Einsatz der Gendarmerie bei der Landnahme des Burgenlandes

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Über den Einsatz der Gendarmerie bei der Landnahme des Burgenlandes im Jahre 1921 wird im folgenden berichtet.



Geschichtlicher Überblick

Das heutige Burgenland bestand zur Zeit der Habsburgermonarchie aus Teilen der altungarischen Komitaten Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg und gehörte somit zu den ungarischen Kronländern.
Nach dem 1. Weltkrieg wurde Ungarn ein selbstständige Republik, wie auch viele andere Länder durch die Entscheidungen der Siegermächte aus Teilen der früheren Monarchie entstanden. Die Aufteilung der neuen Länder sollte damals unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker erfolgen. Da die Bevölkerung in dem Gebiet des heutigen Burgenlandes vielfach Deutsch sprach und enge soziale und wirtschaftliche Kontakte zur Republik Österreich bestanden, entwickelte sich Initiativen, welche die Anbindung des Burgenlandes an Österreich forderten. Ursprünglich sollte hier auch der Bereich Pressburg einbezogen werden. Dieses Gebiet wurde aber bei den Friedensverhandlungen im August 1919 der Tschechoslowakei zugeordnet. Die Siegermächte entschieden im Friedensvertrag von St. Germain, der am 10. August 1919 geschlossen wurde, die voraussichtliche Übergabe des Gebietes des heutigen Burgenlandes nach der Unterzeichnung und Ratifizierung des Vertrages mit Ungarn. Sofort nach diesem Beschluss versuchten die Ungarn auf die Siegermächte einzuwirken, diese Entscheidung zu revidieren.
Mit dem Vertrag von Trianon, es war einer der Verträge, die den 1. Weltkrieg formal beendeten, wurde dann die Abtrennung des Burgenlandes von Ungarn endgültig festgelegt. Die Ungarn unterschrieben diesen Vertrag am 4. Juni 1920 unter Widerspruch, da rund Zweidrittel ihres historischen Königreiches an Nachbar- und Nachfolgestaaten fielen.
Schließlich wurde die Übergabe des Gebietes des Burgenlandes an Österreich auf den 28. August 1921 festgesetzt. Dieses Datum sollte eigentlich ein Tag der Freude für die betroffene Bevölkerung sein. Man ging davon aus, dass die eintreffende Gendarmerie die Sicherheit und Ordnung übernehmen würde. Es kam aber ganz anders. Freischärlergruppen waren entstanden, um die Übernahme mit Waffengewalt zu verhindern. Während der Kämpfe musste dann auch festgestellt werden, dass reguläre ungarische Militäreinheiten an den Kämpfen beteiligt waren und Militärangehörige sich auch unter den Freischärlern befanden. Die Übernahme konnte nicht, wie geplant, vollzogen werden. Am 4. Oktober 1921 wurde für das Gebiet sogar eine eigene Republik namens „Leitha-Banat“ mit dem Ziel ausgerufen, den Verbleib des Burgenlandes bei Ungarn zu erreichen.


Die Italiener übernahmen eine Vermittlerrolle in diesem Konflikt zwischen den beiden Ländern, um die Übergabe des Burgenlandes möglichst ohne weitere Verluste an Menschenleben zu erreichen. Am 13. Oktober 1921 verpflichtete sich Ungarn im „Venediger Protokoll“ Österreich zu helfen. Die Ungarn sagten zu, innerhalb von drei Wochen für den Abzug aller bewaffneten Kräfte aus dem Burgenland Sorge zu tragen und die betroffenen Gebiete an Österreich zu übergeben. Im Gegenzug erklärte Österreich, Volksabstimmungen über den Verbleib beim Burgenland in Ödenburg und acht umliegenden Ortschaften durchzuführen.
Die Freischärler waren mit dieser Entscheidung Ungarns nicht einverstanden und entzogen sich dessen Kontrolle. Das österreichische Bundesheer griff ein und besetzte das Gebiet „Leitha-Banat“ Erst auf ausdrücklichem Befehl ihres Anführers Horthys gaben die Freischärler auf. Am 05. Dezember 1921 wurde der Landstrich dann von Ungarn an Österreich offiziell übergeben.


Die vereinbarte Volksabstimmung in Ödenburg fand am 14. Dezember 1921 statt, in weiteren acht Gemeinden am 16. Dezember 1921. Ödenburg war eigentlich als Hauptstadt des Burgenlandes vorgesehen gewesen. In fünf der Gemeinden um Ödenburg stimmten die Einwohner für den Verbleib im Burgenland. Trotzdem wurden auch diese mit Ödenburg in der Zeit vom 10. Jänner 1923 bis 09. März 1923 an Ungarn zurück gegeben.


Zur Jahreswende 1921/22 war das Burgenlandes als selbstständiges, gleichberechtigtes Bundesland der Republik Österreich angegliedert. Einige Problembereiche bestanden aber weiterhin.




Der Einsatz der Gendarmerie

Verstorbene Gendarmeriebeamte in der Zeit vom 28. August 1921 bis 25. März 1922

gefallene Beamte:

  • Rayonsinspektor Michael Trattner, gefallen bei St. Margarethen am 28. August 1921,
  • Patrouillenleiter Adalbert Cervicek, gefallen bei Sinnersdorf am 04. September 1921,
  • Patrouillenleiter Felix Delavedova, gefallen bei Bubendorf am 29. September 1921,
  • Patrouillenleiter Arnold Mosch, gefallen bei Agendorf am 29. August 1921,
  • Patrouillenleiter Ernst Funke, gefallen bei Zagersdorf am 07. September 1921,
  • Patrouillenleiter Karl Heger, gefallen bei Agendorf am 8. September 1921,
  • Patrouillenleiter Leopold Fleischhacker, gefallen in Maltern bei Hochneukirchen am 18. September 1921,
  • Patrouillenleiter Anton Haberler, gefallen Edelstal am 28. Oktober 1921,
  • Patrouillenleiter Joahnn Jüttner, gefallen beim Meierhof Apertlon am 25. März 1922.

verunfallte Beamte

bei Edlitz kamen bei einer Ablösung durch einem Autounfall am 03. November 1921 ums Leben:
  • Patrouillenleiter Johann Hofer,
  • Patrouillenleiter Joahnn Mader,
  • Patrouillenleiter Josef Siegl.[1]




Nach den Erinnerungen des Sektionschefs Dr. Friedrich Gampp, Gendarmerie-Zentraldirektor i.R. in Wien

In Ungarn wurde die Räterepublik ausgerufen und Terrorbanden waren in Ödenburg aktiv. Die Genarmeriezentraldirektion sah bereits Anfang 1919 die Notwendigkeit, die Gendarmerie entlang der niederösterreichischen-ungarischen Grenze zu verstärken. Eingestellt wurden damals Gendarmen, die aus den Nationalstaaten nach Österreich gekommen waren und über eine deutsche Volkszugehörigkeit verfügten. In Wiener Neustadt wurde die "Gendarmeriegrenzschutzleitung" errichtet. Dieser wurde später der Grenzschutz der steiermärkisch-ungarischen Grenze unterstellt. Ende des Jahres 1919 waren hier bereits 1000 Gendarmen tätig. Nach der Übernahme der Gebiete des späteren Burgenlandes sollten diese neuen Bediensteten den Gendarmeriedienst dort übernehmen. Der Grenzschutz wurde in die fünf nachstehend aufgeführten Abschnitte eingeteilt:
- Abschnitt I. in Bruck an der Leitha, Abteilung Neudiedl am See,
- Abschnitt II. in Bruck an der Leita, Abteilung Eisenstadt,
- Abschnitt III. in Wiener Neustadt, Abteilung Ödenburg,
- Abschnitt IV. in Hartberg, Abteilung Oberwarth,
- Abschnitt V. in Fehring, Abteilung Güssing.
Hierzu kamen 11 Bezirksgendarmeriekommandos und 65 Gendarmerieexposituren mit genau festgelegten Bereichen im neuen Burgenland.


Die interalliierte Militärkommission in Ödenburg hatte ausdrücklich festgestellt, dass nur eine friedliche Besetzung des Burgenlandes in Frage kommen würde. Der Einsatz des Bundesheeres wäre daher untersagt. Daraufhin wurde der Gendarmeriegrenzschutz im Juli 1921 auf rund 2000 Beamte verstärkt und ein Plan für die Marschwege entworfen. Elf Kolonnen sollten am 28. August 1921 bis zur Mitte des Burgenlandes und am 29. Augsut 1921 bis zur Ostgrenze vorrücken. In den jeweils erreichten Orten sollten die eingeplanten Gendarmeriebeamten ihren Dienst aufnehmen.


Während dieser Arbeiten liefen immer wieder Berichte ein, das gut ausgerüstete Banden gebildet würden, welche die Übernahme des Burgenlandes mit Gewalt verhindern sollten. Die Versuche des damaligen Bundeskanzlers Schober, Teile des Heeres zur Sicherung der Gendarmieriekolonnen einzusetzen, scheiterten alle an dem Widerstand der interalliierten Militärkommission. Die Interessen der Ungarn wurden von dieser Kommission höher eingeschätzt.


Am 28. April 1921 setzten sich die 11 Kolonnen von ihren Standorten in Berg, Bruck an der leitah, Ebenfurth, Wiener Neustadt, Hochwolkersdorf, Kirchschlag, Friedberg, Hartberg, Burgau, Fürstenfeld und Fehring in Bewegung. Die nördlichen 6 Kolonnen erreichten ihre Marschziele und konnten die vorgesehen Posten aufstellen. Es kam hierbei nur zu kleineren Gefechten. Die Kolonnen 7 bis 9 sahen sich schon kurz nach dem Übertreten der Grenze überlegenen Kräften gegenüber. Trotz heftiger Abwehr mussten die Kolonnen in die morgens verlassenen Standorte zurück kehren. Die Kolonnen 10 und 11 erreichten ihre Ziele richteten die vorgesehenen Posten ein. Am Ende des ersten Marschtages waren ein Toter, 3 Schwer- und 4 Leichtverletzte zu beklagen. Für ihren Einsatz bei Agendorf, pinkafeld, Allhau und Burgau erhielten vom Bundesministerium des Inneren Gendarme für ihre tapferes Verhalten eine Auszeichnung.
Am Abend des 28. April 1921 ordnete der Vorsitzende der interalliierten Militärkommission an, dass der Vormarsch der Kolonnen auf Grund des gewaltsamen Widerstandes der Freischärler einzustellen sei. Ein Sonderzug, der Personal des Landesverwaltungsamtes ins Burgenland bringen sollte, fuhr daraufhin nur mit 200 Gendarmeriebeamten ab, die die Kolonne in Agendorf in der Nacht verstärken sollte.


Da die Kolonnen 7 bis 9 am 29. August die Weisung der Militärkommission noch nicht erhalten hatten, versuchten sie den vorgesehenen Zielstandort vom Vortage zu erreichen. Die Freischärler griffen wieder mit überlegenen Kräften an und so mussten sich die südlichen Kolonnen wieder zurück ziehen. Am 31. August 1921 waren diese Kolonnen wieder in ihre Ausgangs-Standorte zurück gekehrt. Die Kämpfe hatten vier Schwerverletzte gekostet.


Die Freischärler verlegten ihre Aktivitäten jetzt. So waren die Posten in Pilgersdorf und Geresdorf Anfang September 1921 neue Ziele für sie. Der Angriff auf Geresdorf wurde von so starken Kräften durchgeführt, dass sich die Beamten nach Kirchschlag zurück zog. Man hatte einen Toten und 4 Gefangennahmen zu beklagen. Auch auf das Gebiet der Republik Österreich drangen die Aufrüher vor. Ein Beamter wurde hierbei getötet, ein anderer erlitt schwere Verletzungen. Die Zentraldirektion der Gendarmerie sah sich daher gezwungen, eine erhebliche Verstärkung des an der Grenze eingesetzten Personals vorzunehmen. Zwei Bundesminister kamen in das Kampfgebiet und überzeugten sich von der prekären Lage im Grenzgebiet. Der Bundeskanzler schlug den Alliierten vor, das Bundesheer einzusetzen, um die geplanten Maßnahmen im Burgenland doch noch zu ermögliche. Hiermit war man aber nicht einverstanden. Weitere Zwischenfälle waren zu verzeichnen:
  • 07. September 1921: Überfall auf Gendarmen in Zagersdorf,
  • 08. September 1921: starke Gefechte im Raum Schattendorf-Agendorf. Hier starben 3 Gendarmen. Hinzu kamen 6 Schwer- und 15 Leichtverletzte.
  • 08. September 1921: In Mattersdorf waren sich zurück ziehende Gendarmeriebeamte aus anderen Orten eingetroffen. Ein kleinerer Teil dieser Beamten zog sich weiter nach Sauerbrunn zurück. Um Mattersdorf zu halten blieb die Mehrzahl der Beamten vor Ort. Überwiegend waren dieses Freiwillige.
  • 09. September 1921: Es wurde befohlen, dass sich alle Gendamerieposten aus dem Burgenland zurück zu ziehen hätten und wieder die Sicherung der österreichisch-ungarischen Grenze zu übernehmen sei.
Im Grenzgebiet waren zwischenzeitlich Abteilungen des Bundesheeres aufgezogen. Zusammen mit der Gendamerie wurden Angriffe der Freischärler bis Anfang November 1921 abgewehrt. Welche Verluste das Bundesheer hatte, ist nicht bekannt. Auf Seiten der Gendarmerie waren 5 Tote und 2 Schwerverletzte zu verzeichnen.
Auf Grund dieser Situation hatte die Bundesregierung das Angebot des Bundesaußenminister von Italien angenommen, in der Angelegenheit "Landnahme Burgenland" zwischen Österreich und Ungarn zu vermitteln. Die Konferenz hierzu wurde in Venedig abgehalten. Am 13. Oktober 1921 wurde eine Vereinbarung von allen Beteiligten unterschrieben. Es begann sofort eine Planung für die notwendigen Schritte, wenn 3 Wochen später die Freischärler auf Anordnung von Ungarn das Gebiet des Burgenlandes verlassen hätten. Nicht die Gendarmerie, sondern das Bundesheer sollte die Übernahme des neuen Gebietes sicherstellen. Beamte der Gendarmerie sollten den Feldpolizeidienst, Verbindungsdienste und Sicherheitsaufgaben übernehmen. Ein andere Teil der Beamten blieb an der Grenze zurück, um in den vom Bundesheer besetzten Bereichen die notwendigen Dienststellen einzurichten.
Am 13. November 1921 war es dann soweit. In drei Gruppen marschierte das Bundesheer, begleitet von jeweils 100 Gendarmen, zu den vorgesehenen Orten Nudiel am See, Eisenstadt und Mattersdorf. Am 19. November meldeten die drei Gruppen, dass die Gendarmerie jetzt die Dienststellen in diesen Bereichen einrichten könnten und damit die Sicherheit vor Ort gewährleistet sein.
Am 25. November 1921 marschierten 3 Heeresgruppen in das mittlere und südliche Burgenland ein. Wiederum übernahmen je 100 Gendarmeriebeamten bestimmte Aufgaben im Rücken der vorgehenden Truppe. Die zu erreichenden Zielorte waren dieses Mal Oberwarth, Güssing und Jennersdorf. Schon am 28. November konnten dann die an der Grenze zurück gebliebenen Beamten nachrücken, die Dienststellen einrichten und die Sicherheit gewährleisten. Anfang Dezember konnte dann der normale Gendarmeriedienst unter dem Landesgendarmeriekommando im ganzen Burgenland aufgenommen werden. War der Einmarsch des Heeres auch problemlos verlaufen. Jetzt tauchten die ersten Freischärlergruppen auf und begingen meuchlerische Überfälle. So wurde beispielsweise am 25. März 1922 ein Patrouillenleiter in Apetlon tödlich verletzt.
Durch die Sicherung der Grenzen zu Ungarn und einer Intervention der Bundesregierung in Budapest beruhigte sich die Situation weiter und mit der Zeit konnten die Überzähligen Beamten aus dem Burgenland wieder abgezogen werden.


Nach den Erinnerungen um den Kampf bei Agendorf von Gendarmerie-Abteilungsinspektor Johann Müllner, Graz

Am ersten Tag der Landnahme des Burgenlandes sollten die eingesetzten 11 Kolonnen bis zu einer Demarkationslinie vorrücken, die ungefähr in der Mitte des neuen Burgenlandes lag. Agendorf lag im Bereich dieser Grenze des ersten Tages. Die Demarkationslinie lief auf der Kammlinie des Agendorfer Waldes im Süden von Agendorf, dann weiter über Kote 357 zum Agendorfer Bahnhof und ging dann nach Norden weiter. An der Demarkationslinie wurde durch Feldwachen die Sicherheit hergestellt.
Am 29. August 2921 trafen Probegendarmen in der Mittagszeit in Agendorf ein. Hier befand sich das Gruppenkommando der Gendarmerie, dem 100 Gendarmen angehörten. Außerdem befanden sich noch weitere 200 Beamte vor Ort, die für die Stadt Ödenburg vorgesehen waren. Das neue Personal erhielt den Auftrag, die Positionen von zwei Feldwachen zu besetzen und einen Patrouillengang durchzuführen. Der erste Standort befand sich an Straße von Agendorf nach Ödenburg, nur einige hundert Schritte nordöstlich vom Bahnhof. Die zweite Feldwache bezog ihren Posten nördlich von der ersten Feldwache. Die Patrouille wurde personell besetzt. Vom Friedhof ging es in südlich bis zum Kamm des Agendorfer Waldes. Auf dem Höhenrücken hielt man sich südlich und kam dann an die Brennberger Eisenbahnlinie. Die Patrouille musste diesen Weg immer wieder begehen.
Am 08. September 1921 waren morgens um dreiviertel 5 Uhr Schüsse aus Richtung des Agendorfer Waldes zu hören. Die Patrouille wurde alarmiert. Da das Gewehrfeuer dann nicht mehr zu vernehmen war, durften die Beamten wieder zurück in die Quartiere. Jetzt setze wieder heftiges Gewehrfeuer ein. Die Verantwortlichen gingen davon aus, dass Freischärler die Gendarmerieposten angriffen. Alle Beamten wurden alarmiert und darüber informiert, dass Freischärler auf Agendorf vorgingen. Die Probegendarmen waren als erste einsatzbereit. Man besetzte den Südrand von Agendorf, um die angreifenden Freischärler aufzuhalten. Diese hielten sich im Wald in der Nähe der dort befindlichen Weinkeller auf. Die Beamten rückten auf die Weinkeller vor und begannen mit dem Beschuss der Freischärler. Die Banditen verfügten über Maschinengewehre, schossen aber schlecht. Fünfmal versuchten die Banditen unter lautem "Hurra-Geschrei" nach vorne anzugreifen, brachen dieses aber immer wieder ab. Mit einigen Leuten sicherten die Gendarmen die Seiten der Kampflinie. Das Maschinengewehrfeuer hörte auf und es waren die Schreie von Verwundeten Freischärlern zu vernehmen. Bei den Gendarmen war nur Probegendarm Reiter verletzt worden. Er wurde verbunden und zurück geschickt.
Während dieser Kampfhandlungen konnten die Beamten von dem Höhenrücken aus wahrnehmen, dass reguläres ungarischer Militär hinter den Freischärler vorrückte. Es war das Bataillon von Major Osztenburg. Mit den Freischärlern war man noch fertig geworden. Gegen eine Kampfeinheit der Ungarn war dieses auf Dauer aber nicht möglich. Gegen 9 Uhr war Agendorf von der gegnerischen Einheit schon so gut wie eingekesselt. Die eigenen Stellungen wurden verlassen und der Rückzug nach Loipersbach vorbereitet. Ein von der Gefechtslinie zum Gruppenkommando nach Agendorf geschickter Beamter war nicht zurück gekommen. Später wurde bekannt, dass der Beamte in Agendorf gefangen genommen und nach Östenburg transportiert worden war. Der dann vom Einheitsführer angeordnete Rückzug nach Loipersbach ging geordnet vor sich. Die Probegendarmen sammelten sich am Ortsausgang von Agendorf. Kontakt zu anderen Gendarmeriegruppen konnte nicht hergestellt werden. In einer Schwarmlinie ging es dann Richtung Loipersbach. Da Beschuss von beiden Seiten erfolgte, ging dieser Rückzug im "Sprung vorwärts" und Ausnutzen der Deckungsmöglichkeiten vor sich. Als man auf einen Zug stieß, ging man beidseitig des Bahndammes mit diesem bis Mattersdorf weiter zurück. Dort trafen man dann auch zurück gehende Beamte des Gruppenkommandos. Nur ein Beamter wurde am linken Arm durch einen Schuss verletzt.
Die Gendarmeriebeamten waren mit Säbel und Karabinern ausgerüstet und verfügten über 70 Schuss Munition. Munitionsnachschub gab es nicht. Ebenso keine Fernmeldemittel, Spaten und Sanitätsausstattung. Die Rucksäcke mit ihren Habseligkeiten hatten die Beamten beim Rückzug zurück lassen müssen und waren in Feindeshand gelangt. Unter diesen Umständen muss man den Beteiligten bescheinigen, dass Sie das Beste gegeben hatten, was gegen reguläres ungarischer Militär möglich war.



Nach den Erinnerungen des Gendarmerie-Revierinspektors Anton Petzl über die Erlebnisse der Kolonne aus Kirchschlag in Niederösterreich

Die Kolonne, welche am 28. August 1921 von Kirchberg ins Burgenland marschierte, bestand aus rund 80 Beamten, darunter etwa 30 Zollbwachbeamte. Die Mützen mit Eichenlaub geschmückt ging es in Richtung ungarische Grenze, die nach einer Stunde überschritten wurde. Das Tagesziel hieß Gerasdorf und sollte bis zum Abend erreicht werden. Dort angekommen nahm man Quartier, um am nächsten Tag die zweite Zone der Landnahme zu besetzen. Kurz vor Mitternacht erhielt die Kolonne die Information durch einen zivil gekleideten Gendarm, dass bewaffnete Banden die am morgen überschrittene Grenze in ihre Gewalt gebracht hätten. Sofort wurde Gerasdorf verlassen und ein neues Lager im Wald bezogen, um einem eventuellen Überfall der Banditen auszuweichen. Am frühen Morgen ging es zurück in den Ort Gerasdorf.
Als der vorgesehen Marsch in die zweite Zone beginnen sollte, kam die Order, in Gerasdorf zu bleiben und neue Befehle abzuwarten. Die um den Ort aufgestellten Wachen stießen mehrfach mit den bewaffneten Banditen zusammen. Da in Salmannsdorf berittene Gruppen von Freischärlern aufgetaucht sein sollten, wurde eine Patrouille zur Erkundung nach dort beordert. Diese Patrouille hatte dann auch Feindkontakt. Im Gefecht wurde ein Reiter erschossen und ein weiterer schwer verwundet. Ein ungarischer Oberleutnant konnte gefangen genommen werden. Hierdurch wurden die Gerüchte bestätigt, dass sich reguläre Truppen der Ungarn unter den Freischärlern befanden. Der Gefangene wurde nach Wiener Neustadt überstellt. Bei weiteren Erkundungen wurde dann auch bei Bubendorf Dr. Emmerich Egan gestellt, der sich zu Pferde zu weit von seinen Leuten abgesondert hatte. Auch er wurde nach Wiener Neustadt weitergeleitet. Diese beiden Vorfälle hatten zur Folge, dass die Freischärler die Gendarmen der Kolonne immer wieder angriffen. Unter diesen Umständen war die vorgesehene Landnahme nicht, wie geplant, durchzuführen. Am jetzigen Standort zu bleiben, bedeutete eine große Gefahr für Leib und Leben der Gendarmen. Da die Bevölkerung die Beamten bat, doch vor Ort zu bleiben, tat man dieses.
In der Nacht zum 04. September 1921 griffen die Freischärler dann mit einer 20fachen Übermacht an. Eine Feldwache erschoss einen der angreifenden Banditen, der mit einem Karabiner und Handgranaten bewaffnet war. Die Freischärler hatten sich zwischenzeitlich auf gut 300 Schritt an den Ort herangearbeitet und eröffneten auch von den Höhen mit Maschinengewehren das Feuer auf die Gendarmen. Diese erwiderten das Feuer, konnten dem Druck aber nicht standhalten. Man zog sich auf den Ortsausgang und neben dem Friedhof zurück in Richtung der österreichischen Grenze. Hierbei wurden die Beamten weiter auch von den Seiten unter Feuer genommen. Anton Petzl und zwei seiner Kameraden erreichten dann den Ort Bubendorf. Weiter ging es zum Ortsausgang von Bubendorf, da am Ortseingang bereits die Freischärler eingedrungen waren. Als Maschinengewehrfeuer einsetzte, wurde die Flucht fortgesetzt. Man schaffte es bis zu einer Brücke über einen Bach Richtung Pilgersdorf. Dort sollte eine Einheit der Bahngendarmerie in Stärke von rd. 50 Beamten einquartiert sein. Ein Bauer, der hinter der Brücke angetroffen wurde, wusste, dass die Beamten in Pilgersdorf sich vor drei Stunden zurückgezogen hätten. Die drei Beamten entschlossen sich, im Bachbereich zu bleiben, da dieser eine gewisse Deckung bot. Auf der weiteren Flucht sah man weitere Beamte der Gendarmerie auf der Flucht Richtung Grenze. Nach einem starken Fußmarsch wurde dann die ehemalige österreichisch-ungarische Grenze erreicht. Man war erleichtert, dieses Ziel erreicht zu haben.
An der Grenze hatte das Bundesheer die Absicherung gegen Freischärlerbanden übernommen. Den Banden ging es darum, nach Kirchschlag zu kommen, weil ihre Anführer ihnen die Plünderung des Ortes zugesagt hatten. Das Bundesheer wurde in starke Kämpfe verwickelt und hatte alleine in diesem Bereich sieben Tote zu verzeichnen. Die Freischärler hatten starke Verluste zu beklagen. Unter deren Toten befand sich auch ein ungarischer Oberleutnant. Die am 28. April 1921 abgegangene Kolonne hatte eine Toten Gendarm, mehrere Verletzte und 16 gefangen genommene Beamte zu beklagen, letztere überwiegend Zollwachbeamte.


Nach den Erinnerungen des Gendarmeriebeamten Wenzel Stich aus Linz

Im August 1921 versah Wenzel Stich seinen Gendarmeriedienst in St. Valentin. Am 30. August 1921 wurde nach Wien abgeordnet. Er kam dort zu einer Gendarmerieeinheit, die in das neue Burgenland abkommandiert wurde. Der Einsatzort war Agendorf bei Ödenburg. Mit der Bahn ging die Fahrt über Wiener Neustadt, Sauerbrunn und Mattersdorf dorthin. Die Gruppe hatte den Auftrag, am Bestimmungsort die bereits dort befindliche Gendarmerieabteilung zu verstärken und den Ort Agendorf feldmäßig zu sichern und damit Überfälle auf Agendorf in jedem Falle zu verhindern. Für die verantwortlichen Aufgaben wurden die in der Abteilung Dienst tuenden Gendarmen eingesetzt, die als frühere Unteroffiziere über Kriegserfahrung verfügten. Da Wenzel Stich früher Offiziersstellvertreter war, wurden ihm 16 Gendarmen zugeteilt. Mit diesen musste er an der Bahnstrecke Agendorf - Ödenburg eine Durchfahrt absichern, die strategisch sehr wichtig war. Erst bei Dunkelheit erreichte die Gruppe den Straßentunnel und sicherte ihn auf beiden Seiten ab. Patrouillen wurden ausgeschickt, um das Umfeld zu erkunden. Eine dieser Patrouillen hatte dann auch Kontakt mit einer Patrouille der Freischärler, die sich aber sofort zurück zogen. Aus dem nahen Wald wurden Leuchtraketen abgeschossen und die Gendarmen hörten Signale. In breiter Front rückten die schwerbewaffneten Freischärler auf die Stellung der Gendarmen vor. Es kam zu einem schweren Feuergefecht. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die eigenen Stellungen aufzusuchen und sich einen Überblick über den Stand des Kampfes zu machen. Hierbei munterte er die Gendarmen auf, die Stellung unbedingt zu halten, damit die Banditen nicht nach Agendorf vordringen konnten. Da ereilte ihn ein Blutsturz. Bis zum Morgen konnte die Gruppe den Straßentunnel halten. Die Gruppe wurde abgelöst und konnte in Agendorf Quartier beziehen. Wenzel Stich erhielt ein Strohlager in einer Scheune und wurde dann, gegen seinen Willen, in ein Krankenhaus nach Wien verlegt. Von diesem Blutsturz hat er sich, trotz Operationen, nicht vollständig erholt und musste 1926 aus dem Gendarmeriedienst ausscheiden.


Nach den Erinnerungen des Gendarmerie-Bezirksinspektors Anton Villgrattner

Anton Villgrattner war 1921 Vorsitzender der Personalkommission der Gendarmen Tirols.



Einzelnachweise

  1. Sonderausgabe 10 Jahre Gendarmerie im Burgenland, Seiten 17 u. 18

Quellenangabe

  • Österr. Gendarmerieverband (Hg.): 10 Jahre österreichische Gendarmerie im Burgenland in Die Gendarmerie.Illustrierte Zeitschrift für die allgemeine u. fachliche Fortbildung der Gendarmeriebeamten Österreichs, 1931, verantwortlich für den Inhalt zeichnete Hauptschullehrer Franz Damian