Privatbeteiligter
Ein Privatbeteiligter ist in der österreichischen Strafprozessordnung[1] ein Opfer (Verletzter) einer Straftat, die sich dem Strafverfahren (nur bei einem Offizialdelikt[2]) anschließt um Ersatz für den erlittenen Schaden oder Beeinträchtigung (einen privatrechtlichen Nachteil[3]) zu begehren (§ 65 Zif. 2 und § 67 öStPO). Dadurch erhält diese Person gewisse Parteirechte.
Das Gericht hat das Ausmaß des Schadens oder der Beeinträchtigung bei Anschluss eines Privatbeteiligten am Strafverfahren aber nur dann festzustellen, soweit dies auf Grund der Ergebnisse des Strafverfahrens oder weiterer einfacher Erhebungen möglich ist (§ 67 öStPO). Ist eine einfache Feststellung des Schadens im Strafverfahren nicht möglich, so ist der Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Dies bedeutet, er muss gegen den Straftäter / Beschuldigten / Angeklagten selbst zivilrechtliche Schritte einleiten (Zivilklage) und trägt dabei das volle Prozesskostenrisiko.
Erklärung und Anschluss
Um Privatbeteiligter zu werden, ist eine einfache formlose Erklärung ausreichend (§ 67 Abs. 2 öStPO). Diese kann vor der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht jederzeit bis zum Schluss des Beweisverfahrens im Strafverfahren abgegeben und auch zurückgezogen werden (§ 67 Abs. 3 öStPO). Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sind auch verpflichtet, ein Opfer auf die Möglichkeit der Privatbeteiligung hinzuweisen (§ 70 öStPO). Auch wenn das Opfers sich dem Strafverfahren zuerst nicht angeschlossen oder dies abgelehnt hat, kann es dies jederzeit später tun. Auch bedeutet die Nichtanschließung im Strafverfahren oder nur die teilweise Geltendmachung des Schadens / der Entschädigung nicht einen Verzicht auf die Geltendmachung der Ansprüche in einem Zivilverfahren.
Die Höhe eines Anspruches oder Entschädigung ist rechtzeitig zu beziffern, jedenfalls dann, wenn dies das Gericht verlangt. Nach dem Anschluss als Privatbeteiligter ist nicht zwingend eine sofortigen Bezifferung des Schadens oder der Entschädigung erforderlich, dies muss aber jedenfalls bis zum Schluss des Beweisverfahrens im Strafverfahren erfolgen.
Auch ein Mitangeklagter kann im Strafverfahren gegen einen anderen Mitangeklagten als Privatbeteiligter auftreten und sich dem Verfahren anschließen. Dies jedoch nur, sofern nicht beide Mitangeklagten an derselben strafbaren Handlung beteiligt waren.
Stirbt ein Opfer vor dem Ende des Beweisverfahrens im Strafverfahren, so können dessen Erben sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte mit dem Anspruch des Verstorbenen anschließen.
Besondere Rechte des Privatbeteiligten
Neben den Rechten als Opfer im Strafverfahren (§ 66 öStPO) stehen dem Privatbeteiligten weitere Verfahrensrechte zu:
- ein Beweisantragsrecht (§ 55 öStPO),
- die Aufrechterhaltung der Anklage (§ 72 öStPO)[4]. Der Privatbeteiligte ist unter Umständen berechtigt anstelle des Staatsanwaltes die Anklage zu übernehmen (§ 67 Abs. 6 öStPO; § 2 Abs. 3, § 32 Abs 3a und Abs. 4 FL-StPO)
- die Beschwerde bei Einstellung des Verfahrens § 87 Abs. 1 öStPO),
- das Recht zur Ladung zur Hauptverhandlung und ein Befragungs- und Anhörungsrecht,
- Möglichkeit ein Schlussplädoyer nach dem Beweisverfahren zu halten (§ 255 Abs. 2 öStPO; § 200 FL-StPO),
- die Möglichkeit der Berufung gegen das Urteil wegen der privatrechtlich geltend gemachten Ansprüche (§ 67 Abs. 6 Zif. 5, § 283 Abs. 1 und § 366 Abs. 3, § 465 öStPO; § 218 Abs. 5 FL-StPO),
- die Möglichkeit der Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs. 1 Zif. 4 und § 282 Abs. 2 / § 292 öStPO).
Wenn eine erwachsene Person sich einem Strafverfahren als Privatbeteiligter anschließt, ist nach § 156 Abs. 1 Zif. 1 iVm Abs. 2 nicht von der Pflicht zur Aussage im Strafverfahren befreit, auch dann nicht, wenn er dies als Opfer wäre. Im Ermittlungsverfahren (Vorverfahren)[5] kann der Privatbeteiligte dem Staatsanwalt Anregungen geben (jedoch keine Anträge stellen).[6] Im Ermittlungsfahren kann dem Privatbeteiligten die Akteneinsicht beschränkt werden (§ 68 Abs. 1 öStPO; § 32 Abs. 2 Zif. 2 FL-StPO).
Verfahrenshilfe
Privatbeteiligte können, wie andere Opfer eines Strafverfahrens auch, bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen die Verfahrenshilfe beantragen (§§ 61, 62 und 67 Abs. 7 öStPO; § 32 Abs. 3 FL-StPO).
Zivilrechtsweg
Der Privatbeteiligte kann einen aus der Straftat abgeleiteten, auf Leistung, Feststellung oder Rechtsgestaltung gerichteten Anspruch gegen den Beschuldigten auch im Strafverfahren grundsätzlich geltend machen (§ 69 öStPO; § 32a Abs. 1 FL-StPO). Die Gültigkeit einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft kann im Strafverfahren jedoch immer nur als Vorfrage beurteilt werden (§§ 15, 371 Abs. 2 öStPO; §§ 5, 32a und 262 FL-StPO).
Wird der Beschuldigte nicht verurteilt, so ist der Privatbeteiligte mit seinen Entschädigungsansprüchen jedenfalls auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (§ 366 Abs. 1 öStPO; § 258 Abs. 1 FL-StPO).
Erfolgt die Verurteilung des Beschuldigten, so ist zugleich über die privatrechtlichen Ansprüche des Beschädigten zu entscheiden. Erachtet das Strafgericht, dass die Ergebnisse des Strafverfahrens nicht ausreichen, um aufgrund derselben über die Ersatzansprüche verlässlich urteilen zu können, so verweist es den Privatbeteiligten mit seinen Ansprüchen ganz oder teilweise auf den Zivilrechtsweg (§ 366 Abs. 2 öStPO; § 258 Abs. 2 FL-StPO).
Dem Privatbeteiligten steht es immer frei, den Zivilrechtsweg zu beschreiten, wenn er sich mit der vom Strafgerichte ihm zuerkannten Entschädigung nicht begnügen will oder kann (§ 372 öStPO; § 263 FL-StPO).
Einzelnachweise
- ↑ Der Liechtensteinische Strafprozessordnung (hier als FL-StPO bezeichnet) diente die österreichische Strafprozessordnung (hier als öStPO bezeichnet) als Rezeptionsvorlage, weswegen hier auch auf diese etwas eingegangen wird.
- ↑ Ist das Opfer in der Rolle des Privatanklägers, so stehen ihm die Rechte ds Privatbeteiligten bereits zu.
- ↑ Ein privatrechtlicher Nachteil ist ein solcher, der auch vor einem Zivilgericht geltend gemacht werden könnte.
- ↑ Diesfalls kann jedoch den Privatbeteiligten unter Umständen eine Kostenersatzpflicht treffen (§ 390 öStPO).
- ↑ Das Ermittlungsverfahren (siehe § 91 Abs. 1 öStPO) dient dazu, Sachverhalt und Tatverdacht durch Ermittlungen soweit zu klären, dass die Staatsanwaltschaft über Anklage, Rücktritt von der Verfolgung oder Einstellung des Verfahrens entscheiden kann und im Fall der Anklage eine zügige Durchführung der Hauptverhandlung ermöglicht wird.
- ↑ Siehe z. B. § 32 Abs. 2 Zif. 1 FL-StPO.
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