Nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung

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Die nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung ist ein Auffangtatbestand des österreichischen Rechts, mit dem die Methoden der Fortpflanzung zwischen einem nicht in einer Ehe oder eingetragenen Partnerschaft lebenden Mann und Frau definiert werden, um die Abstammung eines daraus entstehenden Kindes zu regeln, wenn der Samenspender als biologischer Vater nicht der rechtliche Vater des Kindes sein soll.

Definition nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung

Nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung liegt nach 154a Abs. 1 ABGB vor, wenn diese nicht nach den in § 1 Abs. 2 FMedG erfassten Methoden zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit dem Samen einer dritten Person, die ihren Samen wissentlich zu diesem Zweck überlässt, erfolgt.

Tatbestand der nichtmedizinisch unterstützten Fortpflanzung

Nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung liegt vor, wenn z. B. ein Samenspender (Dritter) mit der Mutter des Kindes und der Einwilligung des (Ehe-)partners ein- oder mehrmals Geschlechtsverkehr hat und alle übereinstimmen, dass die Elternschaft zum Kind nach der Geburt bei den (Ehe-)Partnern sein soll und nicht beim Samenspender (biologischem Vater). Ebenso wird die sogenannte Becherspende und jede andere mögliche nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung davon erfasst.

Liegt eine solche Nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung unter Einwilligung des anderen Partners (z. B. Ehegatten) vor, dann kann auch kein Scheidungsgrund (Eheverfehlung) dadurch begründet werden, wenn die Mutter des Kindes einem Dritten geschlechtlich beiwohnt.

Abgrenzung

Medizinisch unterstützte Fortpflanzung (künstliche Befruchtung) liegt nach § 1 Abs 1 Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG)[1] vor, wenn durch die Anwendung medizinischer (klinischer) Methoden eine Schwangerschaft auf andere Weise als durch den Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau herbeigeführt werden soll.

Nach § 1 Abs. 2 FMedG sind solche Methoden insbesondere

  1. das medizinische Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane einer Frau,
  2. die medizinische Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Körpers einer Frau,
  3. das medizinische Einbringen von entwicklungsfähigen Zellen in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau und
  4. das medizinische Einbringen von Eizellen oder von Eizellen mit Samen in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau.

Im Gegensatz zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung dürfen bei der nichtmedizinisch unterstützten Fortpflanzung (Beispiele):

  • diese auch außerhalb einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft vorgenommen werden,
  • auch dann vorgenommen werden, wenn die Herbeiführung einer Schwangerschaft zwischen den (Ehe-)Partnern durch Geschlechtsverkehr möglich wäre aber nicht erfolgen soll,
  • dürfen ohne Einschränkung Eizellen und der Samen Dritter verwendet werden, und
  • können auch Personen, die nicht handlungsfähig sind als Samenspender dienen, selbst dann, wenn sie unter Umständen sich der Tragweite der Handlung gar nicht bewusst sind,
  • darf der Samen eines Samenspenders auch bei mehr als drei Ehen oder eheähnlichen Lebensgemeinschaften zur Zeugung von Kindern verwendet werden (anders in § 14 Abs. 2 FMedG).

Abstammung

Um zu verhindern, dass der Samenspender (biologische Vater) rechtlich auch als Vater des Kindes angesehen wird (§ 144 Abs. 1 ABGB), müssen die Mutter des Kindes, deren (Ehe-]Partner und der Samenspender (faktische Vater des Kindes) eine zumindest konkludente Vereinbarung darüber treffen. Die Vereinbarung ist, sofern diese z. B. schriftlich getroffen wird, völlig formfrei, kann also z. B. auch über den Austausch von WhatsApp-Nachrichten oder per SMS etc. erfolgen.

Gemäß § 154a Abs. 2 ABGB ist es ratsam, aber nicht zwingend notwendig, dass die Mutter und die zustimmende Person die Identität des Samenspenders kennen und dass sie diese oder Informationen zur Identifizierbarkeit schriftlich festhalten.

Im Gegensatz hierzu sieht § 8 FMedG vor, dass bei einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung:

  • diese nur mit deren schriftlicher Zustimmung des Ehegatten durchgeführt werden darf und bei Lebensgefährten zusätzlich die Zustimmung in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsakts erteilt werden muss,
  • dass bei Verwendung von Samen eines Dritten die Zustimmung zu dieser Methode stets eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsakts bedarf.
  • dass Handlungsunfähige die Zustimmung nicht erklären können bzw. beschränkt Handlungsfähige bedürfen dazu der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.

Verbote

  • Die Nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung darf nicht Gegenstand eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts sein (§ 154a Abs 3 ABGB iVm § 16 FMedG).
  • Samen, Eizellen, entwicklungsfähige Zellen dürfen nicht entgeltlich vermittelt werden (§ 154a Abs 3 ABGB iVm § 22 Abs. 1 Zif. 4 FMedG).
  • Eine nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung liegt nicht vor, wenn der Samenspender (biologische Vater) einer solchen Nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung nicht zugestimmt hat. Dann können die (Ehe-)Partner nicht rechtlich Eltern des z. B. aus der geschlechtlichen Vereinigung des Mannes mit der Frau entstehenden Kindes werden.

Wer gegen das Verbot der Entgeltlichkeit bei der Nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung bzw. der medizinisch unterstützte Fortpflanzung verstößt, kann verwaltungsstrafrechtlich oder unter Umständen auch gerichtlich bestraft werden. Welche Folgen es jedoch für das Kind und die Elternschaft hat, wenn z. B. dennoch ein entgeltliches Rechtsgeschäft im Rahmen einer Nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung vorliegt, jedoch alle Parteien keine Aufhebung der Vereinbarung wollen, ist im Gesetz nicht geregelt. Ebenso nicht, ob der Samenspender nachträglich einer solchen Nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung zustimmen kann.

Problematik

Die in Österreich gewählte Formfreiheit der Vereinbarung zwischen den (Ehe-)Partnern einerseits und dem biologischen Vater (Samenspender) andererseits führt zu erheblichen Beweisproblemen und Rechtsunsicherheit, wenn es zur Ehescheidung kommt und ein (Ehe-)Partner die Elternschaft zum Kind nun bestreitet, um sich z. B. vor den Unterhaltspflicht zu drücken oder den zukünftigen Erbrechtsanspruch des Kindes zu verunmöglichen.

Benachteiligt ist aus dieser weitgehenden Formfreiheit der Regelungen der nichtmedizinisch unterstützte Fortpflanzung vor allem das Kind, welches unter Umständen den Unterhalt und den Erbrechtsanspruch verliert und bei einer nachträglichen Aufhebung der Elternschaft sich auch nicht an den biologischen Vater halten kann, weil dieser rechtlich nicht als Vater gelten darf.

Einzelnachweise

  1. Fortpflanzungsmedizingesetz — FMedG sowie Änderung des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, des Ehegesetzes und der Jurisdiktionsnorm, BGBl. I 275/1992.