Über die Grenze (Geschichtsradweg Hohenems)

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Über die Grenze ist der Name eines musealen Geschichtsprojekts, das vom Jüdischen Museums Hohenems, Vorarlberg, wesentlich gefördert wurde.[1] Es handelt sich dabei um eine Art Geschichtspfad in Zusammenarbeit mit zahlreichen Gemeinden und Institutionen in der Region. Damit werden 52 Hörstationen (Grenzsteine) mit Fluchtgeschichten von 1938 bis 1945 entlang der Vorarlberger Radroute Nr. 1 vom östlichen Teil des Bodensees bis hinauf zur Silvretta erschlossen (Stand vom September 2022).

Die so mit Orten verknüpften Abschnitte in Lebensgeschichten einzelner Personen ereigneten sich in Österreich im NS-Staat, Vorarlberg, im Deutschland der NS-Zeit, der Schweiz und in Liechtenstein zwischen März 1938 und Juni 1945. Die abrufbaren Bilder und Texte geben dazu Auskunft.

Die Vergangenheit soll bei dieser Fahrradtour multimedial, im Wortsinn des Fahrens, erfahrbar werden, indem einzelne Orte und ihre punktuelle Bedeutung in den Biografien der wenigen genannten Personen mit den generellen historischen Zusammenhängen der NS-Diktatur verbunden werden. Ort der Verknüpfung ist jeweils ein symbolischer Grenzstein als Kleindenkmal. Er erinnert an die jeweilige Geschichte der Verfolgung, die erfolgreiche bzw. gescheiterte Flucht im Grenzgebiet der Vierländerregion Bodensee und des Lebensendes bzw. des weiteren Lebensweges. Der beschriftete Grenzstein bietet auch den Informationszugang zur jeweiligen Internetseite (Smartphone vorausgesetzt). Dabei handelt es sich in der Regel um die Fluchtversuche von Personen, die durch das NS-Regime verfolgt wurden. Ihr Ziel war der im Zweiten Weltkrieg neutrale Staat Schweiz, der enge wirtschaftliche Beziehungen zum NS-Staat unterhielt und deshalb ein Interesse an einem weitgehend offenen Grenzverkehr mit dem Reich hatte. Allerdings waren Flüchtlinge nicht unbedingt willkommen. Einige der 52 Geschichten handeln deshalb auch von der Organisation des jeweiligen Grenzregimes und dessen Respektierung durch die Anwohnerschaft[Anm 1][Anm 2] [2][3][4]

Eröffnet wurde das Projekt nach umfangreichen Vorarbeiten der oben genannten Beteiligten im Juli 2022.[5]

Literatur

  • Aleida Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. Deutsche Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe 633, Bonn 2007. ISBN 978-3-89331-787-5; bzw. C.H. Beck, München 2006. ISBN 978-3-406-54962-5.
  • Markus Barney: Ein 100 Kilometer langes Denkmal. In der Wiener Zeitung vom 5. Juli 2022 über diese Form der Erinnerungskultur. (Link zur Onlineversion)
  • Alexandra Föderl-Schmid: Auf Schmuggelstegen. In: Süddeutsche Zeitung vom 5. August 2022 (Während der Nazidiktatur versuchten viele Juden und andere Verfolgte, von Österreich in die Schweiz zu entkommen. Viele schafften es, andere leider nicht. Das interaktive Projekt "Über die Grenze" zeichnet auf bewegende Weise ihre Geschichten nach.)
  • Edith Hessenberger (Hrsg.): Grenzüberschreitungen. Von Schleppern, Schmugglern, Flüchtlingen. Schruns 2008, 239 S. Für den Heimatschutzverein im Tale Montafon. ISBN 978-3-902225-31-3.
  • Ursina Jud: Liechtenstein und die Flüchtlinge zur Zeit des Nationalsozialismus. Vaduz-Zürich Chronos-Verlag, 2005. 310 Seiten. In der Reihe Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Weltkrieg (UHK-Studien), Band 1. ISBN 978-3-0340-0801-3.
  • Stefan Keller: Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Rotpunktverlag, Zürich 1993, 5. Auflage 2013, ISBN 3-8586-9157-7.
  • Jörg Krummenacher: Flüchtiges Glück. Die Flüchtlinge im Grenzkanton St. Gallen zur Zeit des Nationalsozialismus. Limmat, Zürich 2005. ISBN 3-85791-480-7.
  • Hanno Loewy (Hrsg.): Hier. Gedächtnisorte in Vorarlberg. Bucher Verlag, 2008. ISBN 978-3-902679-04-8.
  • Marcel Mayer: Vorlage:HLS
  • In Österreich und Schweiz — 100 Kilometer langer Radweg erinnert an Fluchtgeschichten. Im schweizer: Blick vom 13. Juli 2022 (Tausende Flüchtlinge haben zwischen März 1938 und Mai 1945 versucht, über das Vorarlberg die rettende Schweiz zu erreichen. Auch über die Geschichte von Carl Zuckmayer von 1933 bis 1938; Hörstation 41; Link zur Onlineversion)
Deutscher Reisepass mit J-Stempel und dem Zwangsvornamen Israel, um die Einreise in die Schweiz zu erschweren[6]

Weblinks

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Zum Beispiel bei der Hörstation 23 über den St. Galler Polizeikommandanten Hauptmann Paul Grüninger und der nach ihm benannte Brücke über den Grenzfluss bei Diepoldsau (2012).
  2. In folgenden Städten wurden Straßen oder Plätze nach Grüninger benannt: St. Gallen, Jerusalem, Kirjat Ono, Stuttgart und Rischon LeZion. In Wien wurde 1997 die nach den Plänen der Architekten Gustav Peichl und Rudolf Weber neuerbaute Schule in der Hanreitergasse nach ihm benannt.

Einzelnachweise

  1. Eine Projektvorstellung (auf der Website des Jüdischen Museums Hohenems)
  2. Bundesrat weiht Paul-Grüninger-Strasse in Israel ein, auf tagblatt.ch vom 30. Oktober 2017.
  3. Marcel Elsener: Eine Grenzbrücke für Grüninger. In: St. Galler Tagblatt, 16. Februar 2012.
  4. jub: Brückendenkmal für Paul Grüninger. In: derStandard.at, 6. Mai 2012. Die staatsverbindende Paul-Grüninger-Brücke wurde angesichts dieser Resonanz zu einem international beachteten Denkmal, das das Geschichtsprojekt einbezieht.
  5. Laura Kisser: Mahnmal zum Hören: NS-Fluchtgeschichten von Vorarlberg in die Schweiz. In: Der Standard vom 19. Juli 2022
  6. Deutsche Pässe mit einem J (Judenstempel) berechtigten den Inhaber seither zum Grenzübertritt nur dann, wenn vorher ein Visum zur Durchreise oder zum Aufenthalt von schweizer Behörden erteilt worden war. Viele Flüchtlinge wurden an den Grenzen zurückgeschickt, manche wurden sogar festgenommen und an deutsche Behörden ausgeliefert. Stefan Mächler beschreibt das zum Bspl. in: Schweiz im Zweiten Weltkrieg: Als die Behörden die Grenze schlossen, wussten sie, was das für die abgewiesenen Juden hiess. In: Neue Zürcher Zeitung vom 11. August 2017