Kartause Gaming

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Die frühere Kartause "Marienthron", heute besser bekannt als Kartause Gaming wurde im 14. Jahrhundert (um 1330) gegründet. Sie ist eine Gründung der Habsburger und gilt als die erste für Europa nachgewiesene "Klosterresidenz". Von den drei im heutigen Bundesland Niederösterreich gelegenen ehemaligen Kartausen, welche im 14. Jahrhundert gegründet und unter Kaiser Joseph II. aufgehoben wurden, war sie die Größte und Bedeutendste. Ihrem Stifter diente sie zeitweise als eine weitere herzogliche Residenz. Bis zu ihrer Aufhebung war sie das geistige und wirtschaftliche Zentrum des alpinen Mostviertels. Heute sind in der Kartause ein Hotel und seine Gaststätte untergebracht sowie ein Museum, das im Rahmen von Führungen besichtigt werden kann. Außerdem findet hier jährlich ein Chopin-Festival statt.

Die ehemalige Kartause Gaming heute
Die bei der Wiedererrichtung der "Habsburgergrabstätte" in den Kirchenboden eingelassene Grabplatte

Die Kartause

 
Die Kartause Gaming, Kupferstich von Georg Matthäus Vischer (1628–1696), 1672

Die frühere Kartause Mariathron in Gaming war ein Kloster des Kartäuserordens, das in seiner Anfangszeit auch als herzogliche Residenz genutzt wurde[1]. Erbaut wurde sie zwischen 1331 und 1342. Es handelte sich bei ihr um eine Doppelkartause. Diese hatte 20, später 24 Mönchszellen, während sonst für eine Kartause 12 Mönchszellen üblich waren. Von der Kartause sind heute noch die zwei großen Klosterhöfe, darunter der als Residenzgebäude errichtete Prälatenhof[1], die Unterkünfte der Mönche und des Priors, die früheren Bibliotheksräume und die Prälatur erhalten.[2] Die Kartause war mit einer Wehrmauer umgeben, die heute auf der Bergseite oberhalb des Schlosses noch teilweise erhalten ist.[3] Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Kartause umgebaut und teilweise barockisiert. Um 1625 wurde unter dem Abt Hilarion der heute noch erhaltene Torturm mit dem Relief "Maria Thron" geschaffen.[4]

Die Klosterkirche ist heute der "Heiligen Mariä Himmelfahrt" geweiht. Mit ihrem Bau wurde bald nach der Grundsteinlegung begonnen. Ihre Weihe erfolgte 1342. Bei der einschiffigen Kirche handelt es sich um eine typische Kartäuserordenskirche, ein sehr hoher, vierjochiger Bau. Der Hauptchor der Kirche untergliedert sich in drei Teile und weist Ähnlichkeiten mit dem etwa zur selben Zeit errichteten Chor des Wiener Stephansdoms auf. Es wird angenommen, dass die Kartause Gaming von dieser Bauhütte erbaut wurde. Die Decke der Kirche hatte ursprünglich ein gotisches Kreuzrippengewölbe mit der Bemalung, das im 18. Jahrhundert durch den Einzug eines barocken Gewölbes überdeckt wurde. Dieses neue Gewölbe wurde mit Stukkaturen und Fresken geschmückt. An der Westseite der Kirche befindet sich ein prächtiges, figurenreiches Tor aus rotem Marmor. Nach seiner Inschrift wurde es 1631 errichtet.[2] Ein Besonderheit der Kartause Gaming ist, dass sie statt einem Turm nur einen Dachreiter hat, was den Gebräuchen des Karthäuserordens widerspricht. Dieser ist sechsseitig und reich verziert. Es spricht einiges dafür, dass er auf einen speziellen Wunsch des Stifters zurückzuführen ist.[5]

Von der beweglichen Innenausstattung ist leider nichts mehr erhalten, da die Kirche nach der Aufhebung 1782 profaniert und die Ausstattung daraufhin verteilt wurde.[4] Die vier Glasgemälde aus dem Chor finden sich heute zum Beispiel im Stift St. Florian.[6]

Erhalten sind heute noch die Fresken der früheren Klosterbibliothek, ein Werk des Malers Wenzel Lorenz Reiner († 1743), der am 23. Juli 1724 einen Vertrag über diesen Auftrag unterfertigt hatte. Sein Thema ist die Verherrlichung von Wissenschaften und Weisheit.[7]

Geschichte

 
Innenansicht der Kirche mit Blick auf den Ausgang und die Orgelempore. Im Vordergrund befinden sich die Statuen des Stifterpaares. Dabei handelt es sich um Kopien. Die Originale hatten ursprünglich ihren Platz auf dem Stephansdom, ehe sie ins Wien Museum kamen.

Anfänge und Glanzzeit

Die Kartause Gaming wurde 1330 von Herzog Albrecht (II.) von Österreich ("Albrecht dem Lahmen") gestiftet, gemeinsam mit seiner Ehefrau Johanna von Pfirt und seinem Bruder, Herzog Otto "den Fröhlichen".[3] Die offizielle Gründungsakt datiert auf den 14. Juni 1330. Als konkreter Anlass für die Gründung wird in der Forschung heute der Tod von Albrechts Bruder Friedrich († 13. Jänner 1330) und eine Erkrankung des Stifters Albrecht im März 1330 geltend gemacht.[8] Bei der Entscheidung für den Karthäuserorden dürfte ausschlaggebend gewesen sein, dass der Herzog enge Kontakte zur Kartause Mauerbach hatte, eine Gründung seines älteren Bruders Friedrich. Gottfried von Mauerbach, der Prior dieser Kartause war, dürfte auch bei der Stiftung der Kartause Gaming eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Mönche, die sich hier niederließen, kamen aus Mauerbach.[9] Bei der Wahl für den Bauplatz waren verkehrspolitische, politische und wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend. Die Kartause wurde im "Grenzbereich" der damaligen Herzogtümer Österreich und Steier erbaut.[10]

Die Stiftsbriefe für die Kartause stammen aus den Jahren 1330 und 1354. Die Grundsteinlegung erfolgte 1332 in Gegenwart von Albrecht und Johanna. 1337 wurde das Kloster auf dem Generalkapitel der Kartäuser in den Ordensverband aufgenommen, 1340 der Kapitelsaal und 1342 schließlich als Höhepunkt die neu erbaute Klosterkirche geweiht.[3] Die Besiedlung der neuen Kartause erfolgte durch Mönchen aus der bereits mehrere Jahre früher gegründeten Kartause Mauerbach. Als 1342 die Klosterkirche geweiht wurde, dürfte der Bau Klosteranlage bereits weitgehend beendet gewesen sein. Wie die Kartause Mauerbach und das Stift Neuberg war die Kartause Gaming auch als Grablege bestimmt.[11] In der Klosterkirche wurden Johanna († 1351) und Albrecht († 1358) nach ihrem Tod beisetzt, einige Jahre später auch ihre Schwiegertochter Elisabeth († 1373), die erste Ehefrau von Herzog Albrecht (III.) von Österreich ("Albrecht mit dem Zopfe").[4]

Die Kartause, die aufgrund ihrer Ausstattung zu den reichsten Kartausen ihrer Zeit zählte[1], war nicht nur für religiöse Aufgaben zuständig war, sondern diente auch der Landesverteidigung. Sie verfügte über Talsperren, die besonders im 16. und 17. Jahrhundert wirkungsvoll eingesetzt wurden. Eine der Talsperren wurde durch eine Mauer möglich, die nur über zwei Öffnungen für den Fluss und die Straße verfügte und mit der so das gesamte Tal abgeriegelt werden konnte. Eine weitere dieser Talsperren war die sogenannte "Türken- oder Schwedenmauer" zwischen Kienberg und Gaming, von der heute noch Reste vorhanden sind. Zu ihr gehörte ein hölzerner Wehrgang versehen. Auf der anderen Seite von Gaming befanden sich am Grubberg mehrere Blockhäuser, durch die eine Kontrolle über den dortigen Pass möglich war.[3]

Im 17. und 18. Jahrhundert erlebte die Kartause noch eine Blütezeit. Sie wurde umgebaut und teilweise barockisiert. 1670 wurden ihr Prior zusammen mit den Prioren der Kartausen Mauerbach und Aggsbach in den Prälatenstand erhoben. Das bedeutete, dass sie Sitz und Stimme im Landtag erhielten..[4]

Die Kartause Gaming nach der Aufhebung

 
Ehrentafel in Kartause, enthüllt 1994 aus Anlass des 10. Chopin-Festivals

1782 wurde die Kartause Gaming zusammen mit der Kartause Aggsbach im Rahmen der "Josephinischen Kirchenreformen" unter Kaiser Joseph II. unter einem Vorwand aufgehoben, wie zuvor bereits die Kartause Mauerbach. Nach der Aufhebung wurden die Kartause und die ihr zugehörige Herrschaft Gaming zunächst unter staatlicher Aufsicht für den Religionsfonds des Kaisers verwaltet.[4]

In den Folgejahren verfiel die Anlage der Kartause. Ihre verlassenen Gebäude ausgeplündert.[3] 1825 kaufte sie ungarische Grafenfamilie Festetics de Tolna.[4] Graf Albert Festetics de Tolna, dem Gaming als Verwaltungszentrum für seine ausgedehnten Ländereien im Voralpengebiet diente, ließ ihre ehemalige Rüstkammer der Kartause zu einem Schloss ausbauen. Unter seinem Sohn Gabor († 1914) wurde einiges in der Anlage der Kartause erneuern.[3] Nachdem dessen Tod kam sie in den Besitz von Stift Melk, welches die noch erhaltenen Gebäude 1919-1939 als Jugendheim nutzte.[4] Während des Zweiten Weltkrieges war sie Bergungsort und Lager für Objekte des Kunsthistorischen Museums.Nach 1945 wurden die Innenräume verwüstet, angeblich durch jene russischen Soldaten, die sie zehn Jahre als Kaserne nutzten.[3] 1983 verkaufte das Stift Melk die frühere Kartause an den Architekten Walter Hildebrand.[3] Unter ihm wurde die Kartause in den Folgejahren saniert und revitalisiert, wobei zunächst die frühere Habsburgergrablege in der ehemaligen Kirche der Kartause wiederhergestellt wurde. 1985 wurden die Überreste von Albrecht, Johanna und Elisabeth aus der Pfarrkirche in die Kartause rücküberführt.[4]

In den Jahren danach wurden die noch zur Kartause zugehörigen Gebäude für Ausstellungen sowie kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen adaptiert. Der Schlossteil wurde wieder für Wohnzwecke eingerichtet.[3] Seit 1984 ist die frühere Kartause der Veranstaltungsort eines jährlichen Festivals, das dem Komponisten Frédéric Chopin (1810-1849) gewidmet ist und stets im August stattfindet. In den Räumlichkeiten der Kartause befindet sich heute ein Museum, in dem es um Herzog Albrecht (II.) "den Lahmen" und die Geschichte des Kartäuserordens geht.[4] In der Kartause befindet sich heute außerdem ein Hotel, zu dem auch eine eigenen Brauerei und eine Gaststätte gehören.[12]

Besitzungen der Kartause Gaming

Gaming war nicht nur die größte der drei im heutigen Niederösterreich gelegenen Kartausen, sondern in seiner Glanzzeit die größte Kartause in Mitteleuropa. Es war Sitz einer eigenen Herrschaft und verfügte über reiche Besitzungen, die sich von Ruprechtshofen und Oberndorf an der Melk über Scheibbs bis an den Ötscher und den Lunzer See erstreckten.[4] Weitere Besitzungen der Kartause befanden sich in der heutigen Steiermark, im Weinviertel und im Raum zwischen Baden und Wien.[3] Die Kartäuser, obwohl eigentlich ein extrem komplementärer Orden, kümmerten sich um die Rodung des Ötscherlandes, legten dort Verkehrswege an, erbauten Meierhöfe als landwirtschaftliche Zentren und gründeten Siedlungen, darunter Lackenhof und Lunz.[4]

Für die Kartause Gaming wichtige Personen

In der Umgebung der Kartause

  • Das "Franzosenkreuz": Dabei handelt es sich in an der Straße von Gaming befindliches Denkmal, welches an ein Geschehnis aus der Zeit der Napoleonischen Kriege erinnert. 1805 hielt an dieser Stelle der Bauer Fallmann vom Grubberg mit wenigen Männern die Vorhut der französischen Armee auf, womit er den Truppen des Kaisertums Österreich den Rückzug von Lunz nach Mariazell ermöglichte.[2]
  • Die Pfarrkirche von Gaming: Für die Wirtschaft in der Gegend um die Kartause war der Handel mit dem steirischen Erzberg wichtig, der mit Proviant und Holzkohle versorgt und dessen Produkte, Roheisen und Halbzeug weiterverarbeitet wurden. Um 1490 wurde die "Dreimärktestraße" gebaut, eine wichtige Verkehrsverbindung, welche die Orte Scheibbs, Purgstall und Gresten über den Grubberg mit dem Markt Gaming und mit Lunz verband. Mitte des 16. Jahrhunderts wurde sie durch die Mendling weiter ausgebaut. Entlang der „Dreimärktestraße" entstanden Hammerwerke, Kohlenmeiler und Wirtshäuser. 1510 erhielt der Markt Gaming eine eigenen Pfarrkirche. Diese, eine gotische Kirche, wurde 1510 geweiht. Sie war nach der Aufhebung der Kartause 1797-1985 Grablege der Gebeine von Albrecht, Johanna und Elisabeth, die 1797 neben dem Hochaltar beigesetzt wurden.[2]

Legenden um die Kartause Gaming

Im Zusammenhang mit der Gründung der Kartause Gaming finden sich in wissenschaftlichen Werken immer wieder Angaben zu den Hintergründen, welche allerdings in ihrer tatsächlichen Zuverlässigkeit nicht unumstritten sind. So wird die Gründung der Kartause oft auf ein Gelübde zurückgeführt, das der Stifter Albrecht gemeinsam mit seinem Bruder Leopold vor der Schlacht bei Mühldorf (1322) abgelegt haben soll. (In manchen Versionen wird das Gelübde auch im Zusammenhang mit Gefangenschaft und Freilassung von König Friedrich gesehen.) Die Realisierung der Klostergründung hätte ursprünglich in Nähe von Luzern (heute in der Schweiz) stattfinden sollen.[11]

Literatur

Weblinks

  Kartause Gaming – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 vgl. Alexander Sauter: Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (= Bernd Schneidmüller - Stefan Weinfurter (Hrsg.): Mittelalter-Forschungen- Bd. 12). Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern, 2003. ISBN 3-7995-4263-9. S. 48
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 vgl. Baugeschichte, GedaechtnisDesLandes.at, abgerufen am 28. August 2021
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 3,8 3,9 vgl. Gaming, Wehrbauten.AT, abgerufen am 28. August 2021
  4. 4,00 4,01 4,02 4,03 4,04 4,05 4,06 4,07 4,08 4,09 4,10 vgl. Gaming, GedächtnisDesLandes, abgerufen am 28. August 2021
  5. vgl. Alexander Sauter: Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (= Bernd Schneidmüller - Stefan Weinfurter (Hrsg.): Mittelalter-Forschungen- Bd. 12). Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern, 2003. ISBN 3-7995-4263-9. S. 48f.
  6. vgl. Alexander Sauter: Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (= Bernd Schneidmüller - Stefan Weinfurter (Hrsg.): Mittelalter-Forschungen- Bd. 12). Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern, 2003. ISBN 3-7995-4263-9. S. 49
  7. vgl. Stiftsbibliothek, GedaechtnisDesLandes.at, abgerufen am 28. August 2021
  8. vgl. Alexander Sauter: Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (= Bernd Schneidmüller - Stefan Weinfurter (Hrsg.): Mittelalter-Forschungen- Bd. 12). Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern, 2003. ISBN 3-7995-4263-9. S. 46f.
  9. vgl. Alexander Sauter: Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (= Bernd Schneidmüller - Stefan Weinfurter (Hrsg.): Mittelalter-Forschungen- Bd. 12). Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern, 2003. ISBN 3-7995-4263-9. S. 46
  10. vgl. Alexander Sauter: Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (= Bernd Schneidmüller - Stefan Weinfurter (Hrsg.): Mittelalter-Forschungen- Bd. 12). Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern, 2003. ISBN 3-7995-4263-9. S. 47f.
  11. 11,0 11,1 vgl. Alexander Sauter: Fürstliche Herrschaftsrepräsentation. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (= Bernd Schneidmüller - Stefan Weinfurter (Hrsg.): Mittelalter-Forschungen- Bd. 12). Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern, 2003. ISBN 3-7995-4263-9. S. 47
  12. vgl. Kartause Gaming, Website des Schloss-Hotels Kartause Gaming, abgerufen am 28. August 2021