der "Awarischen Mark" gewesen, wird aber zu dieser Zeit nicht mehr in den Königsdiplomen genannt. Hinzu kommt, dass ihre geographische Lage für das damalige Areal der Mark Österreich strategisch wesentlich günstiger war als die von Melk.[7]

Mitte September 1058 fand im Marchfeld die Verlobung beziehungsweise Eheschließung zwischen Judith († um 1092), der Schwester des späteren Kaisers Heinrich IV., und Salomon († 1087), dem Sohn des ungarischen Königs Andreas (I.) († 1060) statt. Obwohl er namentlich nicht genannt ist, dürfte Markgraf Ernst zu jenen Adeligen gehört haben, welche Heinrich IV. in der Mark auf seiner Reise das Geleit gaben. Etwa zwei Jahre, obwohl namentlich wieder nicht genannt, dürfte der Markgraf zu jenen Adeligen gehört haben, die den Schutz von Judith und ihrer Familie übernahmen, als sie nach dem Sturz und Tod ihres Schwiegervaters ins Reich flüchteten. Dafür spricht jedenfalls der Umstand, dass Judith und ihre Familie zunächst in Melk Zuflucht fanden.[8] Markgraf Ernst dürfte außerdem 1063 an den Kriegshandlungen beteiligt gewesen sein, mit welchen Salomon sich die ungarische Krone sichern konnte.[9] 1066 und 1067 erfolgten königliche Schenkungen, welche im nordöstlichen Weinviertel lagen und den Siedlungsraum der Mark Österreich erweiterten. 1074 erhielt Markgraf Ernst von König Heinrich IV. eine weitere Schenkung: vierzig Hufe in einem Wald, der als "silva Rogacs" bezeichnet wird und bisher nicht eindeutig lokalisiert werden konnte. Gewöhnlich wird davon ausgegangen, dass es sich dabei um ein Gebiet im Südosten des heutigen Niederösterreichs in der Nähe von Scheibbs handelt, die Schenkung sich also im Grenzgebiet zur Karantanischen Mark befand. Aber auch die Identifizierung von "silva Rogacs" als "Raabser Wald" gilt als möglich. In diesem Fall wäre die Schenkung ein im Waldviertel gelegenes Gebiet gewesen.[10]

Die Schenkung wurde in der Königspfalz von Fritzlar ausgestellt, wo sich Markgraf Ernst seit Februar 1074 aufgehalten haben dürfte. Es spricht einiges dafür, dass er im Spätsommer 1074 König Heinrich IV. auf einem weiteren Feldzug im ungarischen Königreich begleitete, wo der König seinem Schwager Salomon im Kampf gegen dessen Cousin Geza I. unterstützte.[11] Wenig später kämpfte Markgraf Ernst im Schlacht (1075) auf der Seite von König Heinrich IV. und erlitt in der Schlacht bei Homburg an der Unstrut am 9. Juni 1075 sehr schwere Verletzungen, an denen er wenig später verstarb.[6]

Orte mit Bezug im heutigen Niederösterreich

Unter der Herrschaft von Ernst dem Tapferen wurde zwei weitere Gebiete im heutigen Bundesland Niederösterreich, die "Böhmische Mark" (an der Thaya) und die "Ungarische Mark" (an der March und an der Fischa) mit der damaligen Mark Österreich vereint.[6] Außerdem wurde mit der Rodung von Teilen des Waldviertels begonnen.[12] Eine undatierte auf ihn gefälschte Urkunde aus dem 12. Jahrhundert, die zumindest einen echten Kern hat, ist der erste konkrete Hinweis auf die Abhaltung einer überregionalen Versammlung unter seinem Vorsitz, die vermutlich um 1060, aber sicher vor 1071 stattfand. Unter den aufgelisteten Zeugen finden sich außer dem steirischen Markgrafen Otakar Angehöriger der Adelsfamilien der Sieghardinger und Formbacher sowie weitere edelfreie Familien und Minsteriale der Markgrafschaft, darunter Rudolf von Perg mit seinem Sohn Walchun, Rapoto von Kilb, Markward von Burgschleinitz, Aribo von Traisen sowie die "Kuenringer" Azzo, Anshalm und Nizo und Ulrich von Kattau.[13] Knapp vor seinem Tod erhielt Markgraf Ernst von König Heinrich IV. eine größere Landschenkung im Gebiet um Raabs an der Thaya.[14]

Erinnerungsstätten im heutigen Niederösterreich

  • Heiligenkreuz: Ernst "der Tapfere" ist auf einem der sogenannten "Babenbergerfenster" (geschaffen um 1290) im Brunnenhaus des Stiftes Heiligenkreuz dargestellt.
  • Klosterneuburg: Im Stift Klosterneuburg befindet sich der bekannten "Babenberger-Stammbaum" vom Ende des 15. Jahrhunderts, auf dem Ernst "der Tapfere" dargestellt ist.
  • Melk: Ernst "der Tapfere" gilt als Förderer von Stift Melk. Nach seinem Tod wurde er in dortigen Stiftskirche in der "Babenberger-Grablege" beigesetzt.[6] Ein Historienbild von ihm, das im 19. Jahrhundert gemalt wurde, befindet sich in der "Babenberger-Galerie" ein Eingang in das Stiftmuseum. Dort wird der bekannte "Babenbergerstammbaum" gezeigt, auf dem sein Tod dargestellt ist.

Forschungsprobleme

Markgraf Ernst wird in Quellen kaum namentlich genannt. Seine Aktivitäten erschließen sich fast nur aus den allgemeinen Funktionen seines Amtes als Markgraf. Die Erfolge, die ihm zugeschrieben werden, ergeben sich aus später erkennbaren Fakten. Nicht immer ist dabei eindeutig zu erkennen, ob jene Erfolge (zum Beispiel die "Auflösung" der Ungarnmark), die sich für das Ansehen und die Macht seiner Familie als vorteilhaft erwiesen, auf ihn selbst zurückzuführen sind oder bereits unter seinem Vater eingeleitet wurden. Eine recht gute Quellenlage gibt es nur für seinen Tod in der Schlacht bei Homburg.[11]

Literatur

Weblinks

  Ernst (Österreich) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 vgl. Walter Kleindel: Österreich Chronik. Daten zur Geschichte und Kultur. Wien / Heidelberg: Ueberreuter 1978, Stammtafel der Babenberger (im Anhang)
  2. vgl. Georg Scheibelreiter: Die Babenberger, 2010, S. 134
  3. vgl. Georg Scheibelreiter: Die Babenberger, 2010, S. 133f.
  4. vgl. Susanna Neukam: Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold. Die Babenbergerinnen und ihre Zeit. Amalthea Signum Verlag, Wien, 2013. ISBN 978-3-85002-822-6. S. 218
  5. vgl. Georg Scheibelreiter: Die Babenberger, 2010, S. 120
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Ernst der Tapfere. In: Historisches Lexikon Wien. Band 2, Kremayr & Scheriau, Wien 1993, ISBN 3-218-00544-2, S. 206.
  7. vgl. Georg Scheibelreiter: Die Babenberger, 2010, S. 121
  8. vgl. Georg Scheibelreiter: Die Babenberger, 2010, S. 121f.
  9. vgl. Georg Scheibelreiter: Die Babenberger, 2010, S. 122
  10. vgl. Georg Scheibelreiter: Die Babenberger, 2010, S. 123
  11. 11,0 11,1 vgl. Georg Scheibelreiter: Die Babenberger, 2010, S. 124
  12. Walther Krenn: Allgemeine Geschichte Europas und des nahen Ostens. Verlag Leitner & Co., Wels / Wunsiedel / Zürich, 3. Auflage 1955, S. 133
  13. vgl. Roman Zehetmayer: Überregionale Versammlungen der Babenberger in der Mark Österreich. In: S. Claudia Fellner - Daniel Luger: Semper ad fontes. Festschrift für Christian Lackner zum 60. Geburtstag (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Bd. 76). Böhlau Verlag, Wien, 2020. ISBN 978-3-205-21162-4. S. 433
  14. vgl. Klaus Lohrmann: "Die Babenberger und ihre Nachbarn". Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2020. ISBN 978-3-205-20636-1, S. 236

Anmerkungen

  1. In der Literatur finden sich mehrere Bezeichnungen. Um Verwechslungen innerhalb der Dynastie der Babenberger, aber auch mit den Herzögen von Österreich aus dem Haus Habsburg zu vermeiden, wird in diesem Artikel der Beiname verwendet, zudem der "Familienname" Babenberger keineswegs für das Mittelalter belegt ist.
  2. Ungefähres Geburtsdatum und Sterbedatum nach Felix Czeike (Hrsg.): Ernst der Tapfere. In: Historisches Lexikon Wien. Band 2, Kremayr & Scheriau, Wien 1993, ISBN 3-218-00544-2, S. 206. Als Sterbedatum findet sich gewöhnlich der 10. Juni 1075, als dessen Quelle eine Annalenstelle, aber auch der Chronist Lambert von Hersfeld gilt. Der Artikel bei Czeike dagegen beruft sich als Quelle auf die wissenschaftlichen Untersuchungen des Skelettes aus dem Jahr 1968 und folgert aus diesen, dass es aus medizinischer Sicht unwahrscheinlich ist, dass der Markgraf mit solchen Verletzungen erst am Folgetag verstarb.
  3. In der älteren Forschung wurde der Schwiegervater von Ernst dem Tapferen als Markgraf Dedo von Meißen bezeichnet, was in der neueren Forschung präzisiert wurde. Danach war er Graf in den Gauen Siusili, Serimunt und Nizizi und später Markgraf der Mark Lausitz und Graf im südlichen Schwabengau. Allerdings gehörte die Mark Lausitz damals zum Bistum Meißen.
  4. Bei der Nummerierung, die sich in den meisten Forschungsarbeiten findet, wird sein gleichnamiger Onkel Leopold gewöhnlich nicht mitgezählt, weshalb er als Leopold II. bezeichnet wird. Wird dieser einmal mitgezählt, ist er Leopold III.
  5. Aus dieser Markgrafschaft, die ursprünglich zum Stammesherzogtum Baiern gehörte, entstand 1156 das eigenständige Herzogtum Österreich, aus dem später Staaten und Staatenteile mit dem Namen Österreich hervorgingen. Die Mark umfasste zur Zeit von Markgraf Ernst aber nur Teile im heutigen Bundesland Niederösterreich.
VorgängerAmtNachfolger
Markgraf Adalbert (I.) der SiegreicheHerrscher über die Markgrafschaft Österreich
 
1055-1075
Markgraf Leopold (II.) der Schöne
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