Schutz des Andenkens verstorbener Personen

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Der Schutz des Andenkens verstorbener Personen (kurz: Andenkensschutz) wird in Österreich unter anderem im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch in § 17a Abs. 3 geregelt (zivilrechtlicher Andenkenschutz).

Der Schutz von postmortalen Persönlichkeitrechten war in Österreich auch bereits zuvor z. B. im Urheberrecht und im Strafrecht bekannt.[1] Mit § 17a ABGB wurde die bisherige Rechtsprechung im Bereich des Zivilrechts zusammengefasst.

Geschichte

Allgemein

Der Tod eines Menschen führt seit Alters her zum Erlöschen der Rechtssubjektivität (Rechtsfähigkeit). Ein Toter kann daher grundsätzlich nicht mehr klagen noch kann er geklagt werden. Es kann aus verschiedenen Gründen (z. B. zum Schutz der Geheimnissphäre des Verstorbenen oder seines Andenkens in der Öffentlichkeit) jedoch erforderlich sein, dass persönliche Rechte des Toten auch nach dessen Tod geschützt werden sollen. Daher wurde zuerst durch die Rechtsprechung und dann den Gesetzgeber festgelegt, dass der Tod des Menschen nicht automatisch auch zum Verlust aller Persönlichkeitsrechte führt (Prinzip des postmortalen Persönlichkeitsschutzes). Weil der Tote sich bei einer Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte aber nicht mehr selbst wehren kann, musste bestimmt werden, wer berechtigt sein soll, die Rechte des Verstorbenen wahrzunehmen.

Der Schutz der Persönlichkeit post mortem leitet sich bereits grundsätzlich aus dem Schutz der Würde des Menschen ab.

Österreich

In Österreich diente lange § 16 ABGB als zivilrechtliche Rechtsgrundlage auch für den postmortalen Persönlichkeitsschutz. Dies wurde von der Rechtsprechung und rechtswissenschaftlichen Lehre herausgearbeitet.[2]

Im Strafrecht ist vor allem §§ 117 StGB[3] und § 190 StGB mit dem Schutz von Rechten Verstorbener befasst.

Im Urheberrecht wurden und werden Rechte Verstorbener in den §§ 77 Abs 2, 78 Abs 2 UrhG geregelt. In § 62a Abs 1 KAG die Organexplantation bei Toten.

Deutschland

Seit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) 1955[4] ist in Deutschland ein allgemeines postmortales Persönlichkeitsrecht von der Rechtsprechung anerkannt.

In Deutschland hat sich der Bundesgerichtshof 1968 dann vertieft mit dem postmortalen Persönlichkeitsschutz in der Entscheidung Mephisto[5] auseinandergesetzt und kam zum Schluss, dass keine überzeugenden Gründe dafür ersichtlich seien, dass der persönlichkeitsrechtliche Unterlassungsanspruch trotz Fortbestehens des verletzbaren und schutzwürdigen Gutes in dem Augenblick völlig erlöschen solle, in dem dieses Lebensbild seinen Abschluss gefunden habe und der Angegriffene sich nicht mehr selbst verteidigen könne. Es sei nach dieser Entscheidung nicht entscheidend, dass das Persönlichkeitsrecht - abgesehen von seinen vermögenswerten Bestandteilen - als höchstpersönliches Recht übertragbar und unvererblich sei. Die Rechtsordnung könne Gebote und Verbote für das Verhalten der Rechtsgenossen zum Schutz verletzungsfähiger Rechtsgüter auch unabhängig vom Vorhandensein eines lebenden Rechtssubjektes vorsehen und namentlich Unterlassungsansprüche der in Rede stehenden Art durch jemanden wahrnehmen lassen, der nicht selbst Subjekt eines entsprechenden Rechtes sei, wenn der ursprüngliche Träger dieses Rechtes durch den Tod die Rechtsfähigkeit verloren habe.[6]

Das deutsche Bundesverfassungsgericht sieht postmortale zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht auf der Grundlage des Rechts auf Menschenwürde (Art 1 Abs 1 GG) als gegeben und führte aus, dass der rechtliche Schutz der Persönlichkeit gemäß Art 1 Abs 1 GG nicht mit dem Tode endet, sondern bestehe der allgemeine Wert- und Achtungsanspruch fort, sodass das fortwirkende Lebensbild eines Verstorbenen weiterhin wenigstens gegen grobe ehrverletzende Beeinträchtigungen geschützt werde.[7]

Schweiz

Ein umfassender postmortaler Persönlichkeitsschutz wird von der herrschenden schweizerischen Rechtslehre abgelehnt.[8] Doch in der Schweiz ist anerkannt, dass Angehörige sich auf ihr eigenes Persönlichkeitsrecht stützen können, um so indirekt einen postmortalen Persönlichkeitsschutz eines Verstorbenen zu erreichen.[9] Dabei sind in der Schweiz nicht nur nahe Angehörigen berechtigt den Schutz durchzusetzen, sondern es reicht auch eine andere nahe Beziehung, wie z. B. Freundschaft zur verstorbenen Person, aus.[10] Ein direktes Klagerecht von Angehörigen, Freunden etc. zum Schutz postmortaler Persönlichkeitsrechte wird jedoch derzeit wegen der bestehenden Rechtslage vom Bundesgericht abgelehnt.[11]

Begriff

Sprachlich

Johann Christoph Adelung bezeichnet das Andenken als

  • die Erinnerung, so wohl active als passive, und
  • Dasjenige, wodurch das Andenken erhalten wird, ein Mittel der Erinnerung.[12]

Das Deutsche Rechtswörterbuch kennt den Begriff Andenken als eigenständigen Eintrag nicht.[13]

Es kann Andenken im vorliegenden Fall sprachlich somit etwas sein, dass jemanden zum Andenken hinterlassen wird oder, wenn betreffend jemanden ein (gutes) Andenken besteht oder erhalten werden soll.

Andenken im rechtlichen Sinn

Andenken im Sinne des Gesetzes (§ 7a Abs. 3 ABGB) ist ein vom Verstorbenen hinterlassenes und von diesem allenfalls bewusst gestaltetes, objektiv nachvollziehbares Gesamtbild seines Lebens und Wirkens.[14] Dieser Begriff des Andenkens wurde in § 17a Abs. 3 ABGB neu geschaffen und fand sich bislang nicht in der österreichischen Rechtsordnung.[15] Andenken ist dabei nach den Erläuterungen zur Regierungsvorklage mehr als eine reinen Fortwirkung der Persönlichkeitsrechte über den Tod hinaus.[14]

Da der Tote selbst nicht mehr befragt werden kann, ob und inwieweit sein Andenken beeinträchtigt ist, muss dies anhand des „mutmaßlichen Willens“ oder einer „mutmaßlichen Einwilligung“ des Verstorbenen von den Gerichten beurteilt werden.[16]

Schutzumfang

Wird das Andenken des Verstorbenen verletzt, können die Klageberechtigten (siehe unten) zum Schutz der Persönlichkeit des Verstorbenen den Ersatz immaterieller Schäden beanspruchen. Nach § 17a Abs 3 ABGB iVm § 20 Abs 1 letzter Satz ABGB besteht für Klageberechtigte die Möglichkeit der Geltendmachung von Unterlassungs- bzw. Beseitigungsansprüchen, wenn ein Eingriff erfolgt ist oder konkret droht.

Wenn ein Schade vorliegt (siehe § 1328a Abs 1 und § 1330 ABGB) können unter Umständen auch Schadenersatzansprüchen naher Angehöriger in Frage kommen, wenn

  • ein rechtswidriger Eingriff vorliegt, und
  • anhand einer umfassenden Interessenabwägung festgestellt, dass ein Schaden vorliegt.[14] Eine eigene Interessenbeeinträchtigung der Angehörigen selbst ist jedoch grundsätzlich nicht erforderlich.[17]

Klagerecht

Berechtigte Personen

Entsprechend der bisherigen Regelung im UrhG zum postmortalen Brief- und Bildnisschutz in den §§ 77 und 78 UrhG und der bisherigen Rechtsprechung[18] soll die Wiederherstellung des Ansehens des Toten[19] im Sinne eines „mittelbaren Schutzkonzepts“ nur durch nahe Angehörigen wahrgenommen werden können[14] (anders z. B. in der Schweiz und differenziert in Deutschland).

Gegen die Verletzung des Andenkens einer verstorbenen Person nach § 17a Abs 3 ABGB steht daher den Eltern, den Kindern und dem Lebenspartner (Ehegatte, eingetragene Partner, Lebensgefährte) des Toten ein Klagerecht zu. Diese Klagerecht gegen eine Verletzung des Andenkens des Toten ist zeitlich befristet. Es gilt bei nahen Angehörigen solange diese leben. Enkel oder Urenkel des Toten haben dieses Klagerecht nur für 10 Jahre nach Ablauf des Todesjahres.

Ausnahmen

Nicht zu den bevorzugten Personen gehören daher Geschwister des Verstorbenen, Freunde oder Unternehmen, zu denen der Verstorbene eine besondere Nahebeziehung hatte (z. B. eine Privatstiftung).[15]

Von der Möglichkeit Klage zu erheben gibt es auch weitere Ausnahmen. Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte einer verstorbenen Person (auch das Andenken) ist zu Archivzwecken, zu wissenschaftlichen und zu künstlerischen Zwecken jedenfalls zulässig, wenn diese im öffentlichen Interesse liegen (vermutlich auch für Wikipedia und ähnliche Sammlungen).

Kritik

Diese Einschränkung der Personen, die Klageberechtigt sind, hat für das Andenken des Versorbenen unter Umständen negative Auswirkungen. Sind keine nahen Angehörigen mehr vorhanden, haben deise nicht die notwendigen finanziellen Mittel oder kein Interesse sein Andenken zu schützen, kann es dazu kommen, dass das Andenken des Verstorbenen gar nicht geschützt wird (Rechtsschutzlücke).

Gesetzliche Grundlage des Schutzes von Persönlichkeitsrechten Verstorbener

ABGB

Der Schutz des Andenkens verstorbener Personen wurde in Österreich im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch[20] als § 17a Abs. 3, und als Teil der Persönlichkeitsrechte, mit Artikel 1 Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz (HiNBG)[21] eingefügt.

§ 17a Abs. 3 hat den Wortlaut:

„Die Persönlichkeitsrechte einer Person wirken nach dem Tod in ihrem Andenken fort. Verletzungen des Andenkens können die mit dem Verstorbenen im ersten Grad Verwandten und der überlebende Ehegatte, eingetragene Partner oder Lebensgefährte Zeit ihres Lebens geltend machen, andere Verwandte in auf- oder absteigender Linie nur für zehn Jahre nach dem Ablauf des Todesjahres. Jedenfalls zulässig sind im öffentlichen Interesse liegende Eingriffe zu Archivzwecken, zu wissenschaftlichen und zu künstlerischen Zwecken.“

§ 17a Abs. 3 ABGB ist am 1. Jänner 2021 in Kraft getreten.

Medienrecht

In Medien dürfen Lebensbereich betroffener Personen nicht in einer Weise dargestellt werden, die zur Bloßstellung in der Öffentlichkeit geeignet sind. Der höchstpersönliche Lebensbereich ist dabei jedenfalls das Privat- und Familienlebens gemäß Artikel 8 EMRK. Eine Rechtfertigung kann vorliegen, wenn die Offenlegung bestimmter Informationen im wesentlichen Interesse der Öffentlichkeit liegt. Dann kann auch ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte einer verstorbenen Person als zulässig erachtet werden (siehe auch § 17a Abs 3 letzter Satz ABGB). Grundsätzlich hat der Schutz des Andenkens von Verstorbenen Priorität.

Urheberrechtsgesetz

Der Brief- und Bildnisschutz in den §§ 77 und 78 UrhG kann dem Interessensschutz von nahen Angehörigen vor Eingriffen in das Brief- und Bildnisrecht eines Verstorbenen dienen.

Strafrecht

Im Gegensatz zu Deutschland (§ 189 dStGB[22]) gibt es in Österreich keine eigene Bestimmung zum speziellen Schutz des Andenkens von Verstorbenen. Über § 117 öStGB können Ehegatten, Verwandte des Toten in gerader Linie und dessen Geschwister die Verfolgung verlangen, wenn sich die Handlungen gegen die Ehre eines Verstorbenen oder Verschollenen richtet.

Literatur

  • Joachim Pierer: Postmortaler Schutz von Persönlichkeitsrechten, Juristische Schriftenreihe, Band 268, ISBN 978-3-7046-7958-1.

Einzelnachweise

  1. Siehe zum Schutzumfang des postmortalen Persönlichkeitsrechts in Österreich die Leitentscheidung 6 Ob 283/01p.
  2. RIS-Justiz RS0116720, 6 Ob 209/16b, JBl 2017, 672, 1 Ob 550/84, SZ 57/98. Aicher in Rummel/Lukas (Hrsg), Kommentar zum ABGB4, Wien 2015, § 16 ABGB Rz 51; Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), Großkommentar zum ABGB Klang-Kommentar3, §§ 1-43, Wien 2014, im Speziellen Ausführungen zu § 16, Rz 172; Schauer in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON, § 16 ABGB Rz 26; Posch in Schwimann/Kodek, ABGB IV5, § 16 ABGB, Rz 49; Schnitzer, Rechte des Toten? FS Maresch 383; Edlbacher, Der Stand der Persönlichkeitsrechte in Österreich, ÖJZ 1983, 423; Roswitha Doralt, Der Schutz des Lebensbildes, ÖJZ 1973, 645; F. Bydlinski, Paradoxer Geheimnisschutz post mortem? JBl 1999, 553) etc.
  3. vor 1975 § 495 Abs 3 StG.
  4. BGHZ 15, 249, 259 - "Cosima Wagner"; = DJZ 1955, 211, 214.
  5. BGH, Urt. v. 20.3.1968, I ZR 44/66.
  6. Siehe auch § 22 Kunsturhebergesetz, § 83 dUrhG und § 189 StGB.
  7. BVerfGE 30, 173.
  8. Siehe z. B.: Christian Brückner: Das Personenrecht des ZGB, Zürich 2000, N. 651 ff.; Hans Michael Riemer: Personenrecht des ZGB, 2. Aufl., Bern 2002, N. 133 f.; Jörg Schmid: Einleitungsartikel des ZGB und Personenrecht, Zürich 2001, N. 723; Andreas Bucher: Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, 3. Aufl., Basel 1999, N. 219 ff., 474, 510 und 562; Ester Knell Wolf: Postmortaler Persönlichkeitsschutz sowie die Entscheidung BGE 118 IV 319; BGE 129 I 302 S. 311; BGE 129 I 173, BGE 127 I 115.
  9. Siehe z. B.: BGE 109 II 353 E. 4; BGE 129 I 302.
  10. Siehe z. B.: BGE 109 II 353 E. 4b; BGE 129 I 302 E. 1.2.2.
  11. BGE 104 II 225, BGE 109 II 353, BGE 127 I 115, BGE 129 I 302. Siehe auch Verwaltungsgericht Zürich in VB.2020.00026.
  12. Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Suchwort: Das Andenken], Ausgabe Wien 1811.
  13. Andenken, Webseite: drw.hadw-bw.de, aufgerufen am 26. August 2023.
  14. 14,0 14,1 14,2 14,3 ErläutRV 481 BglNR 27. GP 6 mit Bezugnahme auf Joachim Pierer, Postmortaler Schutz von Persönlichkeitsrechten, Wien 2018, S. 63.
  15. 15,0 15,1 Christoph Kronthaler: § 17a ABGB : Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten, Zak, 5/2023, S. 86, Pkt. 3.
  16. Siehe z. B. 2 Ob 162/16m, Zak 2017/493.
  17. RS0129339; 4 Ob 224/13i.
  18. Siehe z. B.: SZ 57/98; 1 Ob 341/99z; 1 Ob 124/72; 1 Ob 196/75; 6 Ob 283/01p.
  19. Siehe auch 4 Ob 203/13a.
  20. JGS Nr. 946/1811.
  21. Langtitel: Bundesgesetz, mit dem Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass im Netz getroffen werden (Hass im Netz-Bekämpfungs-Gesetz – HiNBG), BGBl. I 148/2020 vom 23. Dezember 2020.
  22. § 189 dStGB: Wer das Andenken eines Verstorbenen verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.