Der Strafprozess gegen Martha Bernklau und ihre Mutter Franziska Bernklau fand am 13. Mai 1924 in Wien statt. Die Anklage lautete auf Verleumdung.nach § 209 Strafgesetz Martha Bernklau hatte ihren Vater Nathan Bernklau wegen der Anstiftung zu „schweren sittlichen Verfehlungen“, also Vergewaltigung und Inzest angezeigt. Das Oberlandesgericht sprach die Mutter frei und verurteilte die 18jährige Martha Bernklau zu vier Monaten strengen Arrests. Der Vater trat in dem Prozess als Zeuge auf. Das Verfahren gab einen Einblick in eine von Brutalität und Zerrüttung gezeichnete Familie und beschäftigte weite Teile der österreichischen Presse.[1][2]

Prozessbericht in der Zeitung Die Stunde

Martha Bernklau wuchs bei einer Pflegemutter auf, bis sie 1914 im Alter von acht Jahren zu ihrer Mutter kam. Die Ehe der Eltern war 1913 geschieden worden, nachdem die Mutter dem Vater Vitriol (Schwefelsäure) ins Gesicht geschüttet hatte. Sie wurde zu sechs Monaten Kerkerhaft verurteilt. Wieder frei erstattete sie Strafanzeige gegen ihren Ex-Ehemann, der ihr angeblich nach dem Leben trachtete. Nathan Berklau kam drei Monate in Untersuchungshaft. Die Mutter unternahm zwei weitere Versuche, mit Nathan Bernklau abzurechnen und wurde dafür erneut verurteilt.

1922 warf die Mutter die 17jährige Martha aus der Wohnung. Das Mädchen verbrachte eine Zeitlang auf der Straße und zog zu ihrem Vater. Dort erkrankte Martha an einer Geschlechtskrankheit, wurde von der Sittenpolizei unter dem Verdacht der Prostitution aufgegriffen und kam ins Rudolfsspital. Nach einem Besuch ihrer Mutter im Krankenhaus erstattete dieses Anzeige gegen den Vater wegen „Blutschande“. Der Vater wusste von der Anzeige nichts, wollte die Tochter in der Klinik besuchen und wurde vom behandelnden Arzt abgewiesen. Wenige Tage später kam er in Haft.

1923 zeigte der Vater die Mutter und Tochter wegen Verleumdung an. Der Strafprozess am 13. Mai 1924 sprach die Mutter frei und verurteilte Martha Bernklau zu vier Monaten Haft.[3] Das Gericht hielt abschließend alle Anschuldigungen gegen den Vater für nichtig.

Literatur

Peter Rohregger: Sittenloses Landvolk: Unmoral und Sexualverbrechen vor 100 Jahren. S. 294 f. Book on Demand, 2022

Einzelnachweise

  1. ANNO, Die Stunde, 1923-08-11. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  2. ANNO, Der Tag, 1924-05-14. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  3. ANNO, Neue Freie Presse, 1924-05-14, Seite 11. Abgerufen am 17. Mai 2024.