Akteneinsicht

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Das Recht auf Akteneinsicht ist ein Verfahrensgrundrecht und wird in Österreich für alle Ebenen der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit durch Artikel 6 EMRK auf bundesverfassungsrechtlicher Ebene gewährleistet und geschützt. Parteien, Verdächtigen, Beschuldigten, Privatbeteiligten und Privatanklägern bzw Opfern etc. in behördlichen und gerichtlichen Verfahren steht grundsätzlich das Recht auf Akteneinsicht zu und die Behörden und Gerichte sind verpflichtet, diese zu ermöglichen (in Österreich oft als gewähren oder gestatten bezeichnet, obwohl es ein Recht ist bzw. Verpflichtung der staatlichen Einrichtung). Für Sachverständigen und Dolmetschern besteht das Recht auf Akteneinsicht nur soweit und so lange, wie dies für ihre Tätigkeit erforderlich ist.

Die Akteneinsicht ist grundsätzlich während der Amtsstunden der Behörde oder des Gerichtes in den jeweiligen Amtsräumen zu ermöglichen.[1] Im Rahmen der technischen Möglichkeiten kann diese auch über einen Bildschirm oder im Wege elektronischer Datenübertragung ermöglicht werden.

Recht auf Akteneinsicht

Die Ermöglichung der Akteneinsicht ist ein Akt, der nicht einer besonderen Genehmigung bedarf, da es ein Verfahrensgrundrecht ist, welches grundsätzlich unabdingbar einem Berechtigten zusteht. Wird ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, dann liegt es jedoch am Berechtigten, ob, wann und wie weit er diese Möglichkeit nutzt.[2]

Der Umfang der Akteneinsicht erstreckt sich grundsätzlich – mit Einschränkungen – auf den gesamten Akt, inklusiver der vom Berechtigten selbst eingebrachten Schriftsätze. Bestimmte behördeninterne Aktenbestandteile oder aus Gründen des Datenschutzes besonders geschützte Informationen, Bilder etc. können unter Umständen ausgenommen werden.

Der Akteneinsicht unterliegen alle Akten bzw. Aktenteile. Dies unabhängig davon, ob diese physische Schriftstücke sind oder ob die Aktenteile auf Datenträgern gespeichert sind.

Alle Parteien in einem Verfahren haben immer im gleichen Umfang das Recht auf Akteneinsicht. Keine Partei darf bevorzugt werden.

Verpflichtung zur Ermöglichung der Akteneinsicht

Das Recht auf Akteneinsicht korrespondiert mit der Verpflichtung von Behörden, Gerichten etc., diese Akteneinsicht zu ermöglichen. Da eine Akteneinsicht grundsätzlich vom Berechtigten jederzeit wahrgenommen werden kann, besteht auch eine Verpflichtung der Behörden, Gerichte etc. dies jederzeit zu den entsprechenden Amtsstunden zu ermöglichen. Dies kann unter Umständen problematisch sein, wenn sich ein Akt z. B. beim Sachverständigen oder Dolmetscher außerhalb des Amtssitzes der Behörde oder des Gerichtes etc., befindet.

In der Praxis hat es sich eingebürgert, dass Berechtigte oder deren Rechtsvertreter zuvor die Absicht der Akteneinsicht der Behörde, dem Gericht etc. bekannt geben und einen Termin hierzu vereinbaren. Dies ist jedoch nicht verpflichtend.

Akteneinsicht im Zivilverfahren

Das Recht auf Akteneinsicht gilt sowohl im streitigen Verfahren als auch im außerstreitigen Verfahren. Nach § 219 ZPO, der sinngemäß auch für das Außerstreitrecht gilt[3], können die Parteien in sämtliche ihre Rechtssache betreffenden, bei Gericht befindlichen Akten (Prozessakten), mit Ausnahme der Entwürfe zu Urteilen und Beschlüssen, der Protokolle über Beratungen und Abstimmungen des Gerichtes und solcher Schriftstücke, welche Disziplinarverfügungen enthalten, Einsicht nehmen und sich davon auf ihre Kosten Abschriften (Kopien) und Auszüge (Ausdrucke) erteilen lassen.[4]

Auch dritte Personen können mit Zustimmung beider Parteien in gleicher Weise Einsicht nehmen und auf ihre Kosten Abschriften (Kopien) und Auszüge (Ausdrucke) erhalten, soweit dem nicht überwiegende berechtigte Interessen eines anderen oder überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des Art. 23 Abs. 1 DSGVO entgegenstehen. Fehlt eine solche Zustimmung, so steht einem Dritten die Einsicht und Abschriftnahme überdies nur insoweit zu, als er ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.[5]

Akteneinsicht im Strafverfahren

Besondere Bedeutung kommt dem Recht auf Akteneinsicht im Strafverfahren, im Verwaltungsstrafverfahren und im Bereich des Disziplinarstrafrechtes zu.

Im österreichischen Strafprozessrecht ist die Akteneinsicht vor allem in den §§ 51 bis 53 StPO geregelt, im Verwaltungsstrafrecht in § 24 VStG iVm § 17 AVG und im Disziplinarstrafverfahren in den jeweiligen Disziplinarordnungen, meist iVm mit dem § 17 AVG.

Die Akteneinsicht im Straf-, Verwaltungsstraf- und Disziplinarstrafverfahren soll es dem Beschuldigten insbesondere ermöglichen, sich verteidigen zu können, so dass er nicht von Vorwürfen und Beweisen überrascht wird, welche die Behörde, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht gegen ihn verwenden wollen. Es gelten zwar nach § 3 StPO die Grundsätze des Objektivität und Wahrheitserforschung für die Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte. Diese haben die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, die für die Beurteilung der Tat und des Beschuldigten von Bedeutung sind, (...) ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden und die zur Belastung und die zur Verteidigung des Beschuldigten dienenden Umstände mit der gleichen Sorgfalt zu ermitteln, jedoch wird die Ungleichheit im Strafverfahren zu Lasten der Verdächtigen und Beschuldigten seit Jahrzehnten in Österreich kritisiert und aufgezeigt. Das Recht auf Akteneinsicht ist dabei ein Korrektiv für diese seit Jahrzehnten bestehende Ungleichheit.[6]

Die Akteneinsicht beginnt dabei bereits im frühen Stadium, wenn der Betroffene noch Verdächtiger ist, also bereits bei der Polizei, sobald diese einen Akt über eine Person oder einen Vorfall angelegt hat und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde.[7] Das Recht auf Akteneinsicht berechtigt auch dazu, Beweisgegenstände in Augenschein zu nehmen, soweit dies ohne Nachteil für die Ermittlungen möglich ist.[8]

Besteht die Gefahr, dass sich ein Zeuge oder einen Dritten durch die Bekanntgabe des Namens und anderer Angaben einer ernsten Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit aussetzen würde, kann die Akteneinsicht für diesen Bereiche (z. B. personenbezogene Daten) eingeschränkt werden.

Im Strafverfahren kann der Betroffene, wenn er nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, das Recht auf Akteneinsicht selbst geltend machen. Ansonsten nur der Rechtsanwalt.[9]

Ton- oder Bildaufnahmen, deren Besitz allgemein verboten ist (z. B. Kinderpornografie) dürfen im Rahmen der Akteneinsicht nicht kopiert werden. Ebenso, wenn schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen anderer Beteiligter des Verfahrens oder Dritter betroffen sind (z. B. bei Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnissen). In einem solchen Fall kann dem Berechtigten auch die Pflicht zur Geheimhaltung von Aufnahmen auferlegt werden (siehe § 301 Abs. 2 StGB).

Akteneinsicht kann auch im Strafverfahren im Falle begründeten rechtlichen Interesses von den Staatsanwaltschaften bzw. den Gerichte auch außer den in diesem Gesetz besonders bezeichneten Fällen Dritten gewährt werden, soweit dem nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.[10] Zum Zweck einer nicht personenbezogenen Auswertung für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke, statistische Zwecke oder vergleichbare, im öffentlichen Interesse liegende Untersuchungen können die Staatsanwaltschaften, die Leiter der Gerichte und das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf Ersuchen der Leiter anerkannter wissenschaftlicher Einrichtungen die Übermittlung personenbezogener Daten durch Erteilung von Auskünften, Einsicht in Akten eines Verfahrens und Herstellung von Abschriften (Ablichtungen) unter bestimmten Auflagen und Bedingungen bewilligen.[11]

Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren

Auch die Parteien des Verwaltungsverfahrens haben ein umfassendes Recht auf Akteneinsicht. Dies ist grundsätzlich in § 17 AVG geregelt. Im Verwaltungsverfahren haben grundsätzlich nur Personen ein Recht auf Akteneinsicht, welche Partei im Verfahren sind (mit Ausnahmen in Sondergesetzen). Die Anfertigung von Kopien kann im Verwaltungsverfahren nur verlangt werden, wenn die Behörde einen (funktionierenden) Kopierer besitzt.

Elektronische Akteneinsicht

In Österreich wird seit vielen Jahren die elektronische Aktenführung und damit auch die elektronische Akteneinsicht als Ziel gesehen. Die elektronische Akteneinsicht ist auch Teil der strategischen Digitalisierungsinitiative Justiz 3.0. Dadurch sollen Verfahren bürgernäher und beschleunigt werden.

Mittels elektronischer Akteneinsicht sollen in Zukunft die Abfrageberechtigten (derzeit vor allem Rechtsanwälte, Notare und Sachverständige aus Österreich) auf die gespeicherten Verfahrensdaten Einsicht nehmen können. Die elektronische Akteneinsicht soll dabei Online möglich sein als auch die einzelnen Aktenbestandteile als PDF-Datei heruntergeladen werden können.

Kosten

Die Akteneinsicht ist in Österreich generell kostenpflichtig, wenn von den Akten z. B. Kopien angefertigt werden.[12] Abschriften jedoch müssen kostenlos ermöglicht werden. In bestimmten Verfahren, z. B. vor dem Finanzamt, sind Kopien kostenlos bereitzustellen. Werden Kopien selbst hergestellt (z. B. durch Fotografieren mit dem Mobiltelefon), so ist dies nicht kostenpflichtig. Es kann jedoch aus anderen Gründen die Verwendung von Fotoapparaten in Behörden, Gerichten etc. untersagt sein.

Einschränkung

Die Akteneinsicht darf im Sinne des Artikel 6 EMRK nur insoweit beschränkt werden, als besondere Umstände konkret befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme von bestimmten Aktenstücken der Zweck z. B. von strafrechtlichen der Ermittlungen oder der Zweck des Verfahrens gefährdet wäre oder dadurch Rechte Dritter (z. B. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, personenbezogene Daten etc.) geschädigt werden können oder eine unbeeinflusste Aussage eines Zeugen nicht mehr möglich wäre etc. Die Akteneinsicht ist auf das unbedingt Nötigste und darf nur solange als notwendig zu beschränkt werden.

Wird ein Akt unter Verschluß genommen, ist eine Akteneinsicht nicht möglich.

Verbot der Veröffentlichung

Bei Informationen, welche im Zuge einer Akteneinsicht gewonnen wurden, kann ein Verbot der Veröffentlichung bestehen.[13] Dabei ist jeweils im Einzelfall nach Vornahme einer Interessensabwägung im Sinne des Artikel 6 EMRK zu entscheiden.

Kritik

In Österreich werden immer wieder Akten von der Akteneinsicht ganz oder teilweise, manchmal über Jahre hinweg, ausgenommen und der Berechtigte muss sich sein Recht erkämpfen. Dies wird auch immer wieder in Wahrnehmungsberichten und in der Presse immer wieder kritisiert.[14] Siehe auch den auch deswegen besonders bekannt gewordenen Wiener Neustädter Tierschützerprozess.

Einzelnachweise

  1. Siehe hierzu z. B. § 53 Abs. 2 StPO.
  2. Für das Verwaltungsverfahren siehe dazu VwGH 99/16/0081, 99/16/0239.
  3. § 22 AußStrG.
  4. § 219 Abs. 1 ZPO.
  5. § 219 Abs. 2 ZPO.
  6. Siehe z. B.: Christian Bertel: Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts, 5. Auflage, Wien 1997, S. 68, 234.
  7. § 53 Abs. 1 StPO: …im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft und bis zur Erstattung des Abschlussberichts (§ 100 Abs. 2 Z 4) auch bei der Kriminalpolizei.
  8. § 51 Abs. 1 StPO.
  9. § 52 Abs. 1 iVm § 57 Abs. 2 StPO.
  10. § 77 Abs. 1 StPO.
  11. Siehe hierzu § 77 Abs. 2 StPO.
  12. Siehe z. B. § 52 Abs. 1 StPO.
  13. Siehe z. B. § 54 StPO.
  14. Beispiel: Ex-Heimkinder: Keine Einsicht in Akten, Webseite: ORF.at vom 31. Mai 2013.