Der Österreichische Stabilitätspakt (Abk.: ÖStP) regelt die Verpflichtungen der Gebietskörperschaften zur nachhaltigen Einhaltung der fiskalpolitischen Kriterien der Europäischen Union (EU) durch die öffentlichen Haushalte der Republik Österreich.[1]

Durch die im ÖStP enthaltenen Stabilitätsverpflichtungen sollen wichtige Beiträge zur Erreichung dauerhaft stabiler und gesunder öffentlicher Finanzen der öffentlichen Hand und damit zur Kosteneinsparung geleistet werden.

Hierzu wurden unter anderem Defizitgrenzen für die Ebenen der Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) festgelegt und auch bundes- und landesgesetzlich festzulegende Haftungsobergrenzen[2], Informationspflichten, die Bildung von Risikovorsorgen sowie Sanktionsmechanismen. Es wurde auch erforderlich, finanzpolitische Abschätzungen von geplanten nationalen Rechtsvorhaben auf das zukünftige Budget durchzuführen.[3]

Ursache und Ziele

Der Österreichische Stabilitätspakt ist das Ergebnis der Verpflichtungen Österreichs aus dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt, um im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion finanzpolitische Stabilität zu erreichen (insbesondere für den Euro und die Staaten der Eurozone).[4]

Geschichte

Im Zusammenhang mit der Verpflichtung Österreichs als Mitgliedstaat der Europäischen Union und den damit zusammenhängenden zusätzlichen Verpflichtungen zur finanzpolitischen Stabilität wurden mehrjährigen Verhandlungen geführt. 1998 folgte die Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften (BGBl. I Nr. 35/1999).

2001 wurde der erste Stabilitätspakt zwischen den Gebietskörperschaften in Österreich abgeschlossen (BGBl. I Nr. 39/2002), 2005 ([2] und 2008 (BGBl. I Nr. 127/2008) folgten weitere diesbezügliche, jeweils befristete Artikel 15a B-VG-Vereinbarungen (parallel zum jeweils gültigen Finanzausgleichsgesetz). Bedingt durch die von internationalen Großbanken und Investmentfonds ausgelöste Weltwirtschaftskrise ab 2007 konnten die Ziele des Stabilitätspaktes 2008 auch in Österreich nicht eingehalten werden. Diese Wirtschaftskrise sowie der damit verbundene Konjunktureinbruch 2009 und die dadurch notwendigen Maßnahmen, brachten eine drastische Verschlechterung der budgetären Situation aller Gebietskörperschaften in Österreich mit sich.

Es folgte daraufhin der Stabilitätspakt 2011 (BGBl. I Nr. 117/2011) und kurz danach der Stabilitätspakt 2012.[5] Mit dem Stabilitätspakt 2011 wurden Haftungsobergrenzen (Artikel 10 ÖStP 2011 / Artikel 13 ÖStP 2012) eingeführt im Hinblick auf die Probleme rund um die Kärntner Hypo Alpe Adria und die dort stattgefundene Misswirtschaft und Haftungsübernahmen durch das Land Kärnten (bis zu 24,7 Mrd. Euro[6]) unter dem damaligen Landeshauptmann Jörg Haider. Im Hinblick auf internationale und europäische Vorgaben wurden auch Transparenzregeln (Artikel 17 ÖStP 2011 / Artikel 25 ÖStP 2012) neu vorgesehen. Seither ist ausdrücklich geregelt, dass die Berichte und Beschlüsse im Zusammenhang mit dem Stabilitätspakt auf der Homepage des Finanzministeriums veröffentlicht werden. Bei den Haftungen haben die Gebietskörperschaften nunmehr auch für Außerbudgetäre Einheiten einzustehen und diese zu berücksichtigen (siehe: Außerbudgetäre Einheiten des Bundes).

Der Stabilitätspakt 2012 (BGBl. I Nr. 30/2013) gilt nunmehr unbefristet. Durch ihn wurde auch nach langer politischer Diskussion das System mehrfacher Fiskalregeln eingeführt (siehe unten).

Aufgrund der von der Europäischen Kommission 2020 bis 2023 genehmigten Ausnahmeregelungen bezüglich des Europäischen Stabilitätsmechanismus konnten auch in Österreich Milliarden an Steuergeld für COVID-19-Fördermaßnahmen aufgewendet werden, ohne den österreichischen Stabilitätspakt zu verletzen (§ 11 ÖStP).[7]

Beteiligte und Vereinbarung

In einem bundesstaatlichen System wie in Österreich ist eine Koordinierung der Fiskalpolitik nur durch Zusammenwirken aller Beteiligten möglich. Daher wurde auf oberster Ebene eine Vereinbarung zwischen

über einen Konsultationsmechanismus[9] und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften getroffen worden.

Die Vereinbarung als Artikel 15a B-VG-Vereinbarung wird auch als "innerstaatlicher Staatsvertrag" bezeichnet (Artikel 15a bezieht sich auf den Artikel 15a Abs. 1 im Bundes-Verfassungsgesetz idF 1929, nach welchem Bund und Länder untereinander Vereinbarungen über Angelegenheiten ihres jeweiligen Wirkungsbereiches schließen können).

System mehrfacher Fiskalregeln

Gemäß Artikel 2 des ÖStP 2012 gilt ein System mehrfacher Fiskalregeln, welches in Österreich abgestuft eingeführt wurde. Bund, Länder und Gemeinden vereinbarten zur Umsetzung der Vorgaben des Artikel 13 B-VG[10], des Unionsrechts und des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion ein System mehrfacher Fiskalregeln, die sämtlich bei der jeweiligen Haushaltsführung zu beachten sind (Artikel 2 Abs. 1 ÖStP 2012). Dieses System umfasst seit 2012 zentral:

  1. eine Regel über den jeweils zulässigen Haushaltssaldo nach ESVG (Maastricht-Saldo) – Artikel 3 ÖStP 2012;[11]
  2. eine Regel über den jeweils zulässigen strukturellen Saldo (Schuldenbremse) – Artikel 5 ÖStP 2012;[12][13][14][15][16][17]
  3. eine Regel über das jeweils zulässige Ausgabenwachstum (Ausgabenbremse) – Artikel 9 ÖStP 2012;[18]
  4. eine Regel über die Rückführung des jeweiligen öffentlichen Schuldenstandes nach ESVG (Schuldenquotenanpassung) – Artikel 10 ÖStP 2012;[19]
  5. eine Regel über Haftungsobergrenzen – Artikel 13 ÖStP 2012;
  6. Regeln zur Verbesserung der Koordination der Haushaltsführung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, zur mittelfristigen Haushaltsplanung, zur gegenseitigen Information und zur Erhöhung der Transparenz der Haushaltsführung – Artikel 14 ff und 24 ÖStP 2012;
  7. Regeln über Sanktionen und das Sanktionsverfahren bei Abweichungen von einer der vereinbarten Regeln – Artikel 19 ff ÖStP 2012.[20]

Ab 2017 haben nach dem ÖStP 2012 die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden über den Konjunkturzyklus grundsätzlich ausgeglichen oder im Überschuss (positiver Saldo) zu sein.

Inkrafttreten

Der Österreichische Stabilitätspakt 2011 trat noch rückwirkend mit 1. Jänner 2011 in Kraft. Der Österreichische Stabilitätspakt 2012 gilt nunmehr unbefristet.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Siehe hierzu auch den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, BGBl. III Nr. 17/2013, für Österreich 1. Jänner 2013 in Kraft getreten, Verordnung (EU) Nr. 472/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über den Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung von Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet, die von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität betroffen oder bedroht sind; Verordnung (EU) Nr. 1173/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet, Verordnung (EU) Nr. 1174/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet; Verordnung (EU) Nr. 1175/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken; Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte; Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit; Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten) und der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Bestimmungen für die Überwachung und Bewertung der Übersichten über die gesamtstaatliche Haushaltsplanung und für die Gewährleistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten.
  2. Haftungen sind z. B.: Bürgschaften, Garantien, Patronatserklärungen etc.
  3. Siehe hierzu z. B.: Richtlinien für die Ermittlung und Darstellung der finanziellen Auswirkungen neuer rechtsetzender Maßnahmen gemäß § 14 Abs. 5 des Bundeshaushaltsgesetzes (BHG) , BGBl. I Nr. 50/1999 oder die mehrfach geänderte Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über die Abschätzung der finanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte im Rahmen der wirkungsorientierten Folgenabschätzung bei Regelungsvorhaben und sonstigen Vorhaben (WFA-Finanzielle-Auswirkungen-Verordnung – WFA-FinAV), BGBl. I Nr. 490/2012. Ausnahmen von der Abschätzung der finanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte bei Regelungsvorhaben bestehen z. B. bei Rechtssetzungsmaßnahmen, soweit zwingende EU-Vorschriften oder Völkerrecht umsetzen sind (Übererfüllung / Gold Plating ist jedoch davon nicht ausgenommen), im Abgabenrecht und Artikel 15a B-VG-Vereinbarungen.
  4. Rechtsgrundlage des Stabilitäts- und Wachstumspakts ist Artikel 126 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und das an den Vertrag angefügte Protokoll Nr. 12, C 2010/83, S. 201. Siehe auch zur Entwicklung dieser Bestimmung: Antonius Opilio: EUV | EGV | AEU, Dornbirn 2008, Edition Europa Verlag.
  5. Der ÖStP 2011 hätte ursprünglich geplant bis 2014 gelten sollen.
  6. Im Kärntner Haushaltsvoranschlag für 2010 schien diese Haftung nicht auf (Kärnten haftet bis 2017 für Hypo-Schulden. Oberösterreichische Nachrichten, 4. Jänner 2010.
  7. Budgetbericht 2024, Webseite: bmf.gv.at vom Oktober 2023, S. 295.
  8. Siehe: BGBl. I Nr. 61/1998.
  9. Die Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus bestimmt die Regeln des Umgangs, wenn Gesetze der einen Ebene (Gebietskörperschaft) finanzielle Auswirkungen auf eine andere Ebene haben. Ausgenommen vom Konsultationsmechanismus sind jedoch Maßnahmen auf dem Gebiet des Abgabenrechts, da dies im Rahmen des Finanzausgleichsgesetz bereits verhandelt wurde bzw. wird (siehe § 6).
  10. Artikel 13 B-VG:
    (1) Die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder auf dem Gebiet des Abgabenwesens werden durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz („Finanz-Verfassungsgesetz“) geregelt.
    (2) Bund, Länder und Gemeinden haben bei ihrer Haushaltsführung die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes und nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben. Sie haben ihre Haushaltsführung in Hinblick auf diese Ziele zu koordinieren.
    (3) Bund, Länder und Gemeinden haben bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben.
  11. Der Maastricht-Saldo ist bis 2016 anzuwenden und wird in dieser Funktion 2017 vom strukturellen Saldo abgelöst. Österreich soll dann gesamtstaatlich ein nahezu ausgeglichenes Budget als Normalfall haben. Der strukturelle Saldo des Gesamtstaates soll dann max. -0,45 % des BIP betragen. Gemäß Artikel 3 Abs. 4 ÖStP 2012 kann im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen (also nicht selbst von diesem durch Gesetzgebung verursacht wurde wie z. B. die Coronakrise 2020 (siehe: Chronologie der Corona-Krise in Österreich) und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können die gemäß Artikel 3 Abs. 1 bzw. Artikel 7 ÖStP 2012 zulässigen Grenzen nach Information des Koordinationskomitees für den Bund mit Beschluss des Nationalrates, für die Länder und Gemeinden mit Beschluss des jeweiligen Landtages unterschritten werden.
  12. Der strukturelle Saldo unterscheidet sich vom Maastricht-Saldo dadurch, dass konjunkturelle Effekte und Einmalmaßnahmen neutralisiert werden. Der Blick auf die Lage der jeweiligen Staatsfinanzen wird daher nicht durch konjunkturelle Einflüsse verzerrt. Dies ist eine in der EU schon lange für alle Unionsmitgliedstaaten bekannte Berechnungsmöglichkeit.
  13. Siehe auch: Verordnung der Bundesministerin für Finanzen zur Definition und Berechnung des strukturellen Haushaltssaldos, Führung des Kontrollkontos sowie zur Festlegung der Rechtsträger gemäß § 2 Abs. 4 Z 2 BHG 2013 (Schuldenbremsenverordnung), BGBl. II Nr. 79/2013.
  14. [1] The Swiss Debt Brake: An Implementation Proposal for Austria Brandner, Frisch, Grossmann, Hauth - Wirtschaftskammer Österreich, Wirtschaftspolitische Blätter, Heft 1/2006, Wien bzw. Eine Schuldenbremse für Österreich Brandner, Frisch, Grossmann, Hauth - Februar 2005 bzw. Fiscal Spending Rules in Europe Grossmann, Hauth - Monetary Policy and the Economy Q4/05
  15. Regierungsvorlage zur Schuldenbremse Schuldenbremse in der Verfassung
  16. Website des Österreichischen Nationalrats: Abgeordnete wollen am 25. September letzte Gesetze vor der Wahl verabschieden. 24. September 2019, abgerufen am 24. September 2019.
  17. Website des Österreichischen Nationalrats: Bundesrat blockiert Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung. 10. Oktober 2019, abgerufen am 10. Oktober 2019.
  18. Die Beschränkung des Ausgabenwachstums bezieht sich auf den Bund (einschließlich der ausgegliederten Einheiten), jedes Bundesland (einschließlich der dort ausgegliederten Einheiten) sowie die Gemeinden jeden Bundeslandes. Das jeweilige Wachstum der Ausgaben jeder Gebietskörperschaft hat im Sinne der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 idF VO 1175/11 des Rates über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken zu erfolgen.
  19. Die Verordnung (EG) Nr. 1467/97 idF VO 1177/2011 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit ist von den Gebietskörperschaften einzuhalten (gesamtstaatliche Schuldenquote unter den Referenzwert von 60 % des nominellen BIP) Eine Überschreitung der 60 %-Grenze verpflichtet zu verstärkter gesamtstaatlicher Konsolidierungsanstrengungen.
  20. Verstößen gegen die Defizitvorgaben aus dem ÖStP 2012 durch Gebietskörperschaften werden in Form eines mehrstufigen Verfahrens nach EU-Vorbild sanktioniert.