Bürgerinitiative: Herausnahme von Cannabis aus dem Österreichischen Suchtmittelgesetz

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Die Bürgerinitiative betreffend Herausnahme von Cannabis aus dem Österreichischen Suchtmittelgesetz (kurz: Cannabis-Bürgerinitiative) war eine teilweise erfolgreiche Bürgerinitiative zur Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums in Österreich auf Bundesebene.

Diese Bürgerinitiative wurde maßgeblich von Bernhard Amann initiiiert und ist eine basisdemokratische politische Partizipation. Die Anregungen der Cannabis-Bürgerinitiative wurden am 4. August 2014 beim Nationalrat eingereicht und das Verfahren endete formell mit der am 7. Juli 2015 im Nationalrat beschlossenen Strafrechtsreform 2015.

Entwicklung

Diese Cannabis-Bürgerinitiative wurde aus interessierten Kreisen der Bevölkerung heraus gebildet, um im speziellen Bereich der Entkriminalisierung des Besitzes und Gebrauchs von Cannabis tätig zu werden und eine Gleichstellung mit dem Alkohol- und Nikotin-Gebrauch zu erreichen. Die Bürgerinitiative wurde von 602 österreichischen Staatsbürgern unterstützt (500 waren erforderlich für die Einbringung im Nationalrat). Über 24.000 elektronische Unterstützungserklärungen wurden abgegeben.[1]

Bereits zuvor wurde u. a. von Bernhard Amann, dem Hauptinitiator, über viele Jahre Einfluss auf die öffentliche Meinung, auf staatliche Einrichtungen, Parteien oder andere gesellschaftliche Gruppierungen genommen, um eine Änderung der restriktiven Anwendung der Gesetze im Hinblick auf die bislang sehr restriktive Dorgenpolitik in Österreich zu erreichen.

Die Cannabis-Bürgerinitiative war eine nur für diesen Zweck gegründete Organisation und eine lose Gruppierungen ohne feste dauerhafte Organisationsstrukturen.

Die Bürgerinitiative wollte eine Änderung von Bundesgesetzen in Österreich erreichen, weswegen diese sich an den österreichischen Nationalrat wandte (daher auch als: Parlamentarische Bürgerinitiative betreffend Herausnahme von Cannabis aus dem Österreichischen Suchtmittelgesetz bezeichnet).

Das Hauptziel, die Herausnahme von Cannabis aus dem Suchtmittelgesetz wurde nicht erreicht, jedoch eine weitere Entkriminalisierung.[2][3][4]

In einer Podiumsdiskussion vom 16. Oktober 2014 in Wien der Österreichische Gesellschaft für Strafrecht und Kriminologie haben zahlreiche Experten sich für eine Entkriminalisierung von Cannabis ausgesprochen.[5]

Am 27. Jänner 2015 debattierte dann der Petitionsausschuss des Nationalrates über die Legalisierung von Cannabis anhand dieser Bürgerinitiative. Dabei wurde Bernhard Amann gehört. Bernhard Amann schlug eine parlamentarische Enquete vor, die es ermöglicht, abseits von Ideologien mit in- und ausländischen ExpertInnen über das Thema Cannabis zu diskutieren. Bis auf die Grünen waren (die eine weitgehende Änderung befürworteten) waren alle anderen politischen Parteien zwar für eine Entkriminalisierung, jedoch nicht für eine Freigabe von Cannabis.[6] In weiterer Folge befasste sich der Justizausschuss mit der Cannabis-Bürgerinitiative.[7] Der Justizsprecher der Grünen konstatierte daei aus seiner Sicht erfreuliches Umdenken weg von der bisherige Prohibitionspolitik.[8]

Mit der vom Nationalrat verabschiedeten Strafrechtsreform 2015 war dann diese Petition der Cannabis-Bürgerinitiative für den Nationalrat erledigt.[9]

Anliegen

Die Bürgerinitiative hat den Nationalrat zu folgenden Änderungen der Bundesgesetze aufgefordert:

  • Legalisierung der Eigenerzeugung (ähnlich wie beim Branntweingesetz): Der Anbau und die Herstellung von Cannabis für den persönlichen Konsum (homegrower) sollte straffrei gestellt werden. Zwecks Steuererfassung sind beide zur Meldung an das Finanzamt verpflichtet (Cannabissteuer als Selbstberechnungsabgabe). Um die Qualität zu garantieren, wird eine Produktdeklarationspflicht implementiert, welche von staatlich autorisierten Instituten kontrolliert wird. Pro Gramm getrockneter Blüten sollte der Fiskus 2,00 Euro an Cannabiserzeugungssteuer erhalten. Kann nachgewiesen werden, dass das Produkt nicht mehr als 20 % THCA-Gehalt hat, nur 1,00 Euro pro Gramm Blüten. Ohne Erzeugerlizenz dürfen nur maximal 500 Gramm getrocknete Blüten pro erwachsener Person und Jahr produziert werden.
  • Festlegung eines Schutzalters: Mit dem erreichen des Wahlalters ist der Cannabiserwerb und -besitz erlaubt, analog leichter Alkoholika und Nikotin. In Österreich ist jeder Bürger ab 16 Jahren wahlberechtigt.
  • Legalisierung des Besitzes: Erlaubt ist der Besitz der rechtmäßig erzeugten Eigenproduktion, ansonsten 10 gr rauchfertige Blüten.
  • Sanktionen bei Lenken von Fahrzeugen: Bei einem THC-Gehalt (psychoaktives THC) des Blutes von 10 ng/ml oder darüber gilt der Zustand der einer Person jedenfalls als von Cannabis beeinträchtigt (neu einzufügender § 5 Abs 1 Satz 3 StVO).
  • Lizenzpflichtige Legalisierung der Produktion für die Abgabe an Konsumenten.
  • Abgabe von Cannabis im Handel durch Tabakwarenhändler, Apotheken oder andere lizensierte Abgabestellen. Vertriebsstellen zahlen eine jährliche Lizenzgebühr von €1.000.--, Die Abgabe erfolgt in Form von Cannabisblüten und Cannabisharz.[2][3][4]

Dieser Liberalisierung der österreichischen Suchtmittelgesetze hätte nach Rechtsmeinung der Cannabis-Bürgerinitiative trotz Rahmenbeschluss (2004) über Mindestvorschriften gegen illegalen Drogenhandel[10] von Österreich allein umgesetzt werden können.[2]

Begründung

Die Cannabis-Bürgerinitiative hat die vorgeschlagenen Änderungen gegenüber dem Parlament begründet:

  • Hanf wird politisch aus industriellen Interessen seit fast 100 Jahren militant verdrängt. Globale Desinformationskampagnen und unverhältnismässige Strafen bekämpfen seit Jahrzehnten den wohl vielseitigsten natürlichen Rohstoff der Erde und erzeugen damit künstlich globale Gesellschaftsprobleme. Undurchsichtige Schwarzmärkte und kriminalisierte Menschen aller Altersgruppen zeigen das extreme Ausmaß der gescheiterten aktuellen Drogenpolitik. Die Probleme und der Handlungsdrang für die Bewegung sind weltweit nahezu überall gleich. Die gesamte globale, auch unbeteiligte Gesellschaft leidet unter den Auswirkungen dieser Inquisition. Berge von Studien dokumentieren, dass Drogen weltweit konsumiert werden, ungeachtet irgendwelcher repressiver Maßnahmen. Mit dieser Inquisition muss Schluss sein!
  • Während selbst die EU (Drugnet Europe, www.emcdda.europa.eu) die Personen im Alter von 15-64 Jahren, welche mindestens einmal Cannabis konsumierten, europaweit auf 77 Mio. schätzt, sind es in Österreich unseren Angaben zufolge über 800.000 Konsumenten, die mehr oder weniger Cannabis konsumieren! Daher ist der Cannabiskonsum für viele Menschen fixer Teil der Lebenskultur.
  • Allein 2012 (letzter aktueller Suchtmittelbericht) wurden österreichweit im Cannabisbereich 17.461 Anzeigen getätigt, wovon 16.575 verschiedene Menschen betroffen waren. Andererseits wurden lediglich etwas mehr als 1% der konsumierten Menge (812 kg Cannabiskraut, 173 kg Haschisch, 105 Gramm Cannabiskonzentrat, 173 kg Cannabispflanzen) sichergestellt. Mehr als 80% der Anzeigen wurden aufgrund von Aussagen und nicht von festgestellten Mengen getätigt.
  • Unter anderem beschäftigen sich täglich Polizei, Staatsanwaltschaften, Gesundheitsbehörden, Bezirks- und Magistratsverwaltungsbehörden, Gutachter und Gerichte mit Cannabiskonsumenten. Von den daraus resultierenden teuren Zwangstherapien ganz zu schweigen. Die Kosten für die Verfolgungsbürokratie belaufen sich geschätzt auf mehrere 100 Millionen EUR jährlich. Indirekte volkswirtschaftliche Schäden wie Arbeitsplatzverlust, Schulrauswurf, Familienschwierigkeiten etc. sind hier nicht einberechnet. Mit einer Entkriminalisierung und einer moderaten Besteuerung von Cannabis würde im Gegensatz dazu jährlich ein dreistelliger Euro-Millionenbetrag in das Budget fließen.
  • Für Krankheiten wie Multiple Sklerose, Spastiken, Schmerztherapie, Krebserkrankungen appetitanregend, HIV, ADHS, grüner Star, Asthma, Entzugssymptomen, Depression, Migräne etc. wird Cannabis erfolgreich verwendet. Statt völlig überteuerter synthetischer Präparate kann natürliches Cannabis mit einem Bruchteil der Kosten verwendet werden.
  • Über 50.000 Produkte lassen sich mittlerweile aus Hanf herstellen. Unter anderem Papier, Treibstoffe, Textilien, Nahrungsmittel, Baustoffe oder Öle. Damit entsteht auch ein analoger Arbeitsmarkt.[2][3][4][11][12]

Änderungen

Mit der am 7. Juli 2015 im Nationalrat beschlossenen Strafrechtsreform 2015 wurden einige Änderungen bezüglich des Besitzes und Gebrauch von Cannabis auf Anregung der Cannabis-Bürgerinitiative beschlossen. Der Grundsatz "Therapie statt Strafe" wurde stärker als bisher betont. Kauf und Besitz von Kleinstmengen für den Eigengebrauch führen nicht mehr automatisch zur Strafanzeige, wenn die Betroffenen mit den Gesundheitsbehörden kooperieren. Entgegen dem Erstentwurf soll die Polizei aber auch in diesem Fall alle Möglichkeiten des Ermittlungsverfahrens haben. Aus der Erläuterung zum neuen SMG-Gesetzestext: "Laut dem neu aufgenommenen § 13 Abs. 2a SMG wird eine Behörde oder öffentliche Dienststelle nun dazu angehalten, in den Fällen, in denen der Verdacht besteht, dass eine Person eine Straftat nach §§ 27 Abs. 1 und 2 ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch oder den persönlichen Gebrauch eines anderen begangen hat, ohne dass diese Person daraus einen Vorteil gezogen hat, anstelle einer Strafanzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft (§ 78 StPO) diesen Umstand der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde mitzuteilen. Die vorgeschlagenen Voraussetzungen decken sich mit jenen, unter denen nach auch bisher die Staatsanwaltschaft gemäß § 35 Abs. 1 SMG von der Verfolgung zurückzutreten hat.[13]

Kritik an den Änderungen

Die Kritik an den im Vergleich zu den Vorschlägen der Canabis-Bürgerinitiative geringfügigen Änderungen im Gesetz bezog sich darauf, dass sich an der Drangsalierung gelegentlicher Konsumenten durch Gesundheitsbehörden nichts ändere. Denn auch in Zukunft sei der Besitz jeder noch so geringen Menge Cannabis verboten sein. Es wird wie bisher in der Regel nur nicht zu einer gerichtlichen Verurteilung kommen. Das österreichische Recht sehe bereits seit 1998 vor, dass der Staatsanwalt Cannabisdelinquenten auch ohne amtsärztliche Untersuchung nicht weiter verfolgt, sondern die Anzeigen "zurücklegt". Seit 2010 ist der Rücktritt von der Verfolgung wegen geringer Cannabisdelikte ohne Amtsarzt verpflichtend, außer es gab in den letzten fünf Jahren schon einmal Ermittlungen. Entgegen diesem entspannten justiziellen Zugang drängten sich die Gesundheitsämter ("Sanitätspolizei") in den Vordergrund und drangsalierten User mit "Ladungsbescheiden" und "Harnkontrollen".[14][15]

Literatur

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Initiativen von Cannabis bis zur Bundeshymne, Webseite: parlament.gv.at vom 17. September 2014.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Parlamentarische Bürgerinitiative betreffend Herausnahme von Cannabis aus dem Österreichischen Suchtmittelgesetz, parlament.gv.at, eingereicht am 4. August 2014.
  3. 3,0 3,1 3,2 Herausnahme von Cannabis aus dem österreichischen Suchtmittelgesetz (53/BI), Webseite: parlament.gv.at, zuletzt abgerufen am 14. Juli 2024.
  4. 4,0 4,1 4,2 Nicole Schuchter: Bürgerinitiative für Cannabis-Legalisierung gestartet, Webseite: salzburg24.at vom 6. August 2014.
  5. Irene Steinberger: „Legalize it?“, Webseite: bmi.gv.at vom 16. Oktober 2014.
  6. Petitionsausschuss debattiert über Legalisierung von Cannabis, Webseite: parlament.gv.at vom 27. Jänner 2015.
  7. Tierschutz, Militärmusik, Fluglärm, Schwangerschaftsabbrüche, Webseite: parlament.gv.at vom 25.Juni 2015.
  8. Strafrechtsreform passiert den Justizausschuss, Webseite: parlament.gv.at vom 30.6.2015.
  9. Nationalrat verabschiedet Strafrechtsreform, Webseite: vom 7. Juli 2015.
  10. Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels. ABl. L 335 S. 8.
  11. Vorlagen: Bürgerinitiativen, Webseite: parlament.gv.at vom 29. August 2014.
  12. Cannabis-Freigabe wird im Nationalrat behandelt, Webseite: heute.at vom 14. September 2021.
  13. Strafrechtsreform: Neuerungen im SMG, Webseite: praevention.at vom 17. Juli 2015.
  14. Gebhard Henzel: Cannabispolitik: Viel Rauch, wenig Braten, Webseite: derstandard.at vom 24. Juni 2015.
  15. Gebhard Heinzle: Statt Strafanzeige soll eine Meldung an die Gesundheitsbehörde kommen, Webseite: oe24.at vom 6. März 2015.