Stadtpfarrkirche Hall in Tirol

Die Pfarrkirche Hall "zum Heiligen Nikolaus", auch als Stadtpfarrkirche Hall, Kirche St. Nikolaus oder St. Nikolauskirche bezeichnet, ist eine römisch-katholische Kirche. Sie befindet sich am Oberen Stadtplatz in der Altstadt von Hall.

Die Nikolauskirche in Hall
Die frühere Allerheiligenkapelle in Hall, heute die Kriegergedächtniskapelle
Das "Schneiderkirchlein", heute
Die Josefskapelle wurde erbaut, nachdem die Wolfgangskapelle bei einem Erdbeben zerstört worden war.

Geschichte

Die in der Stadt Hall erbaute Kirche wurde 1281 den Heiligen Nikolaus und Ingenuin geweiht und in den Jahren danach bis Mitte des 14. Jahrhunderts wesentlich vergrößert. Errichtet wurde ein neuer Chor, der 1318 geweiht wurde. In den Jahrzehnten danach wurden das Langhaus und der Kirchturm erbaut. 1352 verlieh der Bischof von Brixen der Kirche das Recht auf einem eigenen Taufstein. Ihr heutiges Aussehen erhielt die Kirche zwischen 1420 und 1440. Die Nikolauskirche wurde zunächst als Kapelle bezeichnet und gehörte zur Pfarre Absam. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Stadt Hall verlegten die Pfarrer von Absam um die Mitte des 14. Jahrhundert ihren Tätigkeitsschwerpunkt in die in der Stadt gelegenen Nikolauskirche, worauf es allmählich üblich wurde, sie als Pfarrer von Hall zu bezeichnen, wenn gleich Absam noch bis Ende des 18. Jahrhunderts "de jure" der Sitz der Pfarre blieb.[1]

Vor der Reformation bestand die Pfarre "Absam-Hall" gewöhnlich aus einem Pfarrer oder Pfarrvikar, sieben sogenannten Gesellpriestern und 18 Kaplänen. Das bedeutete, das auf 15 Haushalte in Hall ungefähr ein Geistlicher kam, was im Vergleich mit anderen Städten eine recht gute Bilanz ist, zudem es in Hall nur Weltgeistliche und keine Mönche gab.[2] Im 15. Jahrhundert waren die Pfarrer fast ausschließlich Personen aus bürgerlichen Familien, sie stammten teils aus der Grafschaft Tirol und teils aus dem schwäbischen Raum. Mindestens zwei der Pfarrer, Hans Hammersbach und Benedikt Fieger, waren aus Haller Bürgerfamilien, vermutlich gilt das auch für Thomas Pretzner.[3] Die Vikare, Gesellpriester und Kapläne waren, soweit ihre Herkunft bekannt ist, überwiegend aus dem "süddeutsch-österreichischen" Raum. Aus Haller Bürgerfamilien kamen der Vikar Hans Wegscheider sowie Georg Kirchmair und Ulrich Ölkopf.[4]

1437 überließ Ulrich Vögler, Pfarrvikar in Innsbruck, der die Haller Lateinschule besucht hatte, der Nikolauskirche mehr als 70 Bücher, die der Grundstock einer Bibliothek für die Haller Geistliche und Gelehrten bildeten. Er hatte bei dieser Schenkung ausdrücklich festgelegt, dass diese Bücher nicht in irgendeiner Form veräußert werden durften. Die Bibliothek, die mit diesen Büchern ihren Anfang nahm, vergrößerte sich rasch. Sie war im damaligen Schulgebäude untergebracht, das in den 1460er-Jahren deshalb vergrößert wurde. Eine weitere Bibliothek entstand durch die 1501 Stiftung von Florian Waldauf von Waldenstein († 1510), die im Wohnhaus der für seine Kapellen zuständigen Kapellen untergebracht wurde.[5]

Ausstattung der Kirche

Bis Ende des Mittelalters hatte die Kirche außer dem Hochaltar noch sechs Seitenaltäre: Fronleichnamsaltar, Johannesaltar, Katharinenaltar, Sebastiansaltar, Zwölfbotenaltar und Georgsaltar. Der Georgsaltar wurde auf Initiative des Haller Bürgers Georg Kirchmair geschaffen.[1]

Die Kapellen in der Nikolauskirche und um diese

Auf dem einstigen Friedhof, der die Kirche im Mittelalter umgab, befanden sich bis um 1500 mehrere Kapellen, welche einzelne Bürger von Hall gestiftet hatten:

  • die Jakobs- oder Gruftkapelle: erbaut im 14. Jahrhundert am östlichen Ende des früheren Friedhofes, bildet mit der Magdalenakapelle eine Doppelkapelle[1]
  • die Allerheiligenkapelle (später Magdalenakapelle)[1]: Sie wird heute als Kriegergedächtniskapelle genutzt.
  • die Martinskapelle: Sie befand sich in der Nikolauskirche. 1436 wurde sie abgetragen und durch die Liebfrauenkapelle ersetzt.[1]
  • das "Schneiderkirchlein" zu "Unserer Lieben Frau" (heute Pfarrplatz 3): Eine Stiftung von Heinrich Reichschneider, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts (vor 1410) an der Südseite der Nikolauskirche erbaut worden war.[1]
  • die Porkirche, auch "Fiegerkapelle" genannt: Nachdem sie 1490 von Hans Fieger gestiftet worden war, wurde sie 1491-1495 an die Westfassade der Nikolauskirche angebaut und in deren Bau einbezogen. Ihre Erdgeschoss diente der Nikolauskirche als Vorhalle und der Familie als Grablege, in ihrem Obergeschoss befand sich der Altarraum.[6]
  • die Waldaufkapelle: Eine Marienkapelle, die 1493 im nördlichen Seitenschiff als Folge eines Gelübdes, welches Florian Waldauf von Waldenstein in Seenot gemacht hatte. erbaut wurde. 1501 ließ er in einer feierlichen Prozession seine Reliquiensammlung, die damals als eine der größten Reliquiensammlungen des Heiligen Römischen Reiches galt, aus seinem Schloss Rettenberg (heute Teil der Gemeinde Kolsassberg) hierher überführen.[7]
  • die Wolfgangskapelle: Sie wurde von Florian Waldauf von Waldenstein als Heiltumstuhl[A 1] zur Präsentation seiner Reliquien gestiftet und nördlich der Nikolauskirche erbaut. Ihre Brüstung war auf den Stadtplatz von Hall ausgerichtet. 1505 wurde die Wolfgangskapelle geweiht und entwickelte sich danach zu einer beliebten Wallfahrtsstätte. Sie wurde durch ein Erdbeben im 17. Jahrhundert zur Gänze zerstört und dann durch die Josefskapelle ersetzt.[7] Diese wurde um 1690 als Grabkapelle der Grafen Khuen-Belasy erbaut.
  • Salvatorkapelle oder Fronleichnamskapelle: Es handelte sich um eine Hauskapelle, die 1406 geweiht wurde. Eingerichtet wurde sie 1399 in einem Haus in der heutigen Salvatorgasse in der Nähe der Nikolaikirche, welches zuvor von Hans (I.) Kripp, einem Haller Bürger, gekauft worden war. Eine päpstliche Bulle aus dem Jahr 1403 erlaubte ihm ausdrücklich die Aufbewahrung des Allerheiligsten in dieser Kapelle, die Präsentation von ein bis zwei Kaplänen und die Errichtung einer Gruft als Grablege für seine Familie. Zudem war festgelegt, dass das Patronatsrecht seiner Kapelle im Eigentum der Familie des Stifters verbleiben sollte. Die Bulle enthält außerdem eine Geschichte über die Hintergründe dieser Kapellenstiftung. Nach ihr soll ein Haller Priester bei einem Krankenbesuch, als der Boden von dessen Zimmer einstürzte, zusammen mit den Hostien, die er mitgebracht hatte, in die Tiefe gestürzt sein. Nur wenige dieser Hostien konnten später aus den Trümmern geborgen werden. 1406 wurde die Kapelle geweiht.[8]
  • Veitskapelle: erbaut nach 1510 nordwestlich von der Nikolauskirche auf dem neu angelegten Friedhof. Der Bau dieser Kapelle wurde mit einer Stiftung der Familie Fieger aus dem Jahr 1513 finanziert. Sie wurde 1840 abgerissen. Heute befindet sich hier eine Parkanlage mit einem städtischen Kindergarten.[8]
  • Elisabethkapelle: Sie befand sich beim Spital und wurde von Peter Heuberger († 1494), einem Haller Kaufmann, gestiftet.[8]

Literatur

  • Klaus Brandstätter: Ratsfamilien und Tagelöhner. Die Bewohner von Hall in Tirol im ausgehenden Mittelalter (= Tiroler Wirtschaftsstudien. Schriftenreihe der Jubiläumsstiftung der Kammer der gewerblichen Wirtschaft. 54. Folge) . Universitätsverlag Wagner, Innsbruck, 2002. ISBN 3-7030-0374-X, siehe Register

Weblinks

  Pfarrkirche St. Nikolaus (Hall in Tirol) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 vgl. Klaus Brandstätter: Ratsfamilien und Tagelöhner, 2002, S. 99
  2. vgl. Klaus Brandstätter: Ratsfamilien und Tagelöhner, 2002, S. 103f.
  3. vgl. Klaus Brandstätter: Ratsfamilien und Tagelöhner, 2002, S. 104
  4. vgl. Klaus Brandstätter: Ratsfamilien und Tagelöhner, 2002, S. 104f.
  5. vgl. Klaus Brandstätter: Ratsfamilien und Tagelöhner, 2002, S. 114
  6. vgl. Klaus Brandstätter: Ratsfamilien und Tagelöhner, 2002, S. 99f.
  7. 7,0 7,1 vgl. Klaus Brandstätter: Ratsfamilien und Tagelöhner, 2002, S. 100
  8. 8,0 8,1 8,2 vgl. Klaus Brandstätter: Ratsfamilien und Tagelöhner, 2002, S. 101

Anmerkungen

  1. Heiltum ist eine altertümliche Bezeichnung für Reliquien oder Bildwerke im kirchlichen Raum, deren Verehrung göttliche Gnade spenden soll. Unter einem Heiltumstuhl wurde ein Gebäude verstanden, in welchem diese Heiltümer präsentiert wurden.
Überregionale Aspekte dieses Themas werden auch in der Wikipedia unter dem Titel Stadtpfarrkirche Hall in Tirol behandelt.
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