Whistleblower (auch: Informant, Hinweisgeber, Enthüller oder Aufdecker) sind in Österreich Personen, die Hinweise auf Rechtsverletzungen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang durch andere Personen geben (entweder offen oder anonym).

Name

Der Begriff Whistleblower stammt aus dem Englischen (engl.: to blow the whistle im Sinne von in die Pfeife blasen. Gemeint ist damit umgangssprachlich im deutschen Sprachraum, dass man jemand auffliegen lässt bzw. verpfeift.

Aufdeckung von Rechtswidrigkeiten

Whistleblowern sind bestimmte geheime oder geschützte Umstände bekannt, die ohne ihre Offenlegung zur Schädigung von Personen oder Sachen führen oder bei denen die Öffentlichkeit bewusst irregeführt wurde. Typische Straftaten die in der Regel nur durch Whistleblower aufgedeckt werden können, weil die Strafverfolgungsbehörden von diesen sonst keine oder nur schwer Kenntnis haben, sind (Beispiele):

Regelmäßig betreffen solche illegalen geheimen Vorgänge die Politik, Verwaltungsbehörden, die Justiz und private bzw. öffentliche Wirtschaftsunternehmen. In den Geltungsbereich des HSchG fallen jedoch nur nur bestimmte Gesetzsverstöße, die ein Whistleblower bei der Hinweisgebermeldestelle aufzeigen bzw. melden darf (Beispiele):

  • öffentliches Auftragswesen,
  • Bereich der Finanzdienstleistungen,
  • Verstöße gegen Umweltschutz oder
  • Verkehrssicherheit oder
  • Lebensmittel- und Produktsicherheit oder
  • die öffentliche Gesundheit,
  • den Datenschutz,
  • Korruption oder den
  • Missbrauch von EU-Fördergeldern.

Wer andere Rechtsverletzungen wie etwa

  • systematische Arbeitszeitverletzungen,
  • Lohndumping,
  • gefährliche Arbeitsbedingungen,
  • Untreue
  • sexuelle Belästigung melden will kann dies bei den Hinweisgebermeldestellen nicht tun.[1]

Geschichte

In Österreich in der jüngeren Zeit ist vor allem der Noricum-Skandal bekannt, bei dem der aufdeckende Whistleblower, der österreichische Botschafter in Athen, Herbert Amry, am 12. Juli 1985 unter bis heute ungeklärten Umständen verstarb.[2]

Der österreichische Gesetzgeber fand es jedoch bis 2023 nicht notwendig, für Whistleblower einen Schutz einzuführen. Verspätet wurde im Februar 2023 die EU-Richtlinie 2019/1937 zum Schutz von Hinweisgebern in Kraft gesetzt[3], nachdem die Europäische Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren wegen verspäteter Umsetzung eingeleitet hatte (die Richtlinie hätte bis spätestens 17. Dezember 2021 umsetzen sein müssen).[4]

Das im Februar 2023 in Kraft getretenen HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) wurde in Österreich sodann so ausgestaltet, dass Whistleblower in Österreich vor strafrechtlicher Verfolgung (siehe aber Kronzeuge) und vor Offenlegung ihrer persönlichen Daten nicht geschützt sind (siehe § 3 Abs. 6 Zif. 4 HSchG), somit der eigentliche Zweck, der Schutz der Hinweisgeber auch im Strafverfahren, nicht erfüllt wird. Verena Nussbaum (SPÖ) meinte zu diesem Gesetz: Dieses sei trotz der langen Verzögerung ein "Pfusch" geworden und enthalte einige "schwere Fehler". Man habe den Gestaltungsspielraum zu Gunsten der Unternehmen ausgeschöpft und nicht zu Gunsten der Hinweisgeber:innen.[5] Johannes Margreiter NEOS vertrat die Ansicht, dass die Bundesregierung nur das unbedingt Notwendige getan habe, um die EU-Richtlinie umzusetzen, das Kernanliegen dahinter aber habe sie nicht begriffen. Dabei wäre es seiner Meinung nach angesichts des weiteren Abrutschens Österreichs im Korruptionsranking umso wichtiger, funktionierende und effiziente Instrumente einzuführen, um Korruption auch im privaten Wirtschaftsbereich zu verhindern.[1]

Whistleblower

Whistleblower bzw. geschützte Personen im Sinne des § 2 HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) können zum Beispiel sein:

  • Arbeitnehmer oder Bedienstete oder überlassene Arbeitskräfte im privaten oder öffentlich-rechtlichen Bereich, die im aktiven Dienst stehen oder den Betrieb bereits verlassen haben;
  • Bewerber um eine Stelle, Praktikanten, Volontäre oder sonstige Auszubildende;
  • selbständig erwerbstätige Personen oder
  • Mitglieder eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans eines Arbeitgebers (Rechtsträgers) oder
  • Subunternehmers oder deren Mitarbeiter oder
  • Lieferanten,
  • Anteilseigner
  • natürliche Personen, die Hinweisgeber bei der Hinweisgebung unterstützen,
  • natürliche Personen im Umkreis des Hinweisgebers, die, ohne die Hinweisgebung zu unterstützen, von nachteiligen Folgen der Hinweisgebung wie Vergeltungsmaßnahmen betroffen sein können,

Das HSchG gilt nicht für (Beispiele):

  • Personen, für welche Verschwiegenheitspflichten der gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe gelten;
  • Rechtsanwälte, Notare Wirtschaftstreuhandberufe und deren Auszubildende;
  • Seelsorger einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft oder einer eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft für Informationen, die in einem Seelsorgegespräch anvertraut wurden.

Für diese Berufe gelten eigene Regelungen.

Hinweisgebermeldesystem

Grundsätzlich müssen verschiedene Einrichtungen, Behörden und Unternehmen, gemeinnützige Einrichtungen, Vereine etc.[1][5] in Österreich Hinweisgebermeldesysteme (bzw. eine Hinweisgebermeldestelle) einrichten (nicht aber Einzelunternehmer). So zum Beispiel:

  • alle private und öffentlich-rechtliche Unternehmungen ab fünfzig Mitarbeitern,
  • Gebietskörperschaften (Gemeinden).

Weitere Hinweisgebermeldesysteme bestehen z. B. bei

  • Abschlussprüferaufsichtsbehörde,
  • Bilanzbuchhaltungsbehörde,
  • Bundeswettbewerbsbehörde,
  • Finanzmarktaufsichtsbehörde,
  • Geldwäschemeldestelle nach dem Bundeskriminalamt-Gesetz,
  • Notariatskammern
  • Rechtsanwaltskammern
  • Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer

Arbeitnehmer von Unternehmungen,

  • die entgegen der gesetzlichen Vorgabe keine eigene Meldestelle haben bzw
  • bei denen die Grenze von 50 Arbeitnehmern nicht erreicht wird oder
  • bei denen keine freiwillige Hinweisgebermeldestelle eingerichtet ist,

können sich direkt sich an eine externe Stelle wenden.[5] Wird ein Hinweisgebermeldesystem entgegen den gesetzlichen Vorgaben vom Unternehmen nicht eingerichtet, gibt es keine unmittelbare Sanktion. Der Hinweisgeber ist dann zum Ausgleich berechtigt, seine Informationen unmittelbar zu veröffentlichen. Grundsätzlich muss ein Whistleblower zuerst das interne Hinweisgebermeldesystem benutzen (§ 14 HSchG). An externen Stelle sollen (Softlaw) Hinweise vor allem dann gegeben werden, wenn zum Beispiel die Behandlung des Hinweises im internen Hinweisgebermeldesystem nicht möglich, nicht zweckentsprechend oder nicht zumutbar ist oder sich als erfolglos oder aussichtslos erwiesen hat. Hinweisgebermeldesystem können auch, wie z. B. Beschwerdebriefkästen, auf freiwilliger Basis eingerichtet werden, um Missständen in Einrichtungen vorzubeugen.

Konkrete Vorgaben für die Ausgestaltung der internen Meldestelle sind nicht vorgesehen. Jedoch müssen bestimmte Voraussetzungen gewährleistet sein. Das betrifft etwa ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen sowie die Möglichkeit zur unparteiischen Prüfung von Hinweisen auf ihre Stichhaltigkeit. Zudem muss die Vertraulichkeit der Identität sowohl von Hinweisgeber:innen als auch von Dritten, die in Meldungen erwähnt werden, gewahrt werden können.[5]

Beim Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) wurde eine interne und externe Meldestelle eingerichtet. Ebenso besteht eine interne Meldestelle des Bundesministerium für Justiz für das Justizressort.[6]

Schutz von Whistleblowern

Allgemeiner Schutz

Nach § 1 Abs. 1 HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) sind Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber und Personen in ihrem Umkreis vor persönlichen Nachteilen zu schützen und unbegründete oder ungerechtfertigte Verdächtigungen zu verhindern.

im Strafverfahren

Im Rahmen eines Strafverfahrens – welche im Regelfall in den meisten Fällen nach den Hinweisen von Whistleblowern eröffnet werden – können und müssen in Österreich alle – auch persönliche – Daten von Whistleblowern offengelegt werden. Nach § 3 Abs. 6 Zif. 4 findet das HSchG keinerlei Anwendung, sobald ein Anfangsverdacht nach § 1 Abs. 3 StPO[7] vorliegt und ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist.

In § 7 Abs. 5 HSchG ist zwar ein Schutzmechanismus zugunsten des Schutzes der Identität des Whistleblowers auch im Strafverfahren vorgesehen, der jedoch durch § 3 Abs 6 Zif. 4 HSchG weitgehend obsolet ist.[8] Im Strafverfahren muss daher vor der Offenlegung der Identität eines Whistleblowers keine Prüfung durchgeführt werden, ob die Offenlegung unerlässlich und im Hinblick auf die Stichhaltigkeit und Schwere der erhobenen Vorwürfe verhältnismäßig ist.

Jeder Beschuldigte im Strafverfahren kann daher z. B. im Rahmen der ihm zustehenden Akteneinsicht in Erfahrung bringen, wer der Whistleblower war.

Jede verantwortliche Person einer internen Meldestelle z. B. in einem Unternehmen und jeder anonyme Whistleblower muss, falls er ausgeforscht wird, nach § 288 StPO wahrheitsgemäß bekannt geben, wer der Whistleblower ist. Ausgenommen, wenn die verantwortliche Person ein selbständiger Rechtsanwalt ist und das Unternehmen bzw. der Whistleblower sein Mandant ist. Falls wahrheitswidrige Auskünfte dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft erteilt werden, ist dies eine falsche Beweissausage und wird mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft.

Whistleblower werden daher nicht geschützt, sobald irgendein Strafverfahren im Zusammenhang mit der von Ihnen gemeldeten oder veröffentlichten Information eingeleitet wurde.[9]

Verwaltungsverfahren

Im normalen Verwaltungsverfahren ist der Whistleblower in der Regel vor der Offenlegung seiner Identität geschützt, sofern eine Verwaltungsbehörde die Offenlegung im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens nicht für unerlässlich und im Hinblick auf die Stichhaltigkeit und Schwere der erhobenen Vorwürfe für verhältnismäßig hält.

Die Offenlegung liegt im Ermessen der Verwaltungsbehörde.

Zivilgerichtsverfahren

Im zivilgerichtlichen Verfahren ist der Whistleblower in der Regel vor der Offenlegung seiner Identität geschützt, sofern das Zivilgericht die Offenlegung im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht für unerlässlich und im Hinblick auf die Stichhaltigkeit und Schwere der erhobenen Vorwürfe für verhältnismäßig hält.

Die Offenlegung liegt im Ermessen des Zivilgerichts.

Arbeitsrechtlicher Schutz

Hinweisgeber sind nach § 29 HSchG arbeitsrechtlich geschützt und dürfen wegen ihrer Offenlegung von geheimen oder geschützten Informationen grundsätzlich keinerlei Nachteile erleiden. Werden dennoch arbeitsrechtliche Sanktionen von einem Unternehmen verhängt (z. B. eine Entlassung), so muss das Unternehmen bzw. die Behörde beweisen, dass die Sanktion nicht auf den Hinweis des Hinweisgebers zurückzuführen sind (Beweislastumkehr – siehe § 23 HSchG).

Haftung von Whistleblowern

Whistleblower haften nur dann nach § 6 Abs. 1 und § 22 HSchG nicht für tatsächliche oder rechtliche Folgen für die Veröffentlichung von Informationen, wenn

  • sich nachträglich herausstellt, dass der Hinweis berechtigt war oder
  • der Whistleblower einen hinreichenden Grund zu der Annahme hat, dass der Hinweis notwendig ist, um eine Rechtsverletzung aufzudecken oder zu verhindern.

Um die eigene Sorgfaltspflicht einzuhalten, müssen Whistleblower nach dem HSchG folgende Prüfung vornehmen um haftungsfrei zu sein:[10]

  • Dem Hinweisgeber liegt eine Information vor, die nach allgemeiner Erfahrung Richtigkeit für sich beanspruchen kann,
  • die Information stellt einen Sachverhalt fest, der als solcher, wenn er tatsächlich vorliegt, nach allgemeiner Erfahrung und mit durchschnittlichem Allgemeinwissen, das juristische Kenntnisse nicht notwendig einschließt, den Verdacht einer Rechtsverletzung nahelegt,
  • der Hinweisgeber ist subjektiv von der Richtigkeit der Information und der Verwirklichung des Sachverhalts überzeugt,
  • der Hinweisgeber kann bei ungefährer Kenntnis der Vorschriften des HSchG annehmen, dass er zu den Personen gehört, die in den persönlichen Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 und 2 fallen und dass die vermutete Rechtsverletzung in einen der Rechtsbereiche des § 3 Abs. 3 HSchG fällt.

Eine genaue juristische Prüfung ist ausdrücklich nicht erforderlich, sondern es reicht die rechtliche Einschätzung mit dem Wissenshorizont eines nicht rechtskundigen Menschen. Die interne oder externe Hinweisgebermeldestelle muss ebenfalls diese Voraussetzungen prüfen (oder zusammmen mit dem Whistleblower) und kann nur dann tätig werden.

Wer wissentlich einen falschen Hinweis gibt, ist nach § 24 HSchG, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro zu bestrafen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Österreich setzt EU-Richtlinie zum besseren Schutz von Whistleblower:innen um, Webseite: parlament.gv.at vom 1. Februar 2023.
  2. Waffendeal mit Kollateralschaden. Die Presse, 6. Januar 2017; abgerufen am 4. Juli 2024
  3. Bundesgesetz über das Verfahren und den Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen in bestimmten Rechtsbereichen (HinweisgeberInnenschutzgesetz – HSchG), BGBl. I Nr. 6/2023.
  4. Österreich säumig bei Schutz von Whistleblowern, Webseite: orf.at vom 10. Februar 2022.
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 Sozialausschuss gibt grünes Licht für neues HinweisgeberInnenschutzgesetz, Webseite: parlament.gv.at vom 25. Jänner 2023.
  6. Whistleblower-Meldestellen im Justizbereich, Webseite: orf.at vom 27. August 2023.
  7. Ein Anfangsverdacht liegt bereits vor, wenn aufgrund bestimmter Anhaltpunkte (also z. B. der Hinweise des Whistleblowers) angenommen werden muss, dass eine Straftat begangen worden ist.
  8. Dieser in § 7 Abs. 5 HSchG vorgesehene Schutzmechanismus wurde in der ersten Fassung des HSchG eingefügt (Ministerialentwurf 2022), sodann aber durch die Änderung von § 3 Abs. 6 Zif. 4 so gut wie ganz entkräftet. Der inhaltliche Zusammenhang des HSchG wurde nach der Änderung nicht überarbeitet, weswegen § 7 Abs. 5 HSchG noch vorhanden ist.
  9. Caecilia Smekal: Fünf Jahre „Ibiza“: „Die öffentliche Meinung hat resigniert“, Webseite: orf.at vom 17. Mai 2024.
  10. Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Webseite: parlament.gv.at, S. 9.