Stadtspuren

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Station 15, Kraftwerk Forach

Stadtspuren (auch: Stadtspuren. Industrie und Wandel[1]) ist die Bezeichnung für ein begehbares Freilichtmuseum (Industrielehrpfad) in der Stadt Dornbirn in Vorarlberg. Das 6,5 Kilometer lange Freilichtmuseum mit 15 Stationen wurde Anfang Mai 2023 eröffnet und zeigt einen Teil der Industriegeschichte der Stadt Dornbirn entlang des Müllerbachs im Wandel der Zeit.

Name

Der Begriff Stadtspuren mit dem Zusatz: Industrie und Wandel weist bereits auf die Wortbedeutung hin, der Spurensuche und das Auffinden von industriellen und geschichtlichen Artefakten in der Stadt (Dornbirn). Stadtarchivar Werner Matt beschreibt dies wie folgt: Daher kommt auch der Name Stadtspuren – die Stationen befinden sich dort, wo Gebäude, Maschinen, Turbinen, Wasserkraftwerke oder Ähnliches die Geschichte sichtbar werden lassen.[2]

Der Begriff Stadtspuren wurde auch schon im Buch: Stadtspuren – Denkmäler in Köln[3] verwendet.

Geschichte

Die Idee einer Aufbereitung der Industriegeschichte der Stadt Dornbirn wurde immer wieder aufgegriffen. Vor rund 40 Jahren – mit dem Niedergang der Textilindustrie in Vorarlberg – wurde z. B. von Klaus Fessler und Werner Bundschuh über die Nachnutzung der aufgelassenen Industriegebäude in Dornbirn diskutiert. Die Idee eines Industriemuseums wurde ins die Diskussion eingebracht. Klaus Fessler erstellte ein erste Konzept für ein solches.

Nach und nach wurden – jedoch ohne konkreten Plan – sieben der fünfzehn Stationen des heutigen Industrielehrpfades unter Denkmalschutz gestellt. Mit der Eröffnung der inatura im Areal der ehemaligen Rüschwerke, das zuvor jahrzentelang so gut wie ungenutzt war, wurde ersichtlich, wie die Industriegeschichte in das städtische Kulturleben eingebunden werden kann und die „Industriekultur“ inklusive eines „Industriepfad“ wurde ins Dornbirner Kulturleitbild eingebunden. Das Konzept wurde mehrfach überarbeitetet. Die noch sichtbaren Spuren der Industriegeschichte Dornbirns sollten erhalten bleiben.[2]

Aufbau

Das Freilichtmuseum Stadtspuren. Industrie und Wandel ist eine Sammlung von am Originalstandort (in situ) erhaltenen, umgesetzten oder rekonstruierten Objekten und teilweise unter Denkmalschutz stehenden Baudenkmälern. Teilweise einschließlich deren Ausstattung. Es ist der Öffentlichkeit frei zugänglich, wobei einige Exponate sich hinter Glasscheiben befinden. Ziel ist es, den Besuchern über die Industrie- und Arbeitergeschichte sowie damit verbundenen Themen im Laufe der Jahrzehnte zu informieren. Stadtspuren bieten, zusammen mit der dazugehörigen App einen Eindruck der Baugeschichte und Lebensweisen der Menschen.

Dadurch wird ein intensiveres Verständnis für die Entwicklung und die Lebensumstände vergangener Zeiten ermöglicht, als dies durch Bücher oder Filme erreicht werden kann. Es erfordert auch eine aktive Teilnahme des Museumsbesuchers, der den Industrielehrpfad zu Fuß oder mit dem Fahrrad abgehen bzw. abfahren muss.

Ausstellung

Offizielle Eröffnung von Stadtspuren. Industrie und Wandel war am 7. Mai 2023. Jede der 15 Stationen ist mit Übersichtstafeln ausgestattet und einer Sitzgelegenheit. Eine der Tafeln beschreibt jeweils die Geschichten rund um die Entwicklung von Industriezweigen, Strategien von Fabrikanten, die Rahmenbedingungen der Produktion etc. Andere Tafelseiten beschreiben gesellschaftspolitischen Hintergründe, z. B. der Arbeiterschaft, sozial- und migrationsgeschichtliche Themen etc.[4][5]

  • 1 (Gütle)

Das Gütle ist ein Textil-Industriekomplex mit Fabriksanlagen, Gasthaus, Arbeiterwohnhaus und Zugang zur Rappenlochschlucht / Alplochschlucht, die beide im Zuge der Gewinnung der Wasserkraft erschlossen wurden. Die künstliche Ruine Waldfried ist nicht mehr vorhanden. Es befinden sich hier bzw. in der Nähe das Naturdenkmal Weißtanne, das Naturdenkmal Mammutbaum und das Naturdenkmal Granitfindling. Von hier war in den 1990er-Jahren auch eine Variante zur Situierung der Talstation der neuen Karrenseilbahn geplant (siehe: Karrenseilbahnvariante Gütle – Karren). Hier vereinigt sich auch die Gunzenach/Kobelach mit der Ebniter Ach[6] und fließt von dort talauswärts als Dornbirner Ach weiter.

  • 2 (Boden)

Der untere Teil der Parzelle Boden wurde erst im 19. Jahrhundert der Dornbirner Ache abgerungen und dort die fünfgeschossige Spinnereifabrik von Josef André Winder errichtet. Nach dem Brand 1902 wurde hier eine Turbinenversuchsstation der Rüsch-Werke eingerichtet. Seit 1993 befindet sich hier das Veranstaltungszentrum „Conrad Sohm“.

  • 3 (Wasserfassung Müllerbach)

Der Müllerbach oder auch „Gießen“ genannt besteht seit dem Mittelalter und hat heute eine Länge von rund 4,8 km bei einem Gefälle von rund 54 Meter. Von dieser Ableitung aus der Dornbirner Ache wurden Mühlen und Sägewerke betrieben, später dann die mechanische Energie der Fabriksgebäude daraus gewonnen. Ähnliche Kanäle zum Antrieb von Mühlen, Sägen etc. befinden sich in mehreren Orten in Vorarlberg.

  • 4 (Straßendampfwalze bei der Karrenseilbahn)

Die dampfbetrieben Straßenwalze J. A. Maffei steht als Ausstellungsstück bei der Talstation der Karrenseilbahn. Die Dampfmaschine war von 1929 bis 1965 für den Bauhof der Stadt Dornbirn in Betrieb.

  • 5 (Mühlebündt)

In der Parzelle „Mühlebündt“, schräg vis-à-vis der Karrenseilbahn Talstation, stand die älteste und bedeutendste Mühle in Dornbirn im Mittelalter. Diese brannte im 16. Jahrhundert ab. Danach bestand hier eine Textilfabrik der Fa. Herrburger & Rhomberg. Das „Kraftwerk Mühlebündt“ mit einer Girard-Turbine für die Zwirnerei ist nicht mehr erhalten.

  • 6 (Juchen – Fa. Ölz Backwaren)

In der Parzelle „Juchen“ betrieben Lorenz Rhomberg und Michael Lenz die älteste Spinnfabrik Vorarlbergs (damals auch die drittälteste in Österreich-Ungarn). Diese Fabrik gilt als Ausgangspunkt der Industrialisierung und Mechanisierung der Textilindustrie. Von früheren Gebäuden ist nichts mehr erhalten. Heute befindet sich hier der Backwarenhersteller Ölz. Das „Kraftwerk Juchen“ der Fa. Heerburger und Rhomberg (als Nachfolgerin der Fa. Rhomberg & Lenz) mit einer Girard-Turbine (ergänzt durch eine 30-PS-Dampfmaschine) ist nicht mehr erhalten. Die Bewilligung für das Kraftwerk ist wegen Nichtnutzung des Wasserrechtes am 22. Mai 1984 (oder 1987) erloschen.

  • 7 (Sägen – Teil der Fachhochschule Vorarlberg)

In der Parzelle „Sägen“ standen seit dem 16. Jahrhundert mehrere Holzsägen, die auch namensgebend für die Parzelle waren. Später wurde die Spinnerei J.B. Salzmann und die Weberei F.M. Hämmerle hier gebaut. Der Müllerbach fließt noch heute unter dem Gelände der nunmehr hier befindlichen Fachhochschule Vorarlberg. Das hier befindliche Kraftwerk Sägen ist teilweise abgebrochen, veraltet und außer Betrieb. Das Kraftwerk diente zur elektrischen Energiegewinnung für die Buntweberei und hatte zwei Francis-Turbinen. Die Bewilligung für das Kraftwerk ist wegen Nichtnutzung des Wasserrechtes inzwischen erloschen.

  • 8 (inatura – ehemalige Rüsch-Werke)

Die ehemalige Maschinenfabrik „Rüsch-Werke“ hatten eine wichtige Funktion in Vorarlberg im Bezug auf die Eisengießerei und für die Herstellung von Wasserkraft-Turbinen für Österreich-Ungarn. Das Gelände entlang der Dornbirner Ache wurde bereits im Mittelalter für die Eisenschmelze genutzt. Heute befindet sich hier in den ehemaligen Fabriksgebäuden das naturgeschichtliche Museum Inatura. Im Gelände kann auch das Kleinwasserkraftwerk Stadtgarten mit einem Zuppinger-Wasserrad besichtigt werden. Das Kraftwerk ist neu errichtet. Für das ursprünglich hier bestandenen Kraftwerk ist die Bewilligung am 15. Januar 1991 erloschen.

  • 9 (Dampfmaschine Kuhn 100)

Die Dampfmaschine Kuhn No. 100, Baujahr 1858, wurde von der Fa. F. M. Rhomberg gekauft und war bis 1921 in Betrieb. Die Dampfmaschine diente zur Ergänzung eines Wasserkraftwerkes(Kraftwerk Schmelzhütten mit Francis-Turbine). Die Bewilligung für das Kraftwerk ist wegen Nichtnutzung des Wasserrechtes erloschen. Heute befindet sich hier im historischen Gebäude, in dem die Dampfmaschine ursprünglich stand, eine Betriebsstätte der Fa. Zumtobel Licht. In der Nähe befindet sich eine Südtiroler-Siedlung, die 1939/1940 erbaut wurde.

  • 10 (denkmalgeschütztes Arbeiterwohnhaus)

Das Arbeiterwohnhaus bei der Schmelzhütterstraße wurde von Jugendstilarchitekt Hanns Kornberger geplant und um 1900 für die Mitarbeiter der Firma Herrburger & Rhomberg erbaut. Solche Betriebswohnungen finden sich in Dornbirn mehrere. Arbeiter der Unternehmen erhielten zwar dadurch eine einfache solide Unterkunft, wurden zugleich aber auch von ihrem Arbeitgeber noch stärker abhängig.

  • 11 (Mittebrunnen – ehemals Fa. Herrburger und Rhomberg)

In der Parzelle „Mittebrunnen“ befanden sich seit 1856 die großen mechanischen Webereien von J. B. Salzmann und von Herrburger & Rhomberg. Die nahe gelegene Webergasse erhielt dadurch den Namen. Heute befindet sich hier ein Gewerbepark. Hier befanden sich zwei Wasserkraftwerk: Mittenbrunn I und II. Das Kraftwerk Mittenbrunn I hatte zur mechanischen Energiegewinnung ein mittelschlächtiges, hölzernes Wasserrad mit einem Durchmesser von 5,4 m. Die Bewilligung für das Kraftwerk ist wegen Nichtnutzung des Wasserrechtes am 23. November 1960 erloschen. Das Wasserkraftwerk Mittenbrunn II diente zur mechanischen Energiegewinnung für die Weberei der Fa. I. B. Salzmann, dann der Fa. Jenny & Schindler und schlussendlich der Fa. F. M. Hämmerle. Es hatte zwei Francis-Turbinen. Die Bewilligung für das Kraftwerk ist wegen Nichtnutzung des Wasserrechtes am 10. August 1964 erloschen.

  • 12 (Tüllfabrik und Kraftwerk Rohrbach)

Das bis heute nur wenig veränderte Fabrikgebäude wurde 1829 im Auftrag des Fabrikanten Karl Ulmer erbaut. Hier befand sich die erste Tüllfabrik der Österreichisch-ungarischen Monarchie und die erste mechanische Weberei in Vorarlberg. Spätere wurde eine Rauerei von der F.M. Rhomberg eingerichtet. Heute ist es ein Wohnhaus. Im Keller befindet sich eine Durchlaufturbine und die Wasserkraft wird noch im Kraftwerk Rohrbach verwendet .

  • 13 (Rhombergs Fabrik mit Dampfmaschine)

Die Firma Franz Martin Rhomberg (Färbers) begann 1832 im Rohrbach mit Bleichen, Färben und Drucken von Stoffen. In der Dampfzentrale wurde Heißdampf gewonnen, der auch zur elektrischen Energieumwandlung verwendet wurde (Kraft-Wärme-Kopplung). Hier befindet sich auch eine liegende renovierte Dampfmaschine. Das Areal wird heute für Handel, Gewerbe und Kultureinrichtungen verwendet.

  • 14 (Fa. J.G. Ulmer – nun Wohnhaus)

Die ehemalig hier ursprünglich befindliche „Luger Mühle“ (Fa. Josef Lugers Erben) in der Parzelle Schwefelmühl wurde von den Textilpionieren Ulmer und Salzmann erworben und die mechanische Erzeugung von Baumwolltextilien begonnen. Anfang 1930 kaufte F. M. Rhomberg die Anlagen und Gebäude. Es befand sich hier zur Energiegewinnung eine Girard-Turbine. Die Bewilligung für das Kraftwerk ist wegen Nichtnutzung des Wasserrechtes am 27. Februar 1991 erloschen

  • 15 (Schaukraftwerk Forach)

Das Kraftwerk Forach besteht aus zwei Teilen. Einem Schaukraftwerk der ehemaligen Fa. F.M. Rhomberg und einem nur von außen zu besichtigenden aktiven Kraftwerk mit Durchlaufturbine.[4][7]

Die 15 Stationen der Freiluft-Ausstellung kann in etwa 2 Stunden abgegangen werden. Die Station 1 im Gütle kann halbstündlich mit der Landbuslinie 177 (gelbe Busse) erreicht werden, die Station 15 im Forach viertelstündlich mit der Stadtbuslinie 204 (rote Busse).

Finanzierung

Der Industrielehrpfad wird durch die Stadt Dornbirn, das Land Vorarlberg und den Bund finanziert.[1]

Auszeichnung

  • ISTD International Typografic Award (2024)[8]

Weblinks

Literatur

  • Klaus Fessler, Werner Matt: Stadtspuren — Industrie und Wandel, Verlag: Stadtarchiv Dornbirn, Dornbirn 2023, ISBN 978-3-901900-62-4.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Stadtspuren. Industrie und Wandel, Webseite: stadtarchiv.dornbirn.at, vom 14. Dezember 2021.
  2. 2,0 2,1 Der Industriegeschichte auf der Spur, Webseite: vn.at vom 4. Mai 2023.
  3. Bachem Verlag, Köln 2001, ISBN 3-7616-1460-8.
  4. 4,0 4,1 Eröffnung Stadtspuren, Webseite: stadtarchiv.dornbirn.at vom 17. April 2023.
  5. Dornbirner „Stadtspuren“ erfolgreich eröffnet, Webseite: aktuell.dornbirn.at vom 9. Mai 2023.
  6. Die Ebniterach wird auch im Oberlauf bis zum Staufensee-Stausee als Dornbirner Ach bezeichnet.
  7. Martin Trunk: Funktionelle Betrachtung des Müllerbaches und daraus resultierende Folgen einer Dotation der Dornbirner Ache, Diplomarbeit, Wien 1992.
  8. Stadtarchiv: Dornbirner Gemeindeblatt vom 6. Dezember 2024, S. 4 f.

47.3898289.777372Koordinaten: 47° 23′ 23″ N, 9° 46′ 39″ O