Gertrud von Österreich und Steier
Herzogin Gertrud von Österreich und Steier[A 1] (* im 13. Jahrhundert, um 1226; † 1288, vermutlich im Kloster St. Afra, Markgrafschaft Meißen)[A 2], durch ihre Ehe eine Markgräfin von Baden, auch bekannt als Gertrud von Österreich oder Gertrud von Babenberg, versuchte sich nach dem Tod ihres Onkels, zeitweise mit Erfolg, als dessen Nachfolgerin in den Herzogtümer Österreich und Steier. Bekannt ist sie jedoch vor allem als Mutter des Markgrafen Friedrich von Baden.
Herkunft und Familie
Gertrud von Österreich und Steier war eine Angehörige jener Herrscherfamilie, die heute als die Babenberger bezeichnet wird. Sie war die Nichte von Herzog Friedrich (II.) von Österreich, besser bekannt als "Herzog Friedrich dem Streitbaren", und somit eine Enkelin von Herzog Leopold (VI.) von Österreich ("Leopold dem Glorreichen"). Ihre Eltern waren dessen anderer Sohn, Herzog Heinrich von Österreich ("Heinrich der Grausame") († um 1227), und dessen Ehefrau Agnes von Thüringen († vor 1247), eine Tochter des Landgrafen Hermann (I.), seit 1181 Pfalzgraf von Sachsen.[1]
Gertrud war dreimal verheiratet:
- ∞ in 1. Ehe mit Markgraf Wladislaw (oder Vladislav) von Mähren († 3. Jänner 1247), einem Sohn des böhmischen Königs Wenzel I., er war der ältere Halbbruder ihres späteren Gegenspielers, des "Böhmenkönigs" Ottokar (II.)
- ∞ in 2. Ehe seit 1248 mit Markgraf Hermann (VI.) von Baden († 1250)
- Friedrich von Baden (* 1249, in Alland; † 29. Oktober 1268, in Neapel)
- Agnes von Baden (* um 1250; † 2. Jänner 1295)
- ∞ in 3. Ehe seit dem Sommer 1252 mit Roman von Halicz, einem Neffen des ungarischen Königs Bela IV. († 1270), der sich schon 1253 wieder von ihr trennte[2]
- Marie von Halicz (* 1253) ∞ mit Joachim von Guthkeled, Sohn von Ban Stephan von Slawonien, dem früheren Landeshauptmann des Herzogtums Steier[3]
Obwohl Gertrud um 1241 bereits mit ihrem ersten Ehemann offiziell verlobt war, gab es einige Jahre später noch Pläne, sie mit Kaiser Friedrich II. "Stupor Mundi" († 1250) zu verheiraten. Eine Eheschließung, die für Juni 1245 festgelegt worden war, also ein Monat, bevor der Kaiser vom Papst abgesetzt wurde, kam aber letztlich nicht zustande.[1][4][5]
Die Erbin
Da Gertruds Vater bereits vor 1230 starb, folgte sein jüngerer Bruder, Herzog Friedrich (II.) "der Streitbare" seinem Vater als Herzog von Österreich und Steier nach. Dieser vereinbarte um 1238 Gertruds Eheschließung mit Herzog Wladislaw von Mähren mit dem Vater des Bräutigams, dem böhmischen König Ottokar (I.), nachdem dem dieser ihn bei der Rückgewinnung seiner Herzogtümer gegen Kaiser Friedrich II. unterstützt hatte. Offiziell verlobt wurde Gertrud mit Wladislaw aber erst 1241, als sie ca. 11 Jahre alt war.[6] Die Hochzeit zwischen ihr und dem Markgrafen wurde jedoch von ihrem Onkel in den Folgejahren immer wieder aufgeschoben. In der neueren Forschungsliteratur wird davon ausgegangen, dass er das tat, weil er nicht imstande war, ihre Mitgift zu bezahlen.
Gertruds erste Ehe wurde noch 1246, also bald, nach Herzog Friedrichs Tod, geschlossen. Markgraf Wladislaw wurde von den meisten Landadeligen der Herzogtümer Österreich und Steier als sein Nachfolger anerkannt, starb aber bereits am 3. Jänner 1247 an einer kurzen Krankheit, noch ehe er sich endgültig als Herrscher durchsetzt hatte.[7][1] Wie später auch bei ihrem zweiten Ehemann Hermann findet sich in der (älteren) Literatur die Behauptung, dass er vergiftet worden war.[8] Wenige Monate später, im Sommer 1247, schloss Gertrud ihre zweite Ehe mit dem Markgrafen Hermann von Baden.[7] Diese wurde vom Papst vermittelt.[2]
Die Herzogin
Nach dem Tod von Herzog Friedrich dem Steitbaren beanspruchte Gertrud von Österreich, die den Titel "Ducissa Austrie et Stirie" führte, gestützt auf das Privilegium minus, die Herrschaft über die Herzogtümer Österreich und Steier. Obwohl der Kaiser ihre Ansprüche ignorierte, konnte sie sich zunächst mit Einschränkungen durchsetzen, da sie von päpstlicher Seite unterstützt wurde. 1248 erklärte sie Papst Innozenz IV. für erbberechtigt.[3] An ihrem Hof dürfte der Notar Otto von Mödling 1249/50 jene Abschrift des Privilegium minus angefertigt haben, die sich in einer "Klosterneuburger Handschrift" erhalten hat und in der neueren Forschung als gültige Edition des angeblich ursprünglichen Textes, der nicht erhalten ist, gilt.[9] Nach ihrer zweiten Eheschließung konnte sich Gertrud mit Hilfe der vorländischen Kontigente, über die ihr Ehemann zunächst verfügte, zunächst im Viertel unter dem Wienerwald behaupten. Sie erreichte außerdem, dass der von Kaiser Friedrich II. als Landesverweser eingesetzte Graf Otto von Eberstein im Sommer 1248 als solcher resignierte. Gegen einen weiteren Versuch des Kaisers, nun einen Wittelsbacher als seinen Statthalter im Herzogtum Österreich einzusetzen, leistete der Adel im "oberen Österreich" erbitterten Widerstand. Allerdings fanden Gertrud und ihr neuer Ehemann Hermann ebenfalls nur wenige verlässliche Parteigänger, die ihre Ansprüche tatsächlich unterstützten. Zu diesen gehörten der Landrichter Heinrich Schenk von Haßbach und die Brüder Preußl, die bereits verlässliche Gefolgsleute ihres Onkels Friedrich gewesen waren. Diesem verdankten sie im Wesentlichen auch ihren Aufstieg in die Führungshierarchie. Heinrich von Haßbach wechselte allerdings schon wenige Jahre später auf die Seite von König Ottokar.[10] Ein weiterer Teil des Adels, so zum Beispiel die Grafen Konrad (III.) († 1260) und Otto (II.) († 1260) von Plain und Hardegg oder Heinrich (I.) von Liechtenstein blieben zunächst neutral, ließen sich aber diese Haltung entsprechend honorieren.[11] Nach dem Tod ihres Ehemannes Hermann versuchte Gertrud ihre Stellung in den Herzogtümern mit Hilfe des ungarischen Königs zu behaupten und schloss daher eine weitere Ehe mit einem seiner Verwandten, Roman von Halicz.[2]
Die Vertriebene
Letztlich konnte sich König Ottokar, der 1252 Gertruds Tante Margarete († 1266) geheiratet hatte, nicht nur im Herzogtum Österreich, sondern auch im Herzogtum Steier behaupten. Bereits im "Frieden von Ofen" (1254) verzichtete Gertrud auf das Herzogtum Österreich und Teile des Herzogtums Steier, darunter das Pittnerland[12]. Das Herzogtum Österreich kam nun endgültig an König Ottokar, das Herzogtum Steier an König Bela (IV.).[3] Dieser wies Gertrud einige Ämter in diesem an. Nach 1254 lebte sie zurückgezogen in Voitsberg und Judenburg, war aber keineswegs bereit, ihren Rechtsanspruch auf die Herzogtümer Österreich und Steier für sich oder ihren Sohn Friedrich endgültig aufzugeben.[12]
König Bela IV. musste das Herzogtum Steier nach weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen im "Frieden von Wien (1261) ebenfalls König Ottokar überlassen.[3] Nachdem König Ottokar seine Ehe mit Gertruds Tante auflösen ließ und sich König Bela annäherte, brachte er 1267 auch die letzten, ihr und ihrem Sohn Friedrich im Herzogtum Steier verbliebenen Besitzungen an sich. Nach der Hinrichtung ihres Sohnes nötigte er sie 1269 das Herzogtum Steier endgültig zu verlassen.
Bei dieser Vertreibung könnte auch der Tod von Herzog Ulrich von Kärnten († um 1269), den ihre Tochter Agnes geheiratet hatte, eine Rolle gespielt haben. Seit 1266 hatte sich Gertrud häufig an seinem Hof aufgehalten. Sie verbrachte ihre letzten Lebensjahre in der Markgrafschaft Meißen, wo damals der Ehemann ihrer bereits verstorbenen Tante Konstanze regierte. 1288 starb sie in einem Kloster.[2]
Orte mit Bezug im heutigen Österreich
Niederösterreich
- Röhrenbach: Am 6. Februar 1252 stiftete Herzogin Gertrud dem Benediktinerkloster Altenburg die Kirche in Röhrenbach als Kompensation für Schäden, welche die Kirche durch ihren bereits verstorbenen Ehemann Hermann erlitten hat.[13]
Steiermark
- Nach 1254 hielt sich Gertrud meistens in Voitsberg und Judenburg auf, ehe sie 1266 endgültig vertrieben wurde.[3]
Wien
Erinnerungsstätten im heutigen Österreich
Niederösterreich
- Alland: In Alland, wo Gertrud während ihrer zweiten Ehe ihren Sitz hatte, hat sich die Erinnerung an sie und ihren Sohn Friedrich erhalten. Hier findet sich eine Gedenktafel, auf der über ihr Leben berichtet wird.
- Klosterneuburg: Gertrud ist auf dem bekannten "Babenberger-Stammbaum" vom Ende des 15. Jahrhunderts, der im Museum des Stiftes besichtigt werden kann, dargestellt.
- Markt Piesting: Die Burg Starhemberg, die eine wichtige Residenz von Herzog Friedrich dem Streitbaren gewesen war, gehörte zu jenen Burgen im Herzogtum Österreich, welche Gertrud als Erbin beanspruchte. 1254 musste sie jedoch im "Frieden von Preßburg" verzichten, die Burg kam an ihren Gegenspieler, den "Böhmenkönig" Ottokar.[14]
Die "letzte" Babenbergerin in Sage und Legende
Überliefert wird, dass das geplante Eheprojekt zwischen Gertrud und Kaiser Friedrich II., das ihrem Onkel die Königswürde einbringen sollte, an ihrer persönlichen Weigerung, den Kaiser zu heiraten, gescheitert sein soll. Als Gründe werden vermutet, dass sie selbst ihre Verlobung mit Wladislaw nicht auflösen oder dass sie keinen "alten" Mann heiraten wollte. Da sie später bei ihrem Kampf um das "Babenberger-Erbe" zunächst von der päpstlichen Seite unterstützt wurde, wird auch der Umstand, dass der Kaiser im Kirchenbann war, als Grund angeführt.[1] Merkwürdig ist jedenfalls, dass das Ganze offensichtlich keine Konsequenzen für Gertrud hatte, irgendwelche Maßnahmen dazu von Seiten des Kaisers oder Herzogs sind nicht überliefert.[15] Belegte Information zu den tatsächlichen Hintergründen dieses Projektes sind in der Forschung bisher jedoch nicht entdeckt worden.
Die "letzte Babenbergerin" in Belletristik und Literatur
- Benedikte Naubert: Konradin von Schwaben. Oder Geschichte des unglücklichen Enkels Kaiser Friedrichs des Zweiten, 1790. Bd.1 digital, Bd.2 digital
Literatur
- Heinz Dopsch - Karl Brunner - Maximilian Weltin (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1122–1278. Die Länder und das Reich. Der Ostalpenraum im Hochmittelalter. Verlag Ueberreuter, Wien, 1999. ISBN 3-8000-3525-1
- Karl Lechner: Die Babenberger. Markgrafen und Herzoge von Österreich 976–1246 (= Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Band 23). Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 6. Auflage 1996. ISBN 978-3205982296
- Susanna Neukam: Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold. Die Babenbergerinnen und ihre Zeit. Amalthea Signum Verlag, Wien, 2013. ISBN 978-3-85002-822-6
- Georg Scheibelreiter: Die Babenberger. Reichsfürsten und Landesherren. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2010. ISBN 978-3-205-78573-6
Weblinks
Gertrude of Babenberg, Margravine of Baden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons
- Literatur von und über Gertrud von Österreich und Steier im Katalog des Österreichischen Bibliothekenverbundes
- Markgräfin Gertrud von Mähren und Baden, GedaechtnisDesLandes
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 vgl. Susanna Neukam: Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold, 2013, S. 236
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 vgl. Susanna Neukam: Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold, 2013, S. 237
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 vgl. Herzogin Gertrud, Markgräfin von Mähren und Baden, GedaechtnisDesLandes, abgerufen am 9. September 2020
- ↑ vgl. Armin Wolf: Die Babenberger und Habsburger in Österreich als Königswähler und Königskandidaten (Kurzbeitrag). In: Armin Wolf (Hrsg.): Königliche Töchterstämme, Königswähler und Kurfürsten (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte. Bd. 152). Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main, 2002. ISBN 3-465-03200-4,, S. 208
- ↑ vgl. Klaus Lohrmann: "Die Babenberger und ihre Nachbarn". Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2020. ISBN 978-3-205-20636-1, S. 25f.
- ↑ vgl. Dopsch-Brunner-Weltin: Österreichische Geschichte 1122–1278, 1999, S. 442
- ↑ 7,0 7,1 vgl. Dopsch-Brunner-Weltin: Österreichische Geschichte 1122–1278, 1999, S. 444
- ↑ vgl. Susanna Neukam: Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold, 2013, S. 42
- ↑ vgl. Klaus Lohrmann: "Die Babenberger und ihre Nachbarn". Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2020. ISBN 978-3-205-20636-1. S. 26
- ↑ vgl. Maximilian Weltin: Landesfürst und Adel - Österreichs Werden. In: Heinz Dopsch - Karl Brunner - Maximilian Weltin (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1122–1278. Die Länder und das Reich. Der Ostalpenraum im Hochmittelalter. Verlag Ueberreuter, Wien, 1999. ISBN 3-8000-3525-1, S. 255 und S. 257
- ↑ vgl. Maximilian Weltin: Landesfürst und Adel - Österreichs Werden. In: Heinz Dopsch - Karl Brunner - Maximilian Weltin (Hrsg.): Österreichische Geschichte 1122–1278. Die Länder und das Reich. Der Ostalpenraum im Hochmittelalter. Verlag Ueberreuter, Wien, 1999. ISBN 3-8000-3525-1, S. 255f.
- ↑ 12,0 12,1 vgl. Dopsch-Brunner-Weltin: Österreichische Geschichte 1122–1278, 1999, S. 448
- ↑ vgl. Brigitte Rigele: Die Maissauer. Landherren im Schatten der Kuenringer. (Ungedruckte) Dissertation, Universität Wien, 1990, S. 29
- ↑ vgl. Ilse Schöndorfer: Steine und Sagen. Burgruinen in Niederösterreich. Verlag Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten / Wien, 1999. ISBN 3-85326-114-0, S. 203
- ↑ vgl. Susanna Neukam: Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold, 2013, S. 43
Anmerkungen
- ↑ Im Artikel wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit eine einheitliche Bezeichnung für diese Dame ausgewählt, welche in der Literatur unter verschiedenen Namen zu finden ist.
- ↑ Angaben zu Geburts- und Sterbedaten nach Hinweisen bei Susanna Neukam: Schweigen ist Silber, Herrschen ist Gold, 2013, S. 236 und S. 237. Nach der Website Herzogin Gertrud, Markgräfin von Mähren und Baden, GedaechtnisDesLandes ist Gertrud am 24. April 1288 oder 9. Juli 1288 in Seuslitz (heute Teil der Gemeinde Diesbar-Seußlitz) verstorben.
- ↑ Die Burg befand sich auf dem heutigen Leopoldsberg, der bis zur "Zweiten Wiener Türkenbelagerung" (1683) den Namen Kahlenberg hatte. Der heutige Kahlenberg hieß bis zur "Zweiten Wiener Türkenbelagerung" Schweineberg.
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