Die römisch-katholische Siechenkapelle Unsere Liebe Frau (auch: Kapelle am Siechensteig oder Siechensteigkapelle) ist ein denkmalgeschütztes Gebäude[1] in der Parzelle Siechen in Bregenz, Vorarlberg, Österreich und gehört zur Pfarre Bregenz und damit zum Dekanat Bregenz der Diözese Feldkirch.

Außenansicht (2012)
Altar (2012)

Lage

Die Siechenkapelle Unsere Liebe Frau steht in der Gallusstraße auf 430 m ü. A., südwestlich angrenzend (5 Meter entfernt) befindet sich das Siechenhaus, mit welchem die Kapelle eine räumliche Einheit bildet. Nordöstlich, etwa vierhundert Meter entfernt ist das heutige Landesspital, etwa 730 Meter Luftlinie die denkmalgeschützte Pfarrkiche St. Gallus. Zum Bodensee sind es in nördlicher Richtung rund 1200 Meter. Östlich, rund 300 Meter entfernt, befindet sich Schloss Babenwohl mit der Vorarlberger Landesbibliothek.

Der Siechensteig und das Siechenhaus bzw. diese Kapelle lagen im Mittelalter weitab jeder daueraften menschlichen Ansiedelung.[2]

Geschichte

Die Siechenkapelle Unsere Liebe Frau diente dem Krankenhaus für Leprakranke, und der Bau wurde 1400 durch eine Stiftung des Hugo XII. von Montfort, nach der Genehmigung durch Abt Heinrich der Territorialabtei Mehrerau, ermöglicht. Die Kapelle wurde 1401 mit dem Patrozinium für Maria, Leonhard, Jodem und Agatha eingeweiht. Das danebenstehende Siechenhaus wurde vermutlich bereits zuvor Mitte des 14. Jahrhunderts errichtet.

Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Kapelle durch den Neubau des Betraums (1744-1746) durch Anton Albrecht barockisiert. Der 3/8-Chor blieb bestehen. 1982 erfolgte eine Außenrenovierung zu einem Platz der Begegnung mit Skulpturen von Herbert Albrecht.[2][3][4][5]

Gebäude

Außen

Die Siechenkapelle Unsere Liebe Frau ist ein nach allen Seiten freistehender Steinbau mit Rundbogenfenstern und eingezogenem Polygonalchor mit einem Ovalfenster an der Stirnwand. Die Kapelle hat einen polygonen Grundriss und eine Länge von rund 19 Meter, eine maximale Beriete von rund neun Meter und ist etwa zwölf Meter hoch. Die Kapelle ist im Besitz der Pfarre Sankt Gallus.[6]

Auf dem steilen – zum Altar zweifach geknickten – Satteldach, das mit Biberschwanz-Dachziegeln eingedeckt ist, befindet sich etwa in der Mitte der sechseckige Glockendachreiter (mit einer Glocke). Dieser ist mit einem kupferbeschlagenen, Zwiebelhelm versehen, auf dessen Spitze – für Vorarlberg ungewöhnlich – eine Statue der Gottesmutter aufgesetzt ist (mit StrahlenkranzMandorla). Die Haupteingänge befindet sich im Südwesten, der Altar im Südosten zur Gallusstraße hin. Die Sakristei befindet sich im Norden in Höhe des Chors.

Zugang

Im hinteren Teil des Kirchenschiffs befinden sich drei sandsteingefasste Eingänge. Der nördliche (inzwischen zugemauert) und südliche (heute noch bestehend) an der Längsseite des Kirchenschiffs war für die gesunde Menschen bestimmt. Die Siechen (Leprakranken) mussten die schmalere Pforte an der rückwärtigen Stirnseite der Kapelle benutzen und gelangten so auf die Empore. Dadurch kamen die Leprösen mit den gesunden Menschen in der Kapelle nicht in Berührung und konnten von ihnen auch nicht gesehen werden. Diese baulichen Besonderheiten sind auch heute noch erkennbar.[2]

Innen

Das Kirchenschiff ist mit gemalten Pilastergliederungen unterteilt. Auf schmalen Gebälkstücken ruht ein Stichkappentonnengewölbe. Der eingezogene einjöchige Chor hat ein Kreuzgratgewölbe welches auf Rocaillestuckkapitellen aufzuliegen scheint. An der Empore über dem Eingang befinden sich gemalte Montforter Wappen.

Der Hochaltar (1746) hat einen Viersäulenaufbau mit geschwungenem Grundriss und mit verkröpftem Gebälkabschluss und Velutenaufsatz aus rotem Stuckmarmor von Abraham Baader aus Wessobrunn. Anstelle eines Altarbildes ist die Statue der sitzenden Maria mit dem Jesukind auf dem linken Arm (ein schwäbisches Werk um 1450). Direkt seitlich des Altares stehen auf Wandkonsolen die Heiligen Katharina und Margaretha (Statuen aus dem 19. Jahrhundert).

Die Seitenaltäre vom Bregenzer Bildschnitzer Alois Reich haben einen übers Eck gestellten Zweisäulenaufbau. Der linke Seitenaltar zeigt eine Darstellung von Jesus (Heiligstes Herz Jesu) mit Putten. Darüber ein Monogramm IHS im Bogenfeld, darüber eine Statue des hl. Antonius. Im rechten Seitenaltar befindet sich zentral das Relief des hl. Sebastian, dem Pestheiligen, mit einem Siechen und dem Montforter Wappen, darüber im Bogenfeld die Attribute des hl. Sebastian, Pfeil und Ikone. Darüber, im Aufsatz, ist das Relief des hl. Vitus im siedenden Ölkessel.[3]

Friedhof

Hinter der Siechenkapelle, direkt neben dem Siechenhaus, befinden sich große Steinplatten. Diese sollen gemäß historischen Aufzeichnungen Gräber markieren, in welchen sehr wahrscheinlich Menschen beerdigt wurden, die an Lepra starben. 2022 wurde im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts von der Anthropologin Dorthe Dangvard Pedersen von der Universität Kopenhagen, Gebeine der hier begrabenen Menschen freilegt und untersucht und kleine Knochenproben entnommen, um an der Universität Kiel untersucht zu werden, um Leprabakterien nachzuweisen und deren genetischen Fingerabdruck zu entschlüsseln.[7]

Weblinks

  Siechenkapelle Unsere Liebe Frau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons

47.4938979.741126Koordinaten: 47° 29′ 38″ N, 9° 44′ 28″ O

  1. Siechenkapelle Unsere Liebe Frau, Gallusstraße, HERIS-ID: 25798, Objekt-ID: 22247, GSt 481 (91103 KG Bregenz).
  2. 2,0 2,1 2,2 Wie das Siechenhaus und Landspital entstanden, Webseite: vn.at vom 10. Jänner 2022.
  3. 3,0 3,1 Hinweistafel bei der Kapelle.
  4. Siechensteigkapelle, Webseite: pfarre-st-gallus.at, abgerufen am 3. November 2024.
  5. Charter: Bregenz, Stadtarchiv; Urkunden (1140-1814) – Urkunde_1129, Webseite: kulturpool.at, abgerufen am 3. November 2024.
  6. Tag des Denkmals 2023 - Siechenhaus und Siechenkapelle, Webseite: wohin.vol.at vom 24. September 2023.
  7. Auf der Suche nach Lepra-Erregern, Webseite: krone.at vom 29. Oktober 2022.