Richard Löwenherz in Österreich

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Gefangennahme von König Richard Löwenherz in Erdberg bei Wien in der Darstellung im "Liber ad honorem Augusti sive de rebus Siculis" aus dem Jahr 1196
Schloss Dürnstein, handkolorierte Graphik aus dem Jahr 1842
Das Hotel Richard Löwenherz in Dürnstein, erbaut auf den Ruinen des ehemaligen Klarissenklosters in Dürnstein

König Richard "Löwenherz[A 1] (* 1157, in Oxford, heute Großbritannien; † 6. April 1199, in Châlus, heute Frankreich) war als Richard (I.) König von England und Herrscher über das "angevinische Reich". Im heutigen Österreich ist er als Figur einer seinerzeit sehr populären Sage im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an jenem Kreuzzug, der gewöhnlich als der "Dritte Kreuzzug" gezählt wird, und seiner vorübergehenden Gefangensetzung auf einer Burg im heutigen Bundesland Niederösterreich in Erinnerung geblieben. Seit dem 20. und 21. Jahrhundert werden er und inzwischen auch seine Familie für den Tourismus in der Gemeinde Dürnstein genutzt.

Der Lösegeld-Coup in der Überlieferung

Gesichert ist, dass Herzog Leopold (V.) von Österreich ("Leopold der Tugendreiche") († 1294) am 21. Dezember 1192[1] den englischen König Richard Löwenherz bei seiner Rückreise vom "Dritten Kreuzzug" gefangen nehmen ließ. Dieser wurde am 28. März 1193 Kaiser Heinrich VI. übergeben, nachdem sich der Herzog und der Kaiser bezüglich der Aufteilung des zu erwartenden Lösegeldes am 14. Februar 1193 geeinigt hatten. Eine weitere Vereinbarung bezüglich des Lösegeldanteiles für Herzog Leopold fand am 29. Juni 1193 statt. Ende November 1193 wurde Herzog Leopold sein Anteil am Lösegeld, der 11.690 Kilogramm Silber betrug[2], ausgezahlt.[3]

In der herkömmlichen Überlieferung wird das Vorgehen von Herzog Leopold (V.) von Österreich gegen den englischen König auf einen Vorfall zurückgeführt, zu dem es nach der Einnahme der Stadt Akkon zwischen ihm und Richard Löwenherz beziehungsweise zwischen ihren Gefolgsleuten gekommen war und der für den Herzog eine schwere Beleidigung durch den König bedeutet hatte.[3] Im Zusammenhang mit der Verteilung der Beute sollen Richards Leute oder der König selbst persönlich das Banner des Herzogs herabgerissen haben, was den Herzog zur sofortigen Heimreise bewog.[4]

Richard wurde später auf der Rückreise vom Kreuzzug im Dezember 1192 durch den Herzog beziehungsweise seine Leute in einem Gasthof in Erdberg (heute Teil des 3. Wiener Gemeindebezirks) fest genommen und einige Zeit auf einer Burg des herzoglichen Ministerialen Hadmar (II.) von Kuenring († 1217) im heutigen Bundesland Niederösterreich gefangen gehalten. Diese " Kuenringer" Burg wird gewöhnlich mit der an der Donau gelegenen Burg Dürnstein identifiziert. Zur Gefangennahme kam es, da Richard trotz seiner Verkleidung erkannt worden war. Er hatte sich nach der Überlieferung dadurch verdächtigt gemacht, dass er einen auffälligen, wertvollen Ring an einem seiner Finger trug und mit einer im Herzogtum Österreich völlig unbekannten Goldmünze bezahlen wollte.[3] Die Überlieferung wirft eine Reihe von Fragen auf, die bisher nicht eindeutig beantwortet werden konnten. Daher wird sie in Details der neuesten Forschung diskutiert beziehungsweise in wesentlichen Punkten in ihrer Zuverlässigkeit in Frage gestellt. Offene Fragen sind zum Beispiel, warum Richard, der immerhin als militärischer Stratege gilt, seine Rückreise nicht besser geplant hatte oder warum er ausgerechnet eine Route durch Gebiete wählte, wo Feinde von ihm herrschten und nicht zum Beispiel ins ungarische Königreich auswich, mit dessen Herrscherfamilie immerhin verwandtschaftliche Bande bestanden hätten.

Die Verwendung des Lösegeldes

Mit dem Lösegeld wird die Gründung der Wiener Münzstätte (1194) in Verbindung gebracht, in welcher die Wiener Hausgenossen unter der Leitung des Münzmeisters die Münzprägungen für das Herzogtum Österreich besorgten. Nach der gängigen Überlieferung wurden mit dem Lösegeld außerdem folgenden Aktivitäten finanziert: die Stadt Wien wurde erweitert und erhielt eine neue Stadtmauer, die Städte Wiener Neustadt und Friedberg wurden gegründet, die Städte Enns und Hainburg wurden ummauert.[3] Neben der Gründung von Wiener Neustadt, gilt als gesichert, dass der Herzog seinen Lösegeldanteil für die Anlage, Erweiterung und Befestigung von Städten verwendete und nach dessen Übergabe eine neue Silbermünze, den Wiener Pfennig prägen ließ.[2]

Erinnerungen an Richard Löwenherz im heutigen Niederösterreich

Das Reiterstandbild von Richard Löwenherz und dem Sänger Blondel westlich von Dürnstein, Niederösterreich
Der Gasthof "Zum Sänger Blondel" in Dürnstein
  • Dürnstein: In Dürnstein ist ein Hotel nach Richard Löwenherz und ein weiteres Hotel nach dem Sänger Blondel benannt. Ende des 20. Jahrhunderts wurde in Dürnstein außerdem ein Themenweg angelegt, bei dem auch Mitglieder seiner Familie einbezogen sind.[5] Vor einigen Jahren wurde westlich von Dürnstein an der Straße zwischen Dürnstein und Weißenkirchen eine Skultur aufgestellt, die König Richard und den Sänger Blondel zeigt.
  • Melk: Die Zeichnung von einem Löwen hinter Gittern an einer Mauer in Melk gilt als Anspielung auf die Gefangenschaft des englischen Königs.

Richard Löwenherz und seine Erlebnisse im heutigen Niederösterreich in Literatur und Belletristik

Richard Löwenherz und seine Erlebnisse im heutigen Niederösterreich auf der Bühne

Richard Löwenherz und seine Erlebnisse im heutigen Niederösterreich in zeitgenössischen Quellen

Über die Gefangenenschaft des englischen Königs Richard Löwenherz berichten verschiedene zeitgenössische Quellen. Sie wird in den Annalen sämtlicher Klöster auf dem Areal des heutigen Österreich genannt, welche eine Beziehung zur Familie der Babenberger oder Herzog Leopold (V.) aufweisen. Kurze Anmerkungen dazu finden sich in den Annalen der Stifte Garsten und Melk.[6] Etwas ausführlicher wird über die Gefangennahme und Gefangenschaft in den Annalen des Stiftes Zwettl ("Annales Zwetlenses") berichtet, was vielleicht damit zusammenhängt, dass der englische König der Aufsicht von Hadmar (II.) von Kuenring unterstellt war, dessen Familie als Gründerfamilie des Stiftes gilt. In den Annalen des Stiftes Klosterneuburg wird auch der vorgebliche Grund für die Gefangennahme angeführt.[7] Eine relativ ausführliche Beschreibung findet sich in den Annalen ("Annales Admontenses") des Stiftes Admont. Hier wird auch über den Reiseweg berichtet und für diesen angeführt, dass Richard sich nach Böhmen durchschlagen wollte. Außerdem werden auch die Sanktionen angeführt, die Herzog Leopold für sein Vorgehen gegen Richard auferlegt wurden und die Bedingungen für Richards Freilassung.[8] Eine spätere Quelle sind die Jahrbüchern der Wiener Dominikaner ("Annales Praedicatorum Vindobonensium") aus der Zeit von Herzog Albrecht (I.) von Österreich, die auf den Melker Annalen und der ersten und zweiten Fortsetzung der Klosterneuburger Annalen aufbauen. Hier wird auch berichtet, was Herzog Leopold (V.) mit dem Lösegeld alles finanziert haben soll.[9]

Außerdem existieren Berichte von den Chronisten Ansbert ("Historia de expeditione Frederici I. imperatoris", die ihm zugeschrieben wird), Jans Enikel († nach 1302) und Paltram Vatzo (um 1300).[6] Die Ansbert zugeschriebene Historia ist die einzige Quelle, in welcher ein Vertrag über die Freilassung des englischen Königs genannt wird, den Herzog Leopold und der Kaiser Heinrich VI. im Februar 1293 in Würzburg abschlossen, und die einen Brief des französischen Königs Philipp II. August an Herzog Leopold V. zitiert, in welchem dieser Richard beschuldigt, die Ermordung des Markgrafen Konrad von Montferrat angestiftet zu haben. Dieser war nicht nur ein Verwandter des französischen Königs, sondern auch des österreichischen Herzogs.[10] Jans Enikels Weltchronik, in welcher die Geschehnisse wesentlich ausgeschmückt sind, dürfte sich an den Melker Annalen und den Jahrbüchern der Dominikaner orientiert haben.[11] Im "Chronicon Austriacum" von Paltram Vatzo findet sich nur eine kurze Nennung, die aber auf die Klosterneuburger Annalen als Quelle verweist.[12]

Literatur

  • Felix Czeike (Hrsg.): Richard I. Löwenherz. In: Historisches Lexikon Wien. Band 4, Kremayr & Scheriau, Wien 1995, ISBN 3-218-00546-9, S. 670.
  • Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz in späterer Chronistik und volkstümlicher Überlieferung. (Ungedruckte) Diplomarbeit, Universität Wien, 1998

Weblinks

 Richard Löwenherz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien auf Wikimedia Commons

Einzelnachweise

  1. vgl. Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz, 1998, S. 11
  2. 2,0 2,1 vgl. Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz, 1998, S. 12
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 vgl. Felix Czeike (Hrsg.): Richard I. Löwenherz. In: Historisches Lexikon Wien. Band 4, Kremayr & Scheriau, Wien 1995, ISBN 3-218-00546-9, S. 670.
  4. vgl. Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz, 1998, S. 10
  5. vgl. Themenweg Richard Löwenherz , Niederösterreich.AT, abgerufen am 17. Juli 2022
  6. 6,0 6,1 vgl. Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz, 1998, S. 20
  7. vgl. Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz, 1998, S. 20 und S. 22
  8. vgl. Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz, 1998, S. 20 und S. 22f.
  9. vgl. Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz, 1998, S. 25
  10. vgl. Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz, 1998, S. 26
  11. vgl. Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz, 1998, S. 27-30, besonders S. 28
  12. vgl. Herbert Raidl: Die Gefangenschaft des Richard I. Löwenherz, 1998, S. 30

Anmerkungen

  1. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird König Richard I. von England in diesem Artikel durchgehend als Richard Löwenherz bezeichnet, da es um die Sagenfigur geht.